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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843.

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Daß die große Mehrzaht unserer Zöglinge die
Uebungen wirklich lieb hat und ihren Werth
für die Gesundheit erkennt,
ersieht man be-
sonders aus dem Eifer, mit welchem sehr oft nach ei-
nigen Stunden anhaltenden Sitzens das stets zugäng-
liche Turngeräth aufgesucht und benutzt wird. Dennoch
gehts auch hier wie bei jedem Schulunterrichte; man
freut sich auch, wenn er einmal ausfällt. Wollen
wir's aber den jungen Leuten in ihren leinenen Jäck-
chen und Beinkleidern verargen, wenn sie bei schlech-
ter Witterung und bedeutenden Kältegraden mit eini-
gem Zagen und Schauder sich an die Turnarbeit ma-
chen? Es geht aber auch dann, wenn nur die Unlust
überwunden ist; es geht selbst bei 15 bis 17° Kälte
in den offenen Räumen ganz gut. Nur pflegen wir
in letzterm Falle die Stunde um ein Drittel abzukür-
zen, weil bei so bedeutender Kälte die angreifendsten
Uebungen in ziemlich schneller Folge angestellt werden
müssen, und eine übermäßige Anstrengung besonders
den Lungen gerade dann sehr leicht verderblich werden
kann.

Fragt man nun nach dem Erfolge, so ists
zunächst erfreulich anzumerken, daß noch nie dabei ein
erheblicher Unfall sich ereignet hat, wohl aber im Ge-
gentheil die Klage über Unterleibsleiden ganz verschwun-
den, die über Brustbeschwerden merklich seltener gewör-
den ist; auch hat die Anstalt seitdem fast jährlich
mehrere Thaler am Medizinetat erspart. Die Mehr-
zahl unserer Zöglinge erfreut sich einer dauernden Ge-
sundheit und viele selbst einer frischen, ja blühenden
Gesichtsfarbe. Letzteres aber würde wohl noch allge-
meiner der Fall sein, wenn nicht in den letzten theuern
Jahren die von den Bürgern gebotene Kost nur sehr
mager und spärlich gewesen, wenn ferner in den Woh-
nungen besser für Erneuerung der Luft gesorgt wäre,
und die Seminaristen nicht so häufig in ihrer Armuth
durch mangelhafte Fußbekleidung sich catarrhalische
Leiden zuzögen.

Daß die große Mehrzaht unſerer Zöglinge die
Uebungen wirklich lieb hat und ihren Werth
für die Geſundheit erkennt,
erſieht man be-
ſonders aus dem Eifer, mit welchem ſehr oft nach ei-
nigen Stunden anhaltenden Sitzens das ſtets zugäng-
liche Turngeräth aufgeſucht und benutzt wird. Dennoch
gehts auch hier wie bei jedem Schulunterrichte; man
freut ſich auch, wenn er einmal ausfällt. Wollen
wir’s aber den jungen Leuten in ihren leinenen Jäck-
chen und Beinkleidern verargen, wenn ſie bei ſchlech-
ter Witterung und bedeutenden Kältegraden mit eini-
gem Zagen und Schauder ſich an die Turnarbeit ma-
chen? Es geht aber auch dann, wenn nur die Unluſt
überwunden iſt; es geht ſelbſt bei 15 bis 17° Kälte
in den offenen Räumen ganz gut. Nur pflegen wir
in letzterm Falle die Stunde um ein Drittel abzukür-
zen, weil bei ſo bedeutender Kälte die angreifendſten
Uebungen in ziemlich ſchneller Folge angeſtellt werden
müſſen, und eine übermäßige Anſtrengung beſonders
den Lungen gerade dann ſehr leicht verderblich werden
kann.

Fragt man nun nach dem Erfolge, ſo iſts
zunächſt erfreulich anzumerken, daß noch nie dabei ein
erheblicher Unfall ſich ereignet hat, wohl aber im Ge-
gentheil die Klage über Unterleibsleiden ganz verſchwun-
den, die über Bruſtbeſchwerden merklich ſeltener gewör-
den iſt; auch hat die Anſtalt ſeitdem faſt jährlich
mehrere Thaler am Medizinetat erſpart. Die Mehr-
zahl unſerer Zöglinge erfreut ſich einer dauernden Ge-
ſundheit und viele ſelbſt einer friſchen, ja blühenden
Geſichtsfarbe. Letzteres aber würde wohl noch allge-
meiner der Fall ſein, wenn nicht in den letzten theuern
Jahren die von den Bürgern gebotene Koſt nur ſehr
mager und ſpärlich geweſen, wenn ferner in den Woh-
nungen beſſer für Erneuerung der Luft geſorgt wäre,
und die Seminariſten nicht ſo häufig in ihrer Armuth
durch mangelhafte Fußbekleidung ſich catarrhaliſche
Leiden zuzögen.

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[75/0079] Daß die große Mehrzaht unſerer Zöglinge die Uebungen wirklich lieb hat und ihren Werth für die Geſundheit erkennt, erſieht man be- ſonders aus dem Eifer, mit welchem ſehr oft nach ei- nigen Stunden anhaltenden Sitzens das ſtets zugäng- liche Turngeräth aufgeſucht und benutzt wird. Dennoch gehts auch hier wie bei jedem Schulunterrichte; man freut ſich auch, wenn er einmal ausfällt. Wollen wir’s aber den jungen Leuten in ihren leinenen Jäck- chen und Beinkleidern verargen, wenn ſie bei ſchlech- ter Witterung und bedeutenden Kältegraden mit eini- gem Zagen und Schauder ſich an die Turnarbeit ma- chen? Es geht aber auch dann, wenn nur die Unluſt überwunden iſt; es geht ſelbſt bei 15 bis 17° Kälte in den offenen Räumen ganz gut. Nur pflegen wir in letzterm Falle die Stunde um ein Drittel abzukür- zen, weil bei ſo bedeutender Kälte die angreifendſten Uebungen in ziemlich ſchneller Folge angeſtellt werden müſſen, und eine übermäßige Anſtrengung beſonders den Lungen gerade dann ſehr leicht verderblich werden kann. Fragt man nun nach dem Erfolge, ſo iſts zunächſt erfreulich anzumerken, daß noch nie dabei ein erheblicher Unfall ſich ereignet hat, wohl aber im Ge- gentheil die Klage über Unterleibsleiden ganz verſchwun- den, die über Bruſtbeſchwerden merklich ſeltener gewör- den iſt; auch hat die Anſtalt ſeitdem faſt jährlich mehrere Thaler am Medizinetat erſpart. Die Mehr- zahl unſerer Zöglinge erfreut ſich einer dauernden Ge- ſundheit und viele ſelbſt einer friſchen, ja blühenden Geſichtsfarbe. Letzteres aber würde wohl noch allge- meiner der Fall ſein, wenn nicht in den letzten theuern Jahren die von den Bürgern gebotene Koſt nur ſehr mager und ſpärlich geweſen, wenn ferner in den Woh- nungen beſſer für Erneuerung der Luft geſorgt wäre, und die Seminariſten nicht ſo häufig in ihrer Armuth durch mangelhafte Fußbekleidung ſich catarrhaliſche Leiden zuzögen.

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst01_1843/79>, abgerufen am 30.11.2024.