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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.

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könne. So auch anfangs dieser Fechter. Endlich frug
er, ob es auch gut sei gegen Bruststiche. Jch erwiederte:
nein und ja! es komme auf die Ursache derselben an.
Sei dieselbe ein organischer Fehler, so gebe es dafür
kein Mittel; rührten dieselben aber her von einer unent-
wickelten Brust, von stockenden Säften u. s. w., so könne
hiergegen sehr leicht geholfen werden. Hierbei erfuhr ich
denn, daß schon ein älterer Bruder als Student an einer
Brustkrankheit (ich glaube Lungenschwindsucht) gestorben
sei, sein jüngerer Bruder, Primaner des Friedrichs-Colle-
giums, leide an Bruststiche. Mit diesem Primaner be-
sprach ich mich nun, und setzte ihm das Anatomische
auseinander, und sodann die diätetische Einwirkung des
Turnens auf den Körper überhaupt und insbesondere
auf die Brust, und gab ihm Koch's Gymnastik zu lesen.
Er fühlte sich überzeugt und meldete sich nun zum Tur-
nen, November 1840. Es versteht sich von selbst, daß
er nur einige Uebungen machen durfte; viele gar nicht,
wozu er sonst recht wohl die Kraft gehabt hätte, andere
Uebungen mußte er täglich zu Hause von Zeit zu Zeit
machen, nach meinem Rathe Morgens gleich nach dem
Aufstehen und Abends vor dem Schlafengehen. Aber
nicht allein die Uebungen selbst wurden genau angegeben,
auch das Maß, die Art und Weise, z. B. ich kann eine
Uebung rasch oder langsam, zehn Mal oder hundert Mal
hinter einander machen. Dies ist nichts weniger als
gleichgültig, ebensowenig es gleichgültig ist, ob ich 5
Tropfen einnehme oder 15, einstündlich oder zweistündlich.
Die Folge hiervon war, daß die Bruststiche nach 14
Tagen nicht mehr verspürt wurden. Hierauf kamen die
14 Tage Weihnachtsferien, wo also nicht geturnt wurde.
Jn den letzten Tagen derselben kehrten dieselben Brust-
stiche, wenn auch mit geringerer Stärke wieder. Hier-
auf turnte er fort bis Ostern, und da er sich wohl
fühlte, kam er nicht wieder, und ein Jahr darauf, weiß
ich aus seines Bruders Munde, waren die Bruststiche
nicht wiedergekehrt. Der Arzt dieses Kranken war der

könne. So auch anfangs dieſer Fechter. Endlich frug
er, ob es auch gut ſei gegen Bruſtſtiche. Jch erwiederte:
nein und ja! es komme auf die Urſache derſelben an.
Sei dieſelbe ein organiſcher Fehler, ſo gebe es dafür
kein Mittel; rührten dieſelben aber her von einer unent-
wickelten Bruſt, von ſtockenden Säften u. ſ. w., ſo könne
hiergegen ſehr leicht geholfen werden. Hierbei erfuhr ich
denn, daß ſchon ein älterer Bruder als Student an einer
Bruſtkrankheit (ich glaube Lungenſchwindſucht) geſtorben
ſei, ſein jüngerer Bruder, Primaner des Friedrichs-Colle-
giums, leide an Bruſtſtiche. Mit dieſem Primaner be-
ſprach ich mich nun, und ſetzte ihm das Anatomiſche
auseinander, und ſodann die diätetiſche Einwirkung des
Turnens auf den Körper überhaupt und insbeſondere
auf die Bruſt, und gab ihm Koch’s Gymnaſtik zu leſen.
Er fühlte ſich überzeugt und meldete ſich nun zum Tur-
nen, November 1840. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß
er nur einige Uebungen machen durfte; viele gar nicht,
wozu er ſonſt recht wohl die Kraft gehabt hätte, andere
Uebungen mußte er täglich zu Hauſe von Zeit zu Zeit
machen, nach meinem Rathe Morgens gleich nach dem
Aufſtehen und Abends vor dem Schlafengehen. Aber
nicht allein die Uebungen ſelbſt wurden genau angegeben,
auch das Maß, die Art und Weiſe, z. B. ich kann eine
Uebung raſch oder langſam, zehn Mal oder hundert Mal
hinter einander machen. Dies iſt nichts weniger als
gleichgültig, ebenſowenig es gleichgültig iſt, ob ich 5
Tropfen einnehme oder 15, einſtündlich oder zweiſtündlich.
Die Folge hiervon war, daß die Bruſtſtiche nach 14
Tagen nicht mehr verſpürt wurden. Hierauf kamen die
14 Tage Weihnachtsferien, wo alſo nicht geturnt wurde.
Jn den letzten Tagen derſelben kehrten dieſelben Bruſt-
ſtiche, wenn auch mit geringerer Stärke wieder. Hier-
auf turnte er fort bis Oſtern, und da er ſich wohl
fühlte, kam er nicht wieder, und ein Jahr darauf, weiß
ich aus ſeines Bruders Munde, waren die Bruſtſtiche
nicht wiedergekehrt. Der Arzt dieſes Kranken war der

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[75/0079] könne. So auch anfangs dieſer Fechter. Endlich frug er, ob es auch gut ſei gegen Bruſtſtiche. Jch erwiederte: nein und ja! es komme auf die Urſache derſelben an. Sei dieſelbe ein organiſcher Fehler, ſo gebe es dafür kein Mittel; rührten dieſelben aber her von einer unent- wickelten Bruſt, von ſtockenden Säften u. ſ. w., ſo könne hiergegen ſehr leicht geholfen werden. Hierbei erfuhr ich denn, daß ſchon ein älterer Bruder als Student an einer Bruſtkrankheit (ich glaube Lungenſchwindſucht) geſtorben ſei, ſein jüngerer Bruder, Primaner des Friedrichs-Colle- giums, leide an Bruſtſtiche. Mit dieſem Primaner be- ſprach ich mich nun, und ſetzte ihm das Anatomiſche auseinander, und ſodann die diätetiſche Einwirkung des Turnens auf den Körper überhaupt und insbeſondere auf die Bruſt, und gab ihm Koch’s Gymnaſtik zu leſen. Er fühlte ſich überzeugt und meldete ſich nun zum Tur- nen, November 1840. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß er nur einige Uebungen machen durfte; viele gar nicht, wozu er ſonſt recht wohl die Kraft gehabt hätte, andere Uebungen mußte er täglich zu Hauſe von Zeit zu Zeit machen, nach meinem Rathe Morgens gleich nach dem Aufſtehen und Abends vor dem Schlafengehen. Aber nicht allein die Uebungen ſelbſt wurden genau angegeben, auch das Maß, die Art und Weiſe, z. B. ich kann eine Uebung raſch oder langſam, zehn Mal oder hundert Mal hinter einander machen. Dies iſt nichts weniger als gleichgültig, ebenſowenig es gleichgültig iſt, ob ich 5 Tropfen einnehme oder 15, einſtündlich oder zweiſtündlich. Die Folge hiervon war, daß die Bruſtſtiche nach 14 Tagen nicht mehr verſpürt wurden. Hierauf kamen die 14 Tage Weihnachtsferien, wo alſo nicht geturnt wurde. Jn den letzten Tagen derſelben kehrten dieſelben Bruſt- ſtiche, wenn auch mit geringerer Stärke wieder. Hier- auf turnte er fort bis Oſtern, und da er ſich wohl fühlte, kam er nicht wieder, und ein Jahr darauf, weiß ich aus ſeines Bruders Munde, waren die Bruſtſtiche nicht wiedergekehrt. Der Arzt dieſes Kranken war der

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst02_1844/79>, abgerufen am 21.11.2024.