nem Gesang, und zu den weiten Thoren tra¬ ten alle Creaturen herein, von denen jede ih¬ re innere Natur in einer einfachen Bitte und in einer eigenthümlichen Mundart vernehm¬ lich aussprach. Wie wunderte er sich, daß ihm diese klare, seinem Daseyn schon unent¬ behrliche Ansicht so lange fremd geblieben war. Nun übersah er auf einmal alle seine Verhältnisse mit der weiten Welt um ihn her; fühlte was er durch sie geworden und was sie ihm werden würde, und begrif alle die seltsamen Vorstellungen und Anre¬ gungen, die er schon oft in ihrem Anschauen gespürt hatte. Die Erzählung der Kaufleu¬ te von dem Jünglinge, der die Natur so em¬ sig betrachtete, und der Eydam des Königs wurde, kam ihm wieder zu Gedanken, und tausend andere Erinnerungen seines Lebens knüpften sich von selbst an einen zauberischen Faden. Während der Zeit, daß Heinrich sei¬
nem Geſang, und zu den weiten Thoren tra¬ ten alle Creaturen herein, von denen jede ih¬ re innere Natur in einer einfachen Bitte und in einer eigenthümlichen Mundart vernehm¬ lich ausſprach. Wie wunderte er ſich, daß ihm dieſe klare, ſeinem Daſeyn ſchon unent¬ behrliche Anſicht ſo lange fremd geblieben war. Nun überſah er auf einmal alle ſeine Verhältniſſe mit der weiten Welt um ihn her; fühlte was er durch ſie geworden und was ſie ihm werden würde, und begrif alle die ſeltſamen Vorſtellungen und Anre¬ gungen, die er ſchon oft in ihrem Anſchauen geſpürt hatte. Die Erzählung der Kaufleu¬ te von dem Jünglinge, der die Natur ſo em¬ ſig betrachtete, und der Eydam des Königs wurde, kam ihm wieder zu Gedanken, und tauſend andere Erinnerungen ſeines Lebens knüpften ſich von ſelbſt an einen zauberiſchen Faden. Während der Zeit, daß Heinrich ſei¬
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nem Geſang, und zu den weiten Thoren tra¬
ten alle Creaturen herein, von denen jede ih¬
re innere Natur in einer einfachen Bitte und
in einer eigenthümlichen Mundart vernehm¬
lich ausſprach. Wie wunderte er ſich, daß
ihm dieſe klare, ſeinem Daſeyn ſchon unent¬
behrliche Anſicht ſo lange fremd geblieben
war. Nun überſah er auf einmal alle
ſeine Verhältniſſe mit der weiten Welt um
ihn her; fühlte was er durch ſie geworden
und was ſie ihm werden würde, und begrif
alle die ſeltſamen Vorſtellungen und Anre¬
gungen, die er ſchon oft in ihrem Anſchauen
geſpürt hatte. Die Erzählung der Kaufleu¬
te von dem Jünglinge, der die Natur ſo em¬
ſig betrachtete, und der Eydam des Königs
wurde, kam ihm wieder zu Gedanken, und
tauſend andere Erinnerungen ſeines Lebens
knüpften ſich von ſelbſt an einen zauberiſchen
Faden. Während der Zeit, daß Heinrich ſei¬
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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/171>, abgerufen am 05.05.2024.
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