Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

was zu sagen. Dieser vernahm ihn genau,
und wenn er es aufgezeichnet hatte, reichte
er die Blätter einer edlen, göttergleichen
Frau hin, die sich an einen Altar lehnte, auf
welchem eine dunkle Schaale mit klarem
Wasser stand, in welches sie mit heiterm Lä¬
cheln blickte. Sie tauchte die Blätter jedes¬
mal hinein, und wenn sie bey'm Herausziehn
gewahr wurde, daß einige Schrift stehen ge¬
blieben und glänzend geworden war, so gab
sie das Blatt dem Schreiber zurück, der es
in ein großes Buch heftete, und oft verdrie߬
lich zu seyn schien, wenn seine Mühe vergeb¬
lich gewesen und alles ausgelöscht war. Die
Frau wandte sich zu Zeiten gegen Ginni¬
stan und die Kinder, tauchte den Finger in
die Schaale, und sprützte einige Tropfen auf
sie hin, die, sobald sie die Amme, das Kind,
oder die Wiege berührten, in einen blauen
Dunst zerrannen, der tausend seltsame Bil¬

was zu ſagen. Dieſer vernahm ihn genau,
und wenn er es aufgezeichnet hatte, reichte
er die Blätter einer edlen, göttergleichen
Frau hin, die ſich an einen Altar lehnte, auf
welchem eine dunkle Schaale mit klarem
Waſſer ſtand, in welches ſie mit heiterm Lä¬
cheln blickte. Sie tauchte die Blätter jedes¬
mal hinein, und wenn ſie bey'm Herausziehn
gewahr wurde, daß einige Schrift ſtehen ge¬
blieben und glänzend geworden war, ſo gab
ſie das Blatt dem Schreiber zurück, der es
in ein großes Buch heftete, und oft verdrie߬
lich zu ſeyn ſchien, wenn ſeine Mühe vergeb¬
lich geweſen und alles ausgelöſcht war. Die
Frau wandte ſich zu Zeiten gegen Ginni¬
ſtan und die Kinder, tauchte den Finger in
die Schaale, und ſprützte einige Tropfen auf
ſie hin, die, ſobald ſie die Amme, das Kind,
oder die Wiege berührten, in einen blauen
Dunſt zerrannen, der tauſend ſeltſame Bil¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0287" n="279"/>
was zu &#x017F;agen. Die&#x017F;er vernahm ihn genau,<lb/>
und wenn er es aufgezeichnet hatte, reichte<lb/>
er die Blätter einer edlen, göttergleichen<lb/>
Frau hin, die &#x017F;ich an einen Altar lehnte, auf<lb/>
welchem eine dunkle Schaale mit klarem<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;tand, in welches &#x017F;ie mit heiterm Lä¬<lb/>
cheln blickte. Sie tauchte die Blätter jedes¬<lb/>
mal hinein, und wenn &#x017F;ie bey'm Herausziehn<lb/>
gewahr wurde, daß einige Schrift &#x017F;tehen ge¬<lb/>
blieben und glänzend geworden war, &#x017F;o gab<lb/>
&#x017F;ie das Blatt dem Schreiber zurück, der es<lb/>
in ein großes Buch heftete, und oft verdrie߬<lb/>
lich zu &#x017F;eyn &#x017F;chien, wenn &#x017F;eine Mühe vergeb¬<lb/>
lich gewe&#x017F;en und alles ausgelö&#x017F;cht war. Die<lb/>
Frau wandte &#x017F;ich zu Zeiten gegen Ginni¬<lb/>
&#x017F;tan und die Kinder, tauchte den Finger in<lb/>
die Schaale, und &#x017F;prützte einige Tropfen auf<lb/>
&#x017F;ie hin, die, &#x017F;obald &#x017F;ie die Amme, das Kind,<lb/>
oder die Wiege berührten, in einen blauen<lb/>
Dun&#x017F;t zerrannen, der tau&#x017F;end &#x017F;elt&#x017F;ame Bil¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[279/0287] was zu ſagen. Dieſer vernahm ihn genau, und wenn er es aufgezeichnet hatte, reichte er die Blätter einer edlen, göttergleichen Frau hin, die ſich an einen Altar lehnte, auf welchem eine dunkle Schaale mit klarem Waſſer ſtand, in welches ſie mit heiterm Lä¬ cheln blickte. Sie tauchte die Blätter jedes¬ mal hinein, und wenn ſie bey'm Herausziehn gewahr wurde, daß einige Schrift ſtehen ge¬ blieben und glänzend geworden war, ſo gab ſie das Blatt dem Schreiber zurück, der es in ein großes Buch heftete, und oft verdrie߬ lich zu ſeyn ſchien, wenn ſeine Mühe vergeb¬ lich geweſen und alles ausgelöſcht war. Die Frau wandte ſich zu Zeiten gegen Ginni¬ ſtan und die Kinder, tauchte den Finger in die Schaale, und ſprützte einige Tropfen auf ſie hin, die, ſobald ſie die Amme, das Kind, oder die Wiege berührten, in einen blauen Dunſt zerrannen, der tauſend ſeltſame Bil¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/287
Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/287>, abgerufen am 22.11.2024.