Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.Erziehungssache ansehen, und wahr ist es allerdings, Erziehungsſache anſehen, und wahr iſt es allerdings, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0016" n="12"/> Erziehungsſache anſehen, und wahr iſt es allerdings,<lb/> daß es für das Jugendalter hauptſächlich gehört. Aber<lb/> bei unſrer jetzigen Lebensweiſe, welche durch den Bil-<lb/> dungsgang des Menſchengeſchlechts faſt nothwendig ge-<lb/> worden zu ſein ſcheint, bedarf es noch über die Knaben-<lb/> und Jünglingszeit hinaus einer Körperpflege; ſoll nicht<lb/> der Menſch vor lauter Vergeiſtigung zum Jrrwiſch<lb/> werden, den jeder Abendwind umweht. Bei dem häu-<lb/> figen Genuß gewürzhafter und fader, üppiger und glib-<lb/> briger Koſt, dem Stubenhocken und Bauchdrücken des<lb/> gewöhnlichen Geſchäftslebens, dem nächtlichen Brüten<lb/> über Arbeiten oder dem Tanzraſen und Zechen der ſo-<lb/> genannten Geſellſchaften iſt es kein Wunder, daß die<lb/> Unterleibskrankheiten, Hypochondrie und Goldaderflüſſe<lb/> nebſt ihrem ganzen Nachtrabe den Arzt hauptſächlich be-<lb/> ſchäftigen. Das Heer liederlicher Krankheiten iſt leider<lb/> Gottes! immer dasſelbe geblieben, und es iſt wahr-<lb/> ſcheinlich nicht zu viel behauptet, daß kaum ein Viertel<lb/> der Männer noch wahrhaft keuſch in die Ehe treten.<lb/> Der ſo gröblich gemißhandelte Körper welkt ohne alle<lb/> Bewegung hin, aus dem frohen und ſchönen Erdenleben<lb/> wird ein trübes und ſieches Daſein, ſchwächliche oder<lb/> gar kranke Kinder rufen dem Vater ſein früheres Trei-<lb/> ben täglich vor Augen, und klagen ihn bei Gott an. —<lb/> Da meint denn mancher über die Maßen viel für<lb/> ſeinen Körper zu thun, wenn er täglich eine oder zwei<lb/> Stunden geluſtwandelt ſei, und viele übertreiben ihre<lb/> Geſundheitsgeherei bei ihrem ſchwachen Körper ſo weit,<lb/> daß ſie bei dem allerungeſundeſten Wetter dennoch hin-<lb/> auslaufen. Ein anderer geht vom Arbeitstiſche nur zum<lb/> Weintiſche oder Kuchenbäcker und ſtärkt ſitzend ſeinen<lb/> Leib mit Magenballaſt, weil er wähnt, hier den wahren<lb/> Lebensſaft einzutrinken und zu eſſen. Unſere Vorfahren,<lb/> ſelbſt noch vor ein paar Jahrvierzigen, vergnügten ſich<lb/> durch Kegelſpiel und Eislauf. Das erſte halten jetzt die<lb/> meiſten für ſpiesbürgerlich, das andere für halsbrechend.<lb/> Wohl denn! So nehmt mit Freuden das entgegen, was<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [12/0016]
Erziehungsſache anſehen, und wahr iſt es allerdings,
daß es für das Jugendalter hauptſächlich gehört. Aber
bei unſrer jetzigen Lebensweiſe, welche durch den Bil-
dungsgang des Menſchengeſchlechts faſt nothwendig ge-
worden zu ſein ſcheint, bedarf es noch über die Knaben-
und Jünglingszeit hinaus einer Körperpflege; ſoll nicht
der Menſch vor lauter Vergeiſtigung zum Jrrwiſch
werden, den jeder Abendwind umweht. Bei dem häu-
figen Genuß gewürzhafter und fader, üppiger und glib-
briger Koſt, dem Stubenhocken und Bauchdrücken des
gewöhnlichen Geſchäftslebens, dem nächtlichen Brüten
über Arbeiten oder dem Tanzraſen und Zechen der ſo-
genannten Geſellſchaften iſt es kein Wunder, daß die
Unterleibskrankheiten, Hypochondrie und Goldaderflüſſe
nebſt ihrem ganzen Nachtrabe den Arzt hauptſächlich be-
ſchäftigen. Das Heer liederlicher Krankheiten iſt leider
Gottes! immer dasſelbe geblieben, und es iſt wahr-
ſcheinlich nicht zu viel behauptet, daß kaum ein Viertel
der Männer noch wahrhaft keuſch in die Ehe treten.
Der ſo gröblich gemißhandelte Körper welkt ohne alle
Bewegung hin, aus dem frohen und ſchönen Erdenleben
wird ein trübes und ſieches Daſein, ſchwächliche oder
gar kranke Kinder rufen dem Vater ſein früheres Trei-
ben täglich vor Augen, und klagen ihn bei Gott an. —
Da meint denn mancher über die Maßen viel für
ſeinen Körper zu thun, wenn er täglich eine oder zwei
Stunden geluſtwandelt ſei, und viele übertreiben ihre
Geſundheitsgeherei bei ihrem ſchwachen Körper ſo weit,
daß ſie bei dem allerungeſundeſten Wetter dennoch hin-
auslaufen. Ein anderer geht vom Arbeitstiſche nur zum
Weintiſche oder Kuchenbäcker und ſtärkt ſitzend ſeinen
Leib mit Magenballaſt, weil er wähnt, hier den wahren
Lebensſaft einzutrinken und zu eſſen. Unſere Vorfahren,
ſelbſt noch vor ein paar Jahrvierzigen, vergnügten ſich
durch Kegelſpiel und Eislauf. Das erſte halten jetzt die
meiſten für ſpiesbürgerlich, das andere für halsbrechend.
Wohl denn! So nehmt mit Freuden das entgegen, was
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