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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.

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Und zuletzt frage ich auch hier meine Erfahrung,
so muß ich das vollste Gegentheil behaupten, daß viel-
mehr die wahre Weiblichkeit dadurch befördert werde.
Die Schönheit und Gesundheit des Körpers und Geistes
gewinnt durch die harmonische Körperentwickelung. Das
Erscheinen und Auftreten der Mädchen wird daher ein
freieres, gesunderes, fern von allem prüden und koketten
Wesen. Durch die mancherlei Uebungen verlieren sie
die unnatürliche Schüchternheit, das weibische und zim-
perliche Wesen, und da auch auf ihrem Turnplatz der
Wille in Zucht genommen wird, so werden sie befähigt,
auch in den übrigen Verhältnissen des Lebens diese Zucht
des Willens zu üben. Man hat es in vielen Kreisen
Königsbergs mit großem Wohlgefallen bemerkt, daß, un-
ter Anderm, die Unterhaltung derjenigen Mädchen, welche
turnten, eine größere Frische und gesundere Ansichten
athmeten, während sie früher meist nur in Tändelei be-
stand und auf Gegenstände des Putzes gerichtet war.
Dankbar muß ich noch erwähnen, daß ich in Königsberg
fast keine Mädchenturnstunde hielt, ohne daß nicht irgend
eine der betheiligten Mütter dem Unterrichte be[i]wohnte.

3. Andere schreien: "Die Mädchen werden in
ihren Bewegungen, in ihrem Benehmen zu männlich, sie
werden wild." Dieser Punkt fällt eigentlich mit dem
vorigen zusammen, aber die Gegner stellen ihn noch
ganz besonders auf, und um der Schwachheit der Leute
willen wollen wir ihn denn auch festhalten und beleuchten.

Zur Ehre der Sache müssen wir gestehen, daß die
Mädchen an Kraft und Gesundheit, an körperlicher und
geistiger Frische und Munterkeit, an Heiterkeit gewannen,
und manche früher besorgte Mutter dankte uns, weil
ihre Tochter nun immerdar fröhlich sei, ja ausgelassen
heiter. Da ich, wie schon bemerkt, theils durch den
Besuch der Mütter während des Turnunterrichts, theils
durch Umgang mit den Schülerinnen und deren Eltern
in beständiger Berührung blieb, habe ich bis jetzt nur
das Gegentheil von diesem gemachten Vorwurf vernom-

Und zuletzt frage ich auch hier meine Erfahrung,
ſo muß ich das vollſte Gegentheil behaupten, daß viel-
mehr die wahre Weiblichkeit dadurch befördert werde.
Die Schönheit und Geſundheit des Körpers und Geiſtes
gewinnt durch die harmoniſche Körperentwickelung. Das
Erſcheinen und Auftreten der Mädchen wird daher ein
freieres, geſunderes, fern von allem prüden und koketten
Weſen. Durch die mancherlei Uebungen verlieren ſie
die unnatürliche Schüchternheit, das weibiſche und zim-
perliche Weſen, und da auch auf ihrem Turnplatz der
Wille in Zucht genommen wird, ſo werden ſie befähigt,
auch in den übrigen Verhältniſſen des Lebens dieſe Zucht
des Willens zu üben. Man hat es in vielen Kreiſen
Königsbergs mit großem Wohlgefallen bemerkt, daß, un-
ter Anderm, die Unterhaltung derjenigen Mädchen, welche
turnten, eine größere Friſche und geſundere Anſichten
athmeten, während ſie früher meiſt nur in Tändelei be-
ſtand und auf Gegenſtände des Putzes gerichtet war.
Dankbar muß ich noch erwähnen, daß ich in Königsberg
faſt keine Mädchenturnſtunde hielt, ohne daß nicht irgend
eine der betheiligten Mütter dem Unterrichte be[i]wohnte.

3. Andere ſchreien: „Die Mädchen werden in
ihren Bewegungen, in ihrem Benehmen zu männlich, ſie
werden wild.“ Dieſer Punkt fällt eigentlich mit dem
vorigen zuſammen, aber die Gegner ſtellen ihn noch
ganz beſonders auf, und um der Schwachheit der Leute
willen wollen wir ihn denn auch feſthalten und beleuchten.

Zur Ehre der Sache müſſen wir geſtehen, daß die
Mädchen an Kraft und Geſundheit, an körperlicher und
geiſtiger Friſche und Munterkeit, an Heiterkeit gewannen,
und manche früher beſorgte Mutter dankte uns, weil
ihre Tochter nun immerdar fröhlich ſei, ja ausgelaſſen
heiter. Da ich, wie ſchon bemerkt, theils durch den
Beſuch der Mütter während des Turnunterrichts, theils
durch Umgang mit den Schülerinnen und deren Eltern
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[72/0076] Und zuletzt frage ich auch hier meine Erfahrung, ſo muß ich das vollſte Gegentheil behaupten, daß viel- mehr die wahre Weiblichkeit dadurch befördert werde. Die Schönheit und Geſundheit des Körpers und Geiſtes gewinnt durch die harmoniſche Körperentwickelung. Das Erſcheinen und Auftreten der Mädchen wird daher ein freieres, geſunderes, fern von allem prüden und koketten Weſen. Durch die mancherlei Uebungen verlieren ſie die unnatürliche Schüchternheit, das weibiſche und zim- perliche Weſen, und da auch auf ihrem Turnplatz der Wille in Zucht genommen wird, ſo werden ſie befähigt, auch in den übrigen Verhältniſſen des Lebens dieſe Zucht des Willens zu üben. Man hat es in vielen Kreiſen Königsbergs mit großem Wohlgefallen bemerkt, daß, un- ter Anderm, die Unterhaltung derjenigen Mädchen, welche turnten, eine größere Friſche und geſundere Anſichten athmeten, während ſie früher meiſt nur in Tändelei be- ſtand und auf Gegenſtände des Putzes gerichtet war. Dankbar muß ich noch erwähnen, daß ich in Königsberg faſt keine Mädchenturnſtunde hielt, ohne daß nicht irgend eine der betheiligten Mütter dem Unterrichte beiwohnte. 3. Andere ſchreien: „Die Mädchen werden in ihren Bewegungen, in ihrem Benehmen zu männlich, ſie werden wild.“ Dieſer Punkt fällt eigentlich mit dem vorigen zuſammen, aber die Gegner ſtellen ihn noch ganz beſonders auf, und um der Schwachheit der Leute willen wollen wir ihn denn auch feſthalten und beleuchten. Zur Ehre der Sache müſſen wir geſtehen, daß die Mädchen an Kraft und Geſundheit, an körperlicher und geiſtiger Friſche und Munterkeit, an Heiterkeit gewannen, und manche früher beſorgte Mutter dankte uns, weil ihre Tochter nun immerdar fröhlich ſei, ja ausgelaſſen heiter. Da ich, wie ſchon bemerkt, theils durch den Beſuch der Mütter während des Turnunterrichts, theils durch Umgang mit den Schülerinnen und deren Eltern in beſtändiger Berührung blieb, habe ich bis jetzt nur das Gegentheil von dieſem gemachten Vorwurf vernom-

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst02_1844/76>, abgerufen am 24.11.2024.