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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843.

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die preußische Cabinetsordre vom 6. Juni 1842, wodurch
die Leibesübungen als ein nothwendiger und unent-
behrlicher Bestandtheil der männlichen Erziehung förm-
lich anerkannt, in den Kreis der Volkserziehungsmit-
tel aufgenommen, und zunächst mit den Gymnasien,
höhern Stadtschulen und Schullehrer-Seminarien in
Verbindung gesetzt werden. Die freudige Aussicht, die
diese wahrhaft königliche Willensäußerung jedem Men-
schen- und Vaterlandsfreunde eröffnet, betrachtet nun
der rühmlich bekannte Verfasser von Nro. 2., indem
er die Gymnastik aus dem humanistischen, patriotischen,
disciplinarischen und wissenschaftlichen Gesichtspunkte
würdigt. Wir wollen die Rede nicht excerpiren; man
kennt Diesterwegs kerngesunden Sinn. "Alaaf Preu-
ßen!" mit diesem Hoffnungs-Gruß empfängt er das
folgenreiche Ereigniß. "Wir stehen an der Eröffnung
einer neuen Epoche. Unsre theoretische, unpraktische
Einseitigkeit ist am Verschwinden. Die quietistische,
unselige Speculation auf die Freuden des Himmels
weicht der tüchtigen Wirksamkeit auf der Erde, dem
Schauplatz des ganzen Menschenlebens. Dieses men-
schenwürdig zu gestalten, erkennen wir als unsere Auf-
gabe. Alle Glieder des Volks zu bilden, den ganzen
Menschen, in ihm den Bürger, den Erdensohn, also
den Leib wie den Geist, daran denken wir. Es ist
ein wahrer Fortschritt." Am Schlusse giebt der Ver-
fasser eine Uebersicht der in diese Sphäre einschlagenden
Literatur.

Wer auch der Verfasser von Nro. 3. sein mag
(ein höherer Beamter im Unterrichtswesen nach p. 2.),
er steht würdig neben seinen beiden Vorgängern, wenn
man die klare Einsicht erwägt, mit der er unsere Zu-
stände betrachtet. "Unsre Zeit bedarf der Leibesübun-
gen mehr, als einst Griechenland selbst. Jn demselben
Maße, als unser ganzes Leben mit seiner verzweigteren
Ausbildung künstlicher geworden ist und wir uns von
jener Einfachheit der Verhältnisse, in welcher der ganze
Mensch und nicht wie bei uns eine einzelne kleine

die preußiſche Cabinetsordre vom 6. Juni 1842, wodurch
die Leibesübungen als ein nothwendiger und unent-
behrlicher Beſtandtheil der männlichen Erziehung förm-
lich anerkannt, in den Kreis der Volkserziehungsmit-
tel aufgenommen, und zunächſt mit den Gymnaſien,
höhern Stadtſchulen und Schullehrer-Seminarien in
Verbindung geſetzt werden. Die freudige Ausſicht, die
dieſe wahrhaft königliche Willensäußerung jedem Men-
ſchen- und Vaterlandsfreunde eröffnet, betrachtet nun
der rühmlich bekannte Verfaſſer von Nro. 2., indem
er die Gymnaſtik aus dem humaniſtiſchen, patriotiſchen,
disciplinariſchen und wiſſenſchaftlichen Geſichtspunkte
würdigt. Wir wollen die Rede nicht excerpiren; man
kennt Dieſterwegs kerngeſunden Sinn. „Alaaf Preu-
ßen!“ mit dieſem Hoffnungs-Gruß empfängt er das
folgenreiche Ereigniß. „Wir ſtehen an der Eröffnung
einer neuen Epoche. Unſre theoretiſche, unpraktiſche
Einſeitigkeit iſt am Verſchwinden. Die quietiſtiſche,
unſelige Speculation auf die Freuden des Himmels
weicht der tüchtigen Wirkſamkeit auf der Erde, dem
Schauplatz des ganzen Menſchenlebens. Dieſes men-
ſchenwürdig zu geſtalten, erkennen wir als unſere Auf-
gabe. Alle Glieder des Volks zu bilden, den ganzen
Menſchen, in ihm den Bürger, den Erdenſohn, alſo
den Leib wie den Geiſt, daran denken wir. Es iſt
ein wahrer Fortſchritt.“ Am Schluſſe giebt der Ver-
faſſer eine Ueberſicht der in dieſe Sphäre einſchlagenden
Literatur.

Wer auch der Verfaſſer von Nro. 3. ſein mag
(ein höherer Beamter im Unterrichtsweſen nach p. 2.),
er ſteht würdig neben ſeinen beiden Vorgängern, wenn
man die klare Einſicht erwägt, mit der er unſere Zu-
ſtände betrachtet. „Unſre Zeit bedarf der Leibesübun-
gen mehr, als einſt Griechenland ſelbſt. Jn demſelben
Maße, als unſer ganzes Leben mit ſeiner verzweigteren
Ausbildung künſtlicher geworden iſt und wir uns von
jener Einfachheit der Verhältniſſe, in welcher der ganze
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[132/0136] die preußiſche Cabinetsordre vom 6. Juni 1842, wodurch die Leibesübungen als ein nothwendiger und unent- behrlicher Beſtandtheil der männlichen Erziehung förm- lich anerkannt, in den Kreis der Volkserziehungsmit- tel aufgenommen, und zunächſt mit den Gymnaſien, höhern Stadtſchulen und Schullehrer-Seminarien in Verbindung geſetzt werden. Die freudige Ausſicht, die dieſe wahrhaft königliche Willensäußerung jedem Men- ſchen- und Vaterlandsfreunde eröffnet, betrachtet nun der rühmlich bekannte Verfaſſer von Nro. 2., indem er die Gymnaſtik aus dem humaniſtiſchen, patriotiſchen, disciplinariſchen und wiſſenſchaftlichen Geſichtspunkte würdigt. Wir wollen die Rede nicht excerpiren; man kennt Dieſterwegs kerngeſunden Sinn. „Alaaf Preu- ßen!“ mit dieſem Hoffnungs-Gruß empfängt er das folgenreiche Ereigniß. „Wir ſtehen an der Eröffnung einer neuen Epoche. Unſre theoretiſche, unpraktiſche Einſeitigkeit iſt am Verſchwinden. Die quietiſtiſche, unſelige Speculation auf die Freuden des Himmels weicht der tüchtigen Wirkſamkeit auf der Erde, dem Schauplatz des ganzen Menſchenlebens. Dieſes men- ſchenwürdig zu geſtalten, erkennen wir als unſere Auf- gabe. Alle Glieder des Volks zu bilden, den ganzen Menſchen, in ihm den Bürger, den Erdenſohn, alſo den Leib wie den Geiſt, daran denken wir. Es iſt ein wahrer Fortſchritt.“ Am Schluſſe giebt der Ver- faſſer eine Ueberſicht der in dieſe Sphäre einſchlagenden Literatur. Wer auch der Verfaſſer von Nro. 3. ſein mag (ein höherer Beamter im Unterrichtsweſen nach p. 2.), er ſteht würdig neben ſeinen beiden Vorgängern, wenn man die klare Einſicht erwägt, mit der er unſere Zu- ſtände betrachtet. „Unſre Zeit bedarf der Leibesübun- gen mehr, als einſt Griechenland ſelbſt. Jn demſelben Maße, als unſer ganzes Leben mit ſeiner verzweigteren Ausbildung künſtlicher geworden iſt und wir uns von jener Einfachheit der Verhältniſſe, in welcher der ganze Menſch und nicht wie bei uns eine einzelne kleine

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst01_1843/136>, abgerufen am 24.11.2024.