Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht im mindesten verwundert; wie ein Be¬
kannter begrüßte er sie. Es war, als emp¬
fing er erwartete Gäste in seinem Wohnhau¬
se. Es ist doch schön, daß ihr mich besucht,
sagte er; Ihr seyd die ersten Freunde, die
ich hier sehe, so lange ich auch schon hier
wohne. Scheint es doch, als finge man an,
unser großes wunderbares Haus genauer zu
betrachten. Der Alte erwiederte: Wir haben
nicht vermuthet, einen so freundlichen Wirth
hier zu finden. Von wilden Thieren und
Geistern war uns erzählt, und nun sehen wir
uns auf das anmuthigste getäuscht. Wenn
wir euch in eurer Andacht und in euren tief¬
sinnigen Betrachtungen gestört haben: so ver¬
zeiht es unserer Neugierde. -- Könnte eine
Betrachtung erfreulicher seyn, sagte der Unbe¬
kannte, als die froher uns zusagender Men¬
schengesichter? Haltet mich nicht für einen
Menschenfeind, weil ihr mich in dieser Einöde

nicht im mindeſten verwundert; wie ein Be¬
kannter begrüßte er ſie. Es war, als emp¬
fing er erwartete Gäſte in ſeinem Wohnhau¬
ſe. Es iſt doch ſchön, daß ihr mich beſucht,
ſagte er; Ihr ſeyd die erſten Freunde, die
ich hier ſehe, ſo lange ich auch ſchon hier
wohne. Scheint es doch, als finge man an,
unſer großes wunderbares Haus genauer zu
betrachten. Der Alte erwiederte: Wir haben
nicht vermuthet, einen ſo freundlichen Wirth
hier zu finden. Von wilden Thieren und
Geiſtern war uns erzählt, und nun ſehen wir
uns auf das anmuthigſte getäuſcht. Wenn
wir euch in eurer Andacht und in euren tief¬
ſinnigen Betrachtungen geſtört haben: ſo ver¬
zeiht es unſerer Neugierde. — Könnte eine
Betrachtung erfreulicher ſeyn, ſagte der Unbe¬
kannte, als die froher uns zuſagender Men¬
ſchengeſichter? Haltet mich nicht für einen
Menſchenfeind, weil ihr mich in dieſer Einöde

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0179" n="171"/>
nicht im minde&#x017F;ten verwundert; wie ein Be¬<lb/>
kannter begrüßte er &#x017F;ie. Es war, als emp¬<lb/>
fing er erwartete Gä&#x017F;te in &#x017F;einem Wohnhau¬<lb/>
&#x017F;e. Es i&#x017F;t doch &#x017F;chön, daß ihr mich be&#x017F;ucht,<lb/>
&#x017F;agte er; Ihr &#x017F;eyd die er&#x017F;ten Freunde, die<lb/>
ich hier &#x017F;ehe, &#x017F;o lange ich auch &#x017F;chon hier<lb/>
wohne. Scheint es doch, als finge man an,<lb/>
un&#x017F;er großes wunderbares Haus genauer zu<lb/>
betrachten. Der Alte erwiederte: Wir haben<lb/>
nicht vermuthet, einen &#x017F;o freundlichen Wirth<lb/>
hier zu finden. Von wilden Thieren und<lb/>
Gei&#x017F;tern war uns erzählt, und nun &#x017F;ehen wir<lb/>
uns auf das anmuthig&#x017F;te getäu&#x017F;cht. Wenn<lb/>
wir euch in eurer Andacht und in euren tief¬<lb/>
&#x017F;innigen Betrachtungen ge&#x017F;tört haben: &#x017F;o ver¬<lb/>
zeiht es un&#x017F;erer Neugierde. &#x2014; Könnte eine<lb/>
Betrachtung erfreulicher &#x017F;eyn, &#x017F;agte der Unbe¬<lb/>
kannte, als die froher uns zu&#x017F;agender Men¬<lb/>
&#x017F;chenge&#x017F;ichter? Haltet mich nicht für einen<lb/>
Men&#x017F;chenfeind, weil ihr mich in die&#x017F;er Einöde<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0179] nicht im mindeſten verwundert; wie ein Be¬ kannter begrüßte er ſie. Es war, als emp¬ fing er erwartete Gäſte in ſeinem Wohnhau¬ ſe. Es iſt doch ſchön, daß ihr mich beſucht, ſagte er; Ihr ſeyd die erſten Freunde, die ich hier ſehe, ſo lange ich auch ſchon hier wohne. Scheint es doch, als finge man an, unſer großes wunderbares Haus genauer zu betrachten. Der Alte erwiederte: Wir haben nicht vermuthet, einen ſo freundlichen Wirth hier zu finden. Von wilden Thieren und Geiſtern war uns erzählt, und nun ſehen wir uns auf das anmuthigſte getäuſcht. Wenn wir euch in eurer Andacht und in euren tief¬ ſinnigen Betrachtungen geſtört haben: ſo ver¬ zeiht es unſerer Neugierde. — Könnte eine Betrachtung erfreulicher ſeyn, ſagte der Unbe¬ kannte, als die froher uns zuſagender Men¬ ſchengeſichter? Haltet mich nicht für einen Menſchenfeind, weil ihr mich in dieſer Einöde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/179
Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/179>, abgerufen am 22.11.2024.