eine Schutzwehr gegen die Regelmäßigkeit und Gewöhnlichkeit des Lebens, eine freye Erholung der gebundenen Fantasie, wo sie alle Bilder des Lebens durcheinander wirft, und die beständige Ernsthaftigkeit des er¬ wachsenen Menschen durch ein fröhliches Kinderspiel unterbricht. Ohne die Träume würden wir gewiß früher alt, und so kann man den Traum, wenn auch nicht als un¬ mittelbar von oben gegeben, doch als eine göttliche Mitgabe, einen freundlichen Beglei¬ ter auf der Wallfahrt zum heiligen Grabe betrachten. Gewiß ist der Traum, den ich heute Nacht träumte, kein unwirksamer Zu¬ fall in meinem Leben gewesen, denn ich füh¬ le es, daß er in meine Seele wie ein weites Rad hineingreift, und sie in mächtigem Schwunge forttreibt.
Der Vater lächelte freundlich und sagte, indem er die Mutter, die eben hereintrat,
eine Schutzwehr gegen die Regelmäßigkeit und Gewöhnlichkeit des Lebens, eine freye Erholung der gebundenen Fantaſie, wo ſie alle Bilder des Lebens durcheinander wirft, und die beſtändige Ernſthaftigkeit des er¬ wachſenen Menſchen durch ein fröhliches Kinderſpiel unterbricht. Ohne die Träume würden wir gewiß früher alt, und ſo kann man den Traum, wenn auch nicht als un¬ mittelbar von oben gegeben, doch als eine göttliche Mitgabe, einen freundlichen Beglei¬ ter auf der Wallfahrt zum heiligen Grabe betrachten. Gewiß iſt der Traum, den ich heute Nacht träumte, kein unwirkſamer Zu¬ fall in meinem Leben geweſen, denn ich füh¬ le es, daß er in meine Seele wie ein weites Rad hineingreift, und ſie in mächtigem Schwunge forttreibt.
Der Vater lächelte freundlich und ſagte, indem er die Mutter, die eben hereintrat,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0027"n="19"/>
eine Schutzwehr gegen die Regelmäßigkeit<lb/>
und Gewöhnlichkeit des Lebens, eine freye<lb/>
Erholung der gebundenen Fantaſie, wo ſie<lb/>
alle Bilder des Lebens durcheinander wirft,<lb/>
und die beſtändige Ernſthaftigkeit des er¬<lb/>
wachſenen Menſchen durch ein fröhliches<lb/>
Kinderſpiel unterbricht. Ohne die Träume<lb/>
würden wir gewiß früher alt, und ſo kann<lb/>
man den Traum, wenn auch nicht als un¬<lb/>
mittelbar von oben gegeben, doch als eine<lb/>
göttliche Mitgabe, einen freundlichen Beglei¬<lb/>
ter auf der Wallfahrt zum heiligen Grabe<lb/>
betrachten. Gewiß iſt der Traum, den ich<lb/>
heute Nacht träumte, kein unwirkſamer Zu¬<lb/>
fall in meinem Leben geweſen, denn ich füh¬<lb/>
le es, daß er in meine Seele wie ein weites<lb/>
Rad hineingreift, und ſie in mächtigem<lb/>
Schwunge forttreibt.</p><lb/><p>Der Vater lächelte freundlich und ſagte,<lb/>
indem er die Mutter, die eben hereintrat,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[19/0027]
eine Schutzwehr gegen die Regelmäßigkeit
und Gewöhnlichkeit des Lebens, eine freye
Erholung der gebundenen Fantaſie, wo ſie
alle Bilder des Lebens durcheinander wirft,
und die beſtändige Ernſthaftigkeit des er¬
wachſenen Menſchen durch ein fröhliches
Kinderſpiel unterbricht. Ohne die Träume
würden wir gewiß früher alt, und ſo kann
man den Traum, wenn auch nicht als un¬
mittelbar von oben gegeben, doch als eine
göttliche Mitgabe, einen freundlichen Beglei¬
ter auf der Wallfahrt zum heiligen Grabe
betrachten. Gewiß iſt der Traum, den ich
heute Nacht träumte, kein unwirkſamer Zu¬
fall in meinem Leben geweſen, denn ich füh¬
le es, daß er in meine Seele wie ein weites
Rad hineingreift, und ſie in mächtigem
Schwunge forttreibt.
Der Vater lächelte freundlich und ſagte,
indem er die Mutter, die eben hereintrat,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/27>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.