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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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ging als gewöhnlich, so fand sie es ganz na¬
türlich, daß ihr das Herz lebhaft schlug, und
ihr die Brust beklomm. Die Sonne fing
eben an, die Wipfel der alten Bäume zu
vergolden, die sich mit sanftem Flüstern be¬
wegten, als wollten sie sich gegenseitig aus
nächtlichen Gesichtern erwecken, um die Son¬
ne gemeinschaftlich zu begrüßen, als die
Prinzessin durch ein fernes Geräusch veran¬
laßt, den Weg hinunter und den Jüngling
auf sich zueilen sah, der in demselben Augen¬
blick ebenfalls sie bemerkte.

Wie angefesselt blieb er eine Weile stehn,
und blickte unverwandt sie an, gleichsam um
sich zu überzeugen, daß ihre Erscheinung
wirklich und keine Täuschung sey. Sie be¬
grüßten sich mit einem zurückgehaltenen Aus¬
druck von Freude, als hätten sie sich schon
lange gekannt und geliebt. Noch ehe die
Prinzessin die Ursache ihres frühen Spazier¬

ging als gewöhnlich, ſo fand ſie es ganz na¬
türlich, daß ihr das Herz lebhaft ſchlug, und
ihr die Bruſt beklomm. Die Sonne fing
eben an, die Wipfel der alten Bäume zu
vergolden, die ſich mit ſanftem Flüſtern be¬
wegten, als wollten ſie ſich gegenſeitig aus
nächtlichen Geſichtern erwecken, um die Son¬
ne gemeinſchaftlich zu begrüßen, als die
Prinzeſſin durch ein fernes Geräuſch veran¬
laßt, den Weg hinunter und den Jüngling
auf ſich zueilen ſah, der in demſelben Augen¬
blick ebenfalls ſie bemerkte.

Wie angefeſſelt blieb er eine Weile ſtehn,
und blickte unverwandt ſie an, gleichſam um
ſich zu überzeugen, daß ihre Erſcheinung
wirklich und keine Täuſchung ſey. Sie be¬
grüßten ſich mit einem zurückgehaltenen Aus¬
druck von Freude, als hätten ſie ſich ſchon
lange gekannt und geliebt. Noch ehe die
Prinzeſſin die Urſache ihres frühen Spazier¬

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[78/0086] ging als gewöhnlich, ſo fand ſie es ganz na¬ türlich, daß ihr das Herz lebhaft ſchlug, und ihr die Bruſt beklomm. Die Sonne fing eben an, die Wipfel der alten Bäume zu vergolden, die ſich mit ſanftem Flüſtern be¬ wegten, als wollten ſie ſich gegenſeitig aus nächtlichen Geſichtern erwecken, um die Son¬ ne gemeinſchaftlich zu begrüßen, als die Prinzeſſin durch ein fernes Geräuſch veran¬ laßt, den Weg hinunter und den Jüngling auf ſich zueilen ſah, der in demſelben Augen¬ blick ebenfalls ſie bemerkte. Wie angefeſſelt blieb er eine Weile ſtehn, und blickte unverwandt ſie an, gleichſam um ſich zu überzeugen, daß ihre Erſcheinung wirklich und keine Täuſchung ſey. Sie be¬ grüßten ſich mit einem zurückgehaltenen Aus¬ druck von Freude, als hätten ſie ſich ſchon lange gekannt und geliebt. Noch ehe die Prinzeſſin die Urſache ihres frühen Spazier¬

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/86>, abgerufen am 05.05.2024.