Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

eine Schutzwehr gegen die Regelmäßigkeit
und Gewöhnlichkeit des Lebens, eine freye
Erholung der gebundenen Fantasie, wo sie
alle Bilder des Lebens durcheinander wirft,
und die beständige Ernsthaftigkeit des er¬
wachsenen Menschen durch ein fröhliches
Kinderspiel unterbricht. Ohne die Träume
würden wir gewiß früher alt, und so kann
man den Traum, wenn auch nicht als un¬
mittelbar von oben gegeben, doch als eine
göttliche Mitgabe, einen freundlichen Beglei¬
ter auf der Wallfahrt zum heiligen Grabe
betrachten. Gewiß ist der Traum, den ich
heute Nacht träumte, kein unwirksamer Zu¬
fall in meinem Leben gewesen, denn ich füh¬
le es, daß er in meine Seele wie ein weites
Rad hineingreift, und sie in mächtigem
Schwunge forttreibt.

Der Vater lächelte freundlich und sagte,
indem er die Mutter, die eben hereintrat,

eine Schutzwehr gegen die Regelmäßigkeit
und Gewöhnlichkeit des Lebens, eine freye
Erholung der gebundenen Fantaſie, wo ſie
alle Bilder des Lebens durcheinander wirft,
und die beſtändige Ernſthaftigkeit des er¬
wachſenen Menſchen durch ein fröhliches
Kinderſpiel unterbricht. Ohne die Träume
würden wir gewiß früher alt, und ſo kann
man den Traum, wenn auch nicht als un¬
mittelbar von oben gegeben, doch als eine
göttliche Mitgabe, einen freundlichen Beglei¬
ter auf der Wallfahrt zum heiligen Grabe
betrachten. Gewiß iſt der Traum, den ich
heute Nacht träumte, kein unwirkſamer Zu¬
fall in meinem Leben geweſen, denn ich füh¬
le es, daß er in meine Seele wie ein weites
Rad hineingreift, und ſie in mächtigem
Schwunge forttreibt.

Der Vater lächelte freundlich und ſagte,
indem er die Mutter, die eben hereintrat,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0027" n="19"/>
eine Schutzwehr gegen die Regelmäßigkeit<lb/>
und Gewöhnlichkeit des Lebens, eine freye<lb/>
Erholung der gebundenen Fanta&#x017F;ie, wo &#x017F;ie<lb/>
alle Bilder des Lebens durcheinander wirft,<lb/>
und die be&#x017F;tändige Ern&#x017F;thaftigkeit des er¬<lb/>
wach&#x017F;enen Men&#x017F;chen durch ein fröhliches<lb/>
Kinder&#x017F;piel unterbricht. Ohne die Träume<lb/>
würden wir gewiß früher alt, und &#x017F;o kann<lb/>
man den Traum, wenn auch nicht als un¬<lb/>
mittelbar von oben gegeben, doch als eine<lb/>
göttliche Mitgabe, einen freundlichen Beglei¬<lb/>
ter auf der Wallfahrt zum heiligen Grabe<lb/>
betrachten. Gewiß i&#x017F;t der Traum, den ich<lb/>
heute Nacht träumte, kein unwirk&#x017F;amer Zu¬<lb/>
fall in meinem Leben gewe&#x017F;en, denn ich füh¬<lb/>
le es, daß er in meine Seele wie ein weites<lb/>
Rad hineingreift, und &#x017F;ie in mächtigem<lb/>
Schwunge forttreibt.</p><lb/>
            <p>Der Vater lächelte freundlich und &#x017F;agte,<lb/>
indem er die Mutter, die eben hereintrat,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0027] eine Schutzwehr gegen die Regelmäßigkeit und Gewöhnlichkeit des Lebens, eine freye Erholung der gebundenen Fantaſie, wo ſie alle Bilder des Lebens durcheinander wirft, und die beſtändige Ernſthaftigkeit des er¬ wachſenen Menſchen durch ein fröhliches Kinderſpiel unterbricht. Ohne die Träume würden wir gewiß früher alt, und ſo kann man den Traum, wenn auch nicht als un¬ mittelbar von oben gegeben, doch als eine göttliche Mitgabe, einen freundlichen Beglei¬ ter auf der Wallfahrt zum heiligen Grabe betrachten. Gewiß iſt der Traum, den ich heute Nacht träumte, kein unwirkſamer Zu¬ fall in meinem Leben geweſen, denn ich füh¬ le es, daß er in meine Seele wie ein weites Rad hineingreift, und ſie in mächtigem Schwunge forttreibt. Der Vater lächelte freundlich und ſagte, indem er die Mutter, die eben hereintrat,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/27
Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/27>, abgerufen am 22.11.2024.