Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.seinen Zimmern entwandt haben mußte, her¬ Der Sänger fährt aus schönen Träumen
Mit froher Ungeduld empor; Er wandelt unter hohen Bäumen Zu des Pallastes ehrnem Thor. Die Mauern sind wie Stahl geschliffen, Doch sie erklimmt sein Lied geschwind, Es steigt von Lieb' und Weh ergriffen Zu ihm hinab des Königs Kind. ſeinen Zimmern entwandt haben mußte, her¬ Der Sänger fährt aus ſchönen Träumen
Mit froher Ungeduld empor; Er wandelt unter hohen Bäumen Zu des Pallaſtes ehrnem Thor. Die Mauern ſind wie Stahl geſchliffen, Doch ſie erklimmt ſein Lied geſchwind, Es ſteigt von Lieb' und Weh ergriffen Zu ihm hinab des Königs Kind. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0107" n="99"/> ſeinen Zimmern entwandt haben mußte, her¬<lb/> abflog, und ſich auf das Haupt des Jüng¬<lb/> lings niederließ, ſo daß die Binde ſich um<lb/> ſeine Locken ſchlug. Der Fremdling erſchrak<lb/> einen Augenblick; der Adler flog an die Sei¬<lb/> te des Königs, und ließ die Binde zurück.<lb/> Der Jüngling reichte ſie dem Kinde, das<lb/> darnach verlangte, ließ ſich auf ein Knie ge¬<lb/> gen den König nieder, und fuhr in ſeinem<lb/> Geſange mit bewegter Stimme fort:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Der Sänger fährt aus ſchönen Träumen</l><lb/> <l>Mit froher Ungeduld empor;</l><lb/> <l>Er wandelt unter hohen Bäumen</l><lb/> <l>Zu des Pallaſtes ehrnem Thor.</l><lb/> <l>Die Mauern ſind wie Stahl geſchliffen,</l><lb/> <l>Doch ſie erklimmt ſein Lied geſchwind,</l><lb/> <l>Es ſteigt von Lieb' und Weh ergriffen</l><lb/> <l>Zu ihm hinab des Königs Kind.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [99/0107]
ſeinen Zimmern entwandt haben mußte, her¬
abflog, und ſich auf das Haupt des Jüng¬
lings niederließ, ſo daß die Binde ſich um
ſeine Locken ſchlug. Der Fremdling erſchrak
einen Augenblick; der Adler flog an die Sei¬
te des Königs, und ließ die Binde zurück.
Der Jüngling reichte ſie dem Kinde, das
darnach verlangte, ließ ſich auf ein Knie ge¬
gen den König nieder, und fuhr in ſeinem
Geſange mit bewegter Stimme fort:
Der Sänger fährt aus ſchönen Träumen
Mit froher Ungeduld empor;
Er wandelt unter hohen Bäumen
Zu des Pallaſtes ehrnem Thor.
Die Mauern ſind wie Stahl geſchliffen,
Doch ſie erklimmt ſein Lied geſchwind,
Es ſteigt von Lieb' und Weh ergriffen
Zu ihm hinab des Königs Kind.
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