St. Galler Volksblatt. Nr. 10, Uznach, 02. 02. 1887.St. Galler Volksblatt. [Spaltenumbruch] 32. Jahrgang. [Spaltenumbruch] (Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.) [Spaltenumbruch] Mittwoch 2. Februar 1887. [Spaltenumbruch] Abonnementspreis: Bei der Expedition 1/2jährl. Fr. 2. 30, 1/4jährl. Fr. 1. 20 [Spaltenumbruch] No. 10. [Spaltenumbruch] Inserationsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der sog. Inseraten- Eidgenössisches. -- Vorboten des Ungewitters; Unsere Neutralität; Französische Festungswerke an der Schweizergrenze; Kirchliche Freiheit in Deutschland und in der Schweiz; Der Bundesrath und der Tessiner Bisthumskonflikt; Radikaler Wahlsieg im Unterwallis; Industrieller Ultramontanismus; Simplonbahn. Der Horizont verdüstert sich zusehends im Osten Sollten sich die Besürchtungen erwahren, so wird auch "Fort zum Heere, fort zum Heere, Zu des Bundes Aufgebot! Mit dem Schwert und dem Gewehre, Schlagen wir die Feinde todt" -- das heißt erst Zu den Kriegsvorbereitungen und schlimmen Absichten Erst neulich vernahm man aus der liberal-demokratischen Der Konflikt des Bundesrathes mit dem Tessin Dum Roma dehberat, Saguntum perit -- während Industriellen "Ultramontismus" treiben selbst Für die Zentral- und Ostschweiz schaut allerdings -- Simplon. Gemäß den jüngsten Mittheilungen -- Ein wackerer Patriot. Ein Auszüger-Soldat -- Schweizerische landwirthschaftliche Ausstellung in Neuenburg. Auf das Gesuch der Graubündner Re- -- Schweizerischer Lehrertag in St. Gallen. Die "Es muß allgemein auffallen, daß die sonst so St. Galler Volksblatt. [Spaltenumbruch] 32. Jahrgang. [Spaltenumbruch] (Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.) [Spaltenumbruch] Mittwoch 2. Februar 1887. [Spaltenumbruch] Abonnementspreis: Bei der Expedition ½jährl. Fr. 2. 30, ¼jährl. Fr. 1. 20 [Spaltenumbruch] No. 10. [Spaltenumbruch] Inſerationsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der ſog. Inſeraten- Eidgenöſſiſches. — Vorboten des Ungewitters; Unſere Neutralität; Franzöſiſche Feſtungswerke an der Schweizergrenze; Kirchliche Freiheit in Deutſchland und in der Schweiz; Der Bundesrath und der Teſſiner Bisthumskonflikt; Radikaler Wahlſieg im Unterwallis; Induſtrieller Ultramontanismus; Simplonbahn. Der Horizont verdüſtert ſich zuſehends im Oſten Sollten ſich die Beſürchtungen erwahren, ſo wird auch „Fort zum Heere, fort zum Heere, Zu des Bundes Aufgebot! Mit dem Schwert und dem Gewehre, Schlagen wir die Feinde todt“ — das heißt erſt Zu den Kriegsvorbereitungen und ſchlimmen Abſichten Erſt neulich vernahm man aus der liberal-demokratiſchen Der Konflikt des Bundesrathes mit dem Teſſin Dum Roma dehberat, Saguntum perit — während Induſtriellen „Ultramontismus“ treiben ſelbſt Für die Zentral- und Oſtſchweiz ſchaut allerdings — Simplon. Gemäß den jüngſten Mittheilungen — Ein wackerer Patriot. Ein Auszüger-Soldat — Schweizeriſche landwirthſchaftliche Ausſtellung in Neuenburg. Auf das Geſuch der Graubündner Re- — Schweizeriſcher Lehrertag in St. Gallen. Die „Es muß allgemein auffallen, daß die ſonſt ſo <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="1"/> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">St. Galler Volksblatt.</hi> </titlePart><lb/> <cb/> <titlePart type="sub"> <hi rendition="#b">32. Jahrgang.</hi> </titlePart><lb/> <cb/> <docImprint> <publisher>(Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.)</publisher><lb/> <cb/> <docDate> <hi rendition="#b">Mittwoch 2. Februar 1887.</hi> </docDate> </docImprint> </titlePage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jExpedition"> <p><hi rendition="#b">Abonnementspreis:</hi> Bei der Expedition ½jährl. Fr. 2. 30, ¼jährl. Fr. 1. 20<lb/> Bei den Verträgern und mit Adreſſe in der Schweiz: ½j. Fr. 2. 50, ¼j. Fr. 1. 30<lb/> Bei der eidgen. <hi rendition="#g">Poſt:</hi> jährlich Fr. 5.—, ½jährl. Fr. 2. 60, ¼jährl. Fr. 1. 40<lb/> Für’s <hi rendition="#g">Ausland</hi> (Poſtverein) jede Nummer mit Adreſſe: ½jährl. Fr. 5. —<lb/> „ „ „ wöchentl. einmal „ „ ½jährl. Fr. 3. 50<lb/> Die Verſendung findet am Dienſtag und Freitag Abend ſtatt und es können<lb/> daher nur jene Inſeraten berückſichtigt werden, welche am Vormittag des Ausgabe-<lb/> Tages in der Druckerei abgegeben ſind.</p> </div><lb/> <cb/> <titlePage type="heading"> <titlePart type="sub"> <hi rendition="#b">No. 10.</hi> </titlePart> </titlePage><lb/> <cb/> <div type="jExpedition"> <p><hi rendition="#b">Inſerationsgebühr</hi> für den Seebezirk (ohne Vermittlung der ſog. 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Selbſt der Natur-<lb/> philoſoph Nazi im Eichtobel, bisher ein ſchlau lächelnder<lb/> Optimiſt, traut dem Wetter nicht mehr und ſeine Friedens-<lb/> zuverſicht iſt erſchüttert, ſeitdem — <hi rendition="#g">das Brod auf-<lb/> geſchlagen</hi>. Bis in die letzten Tage klammerte er<lb/> ſich an das Hauptargument: Brod und Fleiſch haben<lb/> nicht aufgeſchlagen, der Verkehr zwiſchen den Völkern iſt<lb/> alſo nicht gehemmt, folglich ſteht der Friedensbarometer<lb/> gut. — Jetzt aber wird’s unheimlicher in unſerer Nachbar-<lb/> ſchaft im Elſaß-Lothringen: die Deutſchen wie die Franzoſen<lb/> ſchleppen immer mehr Dinge an die Grenze, die keines-<lb/> wegs wie harmloſes Spielzeug für einen Faſtnachtsſcherz<lb/> ausſehen; die Feſtungen werden auf’s Furchtbarſte montirt<lb/> und ſelbſt verproviantirt, als ob’s nächſtens ſchon voller<lb/> Ernſt gälte. Auch machen ſich die Franzoſen eben daran,<lb/> in bedrohlicher Grenznähe Barraken für 80,000 Mann<lb/> zu errichten. 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Wenn zwei prozeß-<lb/> luſtige Nachbaren nach gefälltem Urtheil, jeder auf ſeiner<lb/> Seite dem Grenzzaun immer näher rücken, den Knüttel<lb/> auf der Kehrſeite krampfhaft mit der rechten Hand zurück-<lb/> haltend, ſo braucht es ſchließlich beim Zuſammentreffen<lb/> nur noch des Zuſatzes einiger „Marchenrücker“, „Falſch-<lb/> eider“, „Zeugenſchmierer“ ꝛc. und die <hi rendition="#aq">argumenta ad<lb/> hominem</hi> fallen hageldicht auf die blutigen Köpfe; ſo<lb/> räſonnirt jetzt Nazi, der Naturphiloſoph im Eichtobel.</p><lb/> <p>Sollten ſich die Beſürchtungen erwahren, ſo wird auch<lb/> die <hi rendition="#g">Schweiz</hi> ihre <hi rendition="#g">Neutralität</hi> mit den Waffen in<lb/> der Hand ſchirmen müſſen:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Fort zum Heere, fort zum Heere,</l><lb/> <l>Zu des Bundes Aufgebot!</l><lb/> <l>Mit dem Schwert und dem Gewehre,</l><lb/> <l>Schlagen wir die Feinde todt“ —</l> </lg> <p>das heißt erſt<lb/> wenn ſie kommen, eine Eventualität, deren Eintritt wir<lb/> vorderhand noch ſehr in Zweifel zu ziehen wagen. Ver-<lb/> träge und Völkerrecht ſind allerdings kein ſicherer Verlaß<lb/> mehr für die Schwachen, ſeitdem unter der Herrſchaft des<lb/> Liberalismus, die Mächtigen das Recht des Stärkern als<lb/> höchſtes Sittengeſetz anerkennen und praktiziren. Dennoch<lb/> trauen wir den Franzoſen — und gegen dieſe iſt ja offen-<lb/> bar der Verdacht am ſtärkſten — das abenteuerliche Wag-<lb/> niß nicht zu, ſich durch ein wohlvertheidigtes, zur äußerſten<lb/> Abwehr entſchloſſenes Land durchſchlagen zu wollen und<lb/> ſich dadurch eine freundnachbarliche Nation dauernd zu<lb/> entfremden. — Sage man übrigens von den jetzigen<lb/> Nachbarn im Weſten was man will — wir fürchten die<lb/> Vergewaltigung mehr von der deutſchen Seite her. Den<lb/> ſchweizeriſch-preußiſchen Stiefelknechten werden die Augen<lb/> vielleicht zu ſpät aufgehen.</p><lb/> <p>Zu den Kriegsvorbereitungen und ſchlimmen Abſichten<lb/> Frankreichs gegen die Schweiz gehören auch die angeblichen<lb/><hi rendition="#g">Befeſtigungen,</hi> welche Frankreich auf dem Mont<lb/> Saleve, in der Nähe von Genf, errichten laſſe. Der<lb/> kleine Saleve (3000’ hoch), ſoll nach den Ausſagen<lb/> franzöſiſcher Blättchen, zu einem „zweiten Gibralter“ um-<lb/> geſchaffen werden, das unter den Geſchützen ſeiner Artillerie<lb/> das ganze Seegeſtade beherrſcht. Die größeren Blätter<lb/> Frankreichs ſtellen derlei Gerüchte in Abrede. Ein Lyoner<lb/> Blatt ſagt, die Militärbehörde habe nie daran gedacht,<lb/> Kaſematten (Kanonengewölbe) und Baſtionen (Bollwerke)<lb/> auf dem kleinen oder großen Saleve (4000’) zu errichten.<lb/> Abgeſehen davon, daß ſolche Feſtungswerke den Einmarſch<lb/> eines feindlichen Heeres, das in Oberſavoyen einfällt,<lb/> nicht zu hindern vermöchten, beſteht ein Abkommen mit<lb/> der Schweiz kraft Annexionsvertrages von 1860. Dieſes<lb/> Uebereinkommen wird durchaus nicht in Frage geſtellt und<lb/> die Neutralität des Genevois, Chablais und Faucigny<lb/><cb/> (ſavoiſche Grenzgebiete) könnte von der franzöſiſchen<lb/> Regierung nicht als nicht beſtehend betrachtet werden,<lb/> ſelbſt wenn der Krieg nächſtens auszubrechen drohte. —<lb/> Frankreich will der Schweiz keine militäriſchen und diplo-<lb/> matiſchen Schwierigkeiten bereiten. — So das „Salut<lb/> publik“ von Lyon.</p><lb/> <p>Erſt neulich vernahm man aus der liberal-demokratiſchen<lb/> „Frankfurter Ztg.“, daß die <hi rendition="#g">preußiſche</hi> Regierung,<lb/> kürzer geſagt Hr. Bismarck, im Laufe der jüngſten Unter-<lb/> handlungen mit dem hl. Stuhl die <hi rendition="#g">bedingungsloſe</hi><lb/> Rückkehr <hi rendition="#g">aller geiſtlichen Orden,</hi> mit Ausnahme<lb/> der Jeſuiten, zugeſtanden habe; das Zugeſtändniß auch<lb/> für Rückkehr der letztern konnte nur deßhalb nicht gemacht<lb/> werden, weil dieſe Frage der Reichstag zu entſcheiden hat,<lb/> da ſie durch Reichsgeſetz ausgewieſen worden. — Wenn<lb/> Lettern und Papier erröthen könnten, ſo müßte doch ge-<lb/> wiß die <hi rendition="#g">ſchweizeriſche Bundesverfaſſung</hi> um<lb/> die Art. 51 und 52 herum bei jeder derartigen Mit-<lb/> theilung ſchamroth werden als ſtehen gebliebene Denkmäler<lb/> einer längſt überholten Kulturkampfperiode, als Schand-<lb/> ſäulen der Intoleranz und der Engherzigkeit mitten in einer<lb/> Zeit der allgemeinen Freiheit, umweht von der Freiheits-<lb/> luft der Alpenwelt. Wie ſchäbig und kalviniſch-intolerant<lb/> nehmen ſich doch dieſe lächerlich-feigen Paragraphen der<lb/> Verbannungs- und Mundtodtmachung des Jeſuitenordens,<lb/> dieſer beſtändige Schwertesſchwang über das tonſurirte<lb/> Haupt „anderer geiſtlichen Orden“ aus, als wären ſie<lb/> ſchlimmer als Freimaurer, Landesverräther und Anar-<lb/> chiſten! Die preußiſche Regierung ließ ſich durch die<lb/> Heulmeierei des nationalmiſerablen und des ſtökeriſch-<lb/> orthodoxen Katholikenhaſſes ſo wenig irre machen, daß<lb/> ſie jetzt ihre Kulturkampfgeſetze und -Maßregeln als rein<lb/><hi rendition="#g">politiſche Gelegenheitstrümpfe</hi> wieder in die<lb/> Ecke zu werfen entſchloſſen iſt. Dem ſchweizeriſchen Prote-<lb/> ſtantismus und Liberalismus will ſcheints die Ehre der<lb/><hi rendition="#g">zäheſten Unduldſamkeit gegen die katholiſche<lb/> Kirche</hi> kein anderer Staat ſtreitig machen.</p><lb/> <p>Der Konflikt des <hi rendition="#g">Bundesrathes</hi> mit dem <hi rendition="#g">Teſſin</hi><lb/> über die künftige Bisthumsverwaltung ſei zwar, heißt es,<lb/> dem Ausgleich nahe; immerhin hat der mit den teſſiner<lb/> Radikalen liebäugelnde ſchweizeriſche Exekutivrath in Bern<lb/> manch’ bittere Wahrheit aus Freundesmund hören müſſen.<lb/> Es iſt dem Bundesrath in dieſem diplomatiſchen Feldzug<lb/> mit den Teſſinern auch die koſtbare Belehrung zu Theil<lb/> geworden, daß das Bewußtſein der Zentralgewalt und<lb/> das Pochen darauf gegen eine ihres guten Rechtes be-<lb/> wußte, entſchloſſene Kantonsregierung, welche gleichzeitig<lb/> das Volk hinter ſich hat, nicht aufzukommen vermag.<lb/> Eine ganze Reihe proteſtantiſcher und liberaler Schweizer-<lb/> blätter, wie „Lauſanner Zeitung“, „Nouvelliſte“, „Suiſſe<lb/> liberale“, „Genfer Tagblatt“, „Freie Rätier“ ꝛc. haben<lb/> dem Bundesrath abgewunken.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">Dum Roma dehberat, Saguntum perit</hi> — während<lb/> man in Rom mit Reden die Zeit verliert, fällt Sagunt<lb/> dem Feind in die Hände, ſagte einſt Cicero, und die<lb/> Konſervativen im Rhonethal können jetzt die Klage auf<lb/> ſich anwenden. Der eidgen. Wahlkreis <hi rendition="#g">Unterwallis</hi><lb/> hatte für den verſtorbenen Hrn. Joris ein Mitglied in<lb/> den Nationalrath zu wählen. Der Sieg konnte für die<lb/> Konſervativen nicht zweifelhaft ſein, wenn ſie nur einig<lb/> ſind und nicht zu Hauſe bleiben. Seit bald zehn Jahren<lb/> hat dieſer Kreis ſtets konſervativ gewählt. Aber der<lb/> Oertligeiſt, der Egoismus und das Sonderintereſſe Ein-<lb/> zelner verſchafften diesmal den Radikalen die Oberhand.<lb/> Der radikale Kandidat Gaillard ſiegte mit 80 Stimmen<lb/> Mehrheit über den konſervativen Hrn. Bioley. Mangels<lb/> feſter Organiſation der konſervativen Partei war etwelche<lb/> Spaltung in ihren Reihen eingetreten. Ueber 200 konſer-<lb/> vative Wähler des Bezirks Entremont, dem der radikale<lb/> Kandidat angehört, ſtellten die Lokalfrage über die Prinzipien-<lb/> frage und ſtimmten ihrem radikalen Mitbürger. Sie<lb/> haben eine ſchwere Verantwortlichkeit auf ſich geladen;<lb/> ihr Verrath an der konſervativen Sache deckt den Abgrund<lb/> auf, zu welchem der Mangel feſter, energiſcher Ueber-<lb/> zeugung und das Irrlicht falſcher Mäßigung führt. Das<lb/> bisherige Band der Einigkeit unter den konſervativen<lb/> Landestheilen iſt vielleicht durch die Schwäche und Charakter-<lb/> loſigkeit Einzelner für Jahre hinaus zerriſſen. — Die<lb/> radikale Preſſe iſt natürlich in gerechtem Jubel über das<lb/> Reſultat. Hoffentlich iſt indeß der gewählte „Gaillard“,<lb/> Notar in Sembrancher, beſſer als ſein Name.</p><lb/> <p>Induſtriellen „<hi rendition="#g">Ultramontismus</hi>“ treiben ſelbſt<lb/> die freiſinnigſten Liberalen. Die Weſtſchweizer haben<lb/> einem „Großen“ des Landes den Krieg erklärt. Der<lb/><hi rendition="#g">Simplon</hi> ſoll durchſtochen werden. Das Kriegen aber<lb/><cb/> koſtet Geld, heidenmäßig viel Geld. Nun, da es Ernſt<lb/> gilt mit der „Mobilmachung“ ſind die HH. Direktor<lb/> Colomb von Neuenburg und Verwaltungsrath Veſſaz von<lb/> Genf über die Berge (<hi rendition="#aq">ultra montes</hi>) gereist, um in<lb/> Oberitalien Bundesgenoſſen zu ſuchen. — Und den Katho-<lb/> liken macht man es ſo oft zum Vorwurf, wenn ſie um viel<lb/> höherer Güter willen, und bloß <hi rendition="#g">in Gedanken,</hi> und<lb/> ohne irgendwelchen andern Intereſſen zu nahe zu treten,<lb/> und ohne eidgenöſſiſche Subventionen zu provoziren —<lb/><hi rendition="#aq">ultra montes</hi> reiſen. — Die Abgeordneten der Simplon-<lb/> geſellſchaft ſeien übrigens in Mailand vom Komite gut<lb/> aufgenonmen worden; auch die Unterhandlungen mit den<lb/> andern am Simplon-Unternehmen intereſſirten Städte<lb/> ſeien mit vollem Erfolge begleitet geweſen. Man werde<lb/> in Oberitalien alles daran ſetzen, um den hohen Tarifen<lb/> der mächtigen Gotthardbahn eine ernſtliche Konkurrenz zu<lb/> machen. — In Frankreich iſt man der Gotthardbahn<lb/> noch weniger grün als im Piemonteſiſchen. Der „Figaro“<lb/> ſchreibt diesfalls: „.... Die Schweizer betrachten einen<lb/> zweiten Alpendurchſtich für ihre Intereſſen ebenſo vor-<lb/> theilhaft als für die unſrigen, ſo zwar, daß er auf ihrem<lb/> eigenen Boden Deutſchland Konkurrenz ſchaffen würde.<lb/> Aber die Wohlthat des Unternehmens iſt für uns (Frank-<lb/> reich) unberechenbar. Ein Simplon-Tunnel verſchafft uns<lb/> wieder den Vorrang in den Handelsbeziehungen mit<lb/> Italien; er bietet unſeren Induſtrien des Nordens einen<lb/> unvergleichlichen Abflußkanal und macht durch eine große<lb/> fortlaufende Linie von Calais (Nordfrankreich) bis Brin-<lb/> diſi (Unteritalien) — auf dieſer Straße nach Indien, um<lb/> welche ſich alle Völker ſtreiten, — den engliſchen Tranſit-<lb/> handel Frankreich völlig zinspflichtig. Das wäre unſere<lb/> erſte Rache (Revanche).“</p><lb/> <p>Für die Zentral- und Oſtſchweiz ſchaut allerdings<lb/> nicht ſo viel heraus, wenn der Durchſtich zu Stande<lb/> kömmt (was immerhin noch fraglich iſt), denn einmal müßte<lb/> der Bund, gemäß Art. 5 des Bundesgeſetzes betr. Ge-<lb/> währung von Subſidien für Alpenbahnen vom 22. Aug.<lb/> 1878, eine Averſale von 4½ Millionen (wie für die<lb/> Gotthardbahn) daran leiſten und anderſeits müßte die<lb/> Gotthardbahn wie eine künftige Splügenbahn die Kon-<lb/> kurrenz eines weſtlichen Alpenüberganges ſchwer zu fühlen<lb/> bekommen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#b">Simplon.</hi> </head> <p>Gemäß den jüngſten Mittheilungen<lb/> der ſchweizeriſchen Unterhändler ſeien auch der Stadtrath<lb/> und die Handelskammer von Genua grundſätzlich bereit,<lb/> den Simplondurchſtich gegen vortheilhafte Tarifanſätze zu<lb/> ſubventioniren.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#b">Ein wackerer Patriot.</hi> </head> <p>Ein Auszüger-Soldat<lb/> aus der Baſel-Landſchaft hat dem Militärdepartement<lb/><hi rendition="#g">drei Franken</hi> als Beitrag an die <hi rendition="#g">Landesbefeſti-<lb/> gung</hi> übermacht. Zwar wiſſe er, ſagt er, daß dies<lb/> eigentlich nichts ſei, aber er ſei ein bloßer Knecht, und<lb/> wolle durch ſein Beiſpiel Andere, namentlich Millionärs,<lb/> anſpornen, von ihrem Ueberfluß ebenfalls etwas an die<lb/> Befeſtigung des Vaterlandes beizutragen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#b">Schweizeriſche landwirthſchaftliche Ausſtellung<lb/> in Neuenburg.</hi> </head> <p>Auf das Geſuch der Graubündner Re-<lb/> gierung, an genannter Ausſtellung eine eigene Abtheilung<lb/> für das Gebirgsvieh vorzuſehen, hat das eidg. Landwirth-<lb/> ſchaftsdepartement folgende Beſchlüſſe gefaßt: 1. Die-<lb/> jenigen Ausſteller der Gebirgskantone, welche Vieh aus-<lb/> ſtellen wollen, das ſich ihrer Auffaſſung nach als ſog.<lb/> Gebirgsvieh qualifizirt, haben dies bei Anmeldung des-<lb/> ſelben anzugeben. 2. Für im Maximum hundert Stück<lb/> dieſer Thiere wird eine beſondere Abtheilung: „Gebirgs-<lb/> vieh aller Raſſen und Schläge“ gebildet und für dieſelbe<lb/> eine Prämienſumme von im Maximum 5000 Fr. be-<lb/> ſtimmt. 3. Werden weniger als hundert Thiere ange-<lb/> meldet, ſo wird die erwähnte Prämienſumme entſprechend<lb/> reduzirt; werden aber mehr als hundert Thiere ange-<lb/> meldet, ſo haben die betreffenden Kantone von ſich aus<lb/> eine entſprechende Reduktion der Anmeldungen vorzu-<lb/> nehmen. 4. Es wird auf Vorſchlag der betheiligten<lb/> Kantone durch das ſchweiz. Landwirthſchaftsdepartement<lb/> eine Jury von drei Fachmännern ernannt, welche über<lb/> die Zutheilung der Preiſe zu beſchließen und dem ge-<lb/> nannten Departement Bericht zu erſtatten hat.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#b">Schweizeriſcher Lehrertag in St. Gallen.</hi> </head> <p>Die<lb/> einſeitige Zuſammenſetzung des Komite für denſelben<lb/> wirft auch anderwärts Staub auf. So ſchreiben die<lb/> „Nachrichten vom Züricherſee“:</p><lb/> <p>„Es muß allgemein auffallen, daß die ſonſt ſo<lb/> tolerante Stadt St. Gallen bei Beſtellung des Komites<lb/> ſo überaus ausſchließlich vorging und gläubig prote-<lb/> ſtantiſche und katholiſche Lehrer konſequent von den Wahlen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1/0001]
St. Galler Volksblatt.
32. Jahrgang.
(Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.)
Mittwoch 2. Februar 1887.
Abonnementspreis: Bei der Expedition ½jährl. Fr. 2. 30, ¼jährl. Fr. 1. 20
Bei den Verträgern und mit Adreſſe in der Schweiz: ½j. Fr. 2. 50, ¼j. Fr. 1. 30
Bei der eidgen. Poſt: jährlich Fr. 5.—, ½jährl. Fr. 2. 60, ¼jährl. Fr. 1. 40
Für’s Ausland (Poſtverein) jede Nummer mit Adreſſe: ½jährl. Fr. 5. —
„ „ „ wöchentl. einmal „ „ ½jährl. Fr. 3. 50
Die Verſendung findet am Dienſtag und Freitag Abend ſtatt und es können
daher nur jene Inſeraten berückſichtigt werden, welche am Vormittag des Ausgabe-
Tages in der Druckerei abgegeben ſind.
No. 10.
Inſerationsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der ſog. Inſeraten-
bureaux): Die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum 10 Cts.
Für die übrigen Inſerenten koſtet die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum
15 Cts. — Bei öfteren Wiederholungen Rabatt. —
Auswärtige Anfragen betreff zu erfragende Inſerate müſſen 10 Cts. in Vrief-
marken für Rückantwort enthalten. — Unfrankirte Sendungen werden nicht
berückſichtigt. — Das Blatt erſcheint wöchentlich zweimal: Mittwoch & Samſtag.
Alle Samſtag mit den „Linth-Blätter“.
Eidgenöſſiſches.
— Vorboten des Ungewitters; Unſere Neutralität;
Franzöſiſche Feſtungswerke an der Schweizergrenze;
Kirchliche Freiheit in Deutſchland und in der Schweiz;
Der Bundesrath und der Teſſiner Bisthumskonflikt;
Radikaler Wahlſieg im Unterwallis; Induſtrieller
Ultramontanismus; Simplonbahn.
Der Horizont verdüſtert ſich zuſehends im Oſten
(Balkanhalbinſel) wie im Weſten. Selbſt der Natur-
philoſoph Nazi im Eichtobel, bisher ein ſchlau lächelnder
Optimiſt, traut dem Wetter nicht mehr und ſeine Friedens-
zuverſicht iſt erſchüttert, ſeitdem — das Brod auf-
geſchlagen. Bis in die letzten Tage klammerte er
ſich an das Hauptargument: Brod und Fleiſch haben
nicht aufgeſchlagen, der Verkehr zwiſchen den Völkern iſt
alſo nicht gehemmt, folglich ſteht der Friedensbarometer
gut. — Jetzt aber wird’s unheimlicher in unſerer Nachbar-
ſchaft im Elſaß-Lothringen: die Deutſchen wie die Franzoſen
ſchleppen immer mehr Dinge an die Grenze, die keines-
wegs wie harmloſes Spielzeug für einen Faſtnachtsſcherz
ausſehen; die Feſtungen werden auf’s Furchtbarſte montirt
und ſelbſt verproviantirt, als ob’s nächſtens ſchon voller
Ernſt gälte. Auch machen ſich die Franzoſen eben daran,
in bedrohlicher Grenznähe Barraken für 80,000 Mann
zu errichten. Wegen dem Brodaufſchlag iſt vielleicht ein
einziger „Bäcker“ in Frankreich ſchuld, der zufällig —
Kriegsminiſter iſt; das Fleiſch aber wird wohl eher der
Hr. Bismarck vertheuern, zunächſt das Roßfleiſch, ſintemal
das Pferdeausfuhrverbot in Deutſchland ſchon eingetreten
„gemäß kaiſerlicher Verordnung“. Mit der Vieheinfuhr
aus dem deutſchen Reich wird es wohl auch bald nachher
„alle“ ſein. — Alle dieſe direkten Laſten und mehr noch
die ſich ſelbſt auferlegten indirekten Verkehrsſchädigungen
wachſen in wenigen Wochen zu gewaltigen Einbußen des
Nationalvermögens an, ein Zuſtand, der von ſelbſt zur Ent-
ſcheidung des ſtrittigen Punktes drängt. Wenn zwei prozeß-
luſtige Nachbaren nach gefälltem Urtheil, jeder auf ſeiner
Seite dem Grenzzaun immer näher rücken, den Knüttel
auf der Kehrſeite krampfhaft mit der rechten Hand zurück-
haltend, ſo braucht es ſchließlich beim Zuſammentreffen
nur noch des Zuſatzes einiger „Marchenrücker“, „Falſch-
eider“, „Zeugenſchmierer“ ꝛc. und die argumenta ad
hominem fallen hageldicht auf die blutigen Köpfe; ſo
räſonnirt jetzt Nazi, der Naturphiloſoph im Eichtobel.
Sollten ſich die Beſürchtungen erwahren, ſo wird auch
die Schweiz ihre Neutralität mit den Waffen in
der Hand ſchirmen müſſen:
„Fort zum Heere, fort zum Heere,
Zu des Bundes Aufgebot!
Mit dem Schwert und dem Gewehre,
Schlagen wir die Feinde todt“ —
das heißt erſt
wenn ſie kommen, eine Eventualität, deren Eintritt wir
vorderhand noch ſehr in Zweifel zu ziehen wagen. Ver-
träge und Völkerrecht ſind allerdings kein ſicherer Verlaß
mehr für die Schwachen, ſeitdem unter der Herrſchaft des
Liberalismus, die Mächtigen das Recht des Stärkern als
höchſtes Sittengeſetz anerkennen und praktiziren. Dennoch
trauen wir den Franzoſen — und gegen dieſe iſt ja offen-
bar der Verdacht am ſtärkſten — das abenteuerliche Wag-
niß nicht zu, ſich durch ein wohlvertheidigtes, zur äußerſten
Abwehr entſchloſſenes Land durchſchlagen zu wollen und
ſich dadurch eine freundnachbarliche Nation dauernd zu
entfremden. — Sage man übrigens von den jetzigen
Nachbarn im Weſten was man will — wir fürchten die
Vergewaltigung mehr von der deutſchen Seite her. Den
ſchweizeriſch-preußiſchen Stiefelknechten werden die Augen
vielleicht zu ſpät aufgehen.
Zu den Kriegsvorbereitungen und ſchlimmen Abſichten
Frankreichs gegen die Schweiz gehören auch die angeblichen
Befeſtigungen, welche Frankreich auf dem Mont
Saleve, in der Nähe von Genf, errichten laſſe. Der
kleine Saleve (3000’ hoch), ſoll nach den Ausſagen
franzöſiſcher Blättchen, zu einem „zweiten Gibralter“ um-
geſchaffen werden, das unter den Geſchützen ſeiner Artillerie
das ganze Seegeſtade beherrſcht. Die größeren Blätter
Frankreichs ſtellen derlei Gerüchte in Abrede. Ein Lyoner
Blatt ſagt, die Militärbehörde habe nie daran gedacht,
Kaſematten (Kanonengewölbe) und Baſtionen (Bollwerke)
auf dem kleinen oder großen Saleve (4000’) zu errichten.
Abgeſehen davon, daß ſolche Feſtungswerke den Einmarſch
eines feindlichen Heeres, das in Oberſavoyen einfällt,
nicht zu hindern vermöchten, beſteht ein Abkommen mit
der Schweiz kraft Annexionsvertrages von 1860. Dieſes
Uebereinkommen wird durchaus nicht in Frage geſtellt und
die Neutralität des Genevois, Chablais und Faucigny
(ſavoiſche Grenzgebiete) könnte von der franzöſiſchen
Regierung nicht als nicht beſtehend betrachtet werden,
ſelbſt wenn der Krieg nächſtens auszubrechen drohte. —
Frankreich will der Schweiz keine militäriſchen und diplo-
matiſchen Schwierigkeiten bereiten. — So das „Salut
publik“ von Lyon.
Erſt neulich vernahm man aus der liberal-demokratiſchen
„Frankfurter Ztg.“, daß die preußiſche Regierung,
kürzer geſagt Hr. Bismarck, im Laufe der jüngſten Unter-
handlungen mit dem hl. Stuhl die bedingungsloſe
Rückkehr aller geiſtlichen Orden, mit Ausnahme
der Jeſuiten, zugeſtanden habe; das Zugeſtändniß auch
für Rückkehr der letztern konnte nur deßhalb nicht gemacht
werden, weil dieſe Frage der Reichstag zu entſcheiden hat,
da ſie durch Reichsgeſetz ausgewieſen worden. — Wenn
Lettern und Papier erröthen könnten, ſo müßte doch ge-
wiß die ſchweizeriſche Bundesverfaſſung um
die Art. 51 und 52 herum bei jeder derartigen Mit-
theilung ſchamroth werden als ſtehen gebliebene Denkmäler
einer längſt überholten Kulturkampfperiode, als Schand-
ſäulen der Intoleranz und der Engherzigkeit mitten in einer
Zeit der allgemeinen Freiheit, umweht von der Freiheits-
luft der Alpenwelt. Wie ſchäbig und kalviniſch-intolerant
nehmen ſich doch dieſe lächerlich-feigen Paragraphen der
Verbannungs- und Mundtodtmachung des Jeſuitenordens,
dieſer beſtändige Schwertesſchwang über das tonſurirte
Haupt „anderer geiſtlichen Orden“ aus, als wären ſie
ſchlimmer als Freimaurer, Landesverräther und Anar-
chiſten! Die preußiſche Regierung ließ ſich durch die
Heulmeierei des nationalmiſerablen und des ſtökeriſch-
orthodoxen Katholikenhaſſes ſo wenig irre machen, daß
ſie jetzt ihre Kulturkampfgeſetze und -Maßregeln als rein
politiſche Gelegenheitstrümpfe wieder in die
Ecke zu werfen entſchloſſen iſt. Dem ſchweizeriſchen Prote-
ſtantismus und Liberalismus will ſcheints die Ehre der
zäheſten Unduldſamkeit gegen die katholiſche
Kirche kein anderer Staat ſtreitig machen.
Der Konflikt des Bundesrathes mit dem Teſſin
über die künftige Bisthumsverwaltung ſei zwar, heißt es,
dem Ausgleich nahe; immerhin hat der mit den teſſiner
Radikalen liebäugelnde ſchweizeriſche Exekutivrath in Bern
manch’ bittere Wahrheit aus Freundesmund hören müſſen.
Es iſt dem Bundesrath in dieſem diplomatiſchen Feldzug
mit den Teſſinern auch die koſtbare Belehrung zu Theil
geworden, daß das Bewußtſein der Zentralgewalt und
das Pochen darauf gegen eine ihres guten Rechtes be-
wußte, entſchloſſene Kantonsregierung, welche gleichzeitig
das Volk hinter ſich hat, nicht aufzukommen vermag.
Eine ganze Reihe proteſtantiſcher und liberaler Schweizer-
blätter, wie „Lauſanner Zeitung“, „Nouvelliſte“, „Suiſſe
liberale“, „Genfer Tagblatt“, „Freie Rätier“ ꝛc. haben
dem Bundesrath abgewunken.
Dum Roma dehberat, Saguntum perit — während
man in Rom mit Reden die Zeit verliert, fällt Sagunt
dem Feind in die Hände, ſagte einſt Cicero, und die
Konſervativen im Rhonethal können jetzt die Klage auf
ſich anwenden. Der eidgen. Wahlkreis Unterwallis
hatte für den verſtorbenen Hrn. Joris ein Mitglied in
den Nationalrath zu wählen. Der Sieg konnte für die
Konſervativen nicht zweifelhaft ſein, wenn ſie nur einig
ſind und nicht zu Hauſe bleiben. Seit bald zehn Jahren
hat dieſer Kreis ſtets konſervativ gewählt. Aber der
Oertligeiſt, der Egoismus und das Sonderintereſſe Ein-
zelner verſchafften diesmal den Radikalen die Oberhand.
Der radikale Kandidat Gaillard ſiegte mit 80 Stimmen
Mehrheit über den konſervativen Hrn. Bioley. Mangels
feſter Organiſation der konſervativen Partei war etwelche
Spaltung in ihren Reihen eingetreten. Ueber 200 konſer-
vative Wähler des Bezirks Entremont, dem der radikale
Kandidat angehört, ſtellten die Lokalfrage über die Prinzipien-
frage und ſtimmten ihrem radikalen Mitbürger. Sie
haben eine ſchwere Verantwortlichkeit auf ſich geladen;
ihr Verrath an der konſervativen Sache deckt den Abgrund
auf, zu welchem der Mangel feſter, energiſcher Ueber-
zeugung und das Irrlicht falſcher Mäßigung führt. Das
bisherige Band der Einigkeit unter den konſervativen
Landestheilen iſt vielleicht durch die Schwäche und Charakter-
loſigkeit Einzelner für Jahre hinaus zerriſſen. — Die
radikale Preſſe iſt natürlich in gerechtem Jubel über das
Reſultat. Hoffentlich iſt indeß der gewählte „Gaillard“,
Notar in Sembrancher, beſſer als ſein Name.
Induſtriellen „Ultramontismus“ treiben ſelbſt
die freiſinnigſten Liberalen. Die Weſtſchweizer haben
einem „Großen“ des Landes den Krieg erklärt. Der
Simplon ſoll durchſtochen werden. Das Kriegen aber
koſtet Geld, heidenmäßig viel Geld. Nun, da es Ernſt
gilt mit der „Mobilmachung“ ſind die HH. Direktor
Colomb von Neuenburg und Verwaltungsrath Veſſaz von
Genf über die Berge (ultra montes) gereist, um in
Oberitalien Bundesgenoſſen zu ſuchen. — Und den Katho-
liken macht man es ſo oft zum Vorwurf, wenn ſie um viel
höherer Güter willen, und bloß in Gedanken, und
ohne irgendwelchen andern Intereſſen zu nahe zu treten,
und ohne eidgenöſſiſche Subventionen zu provoziren —
ultra montes reiſen. — Die Abgeordneten der Simplon-
geſellſchaft ſeien übrigens in Mailand vom Komite gut
aufgenonmen worden; auch die Unterhandlungen mit den
andern am Simplon-Unternehmen intereſſirten Städte
ſeien mit vollem Erfolge begleitet geweſen. Man werde
in Oberitalien alles daran ſetzen, um den hohen Tarifen
der mächtigen Gotthardbahn eine ernſtliche Konkurrenz zu
machen. — In Frankreich iſt man der Gotthardbahn
noch weniger grün als im Piemonteſiſchen. Der „Figaro“
ſchreibt diesfalls: „.... Die Schweizer betrachten einen
zweiten Alpendurchſtich für ihre Intereſſen ebenſo vor-
theilhaft als für die unſrigen, ſo zwar, daß er auf ihrem
eigenen Boden Deutſchland Konkurrenz ſchaffen würde.
Aber die Wohlthat des Unternehmens iſt für uns (Frank-
reich) unberechenbar. Ein Simplon-Tunnel verſchafft uns
wieder den Vorrang in den Handelsbeziehungen mit
Italien; er bietet unſeren Induſtrien des Nordens einen
unvergleichlichen Abflußkanal und macht durch eine große
fortlaufende Linie von Calais (Nordfrankreich) bis Brin-
diſi (Unteritalien) — auf dieſer Straße nach Indien, um
welche ſich alle Völker ſtreiten, — den engliſchen Tranſit-
handel Frankreich völlig zinspflichtig. Das wäre unſere
erſte Rache (Revanche).“
Für die Zentral- und Oſtſchweiz ſchaut allerdings
nicht ſo viel heraus, wenn der Durchſtich zu Stande
kömmt (was immerhin noch fraglich iſt), denn einmal müßte
der Bund, gemäß Art. 5 des Bundesgeſetzes betr. Ge-
währung von Subſidien für Alpenbahnen vom 22. Aug.
1878, eine Averſale von 4½ Millionen (wie für die
Gotthardbahn) daran leiſten und anderſeits müßte die
Gotthardbahn wie eine künftige Splügenbahn die Kon-
kurrenz eines weſtlichen Alpenüberganges ſchwer zu fühlen
bekommen.
— Simplon. Gemäß den jüngſten Mittheilungen
der ſchweizeriſchen Unterhändler ſeien auch der Stadtrath
und die Handelskammer von Genua grundſätzlich bereit,
den Simplondurchſtich gegen vortheilhafte Tarifanſätze zu
ſubventioniren.
— Ein wackerer Patriot. Ein Auszüger-Soldat
aus der Baſel-Landſchaft hat dem Militärdepartement
drei Franken als Beitrag an die Landesbefeſti-
gung übermacht. Zwar wiſſe er, ſagt er, daß dies
eigentlich nichts ſei, aber er ſei ein bloßer Knecht, und
wolle durch ſein Beiſpiel Andere, namentlich Millionärs,
anſpornen, von ihrem Ueberfluß ebenfalls etwas an die
Befeſtigung des Vaterlandes beizutragen.
— Schweizeriſche landwirthſchaftliche Ausſtellung
in Neuenburg. Auf das Geſuch der Graubündner Re-
gierung, an genannter Ausſtellung eine eigene Abtheilung
für das Gebirgsvieh vorzuſehen, hat das eidg. Landwirth-
ſchaftsdepartement folgende Beſchlüſſe gefaßt: 1. Die-
jenigen Ausſteller der Gebirgskantone, welche Vieh aus-
ſtellen wollen, das ſich ihrer Auffaſſung nach als ſog.
Gebirgsvieh qualifizirt, haben dies bei Anmeldung des-
ſelben anzugeben. 2. Für im Maximum hundert Stück
dieſer Thiere wird eine beſondere Abtheilung: „Gebirgs-
vieh aller Raſſen und Schläge“ gebildet und für dieſelbe
eine Prämienſumme von im Maximum 5000 Fr. be-
ſtimmt. 3. Werden weniger als hundert Thiere ange-
meldet, ſo wird die erwähnte Prämienſumme entſprechend
reduzirt; werden aber mehr als hundert Thiere ange-
meldet, ſo haben die betreffenden Kantone von ſich aus
eine entſprechende Reduktion der Anmeldungen vorzu-
nehmen. 4. Es wird auf Vorſchlag der betheiligten
Kantone durch das ſchweiz. Landwirthſchaftsdepartement
eine Jury von drei Fachmännern ernannt, welche über
die Zutheilung der Preiſe zu beſchließen und dem ge-
nannten Departement Bericht zu erſtatten hat.
— Schweizeriſcher Lehrertag in St. Gallen. Die
einſeitige Zuſammenſetzung des Komite für denſelben
wirft auch anderwärts Staub auf. So ſchreiben die
„Nachrichten vom Züricherſee“:
„Es muß allgemein auffallen, daß die ſonſt ſo
tolerante Stadt St. Gallen bei Beſtellung des Komites
ſo überaus ausſchließlich vorging und gläubig prote-
ſtantiſche und katholiſche Lehrer konſequent von den Wahlen
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