habe sie eben das Zimmer verlassen: so ver¬ gaß er seine Vorsätze, gebehrdete sich wie ein trübseliger Mensch, und rief seine geringsten Diener um Mitleid an. Die ganze Stadt und das ganze Land weinten und klagten von ganzem Herzen mit ihm. Sonderlich war es, daß eine Sage umherging, die Prin¬ zessin lebe noch, und werde bald mit einem Gemahl wiederkommen. Kein Mensch wu߬ te, woher die Sage kam: aber alles hing sich mit frohem Glauben daran, und sah mit ungeduldiger Erwartung ihrer baldigen Wie¬ derkunft entgegen. So vergingen mehrere Monden, bis das Frühjahr wieder heran¬ kam. Was gilts, sagten einige in wunderli¬ chem Muthe, nun kommt auch die Prinzessin wieder. Selbst der König ward heitrer und hoffnungsvoller. Die Sage dünkte ihm wie die Verheißung einer gütigen Macht. Die ehemaligen Feste fingen wieder an, und es
habe ſie eben das Zimmer verlaſſen: ſo ver¬ gaß er ſeine Vorſätze, gebehrdete ſich wie ein trübſeliger Menſch, und rief ſeine geringſten Diener um Mitleid an. Die ganze Stadt und das ganze Land weinten und klagten von ganzem Herzen mit ihm. Sonderlich war es, daß eine Sage umherging, die Prin¬ zeſſin lebe noch, und werde bald mit einem Gemahl wiederkommen. Kein Menſch wu߬ te, woher die Sage kam: aber alles hing ſich mit frohem Glauben daran, und ſah mit ungeduldiger Erwartung ihrer baldigen Wie¬ derkunft entgegen. So vergingen mehrere Monden, bis das Frühjahr wieder heran¬ kam. Was gilts, ſagten einige in wunderli¬ chem Muthe, nun kommt auch die Prinzeſſin wieder. Selbſt der König ward heitrer und hoffnungsvoller. Die Sage dünkte ihm wie die Verheißung einer gütigen Macht. Die ehemaligen Feſte fingen wieder an, und es
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0098"n="90"/>
habe ſie eben das Zimmer verlaſſen: ſo ver¬<lb/>
gaß er ſeine Vorſätze, gebehrdete ſich wie ein<lb/>
trübſeliger Menſch, und rief ſeine geringſten<lb/>
Diener um Mitleid an. Die ganze Stadt<lb/>
und das ganze Land weinten und klagten<lb/>
von ganzem Herzen mit ihm. Sonderlich<lb/>
war es, daß eine Sage umherging, die Prin¬<lb/>
zeſſin lebe noch, und werde bald mit einem<lb/>
Gemahl wiederkommen. Kein Menſch wu߬<lb/>
te, woher die Sage kam: aber alles hing<lb/>ſich mit frohem Glauben daran, und ſah mit<lb/>
ungeduldiger Erwartung ihrer baldigen Wie¬<lb/>
derkunft entgegen. So vergingen mehrere<lb/>
Monden, bis das Frühjahr wieder heran¬<lb/>
kam. Was gilts, ſagten einige in wunderli¬<lb/>
chem Muthe, nun kommt auch die Prinzeſſin<lb/>
wieder. Selbſt der König ward heitrer und<lb/>
hoffnungsvoller. Die Sage dünkte ihm wie<lb/>
die Verheißung einer gütigen Macht. Die<lb/>
ehemaligen Feſte fingen wieder an, und es<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[90/0098]
habe ſie eben das Zimmer verlaſſen: ſo ver¬
gaß er ſeine Vorſätze, gebehrdete ſich wie ein
trübſeliger Menſch, und rief ſeine geringſten
Diener um Mitleid an. Die ganze Stadt
und das ganze Land weinten und klagten
von ganzem Herzen mit ihm. Sonderlich
war es, daß eine Sage umherging, die Prin¬
zeſſin lebe noch, und werde bald mit einem
Gemahl wiederkommen. Kein Menſch wu߬
te, woher die Sage kam: aber alles hing
ſich mit frohem Glauben daran, und ſah mit
ungeduldiger Erwartung ihrer baldigen Wie¬
derkunft entgegen. So vergingen mehrere
Monden, bis das Frühjahr wieder heran¬
kam. Was gilts, ſagten einige in wunderli¬
chem Muthe, nun kommt auch die Prinzeſſin
wieder. Selbſt der König ward heitrer und
hoffnungsvoller. Die Sage dünkte ihm wie
die Verheißung einer gütigen Macht. Die
ehemaligen Feſte fingen wieder an, und es
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/98>, abgerufen am 05.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.