Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

Tönen begleitet, erwachte. Es war ihm ge¬
wiß, daß es eine Laute sey; er blieb verwun¬
derungsvoll stehen, und hörte in gebrochner
deutscher Aussprache folgendes Lied:

Bricht das matte Herz noch immer
Unter fremdem Himmel nicht?
Kommt der Hoffnung bleicher Schimmer
Immer mir noch zu Gesicht?
Kann ich wohl noch Rückkehr wähnen?
Stromweis stürzen meine Thränen,
Bis mein Herz in Kummer bricht.
Könnt ich dir die Myrthen zeigen
Und der Zeder dunkles Haar!
Führen dich zum frohen Reigen
Der geschwisterlichen Schaar!
Sähst du im gestickten Kleide,
Stolz im köstlichen Geschmeide
Deine Freundinn, wie sie war.

Tönen begleitet, erwachte. Es war ihm ge¬
wiß, daß es eine Laute ſey; er blieb verwun¬
derungsvoll ſtehen, und hörte in gebrochner
deutſcher Ausſprache folgendes Lied:

Bricht das matte Herz noch immer
Unter fremdem Himmel nicht?
Kommt der Hoffnung bleicher Schimmer
Immer mir noch zu Geſicht?
Kann ich wohl noch Rückkehr wähnen?
Stromweis ſtürzen meine Thränen,
Bis mein Herz in Kummer bricht.
Könnt ich dir die Myrthen zeigen
Und der Zeder dunkles Haar!
Führen dich zum frohen Reigen
Der geſchwiſterlichen Schaar!
Sähſt du im geſtickten Kleide,
Stolz im köſtlichen Geſchmeide
Deine Freundinn, wie ſie war.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0124" n="116"/>
Tönen begleitet, erwachte. Es war ihm ge¬<lb/>
wiß, daß es eine Laute &#x017F;ey; er blieb verwun¬<lb/>
derungsvoll &#x017F;tehen, und hörte in gebrochner<lb/>
deut&#x017F;cher Aus&#x017F;prache folgendes Lied:</p><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l>Bricht das matte Herz noch immer</l><lb/>
                <l>Unter fremdem Himmel nicht?</l><lb/>
                <l>Kommt der Hoffnung bleicher Schimmer</l><lb/>
                <l>Immer mir noch zu Ge&#x017F;icht?</l><lb/>
                <l>Kann ich wohl noch Rückkehr wähnen?</l><lb/>
                <l>Stromweis &#x017F;türzen meine Thränen,</l><lb/>
                <l>Bis mein Herz in Kummer bricht.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="2">
                <l>Könnt ich dir die Myrthen zeigen</l><lb/>
                <l>Und der Zeder dunkles Haar!</l><lb/>
                <l>Führen dich zum frohen Reigen</l><lb/>
                <l>Der ge&#x017F;chwi&#x017F;terlichen Schaar!</l><lb/>
                <l>Säh&#x017F;t du im ge&#x017F;tickten Kleide,</l><lb/>
                <l>Stolz im kö&#x017F;tlichen Ge&#x017F;chmeide</l><lb/>
                <l>Deine Freundinn, wie &#x017F;ie war.</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0124] Tönen begleitet, erwachte. Es war ihm ge¬ wiß, daß es eine Laute ſey; er blieb verwun¬ derungsvoll ſtehen, und hörte in gebrochner deutſcher Ausſprache folgendes Lied: Bricht das matte Herz noch immer Unter fremdem Himmel nicht? Kommt der Hoffnung bleicher Schimmer Immer mir noch zu Geſicht? Kann ich wohl noch Rückkehr wähnen? Stromweis ſtürzen meine Thränen, Bis mein Herz in Kummer bricht. Könnt ich dir die Myrthen zeigen Und der Zeder dunkles Haar! Führen dich zum frohen Reigen Der geſchwiſterlichen Schaar! Sähſt du im geſtickten Kleide, Stolz im köſtlichen Geſchmeide Deine Freundinn, wie ſie war.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/124
Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/124>, abgerufen am 29.11.2024.