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St. Galler Volksblatt. Nr. 10, Uznach, 02. 02. 1887.

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St. Galler Volksblatt.

[Spaltenumbruch]
32. Jahrgang.

[Spaltenumbruch] (Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.)
[Spaltenumbruch] Mittwoch 2. Februar 1887.



[Spaltenumbruch]

Abonnementspreis: Bei der Expedition 1/2jährl. Fr. 2. 30, 1/4jährl. Fr. 1. 20
Bei den Verträgern und mit Adresse in der Schweiz: 1/2j. Fr. 2. 50, 1/4j. Fr. 1. 30
Bei der eidgen. Post: jährlich Fr. 5.--, 1/2jährl. Fr. 2. 60, 1/4jährl. Fr. 1. 40
Für's Ausland (Postverein) jede Nummer mit Adresse: 1/2jährl. Fr. 5. --
" " " wöchentl. einmal " " 1/2jährl. Fr. 3. 50
Die Versendung findet am Dienstag und Freitag Abend statt und es können
daher nur jene Inseraten berücksichtigt werden, welche am Vormittag des Ausgabe-
Tages in der Druckerei abgegeben sind.


[Spaltenumbruch]
No. 10.

[Spaltenumbruch]

Inserationsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der sog. Inseraten-
bureaux): Die kleinspaltige Petitzeile oder deren Raum 10 Cts.
Für die übrigen Inserenten kostet die kleinspaltige Petitzeile oder deren Raum
15 Cts. -- Bei öfteren Wiederholungen Rabatt. --
Auswärtige Anfragen betreff zu erfragende Inserate müssen 10 Cts. in Vrief-
marken für Rückantwort enthalten. -- Unfrankirte Sendungen werden nicht
berücksichtigt. -- Das Blatt erscheint wöchentlich zweimal: Mittwoch & Samstag.
Alle Samstag mit den "Linth-Blätter".




Eidgenössisches.
-- Vorboten des Ungewitters; Unsere Neutralität;
Französische Festungswerke an der Schweizergrenze;
Kirchliche Freiheit in Deutschland und in der Schweiz;
Der Bundesrath und der Tessiner Bisthumskonflikt;
Radikaler Wahlsieg im Unterwallis; Industrieller
Ultramontanismus; Simplonbahn.

Der Horizont verdüstert sich zusehends im Osten
(Balkanhalbinsel) wie im Westen. Selbst der Natur-
philosoph Nazi im Eichtobel, bisher ein schlau lächelnder
Optimist, traut dem Wetter nicht mehr und seine Friedens-
zuversicht ist erschüttert, seitdem -- das Brod auf-
geschlagen
. Bis in die letzten Tage klammerte er
sich an das Hauptargument: Brod und Fleisch haben
nicht aufgeschlagen, der Verkehr zwischen den Völkern ist
also nicht gehemmt, folglich steht der Friedensbarometer
gut. -- Jetzt aber wird's unheimlicher in unserer Nachbar-
schaft im Elsaß-Lothringen: die Deutschen wie die Franzosen
schleppen immer mehr Dinge an die Grenze, die keines-
wegs wie harmloses Spielzeug für einen Fastnachtsscherz
aussehen; die Festungen werden auf's Furchtbarste montirt
und selbst verproviantirt, als ob's nächstens schon voller
Ernst gälte. Auch machen sich die Franzosen eben daran,
in bedrohlicher Grenznähe Barraken für 80,000 Mann
zu errichten. Wegen dem Brodaufschlag ist vielleicht ein
einziger "Bäcker" in Frankreich schuld, der zufällig --
Kriegsminister ist; das Fleisch aber wird wohl eher der
Hr. Bismarck vertheuern, zunächst das Roßfleisch, sintemal
das Pferdeausfuhrverbot in Deutschland schon eingetreten
"gemäß kaiserlicher Verordnung". Mit der Vieheinfuhr
aus dem deutschen Reich wird es wohl auch bald nachher
"alle" sein. -- Alle diese direkten Lasten und mehr noch
die sich selbst auferlegten indirekten Verkehrsschädigungen
wachsen in wenigen Wochen zu gewaltigen Einbußen des
Nationalvermögens an, ein Zustand, der von selbst zur Ent-
scheidung des strittigen Punktes drängt. Wenn zwei prozeß-
lustige Nachbaren nach gefälltem Urtheil, jeder auf seiner
Seite dem Grenzzaun immer näher rücken, den Knüttel
auf der Kehrseite krampfhaft mit der rechten Hand zurück-
haltend, so braucht es schließlich beim Zusammentreffen
nur noch des Zusatzes einiger "Marchenrücker", "Falsch-
eider", "Zeugenschmierer" etc. und die argumenta ad
hominem
fallen hageldicht auf die blutigen Köpfe; so
räsonnirt jetzt Nazi, der Naturphilosoph im Eichtobel.

Sollten sich die Besürchtungen erwahren, so wird auch
die Schweiz ihre Neutralität mit den Waffen in
der Hand schirmen müssen:

"Fort zum Heere, fort zum Heere,
Zu des Bundes Aufgebot!
Mit dem Schwert und dem Gewehre,
Schlagen wir die Feinde todt" --

das heißt erst
wenn sie kommen, eine Eventualität, deren Eintritt wir
vorderhand noch sehr in Zweifel zu ziehen wagen. Ver-
träge und Völkerrecht sind allerdings kein sicherer Verlaß
mehr für die Schwachen, seitdem unter der Herrschaft des
Liberalismus, die Mächtigen das Recht des Stärkern als
höchstes Sittengesetz anerkennen und praktiziren. Dennoch
trauen wir den Franzosen -- und gegen diese ist ja offen-
bar der Verdacht am stärksten -- das abenteuerliche Wag-
niß nicht zu, sich durch ein wohlvertheidigtes, zur äußersten
Abwehr entschlossenes Land durchschlagen zu wollen und
sich dadurch eine freundnachbarliche Nation dauernd zu
entfremden. -- Sage man übrigens von den jetzigen
Nachbarn im Westen was man will -- wir fürchten die
Vergewaltigung mehr von der deutschen Seite her. Den
schweizerisch-preußischen Stiefelknechten werden die Augen
vielleicht zu spät aufgehen.

Zu den Kriegsvorbereitungen und schlimmen Absichten
Frankreichs gegen die Schweiz gehören auch die angeblichen
Befestigungen, welche Frankreich auf dem Mont
Saleve, in der Nähe von Genf, errichten lasse. Der
kleine Saleve (3000' hoch), soll nach den Aussagen
französischer Blättchen, zu einem "zweiten Gibralter" um-
geschaffen werden, das unter den Geschützen seiner Artillerie
das ganze Seegestade beherrscht. Die größeren Blätter
Frankreichs stellen derlei Gerüchte in Abrede. Ein Lyoner
Blatt sagt, die Militärbehörde habe nie daran gedacht,
Kasematten (Kanonengewölbe) und Bastionen (Bollwerke)
auf dem kleinen oder großen Saleve (4000') zu errichten.
Abgesehen davon, daß solche Festungswerke den Einmarsch
eines feindlichen Heeres, das in Obersavoyen einfällt,
nicht zu hindern vermöchten, besteht ein Abkommen mit
der Schweiz kraft Annexionsvertrages von 1860. Dieses
Uebereinkommen wird durchaus nicht in Frage gestellt und
die Neutralität des Genevois, Chablais und Faucigny
[Spaltenumbruch] (savoische Grenzgebiete) könnte von der französischen
Regierung nicht als nicht bestehend betrachtet werden,
selbst wenn der Krieg nächstens auszubrechen drohte. --
Frankreich will der Schweiz keine militärischen und diplo-
matischen Schwierigkeiten bereiten. -- So das "Salut
publik" von Lyon.

Erst neulich vernahm man aus der liberal-demokratischen
"Frankfurter Ztg.", daß die preußische Regierung,
kürzer gesagt Hr. Bismarck, im Laufe der jüngsten Unter-
handlungen mit dem hl. Stuhl die bedingungslose
Rückkehr aller geistlichen Orden, mit Ausnahme
der Jesuiten, zugestanden habe; das Zugeständniß auch
für Rückkehr der letztern konnte nur deßhalb nicht gemacht
werden, weil diese Frage der Reichstag zu entscheiden hat,
da sie durch Reichsgesetz ausgewiesen worden. -- Wenn
Lettern und Papier erröthen könnten, so müßte doch ge-
wiß die schweizerische Bundesverfassung um
die Art. 51 und 52 herum bei jeder derartigen Mit-
theilung schamroth werden als stehen gebliebene Denkmäler
einer längst überholten Kulturkampfperiode, als Schand-
säulen der Intoleranz und der Engherzigkeit mitten in einer
Zeit der allgemeinen Freiheit, umweht von der Freiheits-
luft der Alpenwelt. Wie schäbig und kalvinisch-intolerant
nehmen sich doch diese lächerlich-feigen Paragraphen der
Verbannungs- und Mundtodtmachung des Jesuitenordens,
dieser beständige Schwertesschwang über das tonsurirte
Haupt "anderer geistlichen Orden" aus, als wären sie
schlimmer als Freimaurer, Landesverräther und Anar-
chisten! Die preußische Regierung ließ sich durch die
Heulmeierei des nationalmiserablen und des stökerisch-
orthodoxen Katholikenhasses so wenig irre machen, daß
sie jetzt ihre Kulturkampfgesetze und -Maßregeln als rein
politische Gelegenheitstrümpfe wieder in die
Ecke zu werfen entschlossen ist. Dem schweizerischen Prote-
stantismus und Liberalismus will scheints die Ehre der
zähesten Unduldsamkeit gegen die katholische
Kirche
kein anderer Staat streitig machen.

Der Konflikt des Bundesrathes mit dem Tessin
über die künftige Bisthumsverwaltung sei zwar, heißt es,
dem Ausgleich nahe; immerhin hat der mit den tessiner
Radikalen liebäugelnde schweizerische Exekutivrath in Bern
manch' bittere Wahrheit aus Freundesmund hören müssen.
Es ist dem Bundesrath in diesem diplomatischen Feldzug
mit den Tessinern auch die kostbare Belehrung zu Theil
geworden, daß das Bewußtsein der Zentralgewalt und
das Pochen darauf gegen eine ihres guten Rechtes be-
wußte, entschlossene Kantonsregierung, welche gleichzeitig
das Volk hinter sich hat, nicht aufzukommen vermag.
Eine ganze Reihe protestantischer und liberaler Schweizer-
blätter, wie "Lausanner Zeitung", "Nouvelliste", "Suisse
liberale", "Genfer Tagblatt", "Freie Rätier" etc. haben
dem Bundesrath abgewunken.

Dum Roma dehberat, Saguntum perit -- während
man in Rom mit Reden die Zeit verliert, fällt Sagunt
dem Feind in die Hände, sagte einst Cicero, und die
Konservativen im Rhonethal können jetzt die Klage auf
sich anwenden. Der eidgen. Wahlkreis Unterwallis
hatte für den verstorbenen Hrn. Joris ein Mitglied in
den Nationalrath zu wählen. Der Sieg konnte für die
Konservativen nicht zweifelhaft sein, wenn sie nur einig
sind und nicht zu Hause bleiben. Seit bald zehn Jahren
hat dieser Kreis stets konservativ gewählt. Aber der
Oertligeist, der Egoismus und das Sonderinteresse Ein-
zelner verschafften diesmal den Radikalen die Oberhand.
Der radikale Kandidat Gaillard siegte mit 80 Stimmen
Mehrheit über den konservativen Hrn. Bioley. Mangels
fester Organisation der konservativen Partei war etwelche
Spaltung in ihren Reihen eingetreten. Ueber 200 konser-
vative Wähler des Bezirks Entremont, dem der radikale
Kandidat angehört, stellten die Lokalfrage über die Prinzipien-
frage und stimmten ihrem radikalen Mitbürger. Sie
haben eine schwere Verantwortlichkeit auf sich geladen;
ihr Verrath an der konservativen Sache deckt den Abgrund
auf, zu welchem der Mangel fester, energischer Ueber-
zeugung und das Irrlicht falscher Mäßigung führt. Das
bisherige Band der Einigkeit unter den konservativen
Landestheilen ist vielleicht durch die Schwäche und Charakter-
losigkeit Einzelner für Jahre hinaus zerrissen. -- Die
radikale Presse ist natürlich in gerechtem Jubel über das
Resultat. Hoffentlich ist indeß der gewählte "Gaillard",
Notar in Sembrancher, besser als sein Name.

Industriellen "Ultramontismus" treiben selbst
die freisinnigsten Liberalen. Die Westschweizer haben
einem "Großen" des Landes den Krieg erklärt. Der
Simplon soll durchstochen werden. Das Kriegen aber
[Spaltenumbruch] kostet Geld, heidenmäßig viel Geld. Nun, da es Ernst
gilt mit der "Mobilmachung" sind die HH. Direktor
Colomb von Neuenburg und Verwaltungsrath Vessaz von
Genf über die Berge (ultra montes) gereist, um in
Oberitalien Bundesgenossen zu suchen. -- Und den Katho-
liken macht man es so oft zum Vorwurf, wenn sie um viel
höherer Güter willen, und bloß in Gedanken, und
ohne irgendwelchen andern Interessen zu nahe zu treten,
und ohne eidgenössische Subventionen zu provoziren --
ultra montes reisen. -- Die Abgeordneten der Simplon-
gesellschaft seien übrigens in Mailand vom Komite gut
aufgenonmen worden; auch die Unterhandlungen mit den
andern am Simplon-Unternehmen interessirten Städte
seien mit vollem Erfolge begleitet gewesen. Man werde
in Oberitalien alles daran setzen, um den hohen Tarifen
der mächtigen Gotthardbahn eine ernstliche Konkurrenz zu
machen. -- In Frankreich ist man der Gotthardbahn
noch weniger grün als im Piemontesischen. Der "Figaro"
schreibt diesfalls: ".... Die Schweizer betrachten einen
zweiten Alpendurchstich für ihre Interessen ebenso vor-
theilhaft als für die unsrigen, so zwar, daß er auf ihrem
eigenen Boden Deutschland Konkurrenz schaffen würde.
Aber die Wohlthat des Unternehmens ist für uns (Frank-
reich) unberechenbar. Ein Simplon-Tunnel verschafft uns
wieder den Vorrang in den Handelsbeziehungen mit
Italien; er bietet unseren Industrien des Nordens einen
unvergleichlichen Abflußkanal und macht durch eine große
fortlaufende Linie von Calais (Nordfrankreich) bis Brin-
disi (Unteritalien) -- auf dieser Straße nach Indien, um
welche sich alle Völker streiten, -- den englischen Transit-
handel Frankreich völlig zinspflichtig. Das wäre unsere
erste Rache (Revanche)."

Für die Zentral- und Ostschweiz schaut allerdings
nicht so viel heraus, wenn der Durchstich zu Stande
kömmt (was immerhin noch fraglich ist), denn einmal müßte
der Bund, gemäß Art. 5 des Bundesgesetzes betr. Ge-
währung von Subsidien für Alpenbahnen vom 22. Aug.
1878, eine Aversale von 41/2 Millionen (wie für die
Gotthardbahn) daran leisten und anderseits müßte die
Gotthardbahn wie eine künftige Splügenbahn die Kon-
kurrenz eines westlichen Alpenüberganges schwer zu fühlen
bekommen.

-- Simplon.

Gemäß den jüngsten Mittheilungen
der schweizerischen Unterhändler seien auch der Stadtrath
und die Handelskammer von Genua grundsätzlich bereit,
den Simplondurchstich gegen vortheilhafte Tarifansätze zu
subventioniren.

-- Ein wackerer Patriot.

Ein Auszüger-Soldat
aus der Basel-Landschaft hat dem Militärdepartement
drei Franken als Beitrag an die Landesbefesti-
gung
übermacht. Zwar wisse er, sagt er, daß dies
eigentlich nichts sei, aber er sei ein bloßer Knecht, und
wolle durch sein Beispiel Andere, namentlich Millionärs,
anspornen, von ihrem Ueberfluß ebenfalls etwas an die
Befestigung des Vaterlandes beizutragen.

-- Schweizerische landwirthschaftliche Ausstellung
in Neuenburg.

Auf das Gesuch der Graubündner Re-
gierung, an genannter Ausstellung eine eigene Abtheilung
für das Gebirgsvieh vorzusehen, hat das eidg. Landwirth-
schaftsdepartement folgende Beschlüsse gefaßt: 1. Die-
jenigen Aussteller der Gebirgskantone, welche Vieh aus-
stellen wollen, das sich ihrer Auffassung nach als sog.
Gebirgsvieh qualifizirt, haben dies bei Anmeldung des-
selben anzugeben. 2. Für im Maximum hundert Stück
dieser Thiere wird eine besondere Abtheilung: "Gebirgs-
vieh aller Rassen und Schläge" gebildet und für dieselbe
eine Prämiensumme von im Maximum 5000 Fr. be-
stimmt. 3. Werden weniger als hundert Thiere ange-
meldet, so wird die erwähnte Prämiensumme entsprechend
reduzirt; werden aber mehr als hundert Thiere ange-
meldet, so haben die betreffenden Kantone von sich aus
eine entsprechende Reduktion der Anmeldungen vorzu-
nehmen. 4. Es wird auf Vorschlag der betheiligten
Kantone durch das schweiz. Landwirthschaftsdepartement
eine Jury von drei Fachmännern ernannt, welche über
die Zutheilung der Preise zu beschließen und dem ge-
nannten Departement Bericht zu erstatten hat.

-- Schweizerischer Lehrertag in St. Gallen.

Die
einseitige Zusammensetzung des Komite für denselben
wirft auch anderwärts Staub auf. So schreiben die
"Nachrichten vom Zürichersee":

"Es muß allgemein auffallen, daß die sonst so
tolerante Stadt St. Gallen bei Bestellung des Komites
so überaus ausschließlich vorging und gläubig prote-
stantische und katholische Lehrer konsequent von den Wahlen

St. Galler Volksblatt.

[Spaltenumbruch]
32. Jahrgang.

[Spaltenumbruch] (Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.)
[Spaltenumbruch] Mittwoch 2. Februar 1887.



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Abonnementspreis: Bei der Expedition ½jährl. Fr. 2. 30, ¼jährl. Fr. 1. 20
Bei den Verträgern und mit Adreſſe in der Schweiz: ½j. Fr. 2. 50, ¼j. Fr. 1. 30
Bei der eidgen. Poſt: jährlich Fr. 5.—, ½jährl. Fr. 2. 60, ¼jährl. Fr. 1. 40
Für’s Ausland (Poſtverein) jede Nummer mit Adreſſe: ½jährl. Fr. 5. —
„ „ „ wöchentl. einmal „ „ ½jährl. Fr. 3. 50
Die Verſendung findet am Dienſtag und Freitag Abend ſtatt und es können
daher nur jene Inſeraten berückſichtigt werden, welche am Vormittag des Ausgabe-
Tages in der Druckerei abgegeben ſind.


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No. 10.

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Inſerationsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der ſog. Inſeraten-
bureaux): Die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum 10 Cts.
Für die übrigen Inſerenten koſtet die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum
15 Cts. — Bei öfteren Wiederholungen Rabatt. —
Auswärtige Anfragen betreff zu erfragende Inſerate müſſen 10 Cts. in Vrief-
marken für Rückantwort enthalten. — Unfrankirte Sendungen werden nicht
berückſichtigt. — Das Blatt erſcheint wöchentlich zweimal: Mittwoch & Samſtag.
Alle Samſtag mit den „Linth-Blätter“.




Eidgenöſſiſches.
Vorboten des Ungewitters; Unſere Neutralität;
Franzöſiſche Feſtungswerke an der Schweizergrenze;
Kirchliche Freiheit in Deutſchland und in der Schweiz;
Der Bundesrath und der Teſſiner Bisthumskonflikt;
Radikaler Wahlſieg im Unterwallis; Induſtrieller
Ultramontanismus; Simplonbahn.

Der Horizont verdüſtert ſich zuſehends im Oſten
(Balkanhalbinſel) wie im Weſten. Selbſt der Natur-
philoſoph Nazi im Eichtobel, bisher ein ſchlau lächelnder
Optimiſt, traut dem Wetter nicht mehr und ſeine Friedens-
zuverſicht iſt erſchüttert, ſeitdem — das Brod auf-
geſchlagen
. Bis in die letzten Tage klammerte er
ſich an das Hauptargument: Brod und Fleiſch haben
nicht aufgeſchlagen, der Verkehr zwiſchen den Völkern iſt
alſo nicht gehemmt, folglich ſteht der Friedensbarometer
gut. — Jetzt aber wird’s unheimlicher in unſerer Nachbar-
ſchaft im Elſaß-Lothringen: die Deutſchen wie die Franzoſen
ſchleppen immer mehr Dinge an die Grenze, die keines-
wegs wie harmloſes Spielzeug für einen Faſtnachtsſcherz
ausſehen; die Feſtungen werden auf’s Furchtbarſte montirt
und ſelbſt verproviantirt, als ob’s nächſtens ſchon voller
Ernſt gälte. Auch machen ſich die Franzoſen eben daran,
in bedrohlicher Grenznähe Barraken für 80,000 Mann
zu errichten. Wegen dem Brodaufſchlag iſt vielleicht ein
einziger „Bäcker“ in Frankreich ſchuld, der zufällig —
Kriegsminiſter iſt; das Fleiſch aber wird wohl eher der
Hr. Bismarck vertheuern, zunächſt das Roßfleiſch, ſintemal
das Pferdeausfuhrverbot in Deutſchland ſchon eingetreten
„gemäß kaiſerlicher Verordnung“. Mit der Vieheinfuhr
aus dem deutſchen Reich wird es wohl auch bald nachher
„alle“ ſein. — Alle dieſe direkten Laſten und mehr noch
die ſich ſelbſt auferlegten indirekten Verkehrsſchädigungen
wachſen in wenigen Wochen zu gewaltigen Einbußen des
Nationalvermögens an, ein Zuſtand, der von ſelbſt zur Ent-
ſcheidung des ſtrittigen Punktes drängt. Wenn zwei prozeß-
luſtige Nachbaren nach gefälltem Urtheil, jeder auf ſeiner
Seite dem Grenzzaun immer näher rücken, den Knüttel
auf der Kehrſeite krampfhaft mit der rechten Hand zurück-
haltend, ſo braucht es ſchließlich beim Zuſammentreffen
nur noch des Zuſatzes einiger „Marchenrücker“, „Falſch-
eider“, „Zeugenſchmierer“ ꝛc. und die argumenta ad
hominem
fallen hageldicht auf die blutigen Köpfe; ſo
räſonnirt jetzt Nazi, der Naturphiloſoph im Eichtobel.

Sollten ſich die Beſürchtungen erwahren, ſo wird auch
die Schweiz ihre Neutralität mit den Waffen in
der Hand ſchirmen müſſen:

„Fort zum Heere, fort zum Heere,
Zu des Bundes Aufgebot!
Mit dem Schwert und dem Gewehre,
Schlagen wir die Feinde todt“ —

das heißt erſt
wenn ſie kommen, eine Eventualität, deren Eintritt wir
vorderhand noch ſehr in Zweifel zu ziehen wagen. Ver-
träge und Völkerrecht ſind allerdings kein ſicherer Verlaß
mehr für die Schwachen, ſeitdem unter der Herrſchaft des
Liberalismus, die Mächtigen das Recht des Stärkern als
höchſtes Sittengeſetz anerkennen und praktiziren. Dennoch
trauen wir den Franzoſen — und gegen dieſe iſt ja offen-
bar der Verdacht am ſtärkſten — das abenteuerliche Wag-
niß nicht zu, ſich durch ein wohlvertheidigtes, zur äußerſten
Abwehr entſchloſſenes Land durchſchlagen zu wollen und
ſich dadurch eine freundnachbarliche Nation dauernd zu
entfremden. — Sage man übrigens von den jetzigen
Nachbarn im Weſten was man will — wir fürchten die
Vergewaltigung mehr von der deutſchen Seite her. Den
ſchweizeriſch-preußiſchen Stiefelknechten werden die Augen
vielleicht zu ſpät aufgehen.

Zu den Kriegsvorbereitungen und ſchlimmen Abſichten
Frankreichs gegen die Schweiz gehören auch die angeblichen
Befeſtigungen, welche Frankreich auf dem Mont
Saleve, in der Nähe von Genf, errichten laſſe. Der
kleine Saleve (3000’ hoch), ſoll nach den Ausſagen
franzöſiſcher Blättchen, zu einem „zweiten Gibralter“ um-
geſchaffen werden, das unter den Geſchützen ſeiner Artillerie
das ganze Seegeſtade beherrſcht. Die größeren Blätter
Frankreichs ſtellen derlei Gerüchte in Abrede. Ein Lyoner
Blatt ſagt, die Militärbehörde habe nie daran gedacht,
Kaſematten (Kanonengewölbe) und Baſtionen (Bollwerke)
auf dem kleinen oder großen Saleve (4000’) zu errichten.
Abgeſehen davon, daß ſolche Feſtungswerke den Einmarſch
eines feindlichen Heeres, das in Oberſavoyen einfällt,
nicht zu hindern vermöchten, beſteht ein Abkommen mit
der Schweiz kraft Annexionsvertrages von 1860. Dieſes
Uebereinkommen wird durchaus nicht in Frage geſtellt und
die Neutralität des Genevois, Chablais und Faucigny
[Spaltenumbruch] (ſavoiſche Grenzgebiete) könnte von der franzöſiſchen
Regierung nicht als nicht beſtehend betrachtet werden,
ſelbſt wenn der Krieg nächſtens auszubrechen drohte. —
Frankreich will der Schweiz keine militäriſchen und diplo-
matiſchen Schwierigkeiten bereiten. — So das „Salut
publik“ von Lyon.

Erſt neulich vernahm man aus der liberal-demokratiſchen
„Frankfurter Ztg.“, daß die preußiſche Regierung,
kürzer geſagt Hr. Bismarck, im Laufe der jüngſten Unter-
handlungen mit dem hl. Stuhl die bedingungsloſe
Rückkehr aller geiſtlichen Orden, mit Ausnahme
der Jeſuiten, zugeſtanden habe; das Zugeſtändniß auch
für Rückkehr der letztern konnte nur deßhalb nicht gemacht
werden, weil dieſe Frage der Reichstag zu entſcheiden hat,
da ſie durch Reichsgeſetz ausgewieſen worden. — Wenn
Lettern und Papier erröthen könnten, ſo müßte doch ge-
wiß die ſchweizeriſche Bundesverfaſſung um
die Art. 51 und 52 herum bei jeder derartigen Mit-
theilung ſchamroth werden als ſtehen gebliebene Denkmäler
einer längſt überholten Kulturkampfperiode, als Schand-
ſäulen der Intoleranz und der Engherzigkeit mitten in einer
Zeit der allgemeinen Freiheit, umweht von der Freiheits-
luft der Alpenwelt. Wie ſchäbig und kalviniſch-intolerant
nehmen ſich doch dieſe lächerlich-feigen Paragraphen der
Verbannungs- und Mundtodtmachung des Jeſuitenordens,
dieſer beſtändige Schwertesſchwang über das tonſurirte
Haupt „anderer geiſtlichen Orden“ aus, als wären ſie
ſchlimmer als Freimaurer, Landesverräther und Anar-
chiſten! Die preußiſche Regierung ließ ſich durch die
Heulmeierei des nationalmiſerablen und des ſtökeriſch-
orthodoxen Katholikenhaſſes ſo wenig irre machen, daß
ſie jetzt ihre Kulturkampfgeſetze und -Maßregeln als rein
politiſche Gelegenheitstrümpfe wieder in die
Ecke zu werfen entſchloſſen iſt. Dem ſchweizeriſchen Prote-
ſtantismus und Liberalismus will ſcheints die Ehre der
zäheſten Unduldſamkeit gegen die katholiſche
Kirche
kein anderer Staat ſtreitig machen.

Der Konflikt des Bundesrathes mit dem Teſſin
über die künftige Bisthumsverwaltung ſei zwar, heißt es,
dem Ausgleich nahe; immerhin hat der mit den teſſiner
Radikalen liebäugelnde ſchweizeriſche Exekutivrath in Bern
manch’ bittere Wahrheit aus Freundesmund hören müſſen.
Es iſt dem Bundesrath in dieſem diplomatiſchen Feldzug
mit den Teſſinern auch die koſtbare Belehrung zu Theil
geworden, daß das Bewußtſein der Zentralgewalt und
das Pochen darauf gegen eine ihres guten Rechtes be-
wußte, entſchloſſene Kantonsregierung, welche gleichzeitig
das Volk hinter ſich hat, nicht aufzukommen vermag.
Eine ganze Reihe proteſtantiſcher und liberaler Schweizer-
blätter, wie „Lauſanner Zeitung“, „Nouvelliſte“, „Suiſſe
liberale“, „Genfer Tagblatt“, „Freie Rätier“ ꝛc. haben
dem Bundesrath abgewunken.

Dum Roma dehberat, Saguntum perit — während
man in Rom mit Reden die Zeit verliert, fällt Sagunt
dem Feind in die Hände, ſagte einſt Cicero, und die
Konſervativen im Rhonethal können jetzt die Klage auf
ſich anwenden. Der eidgen. Wahlkreis Unterwallis
hatte für den verſtorbenen Hrn. Joris ein Mitglied in
den Nationalrath zu wählen. Der Sieg konnte für die
Konſervativen nicht zweifelhaft ſein, wenn ſie nur einig
ſind und nicht zu Hauſe bleiben. Seit bald zehn Jahren
hat dieſer Kreis ſtets konſervativ gewählt. Aber der
Oertligeiſt, der Egoismus und das Sonderintereſſe Ein-
zelner verſchafften diesmal den Radikalen die Oberhand.
Der radikale Kandidat Gaillard ſiegte mit 80 Stimmen
Mehrheit über den konſervativen Hrn. Bioley. Mangels
feſter Organiſation der konſervativen Partei war etwelche
Spaltung in ihren Reihen eingetreten. Ueber 200 konſer-
vative Wähler des Bezirks Entremont, dem der radikale
Kandidat angehört, ſtellten die Lokalfrage über die Prinzipien-
frage und ſtimmten ihrem radikalen Mitbürger. Sie
haben eine ſchwere Verantwortlichkeit auf ſich geladen;
ihr Verrath an der konſervativen Sache deckt den Abgrund
auf, zu welchem der Mangel feſter, energiſcher Ueber-
zeugung und das Irrlicht falſcher Mäßigung führt. Das
bisherige Band der Einigkeit unter den konſervativen
Landestheilen iſt vielleicht durch die Schwäche und Charakter-
loſigkeit Einzelner für Jahre hinaus zerriſſen. — Die
radikale Preſſe iſt natürlich in gerechtem Jubel über das
Reſultat. Hoffentlich iſt indeß der gewählte „Gaillard“,
Notar in Sembrancher, beſſer als ſein Name.

Induſtriellen „Ultramontismus“ treiben ſelbſt
die freiſinnigſten Liberalen. Die Weſtſchweizer haben
einem „Großen“ des Landes den Krieg erklärt. Der
Simplon ſoll durchſtochen werden. Das Kriegen aber
[Spaltenumbruch] koſtet Geld, heidenmäßig viel Geld. Nun, da es Ernſt
gilt mit der „Mobilmachung“ ſind die HH. Direktor
Colomb von Neuenburg und Verwaltungsrath Veſſaz von
Genf über die Berge (ultra montes) gereist, um in
Oberitalien Bundesgenoſſen zu ſuchen. — Und den Katho-
liken macht man es ſo oft zum Vorwurf, wenn ſie um viel
höherer Güter willen, und bloß in Gedanken, und
ohne irgendwelchen andern Intereſſen zu nahe zu treten,
und ohne eidgenöſſiſche Subventionen zu provoziren —
ultra montes reiſen. — Die Abgeordneten der Simplon-
geſellſchaft ſeien übrigens in Mailand vom Komite gut
aufgenonmen worden; auch die Unterhandlungen mit den
andern am Simplon-Unternehmen intereſſirten Städte
ſeien mit vollem Erfolge begleitet geweſen. Man werde
in Oberitalien alles daran ſetzen, um den hohen Tarifen
der mächtigen Gotthardbahn eine ernſtliche Konkurrenz zu
machen. — In Frankreich iſt man der Gotthardbahn
noch weniger grün als im Piemonteſiſchen. Der „Figaro“
ſchreibt diesfalls: „.... Die Schweizer betrachten einen
zweiten Alpendurchſtich für ihre Intereſſen ebenſo vor-
theilhaft als für die unſrigen, ſo zwar, daß er auf ihrem
eigenen Boden Deutſchland Konkurrenz ſchaffen würde.
Aber die Wohlthat des Unternehmens iſt für uns (Frank-
reich) unberechenbar. Ein Simplon-Tunnel verſchafft uns
wieder den Vorrang in den Handelsbeziehungen mit
Italien; er bietet unſeren Induſtrien des Nordens einen
unvergleichlichen Abflußkanal und macht durch eine große
fortlaufende Linie von Calais (Nordfrankreich) bis Brin-
diſi (Unteritalien) — auf dieſer Straße nach Indien, um
welche ſich alle Völker ſtreiten, — den engliſchen Tranſit-
handel Frankreich völlig zinspflichtig. Das wäre unſere
erſte Rache (Revanche).“

Für die Zentral- und Oſtſchweiz ſchaut allerdings
nicht ſo viel heraus, wenn der Durchſtich zu Stande
kömmt (was immerhin noch fraglich iſt), denn einmal müßte
der Bund, gemäß Art. 5 des Bundesgeſetzes betr. Ge-
währung von Subſidien für Alpenbahnen vom 22. Aug.
1878, eine Averſale von 4½ Millionen (wie für die
Gotthardbahn) daran leiſten und anderſeits müßte die
Gotthardbahn wie eine künftige Splügenbahn die Kon-
kurrenz eines weſtlichen Alpenüberganges ſchwer zu fühlen
bekommen.

Simplon.

Gemäß den jüngſten Mittheilungen
der ſchweizeriſchen Unterhändler ſeien auch der Stadtrath
und die Handelskammer von Genua grundſätzlich bereit,
den Simplondurchſtich gegen vortheilhafte Tarifanſätze zu
ſubventioniren.

Ein wackerer Patriot.

Ein Auszüger-Soldat
aus der Baſel-Landſchaft hat dem Militärdepartement
drei Franken als Beitrag an die Landesbefeſti-
gung
übermacht. Zwar wiſſe er, ſagt er, daß dies
eigentlich nichts ſei, aber er ſei ein bloßer Knecht, und
wolle durch ſein Beiſpiel Andere, namentlich Millionärs,
anſpornen, von ihrem Ueberfluß ebenfalls etwas an die
Befeſtigung des Vaterlandes beizutragen.

Schweizeriſche landwirthſchaftliche Ausſtellung
in Neuenburg.

Auf das Geſuch der Graubündner Re-
gierung, an genannter Ausſtellung eine eigene Abtheilung
für das Gebirgsvieh vorzuſehen, hat das eidg. Landwirth-
ſchaftsdepartement folgende Beſchlüſſe gefaßt: 1. Die-
jenigen Ausſteller der Gebirgskantone, welche Vieh aus-
ſtellen wollen, das ſich ihrer Auffaſſung nach als ſog.
Gebirgsvieh qualifizirt, haben dies bei Anmeldung des-
ſelben anzugeben. 2. Für im Maximum hundert Stück
dieſer Thiere wird eine beſondere Abtheilung: „Gebirgs-
vieh aller Raſſen und Schläge“ gebildet und für dieſelbe
eine Prämienſumme von im Maximum 5000 Fr. be-
ſtimmt. 3. Werden weniger als hundert Thiere ange-
meldet, ſo wird die erwähnte Prämienſumme entſprechend
reduzirt; werden aber mehr als hundert Thiere ange-
meldet, ſo haben die betreffenden Kantone von ſich aus
eine entſprechende Reduktion der Anmeldungen vorzu-
nehmen. 4. Es wird auf Vorſchlag der betheiligten
Kantone durch das ſchweiz. Landwirthſchaftsdepartement
eine Jury von drei Fachmännern ernannt, welche über
die Zutheilung der Preiſe zu beſchließen und dem ge-
nannten Departement Bericht zu erſtatten hat.

Schweizeriſcher Lehrertag in St. Gallen.

Die
einſeitige Zuſammenſetzung des Komite für denſelben
wirft auch anderwärts Staub auf. So ſchreiben die
„Nachrichten vom Züricherſee“:

„Es muß allgemein auffallen, daß die ſonſt ſo
tolerante Stadt St. Gallen bei Beſtellung des Komites
ſo überaus ausſchließlich vorging und gläubig prote-
ſtantiſche und katholiſche Lehrer konſequent von den Wahlen

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[1/0001] St. Galler Volksblatt. 32. Jahrgang. (Druck und Verlag von K. Oberholzer in Uznach.) Mittwoch 2. Februar 1887. Abonnementspreis: Bei der Expedition ½jährl. Fr. 2. 30, ¼jährl. Fr. 1. 20 Bei den Verträgern und mit Adreſſe in der Schweiz: ½j. Fr. 2. 50, ¼j. Fr. 1. 30 Bei der eidgen. Poſt: jährlich Fr. 5.—, ½jährl. Fr. 2. 60, ¼jährl. Fr. 1. 40 Für’s Ausland (Poſtverein) jede Nummer mit Adreſſe: ½jährl. Fr. 5. — „ „ „ wöchentl. einmal „ „ ½jährl. Fr. 3. 50 Die Verſendung findet am Dienſtag und Freitag Abend ſtatt und es können daher nur jene Inſeraten berückſichtigt werden, welche am Vormittag des Ausgabe- Tages in der Druckerei abgegeben ſind. No. 10. Inſerationsgebühr für den Seebezirk (ohne Vermittlung der ſog. Inſeraten- bureaux): Die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum 10 Cts. Für die übrigen Inſerenten koſtet die kleinſpaltige Petitzeile oder deren Raum 15 Cts. — Bei öfteren Wiederholungen Rabatt. — Auswärtige Anfragen betreff zu erfragende Inſerate müſſen 10 Cts. in Vrief- marken für Rückantwort enthalten. — Unfrankirte Sendungen werden nicht berückſichtigt. — Das Blatt erſcheint wöchentlich zweimal: Mittwoch & Samſtag. Alle Samſtag mit den „Linth-Blätter“. Eidgenöſſiſches. — Vorboten des Ungewitters; Unſere Neutralität; Franzöſiſche Feſtungswerke an der Schweizergrenze; Kirchliche Freiheit in Deutſchland und in der Schweiz; Der Bundesrath und der Teſſiner Bisthumskonflikt; Radikaler Wahlſieg im Unterwallis; Induſtrieller Ultramontanismus; Simplonbahn. Der Horizont verdüſtert ſich zuſehends im Oſten (Balkanhalbinſel) wie im Weſten. Selbſt der Natur- philoſoph Nazi im Eichtobel, bisher ein ſchlau lächelnder Optimiſt, traut dem Wetter nicht mehr und ſeine Friedens- zuverſicht iſt erſchüttert, ſeitdem — das Brod auf- geſchlagen. Bis in die letzten Tage klammerte er ſich an das Hauptargument: Brod und Fleiſch haben nicht aufgeſchlagen, der Verkehr zwiſchen den Völkern iſt alſo nicht gehemmt, folglich ſteht der Friedensbarometer gut. — Jetzt aber wird’s unheimlicher in unſerer Nachbar- ſchaft im Elſaß-Lothringen: die Deutſchen wie die Franzoſen ſchleppen immer mehr Dinge an die Grenze, die keines- wegs wie harmloſes Spielzeug für einen Faſtnachtsſcherz ausſehen; die Feſtungen werden auf’s Furchtbarſte montirt und ſelbſt verproviantirt, als ob’s nächſtens ſchon voller Ernſt gälte. Auch machen ſich die Franzoſen eben daran, in bedrohlicher Grenznähe Barraken für 80,000 Mann zu errichten. Wegen dem Brodaufſchlag iſt vielleicht ein einziger „Bäcker“ in Frankreich ſchuld, der zufällig — Kriegsminiſter iſt; das Fleiſch aber wird wohl eher der Hr. Bismarck vertheuern, zunächſt das Roßfleiſch, ſintemal das Pferdeausfuhrverbot in Deutſchland ſchon eingetreten „gemäß kaiſerlicher Verordnung“. Mit der Vieheinfuhr aus dem deutſchen Reich wird es wohl auch bald nachher „alle“ ſein. — Alle dieſe direkten Laſten und mehr noch die ſich ſelbſt auferlegten indirekten Verkehrsſchädigungen wachſen in wenigen Wochen zu gewaltigen Einbußen des Nationalvermögens an, ein Zuſtand, der von ſelbſt zur Ent- ſcheidung des ſtrittigen Punktes drängt. Wenn zwei prozeß- luſtige Nachbaren nach gefälltem Urtheil, jeder auf ſeiner Seite dem Grenzzaun immer näher rücken, den Knüttel auf der Kehrſeite krampfhaft mit der rechten Hand zurück- haltend, ſo braucht es ſchließlich beim Zuſammentreffen nur noch des Zuſatzes einiger „Marchenrücker“, „Falſch- eider“, „Zeugenſchmierer“ ꝛc. und die argumenta ad hominem fallen hageldicht auf die blutigen Köpfe; ſo räſonnirt jetzt Nazi, der Naturphiloſoph im Eichtobel. Sollten ſich die Beſürchtungen erwahren, ſo wird auch die Schweiz ihre Neutralität mit den Waffen in der Hand ſchirmen müſſen: „Fort zum Heere, fort zum Heere, Zu des Bundes Aufgebot! Mit dem Schwert und dem Gewehre, Schlagen wir die Feinde todt“ — das heißt erſt wenn ſie kommen, eine Eventualität, deren Eintritt wir vorderhand noch ſehr in Zweifel zu ziehen wagen. Ver- träge und Völkerrecht ſind allerdings kein ſicherer Verlaß mehr für die Schwachen, ſeitdem unter der Herrſchaft des Liberalismus, die Mächtigen das Recht des Stärkern als höchſtes Sittengeſetz anerkennen und praktiziren. Dennoch trauen wir den Franzoſen — und gegen dieſe iſt ja offen- bar der Verdacht am ſtärkſten — das abenteuerliche Wag- niß nicht zu, ſich durch ein wohlvertheidigtes, zur äußerſten Abwehr entſchloſſenes Land durchſchlagen zu wollen und ſich dadurch eine freundnachbarliche Nation dauernd zu entfremden. — Sage man übrigens von den jetzigen Nachbarn im Weſten was man will — wir fürchten die Vergewaltigung mehr von der deutſchen Seite her. Den ſchweizeriſch-preußiſchen Stiefelknechten werden die Augen vielleicht zu ſpät aufgehen. Zu den Kriegsvorbereitungen und ſchlimmen Abſichten Frankreichs gegen die Schweiz gehören auch die angeblichen Befeſtigungen, welche Frankreich auf dem Mont Saleve, in der Nähe von Genf, errichten laſſe. Der kleine Saleve (3000’ hoch), ſoll nach den Ausſagen franzöſiſcher Blättchen, zu einem „zweiten Gibralter“ um- geſchaffen werden, das unter den Geſchützen ſeiner Artillerie das ganze Seegeſtade beherrſcht. Die größeren Blätter Frankreichs ſtellen derlei Gerüchte in Abrede. Ein Lyoner Blatt ſagt, die Militärbehörde habe nie daran gedacht, Kaſematten (Kanonengewölbe) und Baſtionen (Bollwerke) auf dem kleinen oder großen Saleve (4000’) zu errichten. Abgeſehen davon, daß ſolche Feſtungswerke den Einmarſch eines feindlichen Heeres, das in Oberſavoyen einfällt, nicht zu hindern vermöchten, beſteht ein Abkommen mit der Schweiz kraft Annexionsvertrages von 1860. Dieſes Uebereinkommen wird durchaus nicht in Frage geſtellt und die Neutralität des Genevois, Chablais und Faucigny (ſavoiſche Grenzgebiete) könnte von der franzöſiſchen Regierung nicht als nicht beſtehend betrachtet werden, ſelbſt wenn der Krieg nächſtens auszubrechen drohte. — Frankreich will der Schweiz keine militäriſchen und diplo- matiſchen Schwierigkeiten bereiten. — So das „Salut publik“ von Lyon. Erſt neulich vernahm man aus der liberal-demokratiſchen „Frankfurter Ztg.“, daß die preußiſche Regierung, kürzer geſagt Hr. Bismarck, im Laufe der jüngſten Unter- handlungen mit dem hl. Stuhl die bedingungsloſe Rückkehr aller geiſtlichen Orden, mit Ausnahme der Jeſuiten, zugeſtanden habe; das Zugeſtändniß auch für Rückkehr der letztern konnte nur deßhalb nicht gemacht werden, weil dieſe Frage der Reichstag zu entſcheiden hat, da ſie durch Reichsgeſetz ausgewieſen worden. — Wenn Lettern und Papier erröthen könnten, ſo müßte doch ge- wiß die ſchweizeriſche Bundesverfaſſung um die Art. 51 und 52 herum bei jeder derartigen Mit- theilung ſchamroth werden als ſtehen gebliebene Denkmäler einer längſt überholten Kulturkampfperiode, als Schand- ſäulen der Intoleranz und der Engherzigkeit mitten in einer Zeit der allgemeinen Freiheit, umweht von der Freiheits- luft der Alpenwelt. Wie ſchäbig und kalviniſch-intolerant nehmen ſich doch dieſe lächerlich-feigen Paragraphen der Verbannungs- und Mundtodtmachung des Jeſuitenordens, dieſer beſtändige Schwertesſchwang über das tonſurirte Haupt „anderer geiſtlichen Orden“ aus, als wären ſie ſchlimmer als Freimaurer, Landesverräther und Anar- chiſten! Die preußiſche Regierung ließ ſich durch die Heulmeierei des nationalmiſerablen und des ſtökeriſch- orthodoxen Katholikenhaſſes ſo wenig irre machen, daß ſie jetzt ihre Kulturkampfgeſetze und -Maßregeln als rein politiſche Gelegenheitstrümpfe wieder in die Ecke zu werfen entſchloſſen iſt. Dem ſchweizeriſchen Prote- ſtantismus und Liberalismus will ſcheints die Ehre der zäheſten Unduldſamkeit gegen die katholiſche Kirche kein anderer Staat ſtreitig machen. Der Konflikt des Bundesrathes mit dem Teſſin über die künftige Bisthumsverwaltung ſei zwar, heißt es, dem Ausgleich nahe; immerhin hat der mit den teſſiner Radikalen liebäugelnde ſchweizeriſche Exekutivrath in Bern manch’ bittere Wahrheit aus Freundesmund hören müſſen. Es iſt dem Bundesrath in dieſem diplomatiſchen Feldzug mit den Teſſinern auch die koſtbare Belehrung zu Theil geworden, daß das Bewußtſein der Zentralgewalt und das Pochen darauf gegen eine ihres guten Rechtes be- wußte, entſchloſſene Kantonsregierung, welche gleichzeitig das Volk hinter ſich hat, nicht aufzukommen vermag. Eine ganze Reihe proteſtantiſcher und liberaler Schweizer- blätter, wie „Lauſanner Zeitung“, „Nouvelliſte“, „Suiſſe liberale“, „Genfer Tagblatt“, „Freie Rätier“ ꝛc. haben dem Bundesrath abgewunken. Dum Roma dehberat, Saguntum perit — während man in Rom mit Reden die Zeit verliert, fällt Sagunt dem Feind in die Hände, ſagte einſt Cicero, und die Konſervativen im Rhonethal können jetzt die Klage auf ſich anwenden. Der eidgen. Wahlkreis Unterwallis hatte für den verſtorbenen Hrn. Joris ein Mitglied in den Nationalrath zu wählen. Der Sieg konnte für die Konſervativen nicht zweifelhaft ſein, wenn ſie nur einig ſind und nicht zu Hauſe bleiben. Seit bald zehn Jahren hat dieſer Kreis ſtets konſervativ gewählt. Aber der Oertligeiſt, der Egoismus und das Sonderintereſſe Ein- zelner verſchafften diesmal den Radikalen die Oberhand. Der radikale Kandidat Gaillard ſiegte mit 80 Stimmen Mehrheit über den konſervativen Hrn. Bioley. Mangels feſter Organiſation der konſervativen Partei war etwelche Spaltung in ihren Reihen eingetreten. Ueber 200 konſer- vative Wähler des Bezirks Entremont, dem der radikale Kandidat angehört, ſtellten die Lokalfrage über die Prinzipien- frage und ſtimmten ihrem radikalen Mitbürger. Sie haben eine ſchwere Verantwortlichkeit auf ſich geladen; ihr Verrath an der konſervativen Sache deckt den Abgrund auf, zu welchem der Mangel feſter, energiſcher Ueber- zeugung und das Irrlicht falſcher Mäßigung führt. Das bisherige Band der Einigkeit unter den konſervativen Landestheilen iſt vielleicht durch die Schwäche und Charakter- loſigkeit Einzelner für Jahre hinaus zerriſſen. — Die radikale Preſſe iſt natürlich in gerechtem Jubel über das Reſultat. Hoffentlich iſt indeß der gewählte „Gaillard“, Notar in Sembrancher, beſſer als ſein Name. Induſtriellen „Ultramontismus“ treiben ſelbſt die freiſinnigſten Liberalen. Die Weſtſchweizer haben einem „Großen“ des Landes den Krieg erklärt. Der Simplon ſoll durchſtochen werden. Das Kriegen aber koſtet Geld, heidenmäßig viel Geld. Nun, da es Ernſt gilt mit der „Mobilmachung“ ſind die HH. Direktor Colomb von Neuenburg und Verwaltungsrath Veſſaz von Genf über die Berge (ultra montes) gereist, um in Oberitalien Bundesgenoſſen zu ſuchen. — Und den Katho- liken macht man es ſo oft zum Vorwurf, wenn ſie um viel höherer Güter willen, und bloß in Gedanken, und ohne irgendwelchen andern Intereſſen zu nahe zu treten, und ohne eidgenöſſiſche Subventionen zu provoziren — ultra montes reiſen. — Die Abgeordneten der Simplon- geſellſchaft ſeien übrigens in Mailand vom Komite gut aufgenonmen worden; auch die Unterhandlungen mit den andern am Simplon-Unternehmen intereſſirten Städte ſeien mit vollem Erfolge begleitet geweſen. Man werde in Oberitalien alles daran ſetzen, um den hohen Tarifen der mächtigen Gotthardbahn eine ernſtliche Konkurrenz zu machen. — In Frankreich iſt man der Gotthardbahn noch weniger grün als im Piemonteſiſchen. Der „Figaro“ ſchreibt diesfalls: „.... Die Schweizer betrachten einen zweiten Alpendurchſtich für ihre Intereſſen ebenſo vor- theilhaft als für die unſrigen, ſo zwar, daß er auf ihrem eigenen Boden Deutſchland Konkurrenz ſchaffen würde. Aber die Wohlthat des Unternehmens iſt für uns (Frank- reich) unberechenbar. Ein Simplon-Tunnel verſchafft uns wieder den Vorrang in den Handelsbeziehungen mit Italien; er bietet unſeren Induſtrien des Nordens einen unvergleichlichen Abflußkanal und macht durch eine große fortlaufende Linie von Calais (Nordfrankreich) bis Brin- diſi (Unteritalien) — auf dieſer Straße nach Indien, um welche ſich alle Völker ſtreiten, — den engliſchen Tranſit- handel Frankreich völlig zinspflichtig. Das wäre unſere erſte Rache (Revanche).“ Für die Zentral- und Oſtſchweiz ſchaut allerdings nicht ſo viel heraus, wenn der Durchſtich zu Stande kömmt (was immerhin noch fraglich iſt), denn einmal müßte der Bund, gemäß Art. 5 des Bundesgeſetzes betr. Ge- währung von Subſidien für Alpenbahnen vom 22. Aug. 1878, eine Averſale von 4½ Millionen (wie für die Gotthardbahn) daran leiſten und anderſeits müßte die Gotthardbahn wie eine künftige Splügenbahn die Kon- kurrenz eines weſtlichen Alpenüberganges ſchwer zu fühlen bekommen. — Simplon. Gemäß den jüngſten Mittheilungen der ſchweizeriſchen Unterhändler ſeien auch der Stadtrath und die Handelskammer von Genua grundſätzlich bereit, den Simplondurchſtich gegen vortheilhafte Tarifanſätze zu ſubventioniren. — Ein wackerer Patriot. Ein Auszüger-Soldat aus der Baſel-Landſchaft hat dem Militärdepartement drei Franken als Beitrag an die Landesbefeſti- gung übermacht. Zwar wiſſe er, ſagt er, daß dies eigentlich nichts ſei, aber er ſei ein bloßer Knecht, und wolle durch ſein Beiſpiel Andere, namentlich Millionärs, anſpornen, von ihrem Ueberfluß ebenfalls etwas an die Befeſtigung des Vaterlandes beizutragen. — Schweizeriſche landwirthſchaftliche Ausſtellung in Neuenburg. Auf das Geſuch der Graubündner Re- gierung, an genannter Ausſtellung eine eigene Abtheilung für das Gebirgsvieh vorzuſehen, hat das eidg. Landwirth- ſchaftsdepartement folgende Beſchlüſſe gefaßt: 1. Die- jenigen Ausſteller der Gebirgskantone, welche Vieh aus- ſtellen wollen, das ſich ihrer Auffaſſung nach als ſog. Gebirgsvieh qualifizirt, haben dies bei Anmeldung des- ſelben anzugeben. 2. Für im Maximum hundert Stück dieſer Thiere wird eine beſondere Abtheilung: „Gebirgs- vieh aller Raſſen und Schläge“ gebildet und für dieſelbe eine Prämienſumme von im Maximum 5000 Fr. be- ſtimmt. 3. Werden weniger als hundert Thiere ange- meldet, ſo wird die erwähnte Prämienſumme entſprechend reduzirt; werden aber mehr als hundert Thiere ange- meldet, ſo haben die betreffenden Kantone von ſich aus eine entſprechende Reduktion der Anmeldungen vorzu- nehmen. 4. Es wird auf Vorſchlag der betheiligten Kantone durch das ſchweiz. Landwirthſchaftsdepartement eine Jury von drei Fachmännern ernannt, welche über die Zutheilung der Preiſe zu beſchließen und dem ge- nannten Departement Bericht zu erſtatten hat. — Schweizeriſcher Lehrertag in St. Gallen. Die einſeitige Zuſammenſetzung des Komite für denſelben wirft auch anderwärts Staub auf. So ſchreiben die „Nachrichten vom Züricherſee“: „Es muß allgemein auffallen, daß die ſonſt ſo tolerante Stadt St. Gallen bei Beſtellung des Komites ſo überaus ausſchließlich vorging und gläubig prote- ſtantiſche und katholiſche Lehrer konſequent von den Wahlen

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Zitationshilfe: St. Galler Volksblatt. Nr. 10, Uznach, 02. 02. 1887, S. 1. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_stgaller10_1887/1>, abgerufen am 21.11.2024.