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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

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16) Bruder! -- so wahr mein Bruder leben möge!" -- Auch
die Griechen schwören bei dem Haupte ihrer Kinder. Die
Schamhaftigkeit verbietet, den serbischen Frauen wenigstens,
diesen Schwur, noch strenger den bei dem Haupte des
Gatten. Welche wunderliche Richtung dieß Gefühl über-
haupt in ihnen genommen, geht auch z. B. aus dem Ge-
dichte, die Erbauung Scutaris, hervor, wo die unglückliche
junge Frau den Gatten "Scham und Furcht vor Tadel be-
zwingend," anredet, nachdem sie einen Augenblick zuvor,
ohne Weitres, ihre beiden Schwäger angerufen hat. So
hält auch Schamhaftigkeit Haßan-Agas Gemahlin ab, den
kranken Gatten zu besuchen.-- Der Bruder ist der Ser-
bin überhaupt der decentliebste Gegenstand. Wer denkt hier
nicht an die Perserin des Herodot, welcher der König die
Wahl ließ zwischen dem Leben des Mannes, Kindes und
Bruders, und die den Bruder wählte? --
17) Tod des Despotensohnes Johannes.
Der letzte Despot von Sirmien, Johann, Sohn des
Despoten Stephan, s. histor. Einleitung. Stephan hatte
sich auf seiner Flucht in Albanien mit des Angelia Arianita,
einer Schwägerin Skanderbegs vermählt, die eine Reihe
von Jahren durch bei den Serben wegen ihrer Frömmigkeit
unter dem Namen der Mutter Angelia bekannt war. Der
in der Einleitung ebenfalls erwähnte Wuk Smai, dessen Jo-
hann hier als seines Bruders gedenkt, war nur sein Vetter,
sein Vorgänger und bei seinem Tode längst gestorben.
18) Einen fein beschriebnen Brief verfassend.
Ssitan, eigentlich nur fein, klein; das gewöhnliche
Beiwort des Briefes, bezieht sich auf die kleinen Lettern,
mit welchen er geschrieben. Vielleicht im Gegensatz zu der
größern Kirchenschrift? oder weil dem Landmann, der nicht
16) Bruder! — so wahr mein Bruder leben möge!“ — Auch
die Griechen schwören bei dem Haupte ihrer Kinder. Die
Schamhaftigkeit verbietet, den serbischen Frauen wenigstens,
diesen Schwur, noch strenger den bei dem Haupte des
Gatten. Welche wunderliche Richtung dieß Gefühl über-
haupt in ihnen genommen, geht auch z. B. aus dem Ge-
dichte, die Erbauung Scutaris, hervor, wo die unglückliche
junge Frau den Gatten „Scham und Furcht vor Tadel be-
zwingend,“ anredet, nachdem sie einen Augenblick zuvor,
ohne Weitres, ihre beiden Schwäger angerufen hat. So
hält auch Schamhaftigkeit Haßan-Agas Gemahlin ab, den
kranken Gatten zu besuchen.— Der Bruder ist der Ser-
bin überhaupt der decentliebste Gegenstand. Wer denkt hier
nicht an die Perserin des Herodot, welcher der König die
Wahl ließ zwischen dem Leben des Mannes, Kindes und
Bruders, und die den Bruder wählte? —
17) Tod des Despotensohnes Johannes.
Der letzte Despot von Sirmien, Johann, Sohn des
Despoten Stephan, s. histor. Einleitung. Stephan hatte
sich auf seiner Flucht in Albanien mit des Angelia Arianita,
einer Schwägerin Skanderbegs vermählt, die eine Reihe
von Jahren durch bei den Serben wegen ihrer Frömmigkeit
unter dem Namen der Mutter Angelia bekannt war. Der
in der Einleitung ebenfalls erwähnte Wuk Smai, dessen Jo-
hann hier als seines Bruders gedenkt, war nur sein Vetter,
sein Vorgänger und bei seinem Tode längst gestorben.
18) Einen fein beschriebnen Brief verfassend.
Ssitan, eigentlich nur fein, klein; das gewöhnliche
Beiwort des Briefes, bezieht sich auf die kleinen Lettern,
mit welchen er geschrieben. Vielleicht im Gegensatz zu der
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[281/0347] ¹⁶⁾ Bruder! — so wahr mein Bruder leben möge!“ — Auch die Griechen schwören bei dem Haupte ihrer Kinder. Die Schamhaftigkeit verbietet, den serbischen Frauen wenigstens, diesen Schwur, noch strenger den bei dem Haupte des Gatten. Welche wunderliche Richtung dieß Gefühl über- haupt in ihnen genommen, geht auch z. B. aus dem Ge- dichte, die Erbauung Scutaris, hervor, wo die unglückliche junge Frau den Gatten „Scham und Furcht vor Tadel be- zwingend,“ anredet, nachdem sie einen Augenblick zuvor, ohne Weitres, ihre beiden Schwäger angerufen hat. So hält auch Schamhaftigkeit Haßan-Agas Gemahlin ab, den kranken Gatten zu besuchen.— Der Bruder ist der Ser- bin überhaupt der decentliebste Gegenstand. Wer denkt hier nicht an die Perserin des Herodot, welcher der König die Wahl ließ zwischen dem Leben des Mannes, Kindes und Bruders, und die den Bruder wählte? — ¹⁷⁾ Tod des Despotensohnes Johannes. Der letzte Despot von Sirmien, Johann, Sohn des Despoten Stephan, s. histor. Einleitung. Stephan hatte sich auf seiner Flucht in Albanien mit des Angelia Arianita, einer Schwägerin Skanderbegs vermählt, die eine Reihe von Jahren durch bei den Serben wegen ihrer Frömmigkeit unter dem Namen der Mutter Angelia bekannt war. Der in der Einleitung ebenfalls erwähnte Wuk Smai, dessen Jo- hann hier als seines Bruders gedenkt, war nur sein Vetter, sein Vorgänger und bei seinem Tode längst gestorben. ¹⁸⁾ Einen fein beschriebnen Brief verfassend. Ssitan, eigentlich nur fein, klein; das gewöhnliche Beiwort des Briefes, bezieht sich auf die kleinen Lettern, mit welchen er geschrieben. Vielleicht im Gegensatz zu der größern Kirchenschrift? oder weil dem Landmann, der nicht

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Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/347>, abgerufen am 25.11.2024.