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St. Galler Volksblatt. Nr. 4, Uznach, 14. 01. 1891.

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erste Seite
Uznach, Mittwoch No 4. den 14. Januar 1891.


St. Galler-Volksblatt.
Publikationsorgan der Bezirke See und Gaster.
Obligatorisch in den Gemeinden Uznach, Jona, Eschenbach, Schmerikon, St. Gallenkappel, Ernetschwil, Gommiswald.

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Abonnementspreis: Bei den Verträgern und mit Adresse in der Schweiz
halbjährlich fr. 2. 50 Rp., vierteljährlich fr. 1. 30 Rp. Bei der eidgen.
Post jährlich fr. 5. -- Rp., halbjährlich fr. 2. 60 Rp., vierteljährlich fr. 1.
40 Rp. für das Ausland (Postverein) jede Nummer mit Adresse halbjähr-
lich fr. 5. -- Rp., wöchentlich ein Mal halbjährlich fr. 3. 50 Rp.


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36. Jahrgang.

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Insertionsgebühr für den Seebezirk und Gaster (ohne Vermittlung der
Inseratenbureaux): Die kleinspaltige Petitzeile oder deren Raum 10 Rp. --
für die übrigen Inserenten kostet die kleinspaltige Petitzeile oder deren Raun
15 Rp. Bei Wiederholungen Rabatt. -- Inserate müssen jeweilen bis spä-
testens Dienstag und freitag, Vormittags 9 Uhr, abgegeben werden.




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Erscheint Mittwoch und Samstag.


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[Abbildung] Druck und Verlag von K. Oberholzer's Buchdruckerei. [Abbildung]

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Wöchentl. Gratisbeilage: "Linth-Blätter".




[Spaltenumbruch]
Gegen den gemeinsamen
Feind.



In der Nachbarrepublik Frankreich hatte vor Jahren der
Diktator Gambetta die Feinde einer konservativen Staats-
verwaltung bekanntlich unter der heuchlerischen Formel geeinigt:
"Le clericalisme -- voila l'ennemi!" was auf deutsch
etwa heißt: des Landes schlimmster Feind ist die Herrschaft des
Pfaffenthums. St. Gallen's einstiger Gambetta, der alte Dr.
Weder, gebrauchte nur eine andere Formel, wenn er in den
50er und 60er Jahren den damals noch allzuleicht dem Partei-
kniffe zugänglichen Protestanten und liberalen Katholiken den
"Jesuit im Gütterli" zeigte und ihnen Gänsehaut verursachte.

Der Gambetta ist zwar gestorben (so liberal wie er gelebt);
die Gumbetta aber leben fort in Frankreich und der Schweiz
und bethören mit dem Böllimann des "Klerikalismus" und
Pietismus unbefangene Seelen, gibt es doch immer noch der
liberalen Eidgenossen unerfahrnen Sinnes genug, auf die Heim's-
derber Vierzeiler paßt:

"Ich bin ein Esel und will getreu
Wie meine Väter, die alten,
An der alten lieben Eselin
Und am Schwindelthum halten."

Anläßlich der luzernischen Verfassungsabstimmung vom
vorletzten Sonntag lasen wir im "Vaterland" folgenden bündigen
Mahn- und Warnzeddel an das konservative Luzernervolk:
"Brüder reicht die Hand zum Bunde!" tönt es gegenwärtig
von der (radikalen) Stadt aus. Reformer, welche die Gott-
heit Christi leugnen, und altkatholische Sektirer und
Geheimbündler strengen sich an, durch massenhafte Aufrüfe,
welche namenlos auf's Land wandern, das vom katholischen,
positiv christlichen Glauben durchdrungene Luzerner Volk zum
Diener der Kirchenfeinde herabzuwürdigen. Erhebet euch,
ihr treu gesinnten Katholiken und setzt die Heuchler
vor die Thüre!
"

Wir möchten den Mahnruf des konservativen Zentralorgans
an alle schweizerischen Katholiken und positiv gläubigen Protestan-
ten, an alle unabhängigen Liberal-Demokraten, kurz an alle Volk
und Freiheit über die Parteiherrschaft setzenden Miteidgenossen
richten. Der glaubenslose, bürokratische, intolerante, die Rechte der
Kantone und der Konfessionen mit Füßen tretende Radikalismus --
das ist der Feind! Das abgelaufene Jahr und insbesondere die
Dezembersession der Bundesversammlung -- Tessinerei -- Bundes-
rathswahlen -- haben den Feind, den Radikalismus, in seiner
ganzen Wolfsnatur enthüllt. Das ist ja das liberale Wohlfahrts-
prinzip, sagte die "Berner Volksztg." bezüglich des Luzerner
Gewaltradikalismus, am Ruder zu sein, und wenn es durch
das Volk uud die gesetzlichen Mittel nicht geht, soll Gewalt
das "eidgenössische Aufsehen", wie der radikale Hofstiel neuestens
heißt, helfen. Weh', wenn solche Leute die Oberhand ge-
wännen! -- Das "Wehe" ist da! Dieser Radikalismus, beim
Volke in Minderheit, hat -- man weiß unter welcher Mithülfe
von Wahlkünsten -- die Oberhand im obersten Landesrath.
Nicht die Volksmehrheit ist "souverän", sondern dieser Radika-
lismus ist Souverän; er herrscht im Nationalrath, im Bundes-
rath, im Bundesgericht, alle andern Parteien sind ausgeschlossen --
er herrscht allein, ausschließlich. Sollten wir uns nicht zu
geschlossener Opposition einen gegen den Liberalismus, wie er sich
im Tessin und in der Bundesversammlung gezeigt, an dem
das Blut des unschuldig Gemordeten klebt und das Brandmal
der Brutalität und grundsätzlicher Ausschließlichkeit?

Wir müssen uns aufraffen im neuen Jahr, denn wir haben
es, wie eine mehr als vierzigjährige Erfahrung lehrt, mit einer
völlig untraktabeln Partei zu thun, die uns aus freien Stücken
nie, nie etwas gibt. Mit Nadelstichen blos werden wir einem
solchen Gegner nicht abtrotzen; man muß den Stier endlich bei den
Hörnern nehmen, mit parlamentarischen Zuckerbrödchen richtet
man in Bern nichts aus.

Proportionalvertretung, die Initiative und
Wahl des Bundesrathes durch das Volk -- das muß
unser Ziel in der eidgenössischen Politik sein, und von diesem
Ziele wollen wir nicht abgehen, bis es erreicht ist. Ein Abge-
ordneter mehr oder weniger in den Nationalrath soll für uns
keine Kapitalfrage sein; Hauptpunkte der eidgenössischen Politik sind
von nun an: die Zähigkeit in unserer Oppofition, die Sammlung
der Oppositionselemente und die Festigkeit in der Durchführung
unseres Progammes.

Die liberale "Neue Zürch. Zeitg." klagte in einem recht
düstern Sylvester-Artikel: "Es ist eigenthümlich, daß, je mehr
der Bundesstaat erstarkt und die Zentralmacht wächst, um so
mehr der gemeineidgenössische Sinn sich abschwächt." Aber trotz
dieser gewiß höchst betrübenden Erfahrung hat die "gemäßigt-li-
berale" Fraktion, deren Organ die "N. Zrch.-Ztg. ist, noch
stets mit vollen Backen in die Segel geblasen, welche das Staats-
[Spaltenumbruch] schiff in den Hafen der alleinseligmachenden Zentralisation
bugsiren sollten. Es ist doch jene Partei voll guter Vorsätze
und Entschlüsse ohne entsprechende Thaten; jene Partei,
von der das neue "Soloth.-Blatt" schreibt: "Es gibt eine Mittel-
partei
im Schweizerlande, welcher das radikale Treiben zu-
wider ist. Sie hat den Glauben noch nicht verloren und sie
wird ihn auch schwerlich verlieren. Sie verurtheilte so scharf
wie wir die unerhörte Jämmerlichkeit, mit welcher die Tessiner
Angelegenheit in die Hand genommen wurde; sie sprach sich ent-
schieden gegen die Ausschließlichkeit bei den eidgenössischen Bundes-
rathswahlen aus. Aber bei diesen feierlichen Protesten ließ sie
es bewenden, und wenn sie mit der rechten Hand die Wunde
geschlagen hatte, hielt sie in der linken schon Pflaster und Balsam
bereit. Sie will den Pelz waschen ohne ihn naß zu machen,
sie haut der Katze den Schwanz ab, aber ja nicht ganz, mehr
oder weniger, bald am äußersten Endchen, bald etwas tiefer hi-
nein. Es liegt etwas zweifelhaft Schwächliches in dieser Mittel-
partei, es sind klägliche Gesellen, sie haben keine Zähne mehr
zum Beißen, nur noch Pfötchen, um dem sie gründlich verach-
tenden Radikalismus je nach Bedürfniß die Kastanien aus dem
Feuer zu holen. Aber sie merken es nicht." -- Wahrlich, es
gibt neben diesen hinfälligen "liberalen" Hampelmännern auch
viele Katholiken, die nie gescheidt werden, nicht einmal in
der ersten Viertelstunde ihres 40. Jahres, wo sie gescheidt werden
können, wenn sie den richtigen Moment nicht verpassen, wie man
es von den Schwaben sagt. Sie wollen nicht klug werden, und
handeln demnach verrätherisch im eigenen Lager.

Bismarck ließ neulich im Gespräche mit einigen Besuchern
die Worte fallen: "Wo man hackt, da fallen Spähne. Man
kann keine Eierkuchen machen, ohne Eier zu zerschlagen." Das
sollten sich endlich die Leute mit guten Vorsätzen und lahmen
Handlungen merken. Und unsere parlamentarischen Führer im
Bund und den Kantonen deßgleichen. Die zeitgenössiche Geschichte
unseres Landes sollte doch jeden Konservativen beider Konfessionen
die Lehre eingeprägt haben, daß die konservative Partei vom eid-
genössischen Parlament in Bern, das nachgerade die schärfere
Tonart des Jakobinerthums anzunehmen pflegt, nichts zu
hoffen hat,
sondern daß wir uns unbedenklich auf's Volk stützen
müssen, an dem der Bann des Freimaurerthums wirkungslos
abprallt. Daher das verzweifelte Stemmen des Radikalismus
im Bundespalast gegen die Volksinitiative, die bezeichnende
Furcht jener Partei vor dem Volke (auch in den kantonalen
Rathsälen -- man denke an St. Gallen!); der Systemslibe-
ralismus fürchtet das Volk in dessen Bestrebungen, dessen Wünsche
und selbst dessen Entscheiden.

Eine gute Vorbedeutung für den ausgebrochenen Kampf
gegen die exklusive Parteiherrschaft der Loge und des Radikal-
ismus erblicken wir auch darin, daß sich auch im Nationalrathe
die demokratische Morgenröthe erhebt. Jawohl, wenn nicht Alles
täuscht, ist die radikale Lohnsherrlichkeit in ihrer Allmacht durch
den Geist der Unabhängigkeit seiner ehemaligen Vasallen
bedroht. Die ensants terribles jener Sturmglocke der so-
zialen Frage, die Curti, Locher, Vogelsanger, Scherrer-Fülle-
mann, Risch etc., zwar schwach nach der Zahl, aber stark durch
den Glauben und den Nimbus der neuen Ideen haben ein ge-
wisses moralisches Gewicht in der Kammer erlangt und im Ver-
trauen auf dasselbe schälen sie sich allmälig vom radikalen
Stamme los, um die Opposition in volksrechtlichen und wirth-
schaftlichen Fragen noch zu verstärken.

Es kommt der Opposition der neuere Volksgeist selbst zu
Hülfe. Anläßlich der starken verwerfenden Mehrheit des Aar-
gauischen Volkes an der Schuldentrieb-Gesetz-Abstimmung vom
17. Nov. 1889 schrieb man der bekannten "N. Zrch.-Ztg."
aus dem Aargau: ... "Je mehr die Herren für eine Sache
reden, desto mißtrauischer wird das Volk. Sodann hat man
gelernt, daß es auch in den reformirten Bezirken nicht mehr
verfängt, die schwarze Flagge ("Jesuit im Gütterli") herauszu-
hängen, mit der früher bei ähnlichen Anläßen so handlich "ge-
wepft" wurde. Die Zeiten sind anders geworden."

Ja gottlob, sie sind anders geworden! Vor 40 Jahren
noch und darüber fürchtete man auf konservativer und "aristo-
kratischer Seite die Volkssuveränität fast als etwas Revolutio-
näres, Staatsgefährliches. Baumgartner schrieb im "Schweizer-
spiegel" u. A.: Vor der Abstimmung über den Entwurf von
1848 leitete Furcht und Sorge vor der Abstimmung so manche
Schritte, und es hieß hie und da geradezu, man könne un-
möglich den Bock zum Gärtner machen lassen." -- Es war die
Zeit, wo die protestantischen Volkskreise fast ausschließlich noch
am Gängelbande des Liberalismus geführt wurden.

Das neue Jahr zu neuer That! Die Luzerner und die
Freiburger-Radikalen fordern mit nakten Worten zur Revo-
lution
auf, als die "erste der Pflichten", wenn man ihnen
nach 30 Jahren des Kampfes in Freiburg (Luzern) und Bern
jede Gerechtigkeit (und jedes Recht zur Gewaltthat a la Tessiner
Red.) verweigern und ihnen die Thüre im eigenen Kanton und
[Spaltenumbruch] in Bern zuschlage." Die Katholiken verabscheuen den gewalt-
samen Umsturz einer rechtmäßigen Regierung als eines der
größten Verbrechen. Wir streben dahin nicht nach dem Sturz
des herrschenden Regiments auf dem Wege der Gewalt: aber
auf dem Wege der gesetzlichen Mittel. Uns hat man,
nach 40 Jahren Kampfes Recht und Gerechtigkeit verweigert,
uns hat man bei gleichen konstitutionellen Rechten, die Gleich-
stellung im behördlichen Organismus verweigert, Verfassung und
Gesetze hat man konsequent gegen uns ausgelegt. Von nun
an soll Krieg sein zwischen uns und dem Radikalismus, bis
wir Gerechtigkeit und Gleichberechtigung erlangt."
Das soll der Schwur aller Katholiken, aller Konservativen, aller
demokratisch denkenden Schweizerbürger sein. "In der Politik",
sagt Guizot, "kann man nicht den Gefühlsmenschen spielen, man
muß einzig den Erfolg -- mit rechtlichen Mitteln -- im Auge
haben. Das soll im begonnenen Jahr Hauptprogramm unseres
politischen Pflichtenhaftes sein. -- Wenn sich die revolutionären
Elemente der Sozialdemokratie im Bunde und des Radikalismus
in den konservativen Kantonen zu verbrecherischen Anschlägen
einigen, wenn uns die Thüre zur Gleichstellung der politischen
Gerechtigkeit beharrlich verschlossen bleibt, dann ist es an der
konservativen Führerschaft, den Entscheidungskampf in das Volk
zu verlegen und die Streitaxt nicht mehr ruhen zu lassen bis
der Sieg der gerechten Sache entschieden ist. "Nur der Starke
wird das Schicksal zwingen, wenn der Schwächling untersinkt."




Eidgenössisches.



-- Vom Anarchistenprozeß zu Capolago (Tessin) erhält
die "N. Z. Ztg." folgenden Bericht ihres Korrespondenten:

Der Sozialistenkongreß, der auf den 11. Januar angesagt
war und angeblich in Lugano stattfinden sollte, ist bereits ab-
gehalten worden, und zwar am 4., 5. und 6. Januar in Ca-
polago. Ich konnte mit einem Kollegen an demselben theil-
nehmen, jedoch nur gegen das Versprechen, erst nach Ablauf des
Kongresses die Beschlüsse, die gefaßt wurden, bekannt zu machen.
Heute dürfen wir nun sprechen und will ich Ihnen ins Ein-
zelne gehenden Bericht über die Versammlung geben.

Es nahmen an dem Kongreß 84 Abgeordnete theil, die
aus allen Gegenden Italiens gekommen waren. Den Haupt-
trupp stellte die Romagna; dann folgten in der Stärke der
Vertretung Toskana, die Lombardei und Rom. Die Abgeord-
neten wußten bei ihrer Ankunft in Chiasso noch nicht, wo der
Kongreß abgehalten werde. Sie trafen daselbst die Veranstolter
des Kongresses und wurden von diesen nach Kapolago gewiesen.

Während der drei Tage wohnten sie daselbst im Gasthaus
zum Anker. Die Versammlungen wurden im Saale eines
Grottenwirthshauses abgehalten, das an einem Ausläufer des
Generoso liegt, und zu dem eine steile Treppe führt. In Ca-
polago befanden sich auch Regierungsstatthalter Masella von
Lugano, der Bundesanwalt Scherb, eine Anzahl Landjäger in
Zivilkleidern, und einige italienische Polizeiagenten. Der Ge-
meindevorsteher von Capolago, Josias Bernasconi, gab den
Kongreßmitgliedern die Zusage, daß ihnen gegenüber kein Bruch
des Hausrechtes stattfinden werde, und es scheint auch, daß die
anwesenden Polizeibeamten nicht die Absicht hatten, den Kongreß
zu stören. Sie waren offenbar nur gekommen, um zu sehen,
ob irgend eine Ordnungswidrigkeit vorkomme, oder ob unter
den Kongreßmitgliedern sich Anarchisten befinden, die aus der
Schweiz ausgewiesen worden sind. Alles ging in Ruhe vor
sich und Niemand wurde verhaftet. (Durfte nicht geschehen,
laut Wille des Sindaco.)

Heute, 6. Januar, begaben sich verschiedene Theilnehmer
nach Lugano, um die Stadt anzusehen. Polizeibeamten in Zivil
folgten ihnen.

Die Sitzungen waren sehr lang; gestern Abend dauerte
die Berathung bis 10 Uhr. Heute kann festgestellt werden,
daß der Kongreß durchaus ein sozial-revolutionärer war; von
gesetzesmäßigen Sozialisten nahmen nur zwei oder drei Theil.
Die Sozialisten letzterer Richtung in Italien, an deren Spitze
Andrea Costa steht, haben für sich einen Kongreß angesagt, der
nächstens stattfinden wird.

-- Republikanisch-gemüthlich hat Herr Alt-Bundesrath
Hammer letzten Mittwoch, bevor er die Bundesstadt verließ,
noch von jedem seiner bisherigen Untergeordneten, ohne Unter-
schied, persönlich Abschied genommen in Begleit seines Departe-
ments-Nachfolgers, Herrn Bundesrath Hauser. Der warme
Händedruck des frühern Chefs hat sämmtliche Angestellte ge-
rührt und ist ein schönes Zeichen von Herrn Hammers Men-
schenfreundlichkeit, welche nicht bei jedem so vorzüglichen und
reichen Finanzmanne zu finden ist.

-- Eidg. Feldpost.

Aus dem Berichte des Herrn Haupt-
mann Combe, Chef der Feldpost während des letztjährigen
Truppenzusammenzuges, geht hervor, daß die Post zu allerlei
Mißbräuchen benützt wurde, indem nicht nur alle möglichen

Uznach, Mittwoch No 4. den 14. Januar 1891.


St. Galler-Volksblatt.
Publikationsorgan der Bezirke See und Gaſter.
Obligatoriſch in den Gemeinden Uznach, Jona, Eſchenbach, Schmerikon, St. Gallenkappel, Ernetſchwil, Gommiswald.

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Poſt jährlich fr. 5. — Rp., halbjährlich fr. 2. 60 Rp., vierteljährlich fr. 1.
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lich fr. 5. — Rp., wöchentlich ein Mal halbjährlich fr. 3. 50 Rp.


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36. Jahrgang.

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Inſertionsgebühr für den Seebezirk und Gaſter (ohne Vermittlung der
Inſeratenbureaux): Die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum 10 Rp. —
für die übrigen Inſerenten koſtet die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raun
15 Rp. Bei Wiederholungen Rabatt. — Inſerate müſſen jeweilen bis ſpä-
teſtens Dienſtag und freitag, Vormittags 9 Uhr, abgegeben werden.




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Erſcheint Mittwoch und Samſtag.


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[Abbildung] Druck und Verlag von K. Oberholzer’s Buchdruckerei. [Abbildung]

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Wöchentl. Gratisbeilage: „Linth-Blätter“.




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Gegen den gemeinſamen
Feind.



In der Nachbarrepublik Frankreich hatte vor Jahren der
Diktator Gambetta die Feinde einer konſervativen Staats-
verwaltung bekanntlich unter der heuchleriſchen Formel geeinigt:
«Le cléricalisme — voilà l’ennemi!» was auf deutſch
etwa heißt: des Landes ſchlimmſter Feind iſt die Herrſchaft des
Pfaffenthums. St. Gallen’s einſtiger Gambetta, der alte Dr.
Weder, gebrauchte nur eine andere Formel, wenn er in den
50er und 60er Jahren den damals noch allzuleicht dem Partei-
kniffe zugänglichen Proteſtanten und liberalen Katholiken den
„Jeſuit im Gütterli“ zeigte und ihnen Gänſehaut verurſachte.

Der Gambetta iſt zwar geſtorben (ſo liberal wie er gelebt);
die Gumbetta aber leben fort in Frankreich und der Schweiz
und bethören mit dem Böllimann des „Klerikalismus“ und
Pietismus unbefangene Seelen, gibt es doch immer noch der
liberalen Eidgenoſſen unerfahrnen Sinnes genug, auf die Heim’s-
derber Vierzeiler paßt:

„Ich bin ein Eſel und will getreu
Wie meine Väter, die alten,
An der alten lieben Eſelin
Und am Schwindelthum halten.“

Anläßlich der luzerniſchen Verfaſſungsabſtimmung vom
vorletzten Sonntag laſen wir im „Vaterland“ folgenden bündigen
Mahn- und Warnzeddel an das konſervative Luzernervolk:
„Brüder reicht die Hand zum Bunde!“ tönt es gegenwärtig
von der (radikalen) Stadt aus. Reformer, welche die Gott-
heit Chriſti leugnen, und altkatholiſche Sektirer und
Geheimbündler ſtrengen ſich an, durch maſſenhafte Aufrüfe,
welche namenlos auf’s Land wandern, das vom katholiſchen,
poſitiv chriſtlichen Glauben durchdrungene Luzerner Volk zum
Diener der Kirchenfeinde herabzuwürdigen. Erhebet euch,
ihr treu geſinnten Katholiken und ſetzt die Heuchler
vor die Thüre!

Wir möchten den Mahnruf des konſervativen Zentralorgans
an alle ſchweizeriſchen Katholiken und poſitiv gläubigen Proteſtan-
ten, an alle unabhängigen Liberal-Demokraten, kurz an alle Volk
und Freiheit über die Parteiherrſchaft ſetzenden Miteidgenoſſen
richten. Der glaubensloſe, bürokratiſche, intolerante, die Rechte der
Kantone und der Konfeſſionen mit Füßen tretende Radikalismus —
das iſt der Feind! Das abgelaufene Jahr und insbeſondere die
Dezemberſeſſion der Bundesverſammlung — Teſſinerei — Bundes-
rathswahlen — haben den Feind, den Radikalismus, in ſeiner
ganzen Wolfsnatur enthüllt. Das iſt ja das liberale Wohlfahrts-
prinzip, ſagte die „Berner Volksztg.“ bezüglich des Luzerner
Gewaltradikalismus, am Ruder zu ſein, und wenn es durch
das Volk uud die geſetzlichen Mittel nicht geht, ſoll Gewalt
das „eidgenöſſiſche Aufſehen“, wie der radikale Hofſtiel neueſtens
heißt, helfen. Weh’, wenn ſolche Leute die Oberhand ge-
wännen! — Das „Wehe“ iſt da! Dieſer Radikalismus, beim
Volke in Minderheit, hat — man weiß unter welcher Mithülfe
von Wahlkünſten — die Oberhand im oberſten Landesrath.
Nicht die Volksmehrheit iſt „ſouverän“, ſondern dieſer Radika-
lismus iſt Souverän; er herrſcht im Nationalrath, im Bundes-
rath, im Bundesgericht, alle andern Parteien ſind ausgeſchloſſen —
er herrſcht allein, ausſchließlich. Sollten wir uns nicht zu
geſchloſſener Oppoſition einen gegen den Liberalismus, wie er ſich
im Teſſin und in der Bundesverſammlung gezeigt, an dem
das Blut des unſchuldig Gemordeten klebt und das Brandmal
der Brutalität und grundſätzlicher Ausſchließlichkeit?

Wir müſſen uns aufraffen im neuen Jahr, denn wir haben
es, wie eine mehr als vierzigjährige Erfahrung lehrt, mit einer
völlig untraktabeln Partei zu thun, die uns aus freien Stücken
nie, nie etwas gibt. Mit Nadelſtichen blos werden wir einem
ſolchen Gegner nicht abtrotzen; man muß den Stier endlich bei den
Hörnern nehmen, mit parlamentariſchen Zuckerbrödchen richtet
man in Bern nichts aus.

Proportionalvertretung, die Initiative und
Wahl des Bundesrathes durch das Volk — das muß
unſer Ziel in der eidgenöſſiſchen Politik ſein, und von dieſem
Ziele wollen wir nicht abgehen, bis es erreicht iſt. Ein Abge-
ordneter mehr oder weniger in den Nationalrath ſoll für uns
keine Kapitalfrage ſein; Hauptpunkte der eidgenöſſiſchen Politik ſind
von nun an: die Zähigkeit in unſerer Oppofition, die Sammlung
der Oppoſitionselemente und die Feſtigkeit in der Durchführung
unſeres Progammes.

Die liberale „Neue Zürch. Zeitg.“ klagte in einem recht
düſtern Sylveſter-Artikel: „Es iſt eigenthümlich, daß, je mehr
der Bundesſtaat erſtarkt und die Zentralmacht wächst, um ſo
mehr der gemeineidgenöſſiſche Sinn ſich abſchwächt.“ Aber trotz
dieſer gewiß höchſt betrübenden Erfahrung hat die „gemäßigt-li-
berale“ Fraktion, deren Organ die „N. Zrch.-Ztg. iſt, noch
ſtets mit vollen Backen in die Segel geblaſen, welche das Staats-
[Spaltenumbruch] ſchiff in den Hafen der alleinſeligmachenden Zentraliſation
bugſiren ſollten. Es iſt doch jene Partei voll guter Vorſätze
und Entſchlüſſe ohne entſprechende Thaten; jene Partei,
von der das neue „Soloth.-Blatt“ ſchreibt: „Es gibt eine Mittel-
partei
im Schweizerlande, welcher das radikale Treiben zu-
wider iſt. Sie hat den Glauben noch nicht verloren und ſie
wird ihn auch ſchwerlich verlieren. Sie verurtheilte ſo ſcharf
wie wir die unerhörte Jämmerlichkeit, mit welcher die Teſſiner
Angelegenheit in die Hand genommen wurde; ſie ſprach ſich ent-
ſchieden gegen die Ausſchließlichkeit bei den eidgenöſſiſchen Bundes-
rathswahlen aus. Aber bei dieſen feierlichen Proteſten ließ ſie
es bewenden, und wenn ſie mit der rechten Hand die Wunde
geſchlagen hatte, hielt ſie in der linken ſchon Pflaſter und Balſam
bereit. Sie will den Pelz waſchen ohne ihn naß zu machen,
ſie haut der Katze den Schwanz ab, aber ja nicht ganz, mehr
oder weniger, bald am äußerſten Endchen, bald etwas tiefer hi-
nein. Es liegt etwas zweifelhaft Schwächliches in dieſer Mittel-
partei, es ſind klägliche Geſellen, ſie haben keine Zähne mehr
zum Beißen, nur noch Pfötchen, um dem ſie gründlich verach-
tenden Radikalismus je nach Bedürfniß die Kaſtanien aus dem
Feuer zu holen. Aber ſie merken es nicht.“ — Wahrlich, es
gibt neben dieſen hinfälligen „liberalen“ Hampelmännern auch
viele Katholiken, die nie geſcheidt werden, nicht einmal in
der erſten Viertelſtunde ihres 40. Jahres, wo ſie geſcheidt werden
können, wenn ſie den richtigen Moment nicht verpaſſen, wie man
es von den Schwaben ſagt. Sie wollen nicht klug werden, und
handeln demnach verrätheriſch im eigenen Lager.

Bismarck ließ neulich im Geſpräche mit einigen Beſuchern
die Worte fallen: „Wo man hackt, da fallen Spähne. Man
kann keine Eierkuchen machen, ohne Eier zu zerſchlagen.“ Das
ſollten ſich endlich die Leute mit guten Vorſätzen und lahmen
Handlungen merken. Und unſere parlamentariſchen Führer im
Bund und den Kantonen deßgleichen. Die zeitgenöſſiche Geſchichte
unſeres Landes ſollte doch jeden Konſervativen beider Konfeſſionen
die Lehre eingeprägt haben, daß die konſervative Partei vom eid-
genöſſiſchen Parlament in Bern, das nachgerade die ſchärfere
Tonart des Jakobinerthums anzunehmen pflegt, nichts zu
hoffen hat,
ſondern daß wir uns unbedenklich auf’s Volk ſtützen
müſſen, an dem der Bann des Freimaurerthums wirkungslos
abprallt. Daher das verzweifelte Stemmen des Radikalismus
im Bundespalaſt gegen die Volksinitiative, die bezeichnende
Furcht jener Partei vor dem Volke (auch in den kantonalen
Rathſälen — man denke an St. Gallen!); der Syſtemslibe-
ralismus fürchtet das Volk in deſſen Beſtrebungen, deſſen Wünſche
und ſelbſt deſſen Entſcheiden.

Eine gute Vorbedeutung für den ausgebrochenen Kampf
gegen die exkluſive Parteiherrſchaft der Loge und des Radikal-
ismus erblicken wir auch darin, daß ſich auch im Nationalrathe
die demokratiſche Morgenröthe erhebt. Jawohl, wenn nicht Alles
täuſcht, iſt die radikale Lohnsherrlichkeit in ihrer Allmacht durch
den Geiſt der Unabhängigkeit ſeiner ehemaligen Vaſallen
bedroht. Die enſants terribles jener Sturmglocke der ſo-
zialen Frage, die Curti, Locher, Vogelſanger, Scherrer-Fülle-
mann, Riſch ꝛc., zwar ſchwach nach der Zahl, aber ſtark durch
den Glauben und den Nimbus der neuen Ideen haben ein ge-
wiſſes moraliſches Gewicht in der Kammer erlangt und im Ver-
trauen auf dasſelbe ſchälen ſie ſich allmälig vom radikalen
Stamme los, um die Oppoſition in volksrechtlichen und wirth-
ſchaftlichen Fragen noch zu verſtärken.

Es kommt der Oppoſition der neuere Volksgeiſt ſelbſt zu
Hülfe. Anläßlich der ſtarken verwerfenden Mehrheit des Aar-
gauiſchen Volkes an der Schuldentrieb-Geſetz-Abſtimmung vom
17. Nov. 1889 ſchrieb man der bekannten „N. Zrch.-Ztg.“
aus dem Aargau: ... „Je mehr die Herren für eine Sache
reden, deſto mißtrauiſcher wird das Volk. Sodann hat man
gelernt, daß es auch in den reformirten Bezirken nicht mehr
verfängt, die ſchwarze Flagge („Jeſuit im Gütterli“) herauszu-
hängen, mit der früher bei ähnlichen Anläßen ſo handlich „ge-
wepft“ wurde. Die Zeiten ſind anders geworden.“

Ja gottlob, ſie ſind anders geworden! Vor 40 Jahren
noch und darüber fürchtete man auf konſervativer und „ariſto-
kratiſcher Seite die Volksſuveränität faſt als etwas Revolutio-
näres, Staatsgefährliches. Baumgartner ſchrieb im „Schweizer-
ſpiegel“ u. A.: Vor der Abſtimmung über den Entwurf von
1848 leitete Furcht und Sorge vor der Abſtimmung ſo manche
Schritte, und es hieß hie und da geradezu, man könne un-
möglich den Bock zum Gärtner machen laſſen.“ — Es war die
Zeit, wo die proteſtantiſchen Volkskreiſe faſt ausſchließlich noch
am Gängelbande des Liberalismus geführt wurden.

Das neue Jahr zu neuer That! Die Luzerner und die
Freiburger-Radikalen fordern mit nakten Worten zur Revo-
lution
auf, als die „erſte der Pflichten“, wenn man ihnen
nach 30 Jahren des Kampfes in Freiburg (Luzern) und Bern
jede Gerechtigkeit (und jedes Recht zur Gewaltthat a la Teſſiner
Red.) verweigern und ihnen die Thüre im eigenen Kanton und
[Spaltenumbruch] in Bern zuſchlage.“ Die Katholiken verabſcheuen den gewalt-
ſamen Umſturz einer rechtmäßigen Regierung als eines der
größten Verbrechen. Wir ſtreben dahin nicht nach dem Sturz
des herrſchenden Regiments auf dem Wege der Gewalt: aber
auf dem Wege der geſetzlichen Mittel. Uns hat man,
nach 40 Jahren Kampfes Recht und Gerechtigkeit verweigert,
uns hat man bei gleichen konſtitutionellen Rechten, die Gleich-
ſtellung im behördlichen Organismus verweigert, Verfaſſung und
Geſetze hat man konſequent gegen uns ausgelegt. Von nun
an ſoll Krieg ſein zwiſchen uns und dem Radikalismus, bis
wir Gerechtigkeit und Gleichberechtigung erlangt.“
Das ſoll der Schwur aller Katholiken, aller Konſervativen, aller
demokratiſch denkenden Schweizerbürger ſein. „In der Politik“,
ſagt Guizot, „kann man nicht den Gefühlsmenſchen ſpielen, man
muß einzig den Erfolg — mit rechtlichen Mitteln — im Auge
haben. Das ſoll im begonnenen Jahr Hauptprogramm unſeres
politiſchen Pflichtenhaftes ſein. — Wenn ſich die revolutionären
Elemente der Sozialdemokratie im Bunde und des Radikalismus
in den konſervativen Kantonen zu verbrecheriſchen Anſchlägen
einigen, wenn uns die Thüre zur Gleichſtellung der politiſchen
Gerechtigkeit beharrlich verſchloſſen bleibt, dann iſt es an der
konſervativen Führerſchaft, den Entſcheidungskampf in das Volk
zu verlegen und die Streitaxt nicht mehr ruhen zu laſſen bis
der Sieg der gerechten Sache entſchieden iſt. „Nur der Starke
wird das Schickſal zwingen, wenn der Schwächling unterſinkt.“




Eidgenöſſiſches.



Vom Anarchiſtenprozeß zu Capolago (Teſſin) erhält
die „N. Z. Ztg.“ folgenden Bericht ihres Korreſpondenten:

Der Sozialiſtenkongreß, der auf den 11. Januar angeſagt
war und angeblich in Lugano ſtattfinden ſollte, iſt bereits ab-
gehalten worden, und zwar am 4., 5. und 6. Januar in Ca-
polago. Ich konnte mit einem Kollegen an demſelben theil-
nehmen, jedoch nur gegen das Verſprechen, erſt nach Ablauf des
Kongreſſes die Beſchlüſſe, die gefaßt wurden, bekannt zu machen.
Heute dürfen wir nun ſprechen und will ich Ihnen ins Ein-
zelne gehenden Bericht über die Verſammlung geben.

Es nahmen an dem Kongreß 84 Abgeordnete theil, die
aus allen Gegenden Italiens gekommen waren. Den Haupt-
trupp ſtellte die Romagna; dann folgten in der Stärke der
Vertretung Toskana, die Lombardei und Rom. Die Abgeord-
neten wußten bei ihrer Ankunft in Chiaſſo noch nicht, wo der
Kongreß abgehalten werde. Sie trafen daſelbſt die Veranſtolter
des Kongreſſes und wurden von dieſen nach Kapolago gewieſen.

Während der drei Tage wohnten ſie daſelbſt im Gaſthaus
zum Anker. Die Verſammlungen wurden im Saale eines
Grottenwirthshauſes abgehalten, das an einem Ausläufer des
Generoſo liegt, und zu dem eine ſteile Treppe führt. In Ca-
polago befanden ſich auch Regierungsſtatthalter Maſella von
Lugano, der Bundesanwalt Scherb, eine Anzahl Landjäger in
Zivilkleidern, und einige italieniſche Polizeiagenten. Der Ge-
meindevorſteher von Capolago, Joſias Bernasconi, gab den
Kongreßmitgliedern die Zuſage, daß ihnen gegenüber kein Bruch
des Hausrechtes ſtattfinden werde, und es ſcheint auch, daß die
anweſenden Polizeibeamten nicht die Abſicht hatten, den Kongreß
zu ſtören. Sie waren offenbar nur gekommen, um zu ſehen,
ob irgend eine Ordnungswidrigkeit vorkomme, oder ob unter
den Kongreßmitgliedern ſich Anarchiſten befinden, die aus der
Schweiz ausgewieſen worden ſind. Alles ging in Ruhe vor
ſich und Niemand wurde verhaftet. (Durfte nicht geſchehen,
laut Wille des Sindaco.)

Heute, 6. Januar, begaben ſich verſchiedene Theilnehmer
nach Lugano, um die Stadt anzuſehen. Polizeibeamten in Zivil
folgten ihnen.

Die Sitzungen waren ſehr lang; geſtern Abend dauerte
die Berathung bis 10 Uhr. Heute kann feſtgeſtellt werden,
daß der Kongreß durchaus ein ſozial-revolutionärer war; von
geſetzesmäßigen Sozialiſten nahmen nur zwei oder drei Theil.
Die Sozialiſten letzterer Richtung in Italien, an deren Spitze
Andrea Coſta ſteht, haben für ſich einen Kongreß angeſagt, der
nächſtens ſtattfinden wird.

Republikaniſch-gemüthlich hat Herr Alt-Bundesrath
Hammer letzten Mittwoch, bevor er die Bundesſtadt verließ,
noch von jedem ſeiner bisherigen Untergeordneten, ohne Unter-
ſchied, perſönlich Abſchied genommen in Begleit ſeines Departe-
ments-Nachfolgers, Herrn Bundesrath Hauſer. Der warme
Händedruck des frühern Chefs hat ſämmtliche Angeſtellte ge-
rührt und iſt ein ſchönes Zeichen von Herrn Hammers Men-
ſchenfreundlichkeit, welche nicht bei jedem ſo vorzüglichen und
reichen Finanzmanne zu finden iſt.

Eidg. Feldpoſt.

Aus dem Berichte des Herrn Haupt-
mann Combe, Chef der Feldpoſt während des letztjährigen
Truppenzuſammenzuges, geht hervor, daß die Poſt zu allerlei
Mißbräuchen benützt wurde, indem nicht nur alle möglichen

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[1/0001] Uznach, Mittwoch No 4. den 14. Januar 1891. St. Galler-Volksblatt. Publikationsorgan der Bezirke See und Gaſter. Obligatoriſch in den Gemeinden Uznach, Jona, Eſchenbach, Schmerikon, St. Gallenkappel, Ernetſchwil, Gommiswald. Abonnementspreis: Bei den Verträgern und mit Adreſſe in der Schweiz halbjährlich fr. 2. 50 Rp., vierteljährlich fr. 1. 30 Rp. Bei der eidgen. Poſt jährlich fr. 5. — Rp., halbjährlich fr. 2. 60 Rp., vierteljährlich fr. 1. 40 Rp. für das Ausland (Poſtverein) jede Nummer mit Adreſſe halbjähr- lich fr. 5. — Rp., wöchentlich ein Mal halbjährlich fr. 3. 50 Rp. [Abbildung] 36. Jahrgang. Inſertionsgebühr für den Seebezirk und Gaſter (ohne Vermittlung der Inſeratenbureaux): Die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum 10 Rp. — für die übrigen Inſerenten koſtet die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raun 15 Rp. Bei Wiederholungen Rabatt. — Inſerate müſſen jeweilen bis ſpä- teſtens Dienſtag und freitag, Vormittags 9 Uhr, abgegeben werden. Erſcheint Mittwoch und Samſtag. [Abbildung] Druck und Verlag von K. Oberholzer’s Buchdruckerei. [Abbildung] Wöchentl. Gratisbeilage: „Linth-Blätter“. Gegen den gemeinſamen Feind. In der Nachbarrepublik Frankreich hatte vor Jahren der Diktator Gambetta die Feinde einer konſervativen Staats- verwaltung bekanntlich unter der heuchleriſchen Formel geeinigt: «Le cléricalisme — voilà l’ennemi!» was auf deutſch etwa heißt: des Landes ſchlimmſter Feind iſt die Herrſchaft des Pfaffenthums. St. Gallen’s einſtiger Gambetta, der alte Dr. Weder, gebrauchte nur eine andere Formel, wenn er in den 50er und 60er Jahren den damals noch allzuleicht dem Partei- kniffe zugänglichen Proteſtanten und liberalen Katholiken den „Jeſuit im Gütterli“ zeigte und ihnen Gänſehaut verurſachte. Der Gambetta iſt zwar geſtorben (ſo liberal wie er gelebt); die Gumbetta aber leben fort in Frankreich und der Schweiz und bethören mit dem Böllimann des „Klerikalismus“ und Pietismus unbefangene Seelen, gibt es doch immer noch der liberalen Eidgenoſſen unerfahrnen Sinnes genug, auf die Heim’s- derber Vierzeiler paßt: „Ich bin ein Eſel und will getreu Wie meine Väter, die alten, An der alten lieben Eſelin Und am Schwindelthum halten.“ Anläßlich der luzerniſchen Verfaſſungsabſtimmung vom vorletzten Sonntag laſen wir im „Vaterland“ folgenden bündigen Mahn- und Warnzeddel an das konſervative Luzernervolk: „Brüder reicht die Hand zum Bunde!“ tönt es gegenwärtig von der (radikalen) Stadt aus. Reformer, welche die Gott- heit Chriſti leugnen, und altkatholiſche Sektirer und Geheimbündler ſtrengen ſich an, durch maſſenhafte Aufrüfe, welche namenlos auf’s Land wandern, das vom katholiſchen, poſitiv chriſtlichen Glauben durchdrungene Luzerner Volk zum Diener der Kirchenfeinde herabzuwürdigen. Erhebet euch, ihr treu geſinnten Katholiken und ſetzt die Heuchler vor die Thüre!“ Wir möchten den Mahnruf des konſervativen Zentralorgans an alle ſchweizeriſchen Katholiken und poſitiv gläubigen Proteſtan- ten, an alle unabhängigen Liberal-Demokraten, kurz an alle Volk und Freiheit über die Parteiherrſchaft ſetzenden Miteidgenoſſen richten. Der glaubensloſe, bürokratiſche, intolerante, die Rechte der Kantone und der Konfeſſionen mit Füßen tretende Radikalismus — das iſt der Feind! Das abgelaufene Jahr und insbeſondere die Dezemberſeſſion der Bundesverſammlung — Teſſinerei — Bundes- rathswahlen — haben den Feind, den Radikalismus, in ſeiner ganzen Wolfsnatur enthüllt. Das iſt ja das liberale Wohlfahrts- prinzip, ſagte die „Berner Volksztg.“ bezüglich des Luzerner Gewaltradikalismus, am Ruder zu ſein, und wenn es durch das Volk uud die geſetzlichen Mittel nicht geht, ſoll Gewalt das „eidgenöſſiſche Aufſehen“, wie der radikale Hofſtiel neueſtens heißt, helfen. Weh’, wenn ſolche Leute die Oberhand ge- wännen! — Das „Wehe“ iſt da! Dieſer Radikalismus, beim Volke in Minderheit, hat — man weiß unter welcher Mithülfe von Wahlkünſten — die Oberhand im oberſten Landesrath. Nicht die Volksmehrheit iſt „ſouverän“, ſondern dieſer Radika- lismus iſt Souverän; er herrſcht im Nationalrath, im Bundes- rath, im Bundesgericht, alle andern Parteien ſind ausgeſchloſſen — er herrſcht allein, ausſchließlich. Sollten wir uns nicht zu geſchloſſener Oppoſition einen gegen den Liberalismus, wie er ſich im Teſſin und in der Bundesverſammlung gezeigt, an dem das Blut des unſchuldig Gemordeten klebt und das Brandmal der Brutalität und grundſätzlicher Ausſchließlichkeit? Wir müſſen uns aufraffen im neuen Jahr, denn wir haben es, wie eine mehr als vierzigjährige Erfahrung lehrt, mit einer völlig untraktabeln Partei zu thun, die uns aus freien Stücken nie, nie etwas gibt. Mit Nadelſtichen blos werden wir einem ſolchen Gegner nicht abtrotzen; man muß den Stier endlich bei den Hörnern nehmen, mit parlamentariſchen Zuckerbrödchen richtet man in Bern nichts aus. Proportionalvertretung, die Initiative und Wahl des Bundesrathes durch das Volk — das muß unſer Ziel in der eidgenöſſiſchen Politik ſein, und von dieſem Ziele wollen wir nicht abgehen, bis es erreicht iſt. Ein Abge- ordneter mehr oder weniger in den Nationalrath ſoll für uns keine Kapitalfrage ſein; Hauptpunkte der eidgenöſſiſchen Politik ſind von nun an: die Zähigkeit in unſerer Oppofition, die Sammlung der Oppoſitionselemente und die Feſtigkeit in der Durchführung unſeres Progammes. Die liberale „Neue Zürch. Zeitg.“ klagte in einem recht düſtern Sylveſter-Artikel: „Es iſt eigenthümlich, daß, je mehr der Bundesſtaat erſtarkt und die Zentralmacht wächst, um ſo mehr der gemeineidgenöſſiſche Sinn ſich abſchwächt.“ Aber trotz dieſer gewiß höchſt betrübenden Erfahrung hat die „gemäßigt-li- berale“ Fraktion, deren Organ die „N. Zrch.-Ztg. iſt, noch ſtets mit vollen Backen in die Segel geblaſen, welche das Staats- ſchiff in den Hafen der alleinſeligmachenden Zentraliſation bugſiren ſollten. Es iſt doch jene Partei voll guter Vorſätze und Entſchlüſſe ohne entſprechende Thaten; jene Partei, von der das neue „Soloth.-Blatt“ ſchreibt: „Es gibt eine Mittel- partei im Schweizerlande, welcher das radikale Treiben zu- wider iſt. Sie hat den Glauben noch nicht verloren und ſie wird ihn auch ſchwerlich verlieren. Sie verurtheilte ſo ſcharf wie wir die unerhörte Jämmerlichkeit, mit welcher die Teſſiner Angelegenheit in die Hand genommen wurde; ſie ſprach ſich ent- ſchieden gegen die Ausſchließlichkeit bei den eidgenöſſiſchen Bundes- rathswahlen aus. Aber bei dieſen feierlichen Proteſten ließ ſie es bewenden, und wenn ſie mit der rechten Hand die Wunde geſchlagen hatte, hielt ſie in der linken ſchon Pflaſter und Balſam bereit. Sie will den Pelz waſchen ohne ihn naß zu machen, ſie haut der Katze den Schwanz ab, aber ja nicht ganz, mehr oder weniger, bald am äußerſten Endchen, bald etwas tiefer hi- nein. Es liegt etwas zweifelhaft Schwächliches in dieſer Mittel- partei, es ſind klägliche Geſellen, ſie haben keine Zähne mehr zum Beißen, nur noch Pfötchen, um dem ſie gründlich verach- tenden Radikalismus je nach Bedürfniß die Kaſtanien aus dem Feuer zu holen. Aber ſie merken es nicht.“ — Wahrlich, es gibt neben dieſen hinfälligen „liberalen“ Hampelmännern auch viele Katholiken, die nie geſcheidt werden, nicht einmal in der erſten Viertelſtunde ihres 40. Jahres, wo ſie geſcheidt werden können, wenn ſie den richtigen Moment nicht verpaſſen, wie man es von den Schwaben ſagt. Sie wollen nicht klug werden, und handeln demnach verrätheriſch im eigenen Lager. Bismarck ließ neulich im Geſpräche mit einigen Beſuchern die Worte fallen: „Wo man hackt, da fallen Spähne. Man kann keine Eierkuchen machen, ohne Eier zu zerſchlagen.“ Das ſollten ſich endlich die Leute mit guten Vorſätzen und lahmen Handlungen merken. Und unſere parlamentariſchen Führer im Bund und den Kantonen deßgleichen. Die zeitgenöſſiche Geſchichte unſeres Landes ſollte doch jeden Konſervativen beider Konfeſſionen die Lehre eingeprägt haben, daß die konſervative Partei vom eid- genöſſiſchen Parlament in Bern, das nachgerade die ſchärfere Tonart des Jakobinerthums anzunehmen pflegt, nichts zu hoffen hat, ſondern daß wir uns unbedenklich auf’s Volk ſtützen müſſen, an dem der Bann des Freimaurerthums wirkungslos abprallt. Daher das verzweifelte Stemmen des Radikalismus im Bundespalaſt gegen die Volksinitiative, die bezeichnende Furcht jener Partei vor dem Volke (auch in den kantonalen Rathſälen — man denke an St. Gallen!); der Syſtemslibe- ralismus fürchtet das Volk in deſſen Beſtrebungen, deſſen Wünſche und ſelbſt deſſen Entſcheiden. Eine gute Vorbedeutung für den ausgebrochenen Kampf gegen die exkluſive Parteiherrſchaft der Loge und des Radikal- ismus erblicken wir auch darin, daß ſich auch im Nationalrathe die demokratiſche Morgenröthe erhebt. Jawohl, wenn nicht Alles täuſcht, iſt die radikale Lohnsherrlichkeit in ihrer Allmacht durch den Geiſt der Unabhängigkeit ſeiner ehemaligen Vaſallen bedroht. Die enſants terribles jener Sturmglocke der ſo- zialen Frage, die Curti, Locher, Vogelſanger, Scherrer-Fülle- mann, Riſch ꝛc., zwar ſchwach nach der Zahl, aber ſtark durch den Glauben und den Nimbus der neuen Ideen haben ein ge- wiſſes moraliſches Gewicht in der Kammer erlangt und im Ver- trauen auf dasſelbe ſchälen ſie ſich allmälig vom radikalen Stamme los, um die Oppoſition in volksrechtlichen und wirth- ſchaftlichen Fragen noch zu verſtärken. Es kommt der Oppoſition der neuere Volksgeiſt ſelbſt zu Hülfe. Anläßlich der ſtarken verwerfenden Mehrheit des Aar- gauiſchen Volkes an der Schuldentrieb-Geſetz-Abſtimmung vom 17. Nov. 1889 ſchrieb man der bekannten „N. Zrch.-Ztg.“ aus dem Aargau: ... „Je mehr die Herren für eine Sache reden, deſto mißtrauiſcher wird das Volk. Sodann hat man gelernt, daß es auch in den reformirten Bezirken nicht mehr verfängt, die ſchwarze Flagge („Jeſuit im Gütterli“) herauszu- hängen, mit der früher bei ähnlichen Anläßen ſo handlich „ge- wepft“ wurde. Die Zeiten ſind anders geworden.“ Ja gottlob, ſie ſind anders geworden! Vor 40 Jahren noch und darüber fürchtete man auf konſervativer und „ariſto- kratiſcher Seite die Volksſuveränität faſt als etwas Revolutio- näres, Staatsgefährliches. Baumgartner ſchrieb im „Schweizer- ſpiegel“ u. A.: Vor der Abſtimmung über den Entwurf von 1848 leitete Furcht und Sorge vor der Abſtimmung ſo manche Schritte, und es hieß hie und da geradezu, man könne un- möglich den Bock zum Gärtner machen laſſen.“ — Es war die Zeit, wo die proteſtantiſchen Volkskreiſe faſt ausſchließlich noch am Gängelbande des Liberalismus geführt wurden. Das neue Jahr zu neuer That! Die Luzerner und die Freiburger-Radikalen fordern mit nakten Worten zur Revo- lution auf, als die „erſte der Pflichten“, wenn man ihnen nach 30 Jahren des Kampfes in Freiburg (Luzern) und Bern jede Gerechtigkeit (und jedes Recht zur Gewaltthat a la Teſſiner Red.) verweigern und ihnen die Thüre im eigenen Kanton und in Bern zuſchlage.“ Die Katholiken verabſcheuen den gewalt- ſamen Umſturz einer rechtmäßigen Regierung als eines der größten Verbrechen. Wir ſtreben dahin nicht nach dem Sturz des herrſchenden Regiments auf dem Wege der Gewalt: aber auf dem Wege der geſetzlichen Mittel. Uns hat man, nach 40 Jahren Kampfes Recht und Gerechtigkeit verweigert, uns hat man bei gleichen konſtitutionellen Rechten, die Gleich- ſtellung im behördlichen Organismus verweigert, Verfaſſung und Geſetze hat man konſequent gegen uns ausgelegt. Von nun an ſoll Krieg ſein zwiſchen uns und dem Radikalismus, bis wir Gerechtigkeit und Gleichberechtigung erlangt.“ Das ſoll der Schwur aller Katholiken, aller Konſervativen, aller demokratiſch denkenden Schweizerbürger ſein. „In der Politik“, ſagt Guizot, „kann man nicht den Gefühlsmenſchen ſpielen, man muß einzig den Erfolg — mit rechtlichen Mitteln — im Auge haben. Das ſoll im begonnenen Jahr Hauptprogramm unſeres politiſchen Pflichtenhaftes ſein. — Wenn ſich die revolutionären Elemente der Sozialdemokratie im Bunde und des Radikalismus in den konſervativen Kantonen zu verbrecheriſchen Anſchlägen einigen, wenn uns die Thüre zur Gleichſtellung der politiſchen Gerechtigkeit beharrlich verſchloſſen bleibt, dann iſt es an der konſervativen Führerſchaft, den Entſcheidungskampf in das Volk zu verlegen und die Streitaxt nicht mehr ruhen zu laſſen bis der Sieg der gerechten Sache entſchieden iſt. „Nur der Starke wird das Schickſal zwingen, wenn der Schwächling unterſinkt.“ Eidgenöſſiſches. — Vom Anarchiſtenprozeß zu Capolago (Teſſin) erhält die „N. Z. Ztg.“ folgenden Bericht ihres Korreſpondenten: Der Sozialiſtenkongreß, der auf den 11. Januar angeſagt war und angeblich in Lugano ſtattfinden ſollte, iſt bereits ab- gehalten worden, und zwar am 4., 5. und 6. Januar in Ca- polago. Ich konnte mit einem Kollegen an demſelben theil- nehmen, jedoch nur gegen das Verſprechen, erſt nach Ablauf des Kongreſſes die Beſchlüſſe, die gefaßt wurden, bekannt zu machen. Heute dürfen wir nun ſprechen und will ich Ihnen ins Ein- zelne gehenden Bericht über die Verſammlung geben. Es nahmen an dem Kongreß 84 Abgeordnete theil, die aus allen Gegenden Italiens gekommen waren. Den Haupt- trupp ſtellte die Romagna; dann folgten in der Stärke der Vertretung Toskana, die Lombardei und Rom. Die Abgeord- neten wußten bei ihrer Ankunft in Chiaſſo noch nicht, wo der Kongreß abgehalten werde. Sie trafen daſelbſt die Veranſtolter des Kongreſſes und wurden von dieſen nach Kapolago gewieſen. Während der drei Tage wohnten ſie daſelbſt im Gaſthaus zum Anker. Die Verſammlungen wurden im Saale eines Grottenwirthshauſes abgehalten, das an einem Ausläufer des Generoſo liegt, und zu dem eine ſteile Treppe führt. In Ca- polago befanden ſich auch Regierungsſtatthalter Maſella von Lugano, der Bundesanwalt Scherb, eine Anzahl Landjäger in Zivilkleidern, und einige italieniſche Polizeiagenten. Der Ge- meindevorſteher von Capolago, Joſias Bernasconi, gab den Kongreßmitgliedern die Zuſage, daß ihnen gegenüber kein Bruch des Hausrechtes ſtattfinden werde, und es ſcheint auch, daß die anweſenden Polizeibeamten nicht die Abſicht hatten, den Kongreß zu ſtören. Sie waren offenbar nur gekommen, um zu ſehen, ob irgend eine Ordnungswidrigkeit vorkomme, oder ob unter den Kongreßmitgliedern ſich Anarchiſten befinden, die aus der Schweiz ausgewieſen worden ſind. Alles ging in Ruhe vor ſich und Niemand wurde verhaftet. (Durfte nicht geſchehen, laut Wille des Sindaco.) Heute, 6. Januar, begaben ſich verſchiedene Theilnehmer nach Lugano, um die Stadt anzuſehen. Polizeibeamten in Zivil folgten ihnen. Die Sitzungen waren ſehr lang; geſtern Abend dauerte die Berathung bis 10 Uhr. Heute kann feſtgeſtellt werden, daß der Kongreß durchaus ein ſozial-revolutionärer war; von geſetzesmäßigen Sozialiſten nahmen nur zwei oder drei Theil. Die Sozialiſten letzterer Richtung in Italien, an deren Spitze Andrea Coſta ſteht, haben für ſich einen Kongreß angeſagt, der nächſtens ſtattfinden wird. — Republikaniſch-gemüthlich hat Herr Alt-Bundesrath Hammer letzten Mittwoch, bevor er die Bundesſtadt verließ, noch von jedem ſeiner bisherigen Untergeordneten, ohne Unter- ſchied, perſönlich Abſchied genommen in Begleit ſeines Departe- ments-Nachfolgers, Herrn Bundesrath Hauſer. Der warme Händedruck des frühern Chefs hat ſämmtliche Angeſtellte ge- rührt und iſt ein ſchönes Zeichen von Herrn Hammers Men- ſchenfreundlichkeit, welche nicht bei jedem ſo vorzüglichen und reichen Finanzmanne zu finden iſt. — Eidg. Feldpoſt. Aus dem Berichte des Herrn Haupt- mann Combe, Chef der Feldpoſt während des letztjährigen Truppenzuſammenzuges, geht hervor, daß die Poſt zu allerlei Mißbräuchen benützt wurde, indem nicht nur alle möglichen

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Zitationshilfe: St. Galler Volksblatt. Nr. 4, Uznach, 14. 01. 1891, S. 1. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_stgaller4_1891/1>, abgerufen am 21.11.2024.