Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Einsiedler fragte seine Gäste nach
ihrem Vaterlande, und wie sie in diese Ge¬
genden gekommen wären. Er war sehr
freundlich und offen, und verrieth eine große
Bekanntschaft mit der Welt. Der Alte
sagte; Ich sehe, ihr seyd ein Kriegsmann
gewesen, die Rüstung verräth euch. -- Die
Gefahren und Wechsel des Krieges, der
hohe poetische Geist, der ein Kriegsheer be¬
gleitet, rissen mich aus meiner jugendlichen
Einsamkeit und bestimmten die Schicksale
meines Lebens. Vielleicht, daß das lange
Getümmel, die unzähligen Begebenheiten, de¬
nen ich beywohnte, mir den Sinn für die
Einsamkeit noch mehr geöffnet haben: die
zahllosen Erinnerungen sind eine unterhaltende
Gesellschaft, und dies um so mehr, je verän¬
derter der Blick ist, mit dem wir sie über¬
schauen, und der nun erst ihren wahren Zu¬

sam¬

Der Einſiedler fragte ſeine Gäſte nach
ihrem Vaterlande, und wie ſie in dieſe Ge¬
genden gekommen wären. Er war ſehr
freundlich und offen, und verrieth eine große
Bekanntſchaft mit der Welt. Der Alte
ſagte; Ich ſehe, ihr ſeyd ein Kriegsmann
geweſen, die Rüſtung verräth euch. — Die
Gefahren und Wechſel des Krieges, der
hohe poetiſche Geiſt, der ein Kriegsheer be¬
gleitet, riſſen mich aus meiner jugendlichen
Einſamkeit und beſtimmten die Schickſale
meines Lebens. Vielleicht, daß das lange
Getümmel, die unzähligen Begebenheiten, de¬
nen ich beywohnte, mir den Sinn für die
Einſamkeit noch mehr geöffnet haben: die
zahlloſen Erinnerungen ſind eine unterhaltende
Geſellſchaft, und dies um ſo mehr, je verän¬
derter der Blick iſt, mit dem wir ſie über¬
ſchauen, und der nun erſt ihren wahren Zu¬

ſam¬
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0184" n="176"/>
            <p>Der Ein&#x017F;iedler fragte &#x017F;eine Gä&#x017F;te nach<lb/>
ihrem Vaterlande, und wie &#x017F;ie in die&#x017F;e Ge¬<lb/>
genden gekommen wären. Er war &#x017F;ehr<lb/>
freundlich und offen, und verrieth eine große<lb/>
Bekannt&#x017F;chaft mit der Welt. Der Alte<lb/>
&#x017F;agte; Ich &#x017F;ehe, ihr &#x017F;eyd ein Kriegsmann<lb/>
gewe&#x017F;en, die Rü&#x017F;tung verräth euch. &#x2014; Die<lb/>
Gefahren und Wech&#x017F;el des Krieges, der<lb/>
hohe poeti&#x017F;che Gei&#x017F;t, der ein Kriegsheer be¬<lb/>
gleitet, ri&#x017F;&#x017F;en mich aus meiner jugendlichen<lb/>
Ein&#x017F;amkeit und be&#x017F;timmten die Schick&#x017F;ale<lb/>
meines Lebens. Vielleicht, daß das lange<lb/>
Getümmel, die unzähligen Begebenheiten, de¬<lb/>
nen ich beywohnte, mir den Sinn für die<lb/>
Ein&#x017F;amkeit noch mehr geöffnet haben: die<lb/>
zahllo&#x017F;en Erinnerungen &#x017F;ind eine unterhaltende<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, und dies um &#x017F;o mehr, je verän¬<lb/>
derter der Blick i&#x017F;t, mit dem wir &#x017F;ie über¬<lb/>
&#x017F;chauen, und der nun er&#x017F;t ihren wahren Zu¬<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;am¬<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0184] Der Einſiedler fragte ſeine Gäſte nach ihrem Vaterlande, und wie ſie in dieſe Ge¬ genden gekommen wären. Er war ſehr freundlich und offen, und verrieth eine große Bekanntſchaft mit der Welt. Der Alte ſagte; Ich ſehe, ihr ſeyd ein Kriegsmann geweſen, die Rüſtung verräth euch. — Die Gefahren und Wechſel des Krieges, der hohe poetiſche Geiſt, der ein Kriegsheer be¬ gleitet, riſſen mich aus meiner jugendlichen Einſamkeit und beſtimmten die Schickſale meines Lebens. Vielleicht, daß das lange Getümmel, die unzähligen Begebenheiten, de¬ nen ich beywohnte, mir den Sinn für die Einſamkeit noch mehr geöffnet haben: die zahlloſen Erinnerungen ſind eine unterhaltende Geſellſchaft, und dies um ſo mehr, je verän¬ derter der Blick iſt, mit dem wir ſie über¬ ſchauen, und der nun erſt ihren wahren Zu¬ ſam¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/184
Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/184>, abgerufen am 22.11.2024.