Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

Bild:
<< vorherige Seite
Sieh! da gehn zwei edle junge Frauen,
Von den Schwägerinnen, die zwei ält'sten.
Eine trägt ihr weißgebleichtes Linnen,
Will's noch einmal auf die Bleiche bringen.
Gehet mit dem Linnen auf den Bleichplatz, 125
Trägt es dorthin, aber geht nicht weiter.
Schöne rothe Krüge bringt die Zweite,
Bringt die Krüge nach dem kalten Wasser,
Hält am Fluß Gespräch mit andern Frauen,
Säumet dorten, aber geht nicht weiter. 130
Noch daheim ist Gojkos junge Gattin,
Denn fie hat ein Kindlein in der Wiege,
Einen Säugling, einen einz'gen Mond alt.
Naht die Zeit zum herrschaftlichen Mahle.
Es erhebt sich ihre alte Mutter, 135
Will die jungen Dienerinnen rufen,
Daß das Mahl sie zur Bojana bringen.
Da beginnet Gojkos junge Gattin:
"Ruhig bleibe sitzen, meine Mutter!
Schaukle mir das Kindlein in der Wiege, 140
Daß ich selbst das Mahl den Herren bringe;
Wär' es doch vor Gott gar große Sünde,
Und vor allen Leuten Schimpf und Schande,
Wenn statt unsrer Dreie Du es brächtest." --
Und es blieb daheim die alte Mutter, 145
Schaukelte das Kindlein in der Wiege;
Auf stand Gojkos junge Ehgemahlin,
Rief die jugendlichen Dienerinnen,
Sieh! da gehn zwei edle junge Frauen,
Von den Schwägerinnen, die zwei ält'sten.
Eine trägt ihr weißgebleichtes Linnen,
Will's noch einmal auf die Bleiche bringen.
Gehet mit dem Linnen auf den Bleichplatz, 125
Trägt es dorthin, aber geht nicht weiter.
Schöne rothe Krüge bringt die Zweite,
Bringt die Krüge nach dem kalten Wasser,
Hält am Fluß Gespräch mit andern Frauen,
Säumet dorten, aber geht nicht weiter. 130
Noch daheim ist Gojkos junge Gattin,
Denn fie hat ein Kindlein in der Wiege,
Einen Säugling, einen einz'gen Mond alt.
Naht die Zeit zum herrschaftlichen Mahle.
Es erhebt sich ihre alte Mutter, 135
Will die jungen Dienerinnen rufen,
Daß das Mahl sie zur Bojana bringen.
Da beginnet Gojkos junge Gattin:
„Ruhig bleibe sitzen, meine Mutter!
Schaukle mir das Kindlein in der Wiege, 140
Daß ich selbst das Mahl den Herren bringe;
Wär' es doch vor Gott gar große Sünde,
Und vor allen Leuten Schimpf und Schande,
Wenn statt unsrer Dreie Du es brächtest.“ —
Und es blieb daheim die alte Mutter, 145
Schaukelte das Kindlein in der Wiege;
Auf stand Gojkos junge Ehgemahlin,
Rief die jugendlichen Dienerinnen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0188" n="122"/>
            <lg>
              <l>Sieh! da gehn zwei edle junge Frauen,</l><lb/>
              <l>Von den Schwägerinnen, die zwei ält'sten.</l><lb/>
              <l>Eine trägt ihr weißgebleichtes Linnen,</l><lb/>
              <l>Will's noch einmal auf die Bleiche bringen.</l><lb/>
              <l>Gehet mit dem Linnen auf den Bleichplatz, <note place="right">125</note></l><lb/>
              <l>Trägt es dorthin, aber geht nicht weiter.</l><lb/>
              <l>Schöne rothe Krüge bringt die Zweite,</l><lb/>
              <l>Bringt die Krüge nach dem kalten Wasser,</l><lb/>
              <l>Hält am Fluß Gespräch mit andern Frauen,</l><lb/>
              <l>Säumet dorten, aber geht nicht weiter. <note place="right">130</note></l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Noch daheim ist Gojkos junge Gattin,</l><lb/>
              <l>Denn fie hat ein Kindlein in der Wiege,</l><lb/>
              <l>Einen Säugling, einen einz'gen Mond alt.</l><lb/>
              <l>Naht die Zeit zum herrschaftlichen Mahle.</l><lb/>
              <l>Es erhebt sich ihre alte Mutter, <note place="right">135</note></l><lb/>
              <l>Will die jungen Dienerinnen rufen,</l><lb/>
              <l>Daß das Mahl sie zur Bojana bringen.</l><lb/>
              <l>Da beginnet Gojkos junge Gattin:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ruhig bleibe sitzen, meine Mutter!</l><lb/>
              <l>Schaukle mir das Kindlein in der Wiege, <note place="right">140</note></l><lb/>
              <l>Daß ich selbst das Mahl den Herren bringe;</l><lb/>
              <l>Wär' es doch vor Gott gar große Sünde,</l><lb/>
              <l>Und vor allen Leuten Schimpf und Schande,</l><lb/>
              <l>Wenn statt unsrer Dreie Du es brächtest.&#x201C; &#x2014;</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Und es blieb daheim die alte Mutter, <note place="right">145</note></l><lb/>
              <l>Schaukelte das Kindlein in der Wiege;</l><lb/>
              <l>Auf stand Gojkos junge Ehgemahlin,</l><lb/>
              <l>Rief die jugendlichen Dienerinnen,</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0188] Sieh! da gehn zwei edle junge Frauen, Von den Schwägerinnen, die zwei ält'sten. Eine trägt ihr weißgebleichtes Linnen, Will's noch einmal auf die Bleiche bringen. Gehet mit dem Linnen auf den Bleichplatz, Trägt es dorthin, aber geht nicht weiter. Schöne rothe Krüge bringt die Zweite, Bringt die Krüge nach dem kalten Wasser, Hält am Fluß Gespräch mit andern Frauen, Säumet dorten, aber geht nicht weiter. Noch daheim ist Gojkos junge Gattin, Denn fie hat ein Kindlein in der Wiege, Einen Säugling, einen einz'gen Mond alt. Naht die Zeit zum herrschaftlichen Mahle. Es erhebt sich ihre alte Mutter, Will die jungen Dienerinnen rufen, Daß das Mahl sie zur Bojana bringen. Da beginnet Gojkos junge Gattin: „Ruhig bleibe sitzen, meine Mutter! Schaukle mir das Kindlein in der Wiege, Daß ich selbst das Mahl den Herren bringe; Wär' es doch vor Gott gar große Sünde, Und vor allen Leuten Schimpf und Schande, Wenn statt unsrer Dreie Du es brächtest.“ — Und es blieb daheim die alte Mutter, Schaukelte das Kindlein in der Wiege; Auf stand Gojkos junge Ehgemahlin, Rief die jugendlichen Dienerinnen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Robert Charlier, AV GWB Berlin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-05-30T17:55:01Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: keine Angabe; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/188
Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/188>, abgerufen am 26.04.2024.