in meiner Vaterstadt und wanderte aus dem Thore. Es war, als müßte ich irgend wo¬ hin gehn, um etwas zu bestellen, doch wu߬ te ich nicht wohin, und was ich verrichten solle. Ich ging nach dem Harze mit über¬ aus schnellen Schritten, und wohl war mir, als sey es zur Hochzeit. Ich hielt mich nicht auf dem Wege, sondern immer feldein durch Thal und Wald, und bald kam ich an ei¬ nen hohen Berg. Als ich oben war, sah ich die goldne Aue vor mir, und überschaute Thüringen weit und breit, also daß kein Berg in der Nähe umher mir die Aussicht wehrte. Gegenüber lag der Harz mit seinen dunklen Bergen, und ich sah unzählige Schlösser, Klöster und Ortschaften. Wie mir nun da recht wohl innerlich ward, fiel mir der alte Mann ein, bei dem ich schlief, und es gedäuchte mir, als sey das vor ge¬ raumer Zeit geschehn, daß ich bey ihm ge¬
in meiner Vaterſtadt und wanderte aus dem Thore. Es war, als müßte ich irgend wo¬ hin gehn, um etwas zu beſtellen, doch wu߬ te ich nicht wohin, und was ich verrichten ſolle. Ich ging nach dem Harze mit über¬ aus ſchnellen Schritten, und wohl war mir, als ſey es zur Hochzeit. Ich hielt mich nicht auf dem Wege, ſondern immer feldein durch Thal und Wald, und bald kam ich an ei¬ nen hohen Berg. Als ich oben war, ſah ich die goldne Aue vor mir, und überſchaute Thüringen weit und breit, alſo daß kein Berg in der Nähe umher mir die Ausſicht wehrte. Gegenüber lag der Harz mit ſeinen dunklen Bergen, und ich ſah unzählige Schlöſſer, Klöſter und Ortſchaften. Wie mir nun da recht wohl innerlich ward, fiel mir der alte Mann ein, bei dem ich ſchlief, und es gedäuchte mir, als ſey das vor ge¬ raumer Zeit geſchehn, daß ich bey ihm ge¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0032"n="24"/>
in meiner Vaterſtadt und wanderte aus dem<lb/>
Thore. Es war, als müßte ich irgend wo¬<lb/>
hin gehn, um etwas zu beſtellen, doch wu߬<lb/>
te ich nicht wohin, und was ich verrichten<lb/>ſolle. Ich ging nach dem Harze mit über¬<lb/>
aus ſchnellen Schritten, und wohl war mir,<lb/>
als ſey es zur Hochzeit. Ich hielt mich nicht<lb/>
auf dem Wege, ſondern immer feldein durch<lb/>
Thal und Wald, und bald kam ich an ei¬<lb/>
nen hohen Berg. Als ich oben war, ſah ich<lb/>
die goldne Aue vor mir, und überſchaute<lb/>
Thüringen weit und breit, alſo daß kein<lb/>
Berg in der Nähe umher mir die Ausſicht<lb/>
wehrte. Gegenüber lag der Harz mit ſeinen<lb/>
dunklen Bergen, und ich ſah unzählige<lb/>
Schlöſſer, Klöſter und Ortſchaften. Wie<lb/>
mir nun da recht wohl innerlich ward, fiel<lb/>
mir der alte Mann ein, bei dem ich ſchlief,<lb/>
und es gedäuchte mir, als ſey das vor ge¬<lb/>
raumer Zeit geſchehn, daß ich bey ihm ge¬<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[24/0032]
in meiner Vaterſtadt und wanderte aus dem
Thore. Es war, als müßte ich irgend wo¬
hin gehn, um etwas zu beſtellen, doch wu߬
te ich nicht wohin, und was ich verrichten
ſolle. Ich ging nach dem Harze mit über¬
aus ſchnellen Schritten, und wohl war mir,
als ſey es zur Hochzeit. Ich hielt mich nicht
auf dem Wege, ſondern immer feldein durch
Thal und Wald, und bald kam ich an ei¬
nen hohen Berg. Als ich oben war, ſah ich
die goldne Aue vor mir, und überſchaute
Thüringen weit und breit, alſo daß kein
Berg in der Nähe umher mir die Ausſicht
wehrte. Gegenüber lag der Harz mit ſeinen
dunklen Bergen, und ich ſah unzählige
Schlöſſer, Klöſter und Ortſchaften. Wie
mir nun da recht wohl innerlich ward, fiel
mir der alte Mann ein, bei dem ich ſchlief,
und es gedäuchte mir, als ſey das vor ge¬
raumer Zeit geſchehn, daß ich bey ihm ge¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/32>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.