Mann sey, wenn ihr von jener Weisheit sprecht, die einen Gott wohlgefälligen Le¬ benswandel angeht. Haltet ihr ihn für eben so weltklug, als er in den Sachen des Heils geübt und unterrichtet ist: so erlaubt uns, daß wir euch nicht beystimmen. Doch glau¬ ben wir, daß dadurch der heilige Mann nichts von seinem verdienten Lobe verliert; da er viel zu vertieft in der Kunde der über¬ irdischen Welt ist, als daß er nach Einsicht und Ansehn in irdischen Dingen streben sollte.
Aber, sagte Heinrich, sollte nicht jene hö¬ here Kunde ebenfalls geschickt machen, recht unpartheiisch den Zügel menschlicher Angele¬ legenheiten zu führen? sollte nicht jene kind¬ liche unbefangene Einfalt sicherer den richti¬ gen Weg durch das Labyrinth der hiesigen Begebenheiten treffen, als die durch Rück¬ sicht auf eigenen Vortheil irregeleitete und gehemmte, von der unerschöpflichen Zahl
Mann ſey, wenn ihr von jener Weisheit ſprecht, die einen Gott wohlgefälligen Le¬ benswandel angeht. Haltet ihr ihn für eben ſo weltklug, als er in den Sachen des Heils geübt und unterrichtet iſt: ſo erlaubt uns, daß wir euch nicht beyſtimmen. Doch glau¬ ben wir, daß dadurch der heilige Mann nichts von ſeinem verdienten Lobe verliert; da er viel zu vertieft in der Kunde der über¬ irdiſchen Welt iſt, als daß er nach Einſicht und Anſehn in irdiſchen Dingen ſtreben ſollte.
Aber, ſagte Heinrich, ſollte nicht jene hö¬ here Kunde ebenfalls geſchickt machen, recht unpartheiiſch den Zügel menſchlicher Angele¬ legenheiten zu führen? ſollte nicht jene kind¬ liche unbefangene Einfalt ſicherer den richti¬ gen Weg durch das Labyrinth der hieſigen Begebenheiten treffen, als die durch Rück¬ ſicht auf eigenen Vortheil irregeleitete und gehemmte, von der unerſchöpflichen Zahl
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Mann ſey, wenn ihr von jener Weisheit
ſprecht, die einen Gott wohlgefälligen Le¬
benswandel angeht. Haltet ihr ihn für eben
ſo weltklug, als er in den Sachen des Heils
geübt und unterrichtet iſt: ſo erlaubt uns,
daß wir euch nicht beyſtimmen. Doch glau¬
ben wir, daß dadurch der heilige Mann
nichts von ſeinem verdienten Lobe verliert;
da er viel zu vertieft in der Kunde der über¬
irdiſchen Welt iſt, als daß er nach Einſicht
und Anſehn in irdiſchen Dingen ſtreben ſollte.
Aber, ſagte Heinrich, ſollte nicht jene hö¬
here Kunde ebenfalls geſchickt machen, recht
unpartheiiſch den Zügel menſchlicher Angele¬
legenheiten zu führen? ſollte nicht jene kind¬
liche unbefangene Einfalt ſicherer den richti¬
gen Weg durch das Labyrinth der hieſigen
Begebenheiten treffen, als die durch Rück¬
ſicht auf eigenen Vortheil irregeleitete und
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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/52>, abgerufen am 04.05.2024.
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