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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

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Von einer solchen feierlichen Verbrüderung ist hier die
Rede. Pobratim, im Gegensatz zu brat, dem angebor-
nen -- der eigenmächtig erwählte Bruder, (daher es ei-
nige Wahlbruder übersetzen, welches Wort jedoch eben so
gut einer Erklärung bedarf als Pobratim selbst), scheint ein
zum Substantiv gewordenes participium pases. pass. von
pobratiti -- anbrüdern, verbrüdern, zu seyn: der Ange-
brüderte, Verbrüderte. Ich übersetze es Freund, Bruder,
was es ja auch im Wesentlichen ist, und was allein in der
Poesie statthaft scheint. -- Herr Wuk belehrt uns, daß es
nicht gradezu nöthig ist, diese Freundschaften in der Kirche
zu schließen. Pobratim dient auch zum Zuruf für Fremde,
wie unser: Freund.
Allen Nationen sind von jeher die Empfindungen der
Freundschaft ehrwürdig gewesen, wenn wir aber unter den
Neuern sie bei den Serben besonders heilig gehalten sehen, so
finden wir, daß unter den Alten vorzüglich die Scythen sie
als das höchste, beseligendste Verhältniß des Sterblichen be-
trachteten. So scheint es erlaubt zu seyn, jenen Gebrauch
der Serben (und Bulgaren) aus urältester Zeit abzuleiten.
"Die Scythen, sagt Lucians Toxaris *): halten die
Freundschaft höher als alles, und es giebt nichts, worauf
sich ein Scythe mehr einbildet, als wenn er etwas Schwe-
res mit einem Freunde auszuführen und gefährliche Aben-
theuer mit ihm zu bestehen, Gelegenheit bekommt; so wie sie
keine größere Schande kennen, als für einen Verräther der
Freundschaft gehalten zu werden." -- Und etwas weiter
unten: "wir beschwören mit dem heiligsten der Schwüre den
Bund der Freundschaft, schwören, nicht nur mit einander
zu leben, sondern sobald es nöthig wäre, auch für einander
zu sterben. Und dabei bleibt es denn auch. Von dem Au-
*) Wielandsche Uebersetzung, Theil IV.
Von einer solchen feierlichen Verbrüderung ist hier die
Rede. Pobratim, im Gegensatz zu brat, dem angebor-
nen — der eigenmächtig erwählte Bruder, (daher es ei-
nige Wahlbruder übersetzen, welches Wort jedoch eben so
gut einer Erklärung bedarf als Pobratim selbst), scheint ein
zum Substantiv gewordenes participium pases. pass. von
pobratiti — anbrüdern, verbrüdern, zu seyn: der Ange-
brüderte, Verbrüderte. Ich übersetze es Freund, Bruder,
was es ja auch im Wesentlichen ist, und was allein in der
Poesie statthaft scheint. — Herr Wuk belehrt uns, daß es
nicht gradezu nöthig ist, diese Freundschaften in der Kirche
zu schließen. Pobratim dient auch zum Zuruf für Fremde,
wie unser: Freund.
Allen Nationen sind von jeher die Empfindungen der
Freundschaft ehrwürdig gewesen, wenn wir aber unter den
Neuern sie bei den Serben besonders heilig gehalten sehen, so
finden wir, daß unter den Alten vorzüglich die Scythen sie
als das höchste, beseligendste Verhältniß des Sterblichen be-
trachteten. So scheint es erlaubt zu seyn, jenen Gebrauch
der Serben (und Bulgaren) aus urältester Zeit abzuleiten.
„Die Scythen, sagt Lucians Toxaris *): halten die
Freundschaft höher als alles, und es giebt nichts, worauf
sich ein Scythe mehr einbildet, als wenn er etwas Schwe-
res mit einem Freunde auszuführen und gefährliche Aben-
theuer mit ihm zu bestehen, Gelegenheit bekommt; so wie sie
keine größere Schande kennen, als für einen Verräther der
Freundschaft gehalten zu werden.“ — Und etwas weiter
unten: „wir beschwören mit dem heiligsten der Schwüre den
Bund der Freundschaft, schwören, nicht nur mit einander
zu leben, sondern sobald es nöthig wäre, auch für einander
zu sterben. Und dabei bleibt es denn auch. Von dem Au-
*) Wielandsche Uebersetzung, Theil IV.
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[283/0349] ¹⁹⁾ Von einer solchen feierlichen Verbrüderung ist hier die Rede. Pobratim, im Gegensatz zu brat, dem angebor- nen — der eigenmächtig erwählte Bruder, (daher es ei- nige Wahlbruder übersetzen, welches Wort jedoch eben so gut einer Erklärung bedarf als Pobratim selbst), scheint ein zum Substantiv gewordenes participium pases. pass. von pobratiti — anbrüdern, verbrüdern, zu seyn: der Ange- brüderte, Verbrüderte. Ich übersetze es Freund, Bruder, was es ja auch im Wesentlichen ist, und was allein in der Poesie statthaft scheint. — Herr Wuk belehrt uns, daß es nicht gradezu nöthig ist, diese Freundschaften in der Kirche zu schließen. Pobratim dient auch zum Zuruf für Fremde, wie unser: Freund. Allen Nationen sind von jeher die Empfindungen der Freundschaft ehrwürdig gewesen, wenn wir aber unter den Neuern sie bei den Serben besonders heilig gehalten sehen, so finden wir, daß unter den Alten vorzüglich die Scythen sie als das höchste, beseligendste Verhältniß des Sterblichen be- trachteten. So scheint es erlaubt zu seyn, jenen Gebrauch der Serben (und Bulgaren) aus urältester Zeit abzuleiten. „Die Scythen, sagt Lucians Toxaris *): halten die Freundschaft höher als alles, und es giebt nichts, worauf sich ein Scythe mehr einbildet, als wenn er etwas Schwe- res mit einem Freunde auszuführen und gefährliche Aben- theuer mit ihm zu bestehen, Gelegenheit bekommt; so wie sie keine größere Schande kennen, als für einen Verräther der Freundschaft gehalten zu werden.“ — Und etwas weiter unten: „wir beschwören mit dem heiligsten der Schwüre den Bund der Freundschaft, schwören, nicht nur mit einander zu leben, sondern sobald es nöthig wäre, auch für einander zu sterben. Und dabei bleibt es denn auch. Von dem Au- *) Wielandsche Uebersetzung, Theil IV.

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Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/349>, abgerufen am 22.11.2024.