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Wiener Zeitung. Nr. 276. [Wien], 19. November 1850.

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[Beginn Spaltensatz] Spanischen Regierung gegen neue Jnvasionsversuche auf
Cuba, erwähnt hat, geht er zu der Schleswig=Holstein-
schen Angelegenheit über und sagt:

"Dänemark nimmt fortwährend unsere ganze Aufmerk-
samkeit und Sympathie in Anspruch. Dieser alte Bun-
desgenosse, welcher zur Zeit unsers Unglücks so viel durch
sein treues Festhalten an Frankreich zu leiden gehabt,
hat trotz der Tapferkeit seiner Armee die im Herzog-
thume Holstein ausgebrochene Empörung noch nicht ge-
dämpft. Der Waffenstillstand vom 18. Juli 1849 war
durch das Jnterim von Frankfurt, das Preußen beauf-
tragt hatte, im Namen Deutschlands zu unterhandeln,
anerkannt worden. Nach mühsamen Negotiationen kam
endlich durch die Vermittlung Englands, Dänemarks und
Preußens am 2. Juli ein Vertrag zu Stande. Dieser
Vertrag, welcher zuerst von dem Berliner Cabinete und
seinen Bundesgenossen ratificirt wurde, hat jetzt auch die
Anerkennung Oesterreichs und der übrigen, beim Deut-
schen Bunde in Frankfurt vertretenen Mächte erhalten."

"Während diese Unterhandlungen in Deutschland vor
sich gingen, eröffneten die dem Dänischen Hofe befreun-
deten Mächte besondere Conferenzen in London, um die
durch die Verträge garantirte Jntegrität der Staaten des
Königs von Dänemark zu wahren. Wenn es den Anstren-
gungen der verbündeten Mächte noch nicht gelungen ist,
dem im Norden Deutschlands entbrannten Kampfe ein
Ende zu machen, so haben sie doch wenigstens den glück-
lichen Erfolg gehabt, die Proportionen des Krieges zu
verringern, der jetzt nur noch zwischen dem Könige
von Dänemark und den nicht unterworfenen Provin-
zen besteht. Jndem wir nun einerseits darauf drin-
gen werden, daß der König von Dänemark durch ent-
sprechende Jnstitutionen die Rechte der Herzogthümer
fichert, werden wir ihm andererseits alle Hilfe gewähren,
welche er, kraft der Verträge und unserer alten Freund-
schaft, mit Recht beanspruchen kann. Jnmitten der poli-
schen Verwicklungen, welche Deutschland gegenwärtig zer-
splittern, haben wir die strengste Neutralität beobachtet.
Und so lange die Jnteressen Frankreichs und das Gleich-
gewicht Europa's nicht in Frage gestellt werden, werden
wir fortfahren, eine Politik zu beobachten, welche von
unserer Achtung der Unabhängigkeit unserer Nachbarn
Zeugniß gibt."

Zum Schlusse sagt sodann die Botschaft:

"Jch habe oft erklärt, daß ich diejenigen als große
Verbrecher betrachten würde, welche aus persönlichem
Ehrgeiz die geringe Stabilität gefährden sollten, welche
die Verfassung uns garantirte. Nur die Feinde der öf-
fentlichen Ruhe haben die einfachsten Handlungen und
Schritte, die aus meiner Stellung entspringen, entstel-
len können. Als erster Beamter der Republik war ich
genöthigt, mich mit der Geistlichkeit, der Magistratur,
den Ackerbauern, der Jndustrie, der Verwaltung, der
Armee in Berührung zu setzen und ich habe ihnen überall
meine Sympathie und Dankbarkeit für ihre Mitwirkung
ausgedrückt. Besonders aber glaube ich, wenn mein Name
und meine Anstrengung zur Befestigung des Geistes der Ar-
mee beigetragen haben, über die ich der Verfassung gemäß
allein verfüge, dem Lande einen Dienst erwiesen zu haben;
denn ich habe meinen persönlichen Einfluß stets zum Be-
sten der Ordnung angewandt. Meine unveränderliche
politische Lebensregel wird sein, meine Pflicht und Nichts
als meine Pflicht zu thun. Nur mir allein ist nicht ge-
stattet, was heut zu Tage Jedem freisteht: auf Be-
schleunigung der Verfassungsrevision zu dringen. Wenn
die Verfassung Gefahren und Gebrechen in sich
schließt, so haben Sie Alle, meine Herren! das
Recht, in jeder Weise darauf aufmerksam zu machen.
Jch allein, gebunden durch meinen Eid, muß mich streng
innerhalb der verfassungsmäßigen Schranken bewegen.
Viele Generalräthe haben sich für die Revision erklärt. Jch,
für meine Person, werde als Auserwählter des Volkes, und
nur vom Volke abhängig, auch stets nur seinen gesetzlich aus-
gedrückten Willen zur Richtschnur nehmen. Die Ungewiß-
heit der Zukunft bringt viele Befürchtungen mit sich, und er-
weckt viele alte Hoffnungen. Opfern wir Alle dem
Vaterlande diese Hoffnungen, und beschäftigen wir uns
nur mit seinen Jnteressen. Wenn Sie in dieser Session
die Revision der Verfassung votiren, so wird eine neue
Constituirende das Schicksal der Executivgewalt bestim-
men. Wenn Sie die Revision nicht votiren, so wird
das Volk im Jahre 1852 seinen Willen auf's Neue
feierlich kundgeben. ( Sensation. ) Wie aber auch die
Lose der Zukunft fallen mögen, lassen Sie uns Alle nach
Verständigung streben, auf daß es nie dahin komme,
daß die Leidenschaft, die Ueberraschung oder die Gewalt
über das Schicksal einer großen Nation entscheide."

"Glauben Sie mir, meine Herren! was mich vor
Allem beschäftigt, ist nicht zu wissen, wer im Jahre 1852
über Frankreich herrschen wird, sondern meine Zeit dazu
anzuwenden, daß der Uebergang, welcher Art er auch
[Spaltenumbruch] sein möge, ohne Aufregung und ohne Unruhe geschehe.
Mein Hauptbestreben ist, zum Nutzen Aller die Prin-
zipien der Autorität und Moral zu befestigen, welche
alle Leidenschaften der Menschen und alle Jnstabilität
der Gesetze überdauern."

"Jch habe Jhnen ehrlich mein Herz geöffnet. Sie
werden meiner Offenheit durch Jhr Vertrauen, meinen
guten Absichten durch Jhre Mitwirkung entsprechen, und
Gott wird das Uebrige thun "

    Louis Napoleon Bonaparte.

Eine lebhafte Aufregung folgt der Verlesung der Bot-
schaft, welche sichtlich den günstigsten Eindruck macht.

Vice=Präsident Leon Faucher nimmt den Präsidenten-
stuhl ein und kündigt eine Jnterpellation des Kriegs=Mi-
nisters durch Henri Didier wegen d'Hautpoul's Ernen-
nung zum Gouverneur von Algerien an. ( Rechts: Auf
6 Monate! ) Der Minister des Jnnern spricht dagegen.
Nach einigem Lärmen wird die Jnterpellation durch Ver-
tagung auf 6 Monate beseitigt und die Sitzung aufge-
hoben.

-- Die Redacteure der Pariser Presse waren gestern
versammelt, um mehrere auf ihre Jnteressen bezügliche
Fragen zu berathen und zwei neue Syndice zu wählen.
Die Wahl fiel auf die Haupt=Redacteure der " Debats "
und der "Assemblee Nationale". Die drei andern Syn-
dice sind Redacteure des "Constitutionnel", der "Union"
und des "National".

-- Jn den südlichen Departements werden immer noch
Verhaftungen und Haussuchungen ( letztere meistens ohne
Ergebniß ) vorgenommen, welche auf das Lyoner Complot
Bezug haben. Jm Gard=Departement kam es bei Ab-
führung der Verhafteten zu demokratischen Kundgebun-
gen. Der dortige Präfect hat das Tragen von rothen
Bändern, Halsbinden verboten. Zu Gasp ( Ober-
alpen ) trieben bei der Abreise des Repräsentanten Chaix
nach Paris die Rothen einigen Unfug, den die Polizei
vergeblich zu hindern versuchte.

Dänemark.

Kopenhagen, 9. November. Der Bürgermeister
und Polizeimeister Schrader in Schleswig ist seiner Bür-
germeisterstelle enthoben und an seine Stelle Justizrath
Fehdersen aus Kopenhagen zum Bürgermeister in Schles-
wig ernannt.

-- Die Summe der Strafen, die von mit einem Ham-
burger Dampfschiff wieder eingetroffenen Husumern we-
gen bei ihnen gefundener Briefe erhoben wurden, beträgt
ungefähr 100 Mark.

-- Privat=Mittheilungen aus Kopenhagen bestätigen,
daß das in Bornholm gestrandete Russische Kriegsschiff
"Archimedes" wrack geworden ist.

-- Am 7ten fand das 50jährige Amts=Jubiläum des
berühmten Naturforschers, Professors Hans Christian
Oersted, Statt, bei welcher Gelegenheit Prof. Forch-
hammer eine angemessene Anrede hielt und der Rector
der Universität, Prof. Stein, ihm Namens seiner Colle-
gen einen mit Diamanten eingefaßten Doctorring über-
reichte. Die Studenten brachten ihm einen Fackelzug.
Der König hat ihn zum geh. Conferenzrath mit Rang
in der ersten Classe Nr. 13 ernannt.

Türkei.

Belgrad, 6. Nov. Man schreibt der "Südslav.
Ztg.," daß der Woiwode Vucic am 20. v. M. den Tag
seines Schutzpatrons, St. Lukas, gefeiert und dazu
einige Kreisvorsteher vom Lande eingeladen habe. Diese
seien nun bei ihrer Rückkehr nach Hause sämmtlich ver-
haftet und nach Belgrad gebracht worden. Einige Tage
nach diesem Vorfalle habe der Senat eine äußerst stür-
mische Sitzung gehalten.



Oeffentliche Gerichts=Verhandlungen.

Auch gestern ( am 18ten ) war die Sitzung des k. k.
Landesgerichts ausschließlich den Appellverhandlungen ge-
widmet.

Der Trödler Joseph B. rekurrirte gegen das Urtheil
des Bezirksgerichtes Alsergrund vom 30. August, durch
welches er zu 1wöchentlichem Arreste verurtheilt worden
ist, weil er dem Taglöhner Franz M. einen Diebstahl,
wegen dessen dieser schon abgestraft war, vorgeworfen
hatte.

Der Betheiligte erklärte, daß er sich mit dem Ange-
[Spaltenumbruch] klagten verglichen habe und auf dessen Bestrafung nicht
mehr beharre.



Bevor jedoch zum Beweisverfahrenn geschritten wurde,
ergriff der Herr Staatsanwalt Patzelt das Wort
und erklärte, daß nach der Ansicht der Staatsanwalt-
schaft die Uebertretung schon verjährt sei, da sich der Vor-
fall am 7. Jänner ereignet habe und daher ein Zwi-
schenraum von mehr als 6 Monaten bis zur Anzeige
verflossen sei.

Das Gericht spricht daher den Angeklagten über An-
trag des Staatsanwaltes von der Uebertretung los.

Dagegen wurde eine Beschwerdeführerin Barbara L.
mit ihrer Beschwerde abgewiesen und das Urtheil des
Bezirksgerichtes Wieden bestätigt, wodurch sie wegen
Ehrenbeleidigung zu 6 Stunden Arrest verurtheilt wor-
den ist.

Die Handarbeiterin Anna M. war von dem Bezirks-
gerichte Landstraße wegen des Diebstahls eines Schnupf-
tuches zu 14 Tage Arrest verurtheilt worden.

Die Betroffene appellirte gegen das Urtheil und bei
der gestrigen Verhandlung ergab sich, daß das Kind ihrer
Nachbarin dieses Tuch bei ihr liegen gelassen hatte, die
Angeklagte gab nun an, daß sie dasselbe für das ihre
gehalten und um 20 kr. C. M. verkauft habe. Sie
bittet um Nachlassung der Strafe, da sie Mutter meh-
rerer kleiner Kinder sei, die sie versorgen müsse und
auch durch eine solche Strafe ihre Arbeit gänzlich
verlieren würde.

Der Herr Staats=Anwalt erachtet, daß die vorliegende
Handlung nur als eine Veruntreuung angesehen werden
könne, und selbst wenn man sie als Diebstahl anerken-
nen würde, sei die Strafe im Verhältniß zu den Ur-
theilen, welche über ähnliche Uebertretungen gefällt wor-
den, zu hoch ausgemessen; er trägt daher auf 3 Tage
Arrest für die Angeklagte an.

Ueber die weitern Vorstellungen der Angeklagten, wie
schwer ihr auch diese Strafe in Anbetracht ihres Erwer-
bes und ihrer Kinder falle, spricht das Gericht die Strafe
von 24stündigem Arrest aus.

Der letzte Fall war die Berufung der Maria G * gegen
das Urtheil des Bezirksgerichtes Feldsperg.



Obwohl Nachbarinnen, waren die Beschwerdeführerin
und die Taglöhnersgattin Katharina T. beständig im
Streite. Einst, während Beide in ihren Gärten, die an-
einander stoßen, Wasser schöpften, gelangte der Streit
zum Ausbruch. Beide beschimpften sich gegenseitig und
die G. warf auch der T. vor, daß ihr Mann einen Ha-
ferdiebstahl begangen habe. Bei der betreffenden Verhand-
lung vor dem Bezirksgerichte Feldsperg wurden Beide zu
dreitägigem Arreste verurtheilt. Die T. fügte sich diesem
Urtheile, die G. aber wollte sich damit nicht zufrieden
geben, läugnete die Beschimpfungen gegen die T und be-
hauptete, daß sie, da der Mann der T. die ihm zum
Vorwurfe gemachte That wirklich begangen habe, nicht
strafbar sei. Sie bringt ein Zeugniß von mehreren dor-
tigen Bewohnern vor, daß T. wirklich eines Haferdieb-
stahls wegen in Untersuchung gewesen und sich nicht voll-
ständig gereinigt habe.



Der Vertheidiger der Angeklagten Dr. v. Mühlfeld
legt auf diesen Umstand keine besondere Berücksichtigung,
da in Ermanglung eines gesetzlichen Urtheils der Vor-
wurf ungerechtfertigt erscheine. Was nun die Beleidigung
gegen den Mann den T. betreffe, so könne die Angeklagte
deshalb nicht bestraft werden, weil der Betreffende es
nicht verlangt habe, und auch bei der bezirksgerichtlichen
Verhandlung nicht erschienen sei. Jn Ansehung der Be-
schimpfung gegen die T. selbst, hält er dafür, daß sie
nicht als an einem öffentlichen Orte verübt angesehen
werden könne, da beide Betheiligte sich in ihren Gärten
befanden, es sei auch nicht erwiesen, daß während der
Beschimpfung irgend Jemand vorübergegangen sei. Der
Behauptung der Angeklagten, daß sie die T. nicht be-
schimpft habe, stehe nur die Aussage der T. selbst ent-
gegen, die aber nicht glaubwürdig sei, da sie zuerst
selbst als Angeklagte erschienen sei. Aber wenn man
selbst diese Beschimpfung zugeben wollte, so könne sie
nur als Ehrenkränkung betrachtet, und höchstens mit einer
geringen Geldstrafe bestraft werden. Er bittet daher
um Lossprechung der Angeklagten, oder wenigstens um
eine Umwandlung der Arrest= in eine kleine Geld-
strafe.

Das Gericht erkennt jedoch diese Gründe als unzu-
reichend an, erklärt die Angeklagte der Ehrenbeleidi-
gung schuldig und bestätigt das erstrichterliche Urtheil
in allen seinen Theilen.

[Ende Spaltensatz]

Verantwortlicher Redacteur Dr. Leopold Schweitzer. -- Druck und Verlag der Edlen v. Ghelen'schen Erben.

[Beginn Spaltensatz] Spanischen Regierung gegen neue Jnvasionsversuche auf
Cuba, erwähnt hat, geht er zu der Schleswig=Holstein-
schen Angelegenheit über und sagt:

„Dänemark nimmt fortwährend unsere ganze Aufmerk-
samkeit und Sympathie in Anspruch. Dieser alte Bun-
desgenosse, welcher zur Zeit unsers Unglücks so viel durch
sein treues Festhalten an Frankreich zu leiden gehabt,
hat trotz der Tapferkeit seiner Armee die im Herzog-
thume Holstein ausgebrochene Empörung noch nicht ge-
dämpft. Der Waffenstillstand vom 18. Juli 1849 war
durch das Jnterim von Frankfurt, das Preußen beauf-
tragt hatte, im Namen Deutschlands zu unterhandeln,
anerkannt worden. Nach mühsamen Negotiationen kam
endlich durch die Vermittlung Englands, Dänemarks und
Preußens am 2. Juli ein Vertrag zu Stande. Dieser
Vertrag, welcher zuerst von dem Berliner Cabinete und
seinen Bundesgenossen ratificirt wurde, hat jetzt auch die
Anerkennung Oesterreichs und der übrigen, beim Deut-
schen Bunde in Frankfurt vertretenen Mächte erhalten.“

„Während diese Unterhandlungen in Deutschland vor
sich gingen, eröffneten die dem Dänischen Hofe befreun-
deten Mächte besondere Conferenzen in London, um die
durch die Verträge garantirte Jntegrität der Staaten des
Königs von Dänemark zu wahren. Wenn es den Anstren-
gungen der verbündeten Mächte noch nicht gelungen ist,
dem im Norden Deutschlands entbrannten Kampfe ein
Ende zu machen, so haben sie doch wenigstens den glück-
lichen Erfolg gehabt, die Proportionen des Krieges zu
verringern, der jetzt nur noch zwischen dem Könige
von Dänemark und den nicht unterworfenen Provin-
zen besteht. Jndem wir nun einerseits darauf drin-
gen werden, daß der König von Dänemark durch ent-
sprechende Jnstitutionen die Rechte der Herzogthümer
fichert, werden wir ihm andererseits alle Hilfe gewähren,
welche er, kraft der Verträge und unserer alten Freund-
schaft, mit Recht beanspruchen kann. Jnmitten der poli-
schen Verwicklungen, welche Deutschland gegenwärtig zer-
splittern, haben wir die strengste Neutralität beobachtet.
Und so lange die Jnteressen Frankreichs und das Gleich-
gewicht Europa's nicht in Frage gestellt werden, werden
wir fortfahren, eine Politik zu beobachten, welche von
unserer Achtung der Unabhängigkeit unserer Nachbarn
Zeugniß gibt.“

Zum Schlusse sagt sodann die Botschaft:

„Jch habe oft erklärt, daß ich diejenigen als große
Verbrecher betrachten würde, welche aus persönlichem
Ehrgeiz die geringe Stabilität gefährden sollten, welche
die Verfassung uns garantirte. Nur die Feinde der öf-
fentlichen Ruhe haben die einfachsten Handlungen und
Schritte, die aus meiner Stellung entspringen, entstel-
len können. Als erster Beamter der Republik war ich
genöthigt, mich mit der Geistlichkeit, der Magistratur,
den Ackerbauern, der Jndustrie, der Verwaltung, der
Armee in Berührung zu setzen und ich habe ihnen überall
meine Sympathie und Dankbarkeit für ihre Mitwirkung
ausgedrückt. Besonders aber glaube ich, wenn mein Name
und meine Anstrengung zur Befestigung des Geistes der Ar-
mee beigetragen haben, über die ich der Verfassung gemäß
allein verfüge, dem Lande einen Dienst erwiesen zu haben;
denn ich habe meinen persönlichen Einfluß stets zum Be-
sten der Ordnung angewandt. Meine unveränderliche
politische Lebensregel wird sein, meine Pflicht und Nichts
als meine Pflicht zu thun. Nur mir allein ist nicht ge-
stattet, was heut zu Tage Jedem freisteht: auf Be-
schleunigung der Verfassungsrevision zu dringen. Wenn
die Verfassung Gefahren und Gebrechen in sich
schließt, so haben Sie Alle, meine Herren! das
Recht, in jeder Weise darauf aufmerksam zu machen.
Jch allein, gebunden durch meinen Eid, muß mich streng
innerhalb der verfassungsmäßigen Schranken bewegen.
Viele Generalräthe haben sich für die Revision erklärt. Jch,
für meine Person, werde als Auserwählter des Volkes, und
nur vom Volke abhängig, auch stets nur seinen gesetzlich aus-
gedrückten Willen zur Richtschnur nehmen. Die Ungewiß-
heit der Zukunft bringt viele Befürchtungen mit sich, und er-
weckt viele alte Hoffnungen. Opfern wir Alle dem
Vaterlande diese Hoffnungen, und beschäftigen wir uns
nur mit seinen Jnteressen. Wenn Sie in dieser Session
die Revision der Verfassung votiren, so wird eine neue
Constituirende das Schicksal der Executivgewalt bestim-
men. Wenn Sie die Revision nicht votiren, so wird
das Volk im Jahre 1852 seinen Willen auf's Neue
feierlich kundgeben. ( Sensation. ) Wie aber auch die
Lose der Zukunft fallen mögen, lassen Sie uns Alle nach
Verständigung streben, auf daß es nie dahin komme,
daß die Leidenschaft, die Ueberraschung oder die Gewalt
über das Schicksal einer großen Nation entscheide.“

„Glauben Sie mir, meine Herren! was mich vor
Allem beschäftigt, ist nicht zu wissen, wer im Jahre 1852
über Frankreich herrschen wird, sondern meine Zeit dazu
anzuwenden, daß der Uebergang, welcher Art er auch
[Spaltenumbruch] sein möge, ohne Aufregung und ohne Unruhe geschehe.
Mein Hauptbestreben ist, zum Nutzen Aller die Prin-
zipien der Autorität und Moral zu befestigen, welche
alle Leidenschaften der Menschen und alle Jnstabilität
der Gesetze überdauern.“

„Jch habe Jhnen ehrlich mein Herz geöffnet. Sie
werden meiner Offenheit durch Jhr Vertrauen, meinen
guten Absichten durch Jhre Mitwirkung entsprechen, und
Gott wird das Uebrige thun

    Louis Napoleon Bonaparte.

Eine lebhafte Aufregung folgt der Verlesung der Bot-
schaft, welche sichtlich den günstigsten Eindruck macht.

Vice=Präsident Leon Faucher nimmt den Präsidenten-
stuhl ein und kündigt eine Jnterpellation des Kriegs=Mi-
nisters durch Henri Didier wegen d'Hautpoul's Ernen-
nung zum Gouverneur von Algerien an. ( Rechts: Auf
6 Monate! ) Der Minister des Jnnern spricht dagegen.
Nach einigem Lärmen wird die Jnterpellation durch Ver-
tagung auf 6 Monate beseitigt und die Sitzung aufge-
hoben.

— Die Redacteure der Pariser Presse waren gestern
versammelt, um mehrere auf ihre Jnteressen bezügliche
Fragen zu berathen und zwei neue Syndice zu wählen.
Die Wahl fiel auf die Haupt=Redacteure der „ Débats “
und der „Assemblee Nationale“. Die drei andern Syn-
dice sind Redacteure des „Constitutionnel“, der „Union“
und des „National“.

— Jn den südlichen Departements werden immer noch
Verhaftungen und Haussuchungen ( letztere meistens ohne
Ergebniß ) vorgenommen, welche auf das Lyoner Complot
Bezug haben. Jm Gard=Departement kam es bei Ab-
führung der Verhafteten zu demokratischen Kundgebun-
gen. Der dortige Präfect hat das Tragen von rothen
Bändern, Halsbinden verboten. Zu Gasp ( Ober-
alpen ) trieben bei der Abreise des Repräsentanten Chaix
nach Paris die Rothen einigen Unfug, den die Polizei
vergeblich zu hindern versuchte.

Dänemark.

Kopenhagen, 9. November. Der Bürgermeister
und Polizeimeister Schrader in Schleswig ist seiner Bür-
germeisterstelle enthoben und an seine Stelle Justizrath
Fehdersen aus Kopenhagen zum Bürgermeister in Schles-
wig ernannt.

— Die Summe der Strafen, die von mit einem Ham-
burger Dampfschiff wieder eingetroffenen Husumern we-
gen bei ihnen gefundener Briefe erhoben wurden, beträgt
ungefähr 100 Mark.

— Privat=Mittheilungen aus Kopenhagen bestätigen,
daß das in Bornholm gestrandete Russische Kriegsschiff
„Archimedes“ wrack geworden ist.

— Am 7ten fand das 50jährige Amts=Jubiläum des
berühmten Naturforschers, Professors Hans Christian
Oersted, Statt, bei welcher Gelegenheit Prof. Forch-
hammer eine angemessene Anrede hielt und der Rector
der Universität, Prof. Stein, ihm Namens seiner Colle-
gen einen mit Diamanten eingefaßten Doctorring über-
reichte. Die Studenten brachten ihm einen Fackelzug.
Der König hat ihn zum geh. Conferenzrath mit Rang
in der ersten Classe Nr. 13 ernannt.

Türkei.

Belgrad, 6. Nov. Man schreibt der „Südslav.
Ztg.,“ daß der Woiwode Vucic am 20. v. M. den Tag
seines Schutzpatrons, St. Lukas, gefeiert und dazu
einige Kreisvorsteher vom Lande eingeladen habe. Diese
seien nun bei ihrer Rückkehr nach Hause sämmtlich ver-
haftet und nach Belgrad gebracht worden. Einige Tage
nach diesem Vorfalle habe der Senat eine äußerst stür-
mische Sitzung gehalten.



Oeffentliche Gerichts=Verhandlungen.

Auch gestern ( am 18ten ) war die Sitzung des k. k.
Landesgerichts ausschließlich den Appellverhandlungen ge-
widmet.

Der Trödler Joseph B. rekurrirte gegen das Urtheil
des Bezirksgerichtes Alsergrund vom 30. August, durch
welches er zu 1wöchentlichem Arreste verurtheilt worden
ist, weil er dem Taglöhner Franz M. einen Diebstahl,
wegen dessen dieser schon abgestraft war, vorgeworfen
hatte.

Der Betheiligte erklärte, daß er sich mit dem Ange-
[Spaltenumbruch] klagten verglichen habe und auf dessen Bestrafung nicht
mehr beharre.



Bevor jedoch zum Beweisverfahrenn geschritten wurde,
ergriff der Herr Staatsanwalt Patzelt das Wort
und erklärte, daß nach der Ansicht der Staatsanwalt-
schaft die Uebertretung schon verjährt sei, da sich der Vor-
fall am 7. Jänner ereignet habe und daher ein Zwi-
schenraum von mehr als 6 Monaten bis zur Anzeige
verflossen sei.

Das Gericht spricht daher den Angeklagten über An-
trag des Staatsanwaltes von der Uebertretung los.

Dagegen wurde eine Beschwerdeführerin Barbara L.
mit ihrer Beschwerde abgewiesen und das Urtheil des
Bezirksgerichtes Wieden bestätigt, wodurch sie wegen
Ehrenbeleidigung zu 6 Stunden Arrest verurtheilt wor-
den ist.

Die Handarbeiterin Anna M. war von dem Bezirks-
gerichte Landstraße wegen des Diebstahls eines Schnupf-
tuches zu 14 Tage Arrest verurtheilt worden.

Die Betroffene appellirte gegen das Urtheil und bei
der gestrigen Verhandlung ergab sich, daß das Kind ihrer
Nachbarin dieses Tuch bei ihr liegen gelassen hatte, die
Angeklagte gab nun an, daß sie dasselbe für das ihre
gehalten und um 20 kr. C. M. verkauft habe. Sie
bittet um Nachlassung der Strafe, da sie Mutter meh-
rerer kleiner Kinder sei, die sie versorgen müsse und
auch durch eine solche Strafe ihre Arbeit gänzlich
verlieren würde.

Der Herr Staats=Anwalt erachtet, daß die vorliegende
Handlung nur als eine Veruntreuung angesehen werden
könne, und selbst wenn man sie als Diebstahl anerken-
nen würde, sei die Strafe im Verhältniß zu den Ur-
theilen, welche über ähnliche Uebertretungen gefällt wor-
den, zu hoch ausgemessen; er trägt daher auf 3 Tage
Arrest für die Angeklagte an.

Ueber die weitern Vorstellungen der Angeklagten, wie
schwer ihr auch diese Strafe in Anbetracht ihres Erwer-
bes und ihrer Kinder falle, spricht das Gericht die Strafe
von 24stündigem Arrest aus.

Der letzte Fall war die Berufung der Maria G * gegen
das Urtheil des Bezirksgerichtes Feldsperg.



Obwohl Nachbarinnen, waren die Beschwerdeführerin
und die Taglöhnersgattin Katharina T. beständig im
Streite. Einst, während Beide in ihren Gärten, die an-
einander stoßen, Wasser schöpften, gelangte der Streit
zum Ausbruch. Beide beschimpften sich gegenseitig und
die G. warf auch der T. vor, daß ihr Mann einen Ha-
ferdiebstahl begangen habe. Bei der betreffenden Verhand-
lung vor dem Bezirksgerichte Feldsperg wurden Beide zu
dreitägigem Arreste verurtheilt. Die T. fügte sich diesem
Urtheile, die G. aber wollte sich damit nicht zufrieden
geben, läugnete die Beschimpfungen gegen die T und be-
hauptete, daß sie, da der Mann der T. die ihm zum
Vorwurfe gemachte That wirklich begangen habe, nicht
strafbar sei. Sie bringt ein Zeugniß von mehreren dor-
tigen Bewohnern vor, daß T. wirklich eines Haferdieb-
stahls wegen in Untersuchung gewesen und sich nicht voll-
ständig gereinigt habe.



Der Vertheidiger der Angeklagten Dr. v. Mühlfeld
legt auf diesen Umstand keine besondere Berücksichtigung,
da in Ermanglung eines gesetzlichen Urtheils der Vor-
wurf ungerechtfertigt erscheine. Was nun die Beleidigung
gegen den Mann den T. betreffe, so könne die Angeklagte
deshalb nicht bestraft werden, weil der Betreffende es
nicht verlangt habe, und auch bei der bezirksgerichtlichen
Verhandlung nicht erschienen sei. Jn Ansehung der Be-
schimpfung gegen die T. selbst, hält er dafür, daß sie
nicht als an einem öffentlichen Orte verübt angesehen
werden könne, da beide Betheiligte sich in ihren Gärten
befanden, es sei auch nicht erwiesen, daß während der
Beschimpfung irgend Jemand vorübergegangen sei. Der
Behauptung der Angeklagten, daß sie die T. nicht be-
schimpft habe, stehe nur die Aussage der T. selbst ent-
gegen, die aber nicht glaubwürdig sei, da sie zuerst
selbst als Angeklagte erschienen sei. Aber wenn man
selbst diese Beschimpfung zugeben wollte, so könne sie
nur als Ehrenkränkung betrachtet, und höchstens mit einer
geringen Geldstrafe bestraft werden. Er bittet daher
um Lossprechung der Angeklagten, oder wenigstens um
eine Umwandlung der Arrest= in eine kleine Geld-
strafe.

Das Gericht erkennt jedoch diese Gründe als unzu-
reichend an, erklärt die Angeklagte der Ehrenbeleidi-
gung schuldig und bestätigt das erstrichterliche Urtheil
in allen seinen Theilen.

[Ende Spaltensatz]

Verantwortlicher Redacteur Dr. Leopold Schweitzer. — Druck und Verlag der Edlen v. Ghelen'schen Erben.

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[3499/0007] 3499 Spanischen Regierung gegen neue Jnvasionsversuche auf Cuba, erwähnt hat, geht er zu der Schleswig=Holstein- schen Angelegenheit über und sagt: „Dänemark nimmt fortwährend unsere ganze Aufmerk- samkeit und Sympathie in Anspruch. Dieser alte Bun- desgenosse, welcher zur Zeit unsers Unglücks so viel durch sein treues Festhalten an Frankreich zu leiden gehabt, hat trotz der Tapferkeit seiner Armee die im Herzog- thume Holstein ausgebrochene Empörung noch nicht ge- dämpft. Der Waffenstillstand vom 18. Juli 1849 war durch das Jnterim von Frankfurt, das Preußen beauf- tragt hatte, im Namen Deutschlands zu unterhandeln, anerkannt worden. Nach mühsamen Negotiationen kam endlich durch die Vermittlung Englands, Dänemarks und Preußens am 2. Juli ein Vertrag zu Stande. Dieser Vertrag, welcher zuerst von dem Berliner Cabinete und seinen Bundesgenossen ratificirt wurde, hat jetzt auch die Anerkennung Oesterreichs und der übrigen, beim Deut- schen Bunde in Frankfurt vertretenen Mächte erhalten.“ „Während diese Unterhandlungen in Deutschland vor sich gingen, eröffneten die dem Dänischen Hofe befreun- deten Mächte besondere Conferenzen in London, um die durch die Verträge garantirte Jntegrität der Staaten des Königs von Dänemark zu wahren. Wenn es den Anstren- gungen der verbündeten Mächte noch nicht gelungen ist, dem im Norden Deutschlands entbrannten Kampfe ein Ende zu machen, so haben sie doch wenigstens den glück- lichen Erfolg gehabt, die Proportionen des Krieges zu verringern, der jetzt nur noch zwischen dem Könige von Dänemark und den nicht unterworfenen Provin- zen besteht. Jndem wir nun einerseits darauf drin- gen werden, daß der König von Dänemark durch ent- sprechende Jnstitutionen die Rechte der Herzogthümer fichert, werden wir ihm andererseits alle Hilfe gewähren, welche er, kraft der Verträge und unserer alten Freund- schaft, mit Recht beanspruchen kann. Jnmitten der poli- schen Verwicklungen, welche Deutschland gegenwärtig zer- splittern, haben wir die strengste Neutralität beobachtet. Und so lange die Jnteressen Frankreichs und das Gleich- gewicht Europa's nicht in Frage gestellt werden, werden wir fortfahren, eine Politik zu beobachten, welche von unserer Achtung der Unabhängigkeit unserer Nachbarn Zeugniß gibt.“ Zum Schlusse sagt sodann die Botschaft: „Jch habe oft erklärt, daß ich diejenigen als große Verbrecher betrachten würde, welche aus persönlichem Ehrgeiz die geringe Stabilität gefährden sollten, welche die Verfassung uns garantirte. Nur die Feinde der öf- fentlichen Ruhe haben die einfachsten Handlungen und Schritte, die aus meiner Stellung entspringen, entstel- len können. Als erster Beamter der Republik war ich genöthigt, mich mit der Geistlichkeit, der Magistratur, den Ackerbauern, der Jndustrie, der Verwaltung, der Armee in Berührung zu setzen und ich habe ihnen überall meine Sympathie und Dankbarkeit für ihre Mitwirkung ausgedrückt. Besonders aber glaube ich, wenn mein Name und meine Anstrengung zur Befestigung des Geistes der Ar- mee beigetragen haben, über die ich der Verfassung gemäß allein verfüge, dem Lande einen Dienst erwiesen zu haben; denn ich habe meinen persönlichen Einfluß stets zum Be- sten der Ordnung angewandt. Meine unveränderliche politische Lebensregel wird sein, meine Pflicht und Nichts als meine Pflicht zu thun. Nur mir allein ist nicht ge- stattet, was heut zu Tage Jedem freisteht: auf Be- schleunigung der Verfassungsrevision zu dringen. 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( Sensation. ) Wie aber auch die Lose der Zukunft fallen mögen, lassen Sie uns Alle nach Verständigung streben, auf daß es nie dahin komme, daß die Leidenschaft, die Ueberraschung oder die Gewalt über das Schicksal einer großen Nation entscheide.“ „Glauben Sie mir, meine Herren! was mich vor Allem beschäftigt, ist nicht zu wissen, wer im Jahre 1852 über Frankreich herrschen wird, sondern meine Zeit dazu anzuwenden, daß der Uebergang, welcher Art er auch sein möge, ohne Aufregung und ohne Unruhe geschehe. Mein Hauptbestreben ist, zum Nutzen Aller die Prin- zipien der Autorität und Moral zu befestigen, welche alle Leidenschaften der Menschen und alle Jnstabilität der Gesetze überdauern.“ „Jch habe Jhnen ehrlich mein Herz geöffnet. Sie werden meiner Offenheit durch Jhr Vertrauen, meinen guten Absichten durch Jhre Mitwirkung entsprechen, und Gott wird das Uebrige thun “ Louis Napoleon Bonaparte. Eine lebhafte Aufregung folgt der Verlesung der Bot- schaft, welche sichtlich den günstigsten Eindruck macht. Vice=Präsident Leon Faucher nimmt den Präsidenten- stuhl ein und kündigt eine Jnterpellation des Kriegs=Mi- nisters durch Henri Didier wegen d'Hautpoul's Ernen- nung zum Gouverneur von Algerien an. ( Rechts: Auf 6 Monate! ) Der Minister des Jnnern spricht dagegen. Nach einigem Lärmen wird die Jnterpellation durch Ver- tagung auf 6 Monate beseitigt und die Sitzung aufge- hoben. — Die Redacteure der Pariser Presse waren gestern versammelt, um mehrere auf ihre Jnteressen bezügliche Fragen zu berathen und zwei neue Syndice zu wählen. Die Wahl fiel auf die Haupt=Redacteure der „ Débats “ und der „Assemblee Nationale“. Die drei andern Syn- dice sind Redacteure des „Constitutionnel“, der „Union“ und des „National“. — Jn den südlichen Departements werden immer noch Verhaftungen und Haussuchungen ( letztere meistens ohne Ergebniß ) vorgenommen, welche auf das Lyoner Complot Bezug haben. Jm Gard=Departement kam es bei Ab- führung der Verhafteten zu demokratischen Kundgebun- gen. Der dortige Präfect hat das Tragen von rothen Bändern, Halsbinden verboten. Zu Gasp ( Ober- alpen ) trieben bei der Abreise des Repräsentanten Chaix nach Paris die Rothen einigen Unfug, den die Polizei vergeblich zu hindern versuchte. Dänemark. Kopenhagen, 9. November. Der Bürgermeister und Polizeimeister Schrader in Schleswig ist seiner Bür- germeisterstelle enthoben und an seine Stelle Justizrath Fehdersen aus Kopenhagen zum Bürgermeister in Schles- wig ernannt. — Die Summe der Strafen, die von mit einem Ham- burger Dampfschiff wieder eingetroffenen Husumern we- gen bei ihnen gefundener Briefe erhoben wurden, beträgt ungefähr 100 Mark. — Privat=Mittheilungen aus Kopenhagen bestätigen, daß das in Bornholm gestrandete Russische Kriegsschiff „Archimedes“ wrack geworden ist. — Am 7ten fand das 50jährige Amts=Jubiläum des berühmten Naturforschers, Professors Hans Christian Oersted, Statt, bei welcher Gelegenheit Prof. Forch- hammer eine angemessene Anrede hielt und der Rector der Universität, Prof. Stein, ihm Namens seiner Colle- gen einen mit Diamanten eingefaßten Doctorring über- reichte. Die Studenten brachten ihm einen Fackelzug. Der König hat ihn zum geh. Conferenzrath mit Rang in der ersten Classe Nr. 13 ernannt. Türkei. Belgrad, 6. Nov. Man schreibt der „Südslav. Ztg.,“ daß der Woiwode Vucic am 20. v. M. den Tag seines Schutzpatrons, St. Lukas, gefeiert und dazu einige Kreisvorsteher vom Lande eingeladen habe. Diese seien nun bei ihrer Rückkehr nach Hause sämmtlich ver- haftet und nach Belgrad gebracht worden. Einige Tage nach diesem Vorfalle habe der Senat eine äußerst stür- mische Sitzung gehalten. Oeffentliche Gerichts=Verhandlungen. Auch gestern ( am 18ten ) war die Sitzung des k. k. Landesgerichts ausschließlich den Appellverhandlungen ge- widmet. Der Trödler Joseph B. rekurrirte gegen das Urtheil des Bezirksgerichtes Alsergrund vom 30. August, durch welches er zu 1wöchentlichem Arreste verurtheilt worden ist, weil er dem Taglöhner Franz M. einen Diebstahl, wegen dessen dieser schon abgestraft war, vorgeworfen hatte. Der Betheiligte erklärte, daß er sich mit dem Ange- klagten verglichen habe und auf dessen Bestrafung nicht mehr beharre. Bevor jedoch zum Beweisverfahrenn geschritten wurde, ergriff der Herr Staatsanwalt Patzelt das Wort und erklärte, daß nach der Ansicht der Staatsanwalt- schaft die Uebertretung schon verjährt sei, da sich der Vor- fall am 7. Jänner ereignet habe und daher ein Zwi- schenraum von mehr als 6 Monaten bis zur Anzeige verflossen sei. Das Gericht spricht daher den Angeklagten über An- trag des Staatsanwaltes von der Uebertretung los. Dagegen wurde eine Beschwerdeführerin Barbara L. mit ihrer Beschwerde abgewiesen und das Urtheil des Bezirksgerichtes Wieden bestätigt, wodurch sie wegen Ehrenbeleidigung zu 6 Stunden Arrest verurtheilt wor- den ist. Die Handarbeiterin Anna M. war von dem Bezirks- gerichte Landstraße wegen des Diebstahls eines Schnupf- tuches zu 14 Tage Arrest verurtheilt worden. Die Betroffene appellirte gegen das Urtheil und bei der gestrigen Verhandlung ergab sich, daß das Kind ihrer Nachbarin dieses Tuch bei ihr liegen gelassen hatte, die Angeklagte gab nun an, daß sie dasselbe für das ihre gehalten und um 20 kr. C. M. verkauft habe. Sie bittet um Nachlassung der Strafe, da sie Mutter meh- rerer kleiner Kinder sei, die sie versorgen müsse und auch durch eine solche Strafe ihre Arbeit gänzlich verlieren würde. Der Herr Staats=Anwalt erachtet, daß die vorliegende Handlung nur als eine Veruntreuung angesehen werden könne, und selbst wenn man sie als Diebstahl anerken- nen würde, sei die Strafe im Verhältniß zu den Ur- theilen, welche über ähnliche Uebertretungen gefällt wor- den, zu hoch ausgemessen; er trägt daher auf 3 Tage Arrest für die Angeklagte an. Ueber die weitern Vorstellungen der Angeklagten, wie schwer ihr auch diese Strafe in Anbetracht ihres Erwer- bes und ihrer Kinder falle, spricht das Gericht die Strafe von 24stündigem Arrest aus. Der letzte Fall war die Berufung der Maria G * gegen das Urtheil des Bezirksgerichtes Feldsperg. Obwohl Nachbarinnen, waren die Beschwerdeführerin und die Taglöhnersgattin Katharina T. beständig im Streite. Einst, während Beide in ihren Gärten, die an- einander stoßen, Wasser schöpften, gelangte der Streit zum Ausbruch. Beide beschimpften sich gegenseitig und die G. warf auch der T. vor, daß ihr Mann einen Ha- ferdiebstahl begangen habe. Bei der betreffenden Verhand- lung vor dem Bezirksgerichte Feldsperg wurden Beide zu dreitägigem Arreste verurtheilt. Die T. fügte sich diesem Urtheile, die G. aber wollte sich damit nicht zufrieden geben, läugnete die Beschimpfungen gegen die T und be- hauptete, daß sie, da der Mann der T. die ihm zum Vorwurfe gemachte That wirklich begangen habe, nicht strafbar sei. Sie bringt ein Zeugniß von mehreren dor- tigen Bewohnern vor, daß T. wirklich eines Haferdieb- stahls wegen in Untersuchung gewesen und sich nicht voll- ständig gereinigt habe. Der Vertheidiger der Angeklagten Dr. v. Mühlfeld legt auf diesen Umstand keine besondere Berücksichtigung, da in Ermanglung eines gesetzlichen Urtheils der Vor- wurf ungerechtfertigt erscheine. Was nun die Beleidigung gegen den Mann den T. betreffe, so könne die Angeklagte deshalb nicht bestraft werden, weil der Betreffende es nicht verlangt habe, und auch bei der bezirksgerichtlichen Verhandlung nicht erschienen sei. Jn Ansehung der Be- schimpfung gegen die T. selbst, hält er dafür, daß sie nicht als an einem öffentlichen Orte verübt angesehen werden könne, da beide Betheiligte sich in ihren Gärten befanden, es sei auch nicht erwiesen, daß während der Beschimpfung irgend Jemand vorübergegangen sei. Der Behauptung der Angeklagten, daß sie die T. nicht be- schimpft habe, stehe nur die Aussage der T. selbst ent- gegen, die aber nicht glaubwürdig sei, da sie zuerst selbst als Angeklagte erschienen sei. Aber wenn man selbst diese Beschimpfung zugeben wollte, so könne sie nur als Ehrenkränkung betrachtet, und höchstens mit einer geringen Geldstrafe bestraft werden. Er bittet daher um Lossprechung der Angeklagten, oder wenigstens um eine Umwandlung der Arrest= in eine kleine Geld- strafe. Das Gericht erkennt jedoch diese Gründe als unzu- reichend an, erklärt die Angeklagte der Ehrenbeleidi- gung schuldig und bestätigt das erstrichterliche Urtheil in allen seinen Theilen. Verantwortlicher Redacteur Dr. Leopold Schweitzer. — Druck und Verlag der Edlen v. Ghelen'schen Erben.

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Zitationshilfe: Wiener Zeitung. Nr. 276. [Wien], 19. November 1850, S. 3499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_wiener276_1850/7>, abgerufen am 24.11.2024.