Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.befällt mich so ein tiefes, inniges Treiben: befällt mich ſo ein tiefes, inniges Treiben: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0017" n="9"/> befällt mich ſo ein tiefes, inniges Treiben:<lb/> das kann und wird Keiner verſtehn. Ich<lb/> glaubte, ich wäre wahnſinnig, wenn ich<lb/> nicht ſo klar und hell ſähe und dächte, mir<lb/> iſt ſeitdem alles viel bekannter. Ich hörte<lb/> einſt von alten Zeiten reden; wie da die<lb/> Thiere und Bäume und Felſen mit den<lb/> Menſchen geſprochen hätten. Mir iſt grade<lb/> ſo, als wollten ſie allaugenblicklich an¬<lb/> fangen, und als könnte ich es ihnen anſe¬<lb/> hen, was ſie mir ſagen wollten. Es muß<lb/> noch viel Worte geben, die ich nicht weiß:<lb/> wüßte ich mehr, ſo könnte ich viel beſſer al¬<lb/> les begreifen. Sonſt tanzte ich gern; jezt<lb/> denke ich lieber nach der Muſik. Der Jüng¬<lb/> ling verlohr ſich allmählich in ſüßen Fanta¬<lb/> ſien und entſchlummerte. Da träumte ihm<lb/> erſt von unabſehlichen Fernen, und wilden,<lb/> unbekannten Gegenden. Er wanderte über<lb/> Meere mit unbegreiflicher Leichtigkeit; wun¬<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [9/0017]
befällt mich ſo ein tiefes, inniges Treiben:
das kann und wird Keiner verſtehn. Ich
glaubte, ich wäre wahnſinnig, wenn ich
nicht ſo klar und hell ſähe und dächte, mir
iſt ſeitdem alles viel bekannter. Ich hörte
einſt von alten Zeiten reden; wie da die
Thiere und Bäume und Felſen mit den
Menſchen geſprochen hätten. Mir iſt grade
ſo, als wollten ſie allaugenblicklich an¬
fangen, und als könnte ich es ihnen anſe¬
hen, was ſie mir ſagen wollten. Es muß
noch viel Worte geben, die ich nicht weiß:
wüßte ich mehr, ſo könnte ich viel beſſer al¬
les begreifen. Sonſt tanzte ich gern; jezt
denke ich lieber nach der Muſik. Der Jüng¬
ling verlohr ſich allmählich in ſüßen Fanta¬
ſien und entſchlummerte. Da träumte ihm
erſt von unabſehlichen Fernen, und wilden,
unbekannten Gegenden. Er wanderte über
Meere mit unbegreiflicher Leichtigkeit; wun¬
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Zitationshilfe: | Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/17>, abgerufen am 22.07.2024. |