Dichtkunst, die Regsamkeit des höchsten, eigen¬ thümlichsten Daseyns. Eine überraschende Selbstheit ist zwischen einem wahrhaften Lie¬ de und einer edlen Handlung. Das müßige Gewissen in einer glatten nicht widerstehen¬ den Welt wird zum fesselnden Gespräche, zur alleserzählenden Fabel. In den Fluren und Hallen dieser Urwelt lebt der Dichter, und die Tugend ist der Geist seiner irdischen Bewegungen und Einflüsse, so wie diese die unmittelbar wirkende Gottheit unter den Menschen und das wunderbare Widerlicht der höheren Welt ist, so ist es auch die Fa¬ bel. Wie sicher kann nun der Dichter den Eingebungen seiner Begeisterung, oder, wenn auch er einen höhern überirdischen Sinn hat, höhern Wesen folgen, und sich seinem Berufe mit kindlicher Demuth überlas¬ sen. Auch in ihm redet die höhere Stimme des Weltalls, und ruft mit bezaubernden
Dichtkunſt, die Regſamkeit des höchſten, eigen¬ thümlichſten Daſeyns. Eine überraſchende Selbſtheit iſt zwiſchen einem wahrhaften Lie¬ de und einer edlen Handlung. Das müßige Gewiſſen in einer glatten nicht widerſtehen¬ den Welt wird zum feſſelnden Geſpräche, zur alleserzählenden Fabel. In den Fluren und Hallen dieſer Urwelt lebt der Dichter, und die Tugend iſt der Geiſt ſeiner irdiſchen Bewegungen und Einflüſſe, ſo wie dieſe die unmittelbar wirkende Gottheit unter den Menſchen und das wunderbare Widerlicht der höheren Welt iſt, ſo iſt es auch die Fa¬ bel. Wie ſicher kann nun der Dichter den Eingebungen ſeiner Begeiſterung, oder, wenn auch er einen höhern überirdiſchen Sinn hat, höhern Weſen folgen, und ſich ſeinem Berufe mit kindlicher Demuth überlaſ¬ ſen. Auch in ihm redet die höhere Stimme des Weltalls, und ruft mit bezaubernden
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Dichtkunſt, die Regſamkeit des höchſten, eigen¬
thümlichſten Daſeyns. Eine überraſchende
Selbſtheit iſt zwiſchen einem wahrhaften Lie¬
de und einer edlen Handlung. Das müßige
Gewiſſen in einer glatten nicht widerſtehen¬
den Welt wird zum feſſelnden Geſpräche,
zur alleserzählenden Fabel. In den Fluren
und Hallen dieſer Urwelt lebt der Dichter,
und die Tugend iſt der Geiſt ſeiner irdiſchen
Bewegungen und Einflüſſe, ſo wie dieſe die
unmittelbar wirkende Gottheit unter den
Menſchen und das wunderbare Widerlicht
der höheren Welt iſt, ſo iſt es auch die Fa¬
bel. Wie ſicher kann nun der Dichter den
Eingebungen ſeiner Begeiſterung, oder,
wenn auch er einen höhern überirdiſchen
Sinn hat, höhern Weſen folgen, und ſich
ſeinem Berufe mit kindlicher Demuth überlaſ¬
ſen. Auch in ihm redet die höhere Stimme
des Weltalls, und ruft mit bezaubernden
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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/390>, abgerufen am 19.05.2024.
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