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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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ge Zweifel zu haben. Sie hatte keine Zeit
sich zu besinnen. Der Vater führte beyde in
den hohen, erleuchteten Saal. Da bringe
ich meine Tochter und meinen Enkel aus Ei¬
senach, rief Schwaning in das frohe Getüm¬
mel glänzend gekleideter Menschen. Alle
Augen kehrten sich nach der Thür; alles lief
herzu, die Musik schwieg, und die beyden
Reisenden standen verwirrt und geblendet in
ihren staubigen Kleidern, mitten in der bun¬
ten Schaar. Tausend freudige Ausrufungen
gingen von Mund zu Mund. Alte Bekann¬
te drängten sich um die Mutter. Es gab un¬
zählige Fragen. Jedes wollte zuerst gekannt
und bewillkommet seyn. Während der ältere
Theil der Gesellschaft sich mit der Mutter
beschäftigte, heftete sich die Aufmerksamkeit
des jüngeren Theils auf den fremden Jüng¬
ling, der mit gesenktem Blick da stand, und
nicht das Herz hatte, die unbekannten Gesich¬

ge Zweifel zu haben. Sie hatte keine Zeit
ſich zu beſinnen. Der Vater führte beyde in
den hohen, erleuchteten Saal. Da bringe
ich meine Tochter und meinen Enkel aus Ei¬
ſenach, rief Schwaning in das frohe Getüm¬
mel glänzend gekleideter Menſchen. Alle
Augen kehrten ſich nach der Thür; alles lief
herzu, die Muſik ſchwieg, und die beyden
Reiſenden ſtanden verwirrt und geblendet in
ihren ſtaubigen Kleidern, mitten in der bun¬
ten Schaar. Tauſend freudige Ausrufungen
gingen von Mund zu Mund. Alte Bekann¬
te drängten ſich um die Mutter. Es gab un¬
zählige Fragen. Jedes wollte zuerſt gekannt
und bewillkommet ſeyn. Während der ältere
Theil der Geſellſchaft ſich mit der Mutter
beſchäftigte, heftete ſich die Aufmerkſamkeit
des jüngeren Theils auf den fremden Jüng¬
ling, der mit geſenktem Blick da ſtand, und
nicht das Herz hatte, die unbekannten Geſich¬

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[210/0218] ge Zweifel zu haben. Sie hatte keine Zeit ſich zu beſinnen. Der Vater führte beyde in den hohen, erleuchteten Saal. Da bringe ich meine Tochter und meinen Enkel aus Ei¬ ſenach, rief Schwaning in das frohe Getüm¬ mel glänzend gekleideter Menſchen. Alle Augen kehrten ſich nach der Thür; alles lief herzu, die Muſik ſchwieg, und die beyden Reiſenden ſtanden verwirrt und geblendet in ihren ſtaubigen Kleidern, mitten in der bun¬ ten Schaar. Tauſend freudige Ausrufungen gingen von Mund zu Mund. Alte Bekann¬ te drängten ſich um die Mutter. Es gab un¬ zählige Fragen. Jedes wollte zuerſt gekannt und bewillkommet ſeyn. Während der ältere Theil der Geſellſchaft ſich mit der Mutter beſchäftigte, heftete ſich die Aufmerkſamkeit des jüngeren Theils auf den fremden Jüng¬ ling, der mit geſenktem Blick da ſtand, und nicht das Herz hatte, die unbekannten Geſich¬

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/218>, abgerufen am 24.11.2024.