nen keinen Unterschied machen. Stillstand im Geistigen wie im Leiblichen ist geistiger und leiblicher Tod. Die körperliche Bildung ist nothwendig zur Entwickelung der schlummernden Kräfte des Kindes, zum harmoni- schen Wachsthum in der Zeit der Entwickelung, und zur Erlangung männlicher Schönheit. Wie aber jeder tüchtige Mensch nicht eher aufhört geistig zu leben, geistig sich zu bilden, als bis Gott ihn abruft, so lange muß er demnach auch in gleichem Verhältniß leiblich zu leben, leiblich sich zu bilden suchen. Die leibliche wie geistige Kraft soll nicht rasten und rosten. Sie gleicht dem Magnet, der ungebraucht und ungeübt seine Ziehkraft verliert. Auch der Geist des Greises soll noch Herr des greisen Leibes sein. Auch an der Grenze des Lebens soll der Mensch das Jdeal des Men- schen, sich selbst nicht aus dem Auge verlieren: das Gleichgewicht, in dem Geist und Körper zu ein- ander stehen sollen. Die Verkümmerung des einen Theiles zieht auch hier noch eine Trübung des ur- sprünglichen Menschenbildes nach sich. Auch der Greis soll noch dem Jünglinge als ein Bild der Nacheiferung, als ein erreichbares Jdeal -- um mich so auszudrük- ken -- erscheinen, als ein Wegweiser echter und rechter menschheitlicher Erziehung und Bildung, als ein Bild der Ehrfurcht.
Das Leben in allen seinen Verhältnissen verlangt der einen wie der andern Ausbildung, keines derselben kann ihrer eines entrathen. "Sei versichert," sagte So- crates dem Epigenes -- einem Jünglinge, dessen schlechte Haltung verrieth, daß er die Leibesübungen vernach- lässigte, und ihrer nicht zu bedürfen meinte -- "sei versichert, so wenig als im Kampfe wirst du bei irgend einem andern Unternehmen Schaden davon ha- ben, wenn du deinen Körper gut ausgearbeitet hast; denn bei allem, was Menschen vornehmen, leistet der Körper seine Dienste, und, soll er sie gehörig leisten, muß er tüchtig geübt sein. Selbst da, wo du seiner am wenigsten zu bedürfen glaubst; bei dem Denken; --
nen keinen Unterſchied machen. Stillſtand im Geiſtigen wie im Leiblichen iſt geiſtiger und leiblicher Tod. Die körperliche Bildung iſt nothwendig zur Entwickelung der ſchlummernden Kräfte des Kindes, zum harmoni- ſchen Wachsthum in der Zeit der Entwickelung, und zur Erlangung männlicher Schönheit. Wie aber jeder tüchtige Menſch nicht eher aufhört geiſtig zu leben, geiſtig ſich zu bilden, als bis Gott ihn abruft, ſo lange muß er demnach auch in gleichem Verhältniß leiblich zu leben, leiblich ſich zu bilden ſuchen. Die leibliche wie geiſtige Kraft ſoll nicht raſten und roſten. Sie gleicht dem Magnet, der ungebraucht und ungeübt ſeine Ziehkraft verliert. Auch der Geiſt des Greiſes ſoll noch Herr des greiſen Leibes ſein. Auch an der Grenze des Lebens ſoll der Menſch das Jdeal des Men- ſchen, ſich ſelbſt nicht aus dem Auge verlieren: das Gleichgewicht, in dem Geiſt und Körper zu ein- ander ſtehen ſollen. Die Verkümmerung des einen Theiles zieht auch hier noch eine Trübung des ur- ſprünglichen Menſchenbildes nach ſich. Auch der Greis ſoll noch dem Jünglinge als ein Bild der Nacheiferung, als ein erreichbares Jdeal — um mich ſo auszudrük- ken — erſcheinen, als ein Wegweiſer echter und rechter menſchheitlicher Erziehung und Bildung, als ein Bild der Ehrfurcht.
Das Leben in allen ſeinen Verhältniſſen verlangt der einen wie der andern Ausbildung, keines derſelben kann ihrer eines entrathen. „Sei verſichert,“ ſagte So- crates dem Epigenes — einem Jünglinge, deſſen ſchlechte Haltung verrieth, daß er die Leibesübungen vernach- läſſigte, und ihrer nicht zu bedürfen meinte — „ſei verſichert, ſo wenig als im Kampfe wirſt du bei irgend einem andern Unternehmen Schaden davon ha- ben, wenn du deinen Körper gut ausgearbeitet haſt; denn bei allem, was Menſchen vornehmen, leiſtet der Körper ſeine Dienſte, und, ſoll er ſie gehörig leiſten, muß er tüchtig geübt ſein. Selbſt da, wo du ſeiner am wenigſten zu bedürfen glaubſt; bei dem Denken; —
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nen keinen Unterſchied machen. Stillſtand im Geiſtigen
wie im Leiblichen iſt geiſtiger und leiblicher Tod. Die
körperliche Bildung iſt nothwendig zur Entwickelung
der ſchlummernden Kräfte des Kindes, zum harmoni-
ſchen Wachsthum in der Zeit der Entwickelung, und zur
Erlangung männlicher Schönheit. Wie aber jeder
tüchtige Menſch nicht eher aufhört geiſtig zu leben,
geiſtig ſich zu bilden, als bis Gott ihn abruft, ſo lange
muß er demnach auch in gleichem Verhältniß leiblich
zu leben, leiblich ſich zu bilden ſuchen. Die leibliche
wie geiſtige Kraft ſoll nicht raſten und roſten. Sie
gleicht dem Magnet, der ungebraucht und ungeübt
ſeine Ziehkraft verliert. Auch der Geiſt des Greiſes
ſoll noch Herr des greiſen Leibes ſein. Auch an der
Grenze des Lebens ſoll der Menſch das Jdeal des Men-
ſchen, ſich ſelbſt nicht aus dem Auge verlieren: das
Gleichgewicht, in dem Geiſt und Körper zu ein-
ander ſtehen ſollen. Die Verkümmerung des einen
Theiles zieht auch hier noch eine Trübung des ur-
ſprünglichen Menſchenbildes nach ſich. Auch der Greis
ſoll noch dem Jünglinge als ein Bild der Nacheiferung,
als ein erreichbares Jdeal — um mich ſo auszudrük-
ken — erſcheinen, als ein Wegweiſer echter und rechter
menſchheitlicher Erziehung und Bildung, als ein Bild
der Ehrfurcht.
Das Leben in allen ſeinen Verhältniſſen verlangt
der einen wie der andern Ausbildung, keines derſelben
kann ihrer eines entrathen. „Sei verſichert,“ ſagte So-
crates dem Epigenes — einem Jünglinge, deſſen ſchlechte
Haltung verrieth, daß er die Leibesübungen vernach-
läſſigte, und ihrer nicht zu bedürfen meinte —
„ſei verſichert, ſo wenig als im Kampfe wirſt du bei
irgend einem andern Unternehmen Schaden davon ha-
ben, wenn du deinen Körper gut ausgearbeitet haſt;
denn bei allem, was Menſchen vornehmen, leiſtet der
Körper ſeine Dienſte, und, ſoll er ſie gehörig leiſten,
muß er tüchtig geübt ſein. Selbſt da, wo du ſeiner
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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst01_1843/13>, abgerufen am 16.07.2024.
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