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Sonntags-Blatt. Nr. 33. Berlin, 16. August 1868.

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[Beginn Spaltensatz] tritt mit den Verletzungen, welche die petition of rights erfahren
hatte, noch ehe die Tinte, mit der sie geschrieben, getrocknet war.
Bei dieser Gelegenheit entdeckten die Gemeinen eine fast unglaubliche
Fälschung, die mit dem gesetzlich festgestellten Text der Petition vor-
genommen worden war. Durch das Zeugniß des königlichen Druckers
Norton wurde erwiesen, daß ein königlicher Befehl die Unterdrückung
der bereits abgezogenen 1500 Exemplare veranlaßt und den Druck
anderer anbefohlen hatte, in denen an Stelle der zweiten feierlichen
die erste ausweichende Antwort des Königs beigefügt war. "Die Ge-
meinen ließen die Papiere holen, berichtigten die Aenderung und
sprachen nicht weiter davon, als ob sie errötheten, einen solchen Treu-
bruch allzu sehr zu enthüllen". Mit diesen Worten fällt Guizot, der
Minister Louis Philipps, das Verdammungsurtheil der Geschichte
über diese Handlung Karls und seiner Minister. "Aber", fügt der-
selbe konservative Geschichtsschreiber hinzu, "das Schweigen der Ge-
meinen verhieß keine Vergessenheit". Einem Könige gegenüber, der
seine feierlichsten Versicherungen, kaum gegeben im großen Rath des
Königreichs vor den Augen der Nation, nicht bloß wiederholt that-
sächlich verletzte, sondern auch in solcher Weise auch formell für nichts
achtete, erschien jedes Mißtrauen gerechtfertigt. "Die Geschäfte des
Königs dieser Erde müssen denen des himmlischen Königs nachstehen",
antworteten die Gemeinen auf das Verlangen der Regierung, sofort
die Bewilligung des Pfund= und Tonnengeldes für die ganze Dauer
der Regierung des Königs zu beschließen und gingen zunächst an die
Erledigung der religiösen Beschwerden. Dann aber wandten sie sich
zu der Rüge der übrigen Verletzungen der petition of right, na-
mentlich der ungesetzlichen Verhaftungen und Steuereintreibungen.
Sie machten die Sache der Londoner Kaufleute zu ihrer eigenen und
verlangten die Vernichtung des ungesetzlichen Verfahrens der Schatz-
kammer gegen dieselben. Das Parlament erklärte, die Einziehung
des Pfund= und Tonnengeldes ohne seine Bewilligung sei nicht we-
niger den alten Grundgesetzen und den Bestimmungen der petition
of right
zuwiderlaufend als die Einziehung anderer unbewilligter Ab-
gaben. Von diesem Grundsatz geleitet, beschloß es, das Pfund= und
Tonnengeld dem König nur immer auf eine bestimmte kurze Frist zu
bewilligen, um ihn in dauernder Abhängigkeit zu erhalten. Aller-
dings zeugte dies Verfahren von einem ungewöhnlich starken Miß-
trauen in des Königs Absichten; aber war dies nicht in den früheren
Vorgängen tief begründet? Das Parlament mußte mit Zähigkeit und
Energie an der einzigen Waffe festhalten, die ihm in dem Kampf
gegen den Absolutismus zu Gebote stand, und wie die Drohungen
des Königs seine Festigkeit nicht zu erschüttern vermochten, so wußte
es auch den Versprechungen und der scheinbaren Nachgiebigkeit zu
widerstehen, die Karl anwandte, um den einzigen Zweck zu erreichen,
den er bei der Berufung im Auge gehabt hatte. Er erklärte, daß er
das Pfund= und Tonnengeld nicht kraft seiner erblichen Hoheits-
rechte beanspruche, sondern nur als eine freiwillige Gabe seiner Unter-
thanen betrachte. "Jn meiner Ansprache am Schluß der letzten
Sitzung", sagte er, "beanspruchte ich diese Abgaben nicht als Recht,
sondern zeigte Euch nur die Nothwendigkeit, in der ich mich befand,
sie zu erheben, bis Jhr sie mir bewilligt hättet, überzeugt, daß es
Euch nur an Zeit, nicht an gutem Willen gebrach.

( Fortsetzung folgt. )



Zur Geschichte der "Bernsteinhexe" und ihres
pommerschen Autors.

Was kann uns aus Pommern Gutes kommen? höre ich da
Manchen fragen, der die Ueberschrift gelesen hat. Und doch
bietet das alte Wendenland viel des Guten und auch manches
Jnteressante. Jch will in Bezug auf das Erste, das Gute, nur
an die pommerschen Spickbrüste, die Schinken und die kernfeste pom-
mersche Leinwand erinnern, was Alles wahrlich nicht zu verachten ist,
und wenn auch die Leinwand nicht mehr so eifrig wie früher dort
gewebt wird und auch wohl niemals mit der schlesischen konkurriren
konnte, so erinnere ich mich doch noch recht wohl der Zeit, da es in
meiner heimathlichen Provinz nicht an vielbesuchten Leinwandmärkten
fehlte, auf denen auch Militärbeamte erschienen und für die Armee
Einkäufe machten. Nun, wenn die Leinwand gut war für die Sol-
datenhemden, dann muß sie doch nicht zu verachten gewesen sein. Sie
war derb, wie der Menschenschlag, der sie gewebt, ehrlich und ächt,
wie der pommersche Charakter, der sich auch in mancher Prüfung be-
währt und der es zu dem besondern Ruhm gebracht hat, daß noch
heut pommersche Treue und Redlichkeit in der Welt geachtet und die
Provinz Pommern als ein werthes Kleinod in der Krone Preußens
geschätzt wird, also daß der jedesmalige Kronprinz von Preußen die
Statthalterschaft gerade dieser Provinz für sich in Anspruch nimmt.

Und so arm, als man gewöhnlich meint, ist meine Heimath auch
[Spaltenumbruch] nicht, Vorpommern nun schon lange nicht, auch wenn ich dabei nicht
an Rügen denken will, an dieses köstliche Eiland, das neben dem
Reichthum, den seine fischreichen Seen und das Meer ihm zuwenden,
üppige Getreidefelder und herrliche Buchenwälder zur Zierde hat.
Freilich, in Hinterpommern sieht's strichweise traurig genug aus. Da
fährt man meilenweit durch Fichtenhaiden und Sandwüsten, oder durch
viele nur mit Haidekraut bewachsene Steppen, in denen ringsum kein
Dorf, kein Haus sichtbar wird. Dort, am Ostseestrand, strecken sich
die unfruchtbaren Dünen hin, auf denen nur spärlicher Strandhafer
wächst, der zu nichts nütze ist, als daß er den Sandwegen einige
Festigkeit verleiht, so daß sie nicht gleich bei jedem heftigen Wind hin
und her geweht werden. Das ist freilich traurig und öde; aber man
würde dem Lande Unrecht thun, wenn man meinen wollte, es sei
überall so traurig bestellt, wie in manchen Strandgegenden. Jm
Binnenland giebt es Kreise, die sich des schönsten Lehmbodens und
eines ergiebigen Ackerlandes erfreuen. Dahin gehört die Gegend bei
Stargard und vor allen die um Pyritz, die man gewöhnlich mit dem
Namen "Weizacker" bezeichnet, und nicht mit Unrecht. Hier herrscht
viel Wohlhabenheit und oft Reichthum in den Städten und beson-
ders auf dem Lande, und der Weizacker Bauer spielt eine recht
stattliche Figur unter den deutschen Bauern und darf sich unter ihnen
schon sehen lassen in seiner reichen, kleidsamen Tracht, seinem langen,
mit mehreren dichten Reihen silberner Knöpfe besetzten Ueberrock,
seiner rothen, eben so reich garnirten, hier Bostdook ( Brusttuch ) ge-
nannten Weste. Erst recht aber können sich die hübschen, frischen,
vollen Weizacker Mädchen und Frauen in ihrer gefälligen Tracht mit
den vielen buntgestreiften, nur bis an die Wade reichenden wollenen
Röcken, den bunten Zwickelstrümpfen, ihren Schuhen mit spitzen Ab-
sätzen und großen silbernen Schnallen den Bauertöchtern aus anderen
Gauen unsers Vaterlandes dreist an die Seite stellen, sie werden von
ihnen nicht beschämt werden. Wenn so ein Weizacker Bauer mit
seinen jungen, wohlgepflegten Pferden zur Stadt fährt, wenn die
munteren, selbstgezogenen Rosse vor dem nicht allzu schwer beladenen
Wagen einhertanzen, nur ungern dem Zügel gehorchend und niemals
durch einen Schlag der Peitsche angespornt, wenn sein munteres
Weibchen, ein Bild der Gesundheit und des Frohsinns, ihm zur Seite
sitzt und der kleine Sproß des glücklichen Ehepaars in derselben Tracht
wie der Vater stolzirend, auf dem blondhaarigen Kopf die rothe Pudel-
mütze mit silberner Quaste, keck in die Welt schaut und mit neugieri-
gen Augen Alles um sich her betrachtet, dann möchte ich den sehen,
der sich glücklicher fühlen könnte, als dieser pommersche Bauer, und
ich möchte wohl hören, ob der Märker oder der Schlesier, wenn er
die Züge von solchen Bauerwagen mit ihrem Weizen zur Stadt fahren
sieht, meine Heimath noch arm und verkommen schelten wird. Solcher
Gegenden giebt's aber mehrere im lieben Pommernland, und dabei
fehlt es demselben auch nicht an Naturschönheiten, an Landschaften,
die wohl dem Pinsel eines Malers zum Vorwurf dienen können.

Jch denke dabei nicht allein an Rügen mit seinen pittoresken
Kreidefelsen auf Stubbenkammer, seinen prächtigen Buchenwäldern
und seinen herrlichen Buchten und Seen, nicht nur an die malerischen
Oderufer, die namentlich unterhalb Stettins den Fluß auf seiner
linken Seite als eine beträchtliche, hier und da mit Laubwerk gezierte
Hügelkette begleiten; ich kenne auch noch andere, mit herrlichen Wäl-
dern, saftreichen Wiesen und mit Bächen und Flüssen gesegnete
Strecken in Pommern, die ganze Meilen tiefen, öden Sandes in der
Mark und selbst in Sachsen an Fruchtbarkeit und an Schönheit weit
hinter sich lassen. Ueberhaupt ist der Charakter des Bodens in Pom-
mern nicht so einförmig, vielmehr bietet das Land in seiner vorherr-
schend wellenförmigen Beschaffenheit und da es manche Seen, Flüsse
und Wälder aufzuzeigen hat, auch dem Touristen viel Abwechselung,
die sich hier und da zu einem Anfluge von romantischer Schönheit
erhebt. So trifft man auf dem rechten Oderufer nicht weit von
Stettin, zur rechten Seite der Eisenbahn, die von dieser Stadt nach
Stargard und dann weiter in die posener Bahn führt, einen herrlichen
meilenlangen Buchenwald, der von nicht unbedeutenden Höhen durch-
zogen wird und prächtige Thäler in sich schließt. Auch hinter Star-
gard, auf dem Wege nach dem Städtchen Jakobshagen, passiren wir
einen prächtigen Laubwald, nachdem wir an dem wohlerhaltenen, in
seiner mittelalterlichen Architektur höchst merkwürdigen Schloß Pansin,
dem Stammsitz des Geschlechts der Puttkammer, vorübergegangen
sind. Und der Gollenberg bei Cöslin kann sich zwar nicht mit un-
seren Harzbergen und denen in Thüringen messen, erscheint aber mit
seinen Buchenwäldern und mit seiner herrlichen Fernsicht auf das
Meer dem, welcher auf der Chaussee nach Danzig ihn durchfährt,
nicht ohne Reiz. Jch habe freilich kein Wort zum Lobe jener Gegend
um Bütow und Lauenburg, die man gewöhnlich "das blaue
Ländchen" nennt und die man sich als so arm und trostlos denkt,
wie kaum die vielverrufene "Lüneburger Haide." Jch will auch
in dieser Hinsicht nichts beschönigen, sondern gestehen, daß dieses
"blaue Ländchen" wirklich arm und traurig ist; aber in seiner Ver-
lassenheit von aller Kultur, nur berührt von der einzigen länder-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] tritt mit den Verletzungen, welche die petition of rights erfahren
hatte, noch ehe die Tinte, mit der sie geschrieben, getrocknet war.
Bei dieser Gelegenheit entdeckten die Gemeinen eine fast unglaubliche
Fälschung, die mit dem gesetzlich festgestellten Text der Petition vor-
genommen worden war. Durch das Zeugniß des königlichen Druckers
Norton wurde erwiesen, daß ein königlicher Befehl die Unterdrückung
der bereits abgezogenen 1500 Exemplare veranlaßt und den Druck
anderer anbefohlen hatte, in denen an Stelle der zweiten feierlichen
die erste ausweichende Antwort des Königs beigefügt war. „Die Ge-
meinen ließen die Papiere holen, berichtigten die Aenderung und
sprachen nicht weiter davon, als ob sie errötheten, einen solchen Treu-
bruch allzu sehr zu enthüllen“. Mit diesen Worten fällt Guizot, der
Minister Louis Philipps, das Verdammungsurtheil der Geschichte
über diese Handlung Karls und seiner Minister. „Aber“, fügt der-
selbe konservative Geschichtsschreiber hinzu, „das Schweigen der Ge-
meinen verhieß keine Vergessenheit“. Einem Könige gegenüber, der
seine feierlichsten Versicherungen, kaum gegeben im großen Rath des
Königreichs vor den Augen der Nation, nicht bloß wiederholt that-
sächlich verletzte, sondern auch in solcher Weise auch formell für nichts
achtete, erschien jedes Mißtrauen gerechtfertigt. „Die Geschäfte des
Königs dieser Erde müssen denen des himmlischen Königs nachstehen“,
antworteten die Gemeinen auf das Verlangen der Regierung, sofort
die Bewilligung des Pfund= und Tonnengeldes für die ganze Dauer
der Regierung des Königs zu beschließen und gingen zunächst an die
Erledigung der religiösen Beschwerden. Dann aber wandten sie sich
zu der Rüge der übrigen Verletzungen der petition of right, na-
mentlich der ungesetzlichen Verhaftungen und Steuereintreibungen.
Sie machten die Sache der Londoner Kaufleute zu ihrer eigenen und
verlangten die Vernichtung des ungesetzlichen Verfahrens der Schatz-
kammer gegen dieselben. Das Parlament erklärte, die Einziehung
des Pfund= und Tonnengeldes ohne seine Bewilligung sei nicht we-
niger den alten Grundgesetzen und den Bestimmungen der petition
of right
zuwiderlaufend als die Einziehung anderer unbewilligter Ab-
gaben. Von diesem Grundsatz geleitet, beschloß es, das Pfund= und
Tonnengeld dem König nur immer auf eine bestimmte kurze Frist zu
bewilligen, um ihn in dauernder Abhängigkeit zu erhalten. Aller-
dings zeugte dies Verfahren von einem ungewöhnlich starken Miß-
trauen in des Königs Absichten; aber war dies nicht in den früheren
Vorgängen tief begründet? Das Parlament mußte mit Zähigkeit und
Energie an der einzigen Waffe festhalten, die ihm in dem Kampf
gegen den Absolutismus zu Gebote stand, und wie die Drohungen
des Königs seine Festigkeit nicht zu erschüttern vermochten, so wußte
es auch den Versprechungen und der scheinbaren Nachgiebigkeit zu
widerstehen, die Karl anwandte, um den einzigen Zweck zu erreichen,
den er bei der Berufung im Auge gehabt hatte. Er erklärte, daß er
das Pfund= und Tonnengeld nicht kraft seiner erblichen Hoheits-
rechte beanspruche, sondern nur als eine freiwillige Gabe seiner Unter-
thanen betrachte. „Jn meiner Ansprache am Schluß der letzten
Sitzung“, sagte er, „beanspruchte ich diese Abgaben nicht als Recht,
sondern zeigte Euch nur die Nothwendigkeit, in der ich mich befand,
sie zu erheben, bis Jhr sie mir bewilligt hättet, überzeugt, daß es
Euch nur an Zeit, nicht an gutem Willen gebrach.

( Fortsetzung folgt. )



Zur Geschichte der „Bernsteinhexe“ und ihres
pommerschen Autors.

Was kann uns aus Pommern Gutes kommen? höre ich da
Manchen fragen, der die Ueberschrift gelesen hat. Und doch
bietet das alte Wendenland viel des Guten und auch manches
Jnteressante. Jch will in Bezug auf das Erste, das Gute, nur
an die pommerschen Spickbrüste, die Schinken und die kernfeste pom-
mersche Leinwand erinnern, was Alles wahrlich nicht zu verachten ist,
und wenn auch die Leinwand nicht mehr so eifrig wie früher dort
gewebt wird und auch wohl niemals mit der schlesischen konkurriren
konnte, so erinnere ich mich doch noch recht wohl der Zeit, da es in
meiner heimathlichen Provinz nicht an vielbesuchten Leinwandmärkten
fehlte, auf denen auch Militärbeamte erschienen und für die Armee
Einkäufe machten. Nun, wenn die Leinwand gut war für die Sol-
datenhemden, dann muß sie doch nicht zu verachten gewesen sein. Sie
war derb, wie der Menschenschlag, der sie gewebt, ehrlich und ächt,
wie der pommersche Charakter, der sich auch in mancher Prüfung be-
währt und der es zu dem besondern Ruhm gebracht hat, daß noch
heut pommersche Treue und Redlichkeit in der Welt geachtet und die
Provinz Pommern als ein werthes Kleinod in der Krone Preußens
geschätzt wird, also daß der jedesmalige Kronprinz von Preußen die
Statthalterschaft gerade dieser Provinz für sich in Anspruch nimmt.

Und so arm, als man gewöhnlich meint, ist meine Heimath auch
[Spaltenumbruch] nicht, Vorpommern nun schon lange nicht, auch wenn ich dabei nicht
an Rügen denken will, an dieses köstliche Eiland, das neben dem
Reichthum, den seine fischreichen Seen und das Meer ihm zuwenden,
üppige Getreidefelder und herrliche Buchenwälder zur Zierde hat.
Freilich, in Hinterpommern sieht's strichweise traurig genug aus. Da
fährt man meilenweit durch Fichtenhaiden und Sandwüsten, oder durch
viele nur mit Haidekraut bewachsene Steppen, in denen ringsum kein
Dorf, kein Haus sichtbar wird. Dort, am Ostseestrand, strecken sich
die unfruchtbaren Dünen hin, auf denen nur spärlicher Strandhafer
wächst, der zu nichts nütze ist, als daß er den Sandwegen einige
Festigkeit verleiht, so daß sie nicht gleich bei jedem heftigen Wind hin
und her geweht werden. Das ist freilich traurig und öde; aber man
würde dem Lande Unrecht thun, wenn man meinen wollte, es sei
überall so traurig bestellt, wie in manchen Strandgegenden. Jm
Binnenland giebt es Kreise, die sich des schönsten Lehmbodens und
eines ergiebigen Ackerlandes erfreuen. Dahin gehört die Gegend bei
Stargard und vor allen die um Pyritz, die man gewöhnlich mit dem
Namen „Weizacker“ bezeichnet, und nicht mit Unrecht. Hier herrscht
viel Wohlhabenheit und oft Reichthum in den Städten und beson-
ders auf dem Lande, und der Weizacker Bauer spielt eine recht
stattliche Figur unter den deutschen Bauern und darf sich unter ihnen
schon sehen lassen in seiner reichen, kleidsamen Tracht, seinem langen,
mit mehreren dichten Reihen silberner Knöpfe besetzten Ueberrock,
seiner rothen, eben so reich garnirten, hier Bostdook ( Brusttuch ) ge-
nannten Weste. Erst recht aber können sich die hübschen, frischen,
vollen Weizacker Mädchen und Frauen in ihrer gefälligen Tracht mit
den vielen buntgestreiften, nur bis an die Wade reichenden wollenen
Röcken, den bunten Zwickelstrümpfen, ihren Schuhen mit spitzen Ab-
sätzen und großen silbernen Schnallen den Bauertöchtern aus anderen
Gauen unsers Vaterlandes dreist an die Seite stellen, sie werden von
ihnen nicht beschämt werden. Wenn so ein Weizacker Bauer mit
seinen jungen, wohlgepflegten Pferden zur Stadt fährt, wenn die
munteren, selbstgezogenen Rosse vor dem nicht allzu schwer beladenen
Wagen einhertanzen, nur ungern dem Zügel gehorchend und niemals
durch einen Schlag der Peitsche angespornt, wenn sein munteres
Weibchen, ein Bild der Gesundheit und des Frohsinns, ihm zur Seite
sitzt und der kleine Sproß des glücklichen Ehepaars in derselben Tracht
wie der Vater stolzirend, auf dem blondhaarigen Kopf die rothe Pudel-
mütze mit silberner Quaste, keck in die Welt schaut und mit neugieri-
gen Augen Alles um sich her betrachtet, dann möchte ich den sehen,
der sich glücklicher fühlen könnte, als dieser pommersche Bauer, und
ich möchte wohl hören, ob der Märker oder der Schlesier, wenn er
die Züge von solchen Bauerwagen mit ihrem Weizen zur Stadt fahren
sieht, meine Heimath noch arm und verkommen schelten wird. Solcher
Gegenden giebt's aber mehrere im lieben Pommernland, und dabei
fehlt es demselben auch nicht an Naturschönheiten, an Landschaften,
die wohl dem Pinsel eines Malers zum Vorwurf dienen können.

Jch denke dabei nicht allein an Rügen mit seinen pittoresken
Kreidefelsen auf Stubbenkammer, seinen prächtigen Buchenwäldern
und seinen herrlichen Buchten und Seen, nicht nur an die malerischen
Oderufer, die namentlich unterhalb Stettins den Fluß auf seiner
linken Seite als eine beträchtliche, hier und da mit Laubwerk gezierte
Hügelkette begleiten; ich kenne auch noch andere, mit herrlichen Wäl-
dern, saftreichen Wiesen und mit Bächen und Flüssen gesegnete
Strecken in Pommern, die ganze Meilen tiefen, öden Sandes in der
Mark und selbst in Sachsen an Fruchtbarkeit und an Schönheit weit
hinter sich lassen. Ueberhaupt ist der Charakter des Bodens in Pom-
mern nicht so einförmig, vielmehr bietet das Land in seiner vorherr-
schend wellenförmigen Beschaffenheit und da es manche Seen, Flüsse
und Wälder aufzuzeigen hat, auch dem Touristen viel Abwechselung,
die sich hier und da zu einem Anfluge von romantischer Schönheit
erhebt. So trifft man auf dem rechten Oderufer nicht weit von
Stettin, zur rechten Seite der Eisenbahn, die von dieser Stadt nach
Stargard und dann weiter in die posener Bahn führt, einen herrlichen
meilenlangen Buchenwald, der von nicht unbedeutenden Höhen durch-
zogen wird und prächtige Thäler in sich schließt. Auch hinter Star-
gard, auf dem Wege nach dem Städtchen Jakobshagen, passiren wir
einen prächtigen Laubwald, nachdem wir an dem wohlerhaltenen, in
seiner mittelalterlichen Architektur höchst merkwürdigen Schloß Pansin,
dem Stammsitz des Geschlechts der Puttkammer, vorübergegangen
sind. Und der Gollenberg bei Cöslin kann sich zwar nicht mit un-
seren Harzbergen und denen in Thüringen messen, erscheint aber mit
seinen Buchenwäldern und mit seiner herrlichen Fernsicht auf das
Meer dem, welcher auf der Chaussee nach Danzig ihn durchfährt,
nicht ohne Reiz. Jch habe freilich kein Wort zum Lobe jener Gegend
um Bütow und Lauenburg, die man gewöhnlich „das blaue
Ländchen“ nennt und die man sich als so arm und trostlos denkt,
wie kaum die vielverrufene „Lüneburger Haide.“ Jch will auch
in dieser Hinsicht nichts beschönigen, sondern gestehen, daß dieses
„blaue Ländchen“ wirklich arm und traurig ist; aber in seiner Ver-
lassenheit von aller Kultur, nur berührt von der einzigen länder-
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[263/0007] 263 tritt mit den Verletzungen, welche die petition of rights erfahren hatte, noch ehe die Tinte, mit der sie geschrieben, getrocknet war. Bei dieser Gelegenheit entdeckten die Gemeinen eine fast unglaubliche Fälschung, die mit dem gesetzlich festgestellten Text der Petition vor- genommen worden war. Durch das Zeugniß des königlichen Druckers Norton wurde erwiesen, daß ein königlicher Befehl die Unterdrückung der bereits abgezogenen 1500 Exemplare veranlaßt und den Druck anderer anbefohlen hatte, in denen an Stelle der zweiten feierlichen die erste ausweichende Antwort des Königs beigefügt war. „Die Ge- meinen ließen die Papiere holen, berichtigten die Aenderung und sprachen nicht weiter davon, als ob sie errötheten, einen solchen Treu- bruch allzu sehr zu enthüllen“. Mit diesen Worten fällt Guizot, der Minister Louis Philipps, das Verdammungsurtheil der Geschichte über diese Handlung Karls und seiner Minister. „Aber“, fügt der- selbe konservative Geschichtsschreiber hinzu, „das Schweigen der Ge- meinen verhieß keine Vergessenheit“. Einem Könige gegenüber, der seine feierlichsten Versicherungen, kaum gegeben im großen Rath des Königreichs vor den Augen der Nation, nicht bloß wiederholt that- sächlich verletzte, sondern auch in solcher Weise auch formell für nichts achtete, erschien jedes Mißtrauen gerechtfertigt. „Die Geschäfte des Königs dieser Erde müssen denen des himmlischen Königs nachstehen“, antworteten die Gemeinen auf das Verlangen der Regierung, sofort die Bewilligung des Pfund= und Tonnengeldes für die ganze Dauer der Regierung des Königs zu beschließen und gingen zunächst an die Erledigung der religiösen Beschwerden. Dann aber wandten sie sich zu der Rüge der übrigen Verletzungen der petition of right, na- mentlich der ungesetzlichen Verhaftungen und Steuereintreibungen. Sie machten die Sache der Londoner Kaufleute zu ihrer eigenen und verlangten die Vernichtung des ungesetzlichen Verfahrens der Schatz- kammer gegen dieselben. Das Parlament erklärte, die Einziehung des Pfund= und Tonnengeldes ohne seine Bewilligung sei nicht we- niger den alten Grundgesetzen und den Bestimmungen der petition of right zuwiderlaufend als die Einziehung anderer unbewilligter Ab- gaben. Von diesem Grundsatz geleitet, beschloß es, das Pfund= und Tonnengeld dem König nur immer auf eine bestimmte kurze Frist zu bewilligen, um ihn in dauernder Abhängigkeit zu erhalten. Aller- dings zeugte dies Verfahren von einem ungewöhnlich starken Miß- trauen in des Königs Absichten; aber war dies nicht in den früheren Vorgängen tief begründet? Das Parlament mußte mit Zähigkeit und Energie an der einzigen Waffe festhalten, die ihm in dem Kampf gegen den Absolutismus zu Gebote stand, und wie die Drohungen des Königs seine Festigkeit nicht zu erschüttern vermochten, so wußte es auch den Versprechungen und der scheinbaren Nachgiebigkeit zu widerstehen, die Karl anwandte, um den einzigen Zweck zu erreichen, den er bei der Berufung im Auge gehabt hatte. Er erklärte, daß er das Pfund= und Tonnengeld nicht kraft seiner erblichen Hoheits- rechte beanspruche, sondern nur als eine freiwillige Gabe seiner Unter- thanen betrachte. „Jn meiner Ansprache am Schluß der letzten Sitzung“, sagte er, „beanspruchte ich diese Abgaben nicht als Recht, sondern zeigte Euch nur die Nothwendigkeit, in der ich mich befand, sie zu erheben, bis Jhr sie mir bewilligt hättet, überzeugt, daß es Euch nur an Zeit, nicht an gutem Willen gebrach. ( Fortsetzung folgt. ) Zur Geschichte der „Bernsteinhexe“ und ihres pommerschen Autors. Was kann uns aus Pommern Gutes kommen? höre ich da Manchen fragen, der die Ueberschrift gelesen hat. Und doch bietet das alte Wendenland viel des Guten und auch manches Jnteressante. Jch will in Bezug auf das Erste, das Gute, nur an die pommerschen Spickbrüste, die Schinken und die kernfeste pom- mersche Leinwand erinnern, was Alles wahrlich nicht zu verachten ist, und wenn auch die Leinwand nicht mehr so eifrig wie früher dort gewebt wird und auch wohl niemals mit der schlesischen konkurriren konnte, so erinnere ich mich doch noch recht wohl der Zeit, da es in meiner heimathlichen Provinz nicht an vielbesuchten Leinwandmärkten fehlte, auf denen auch Militärbeamte erschienen und für die Armee Einkäufe machten. Nun, wenn die Leinwand gut war für die Sol- datenhemden, dann muß sie doch nicht zu verachten gewesen sein. Sie war derb, wie der Menschenschlag, der sie gewebt, ehrlich und ächt, wie der pommersche Charakter, der sich auch in mancher Prüfung be- währt und der es zu dem besondern Ruhm gebracht hat, daß noch heut pommersche Treue und Redlichkeit in der Welt geachtet und die Provinz Pommern als ein werthes Kleinod in der Krone Preußens geschätzt wird, also daß der jedesmalige Kronprinz von Preußen die Statthalterschaft gerade dieser Provinz für sich in Anspruch nimmt. Und so arm, als man gewöhnlich meint, ist meine Heimath auch nicht, Vorpommern nun schon lange nicht, auch wenn ich dabei nicht an Rügen denken will, an dieses köstliche Eiland, das neben dem Reichthum, den seine fischreichen Seen und das Meer ihm zuwenden, üppige Getreidefelder und herrliche Buchenwälder zur Zierde hat. Freilich, in Hinterpommern sieht's strichweise traurig genug aus. Da fährt man meilenweit durch Fichtenhaiden und Sandwüsten, oder durch viele nur mit Haidekraut bewachsene Steppen, in denen ringsum kein Dorf, kein Haus sichtbar wird. Dort, am Ostseestrand, strecken sich die unfruchtbaren Dünen hin, auf denen nur spärlicher Strandhafer wächst, der zu nichts nütze ist, als daß er den Sandwegen einige Festigkeit verleiht, so daß sie nicht gleich bei jedem heftigen Wind hin und her geweht werden. Das ist freilich traurig und öde; aber man würde dem Lande Unrecht thun, wenn man meinen wollte, es sei überall so traurig bestellt, wie in manchen Strandgegenden. Jm Binnenland giebt es Kreise, die sich des schönsten Lehmbodens und eines ergiebigen Ackerlandes erfreuen. Dahin gehört die Gegend bei Stargard und vor allen die um Pyritz, die man gewöhnlich mit dem Namen „Weizacker“ bezeichnet, und nicht mit Unrecht. Hier herrscht viel Wohlhabenheit und oft Reichthum in den Städten und beson- ders auf dem Lande, und der Weizacker Bauer spielt eine recht stattliche Figur unter den deutschen Bauern und darf sich unter ihnen schon sehen lassen in seiner reichen, kleidsamen Tracht, seinem langen, mit mehreren dichten Reihen silberner Knöpfe besetzten Ueberrock, seiner rothen, eben so reich garnirten, hier Bostdook ( Brusttuch ) ge- nannten Weste. Erst recht aber können sich die hübschen, frischen, vollen Weizacker Mädchen und Frauen in ihrer gefälligen Tracht mit den vielen buntgestreiften, nur bis an die Wade reichenden wollenen Röcken, den bunten Zwickelstrümpfen, ihren Schuhen mit spitzen Ab- sätzen und großen silbernen Schnallen den Bauertöchtern aus anderen Gauen unsers Vaterlandes dreist an die Seite stellen, sie werden von ihnen nicht beschämt werden. Wenn so ein Weizacker Bauer mit seinen jungen, wohlgepflegten Pferden zur Stadt fährt, wenn die munteren, selbstgezogenen Rosse vor dem nicht allzu schwer beladenen Wagen einhertanzen, nur ungern dem Zügel gehorchend und niemals durch einen Schlag der Peitsche angespornt, wenn sein munteres Weibchen, ein Bild der Gesundheit und des Frohsinns, ihm zur Seite sitzt und der kleine Sproß des glücklichen Ehepaars in derselben Tracht wie der Vater stolzirend, auf dem blondhaarigen Kopf die rothe Pudel- mütze mit silberner Quaste, keck in die Welt schaut und mit neugieri- gen Augen Alles um sich her betrachtet, dann möchte ich den sehen, der sich glücklicher fühlen könnte, als dieser pommersche Bauer, und ich möchte wohl hören, ob der Märker oder der Schlesier, wenn er die Züge von solchen Bauerwagen mit ihrem Weizen zur Stadt fahren sieht, meine Heimath noch arm und verkommen schelten wird. Solcher Gegenden giebt's aber mehrere im lieben Pommernland, und dabei fehlt es demselben auch nicht an Naturschönheiten, an Landschaften, die wohl dem Pinsel eines Malers zum Vorwurf dienen können. Jch denke dabei nicht allein an Rügen mit seinen pittoresken Kreidefelsen auf Stubbenkammer, seinen prächtigen Buchenwäldern und seinen herrlichen Buchten und Seen, nicht nur an die malerischen Oderufer, die namentlich unterhalb Stettins den Fluß auf seiner linken Seite als eine beträchtliche, hier und da mit Laubwerk gezierte Hügelkette begleiten; ich kenne auch noch andere, mit herrlichen Wäl- dern, saftreichen Wiesen und mit Bächen und Flüssen gesegnete Strecken in Pommern, die ganze Meilen tiefen, öden Sandes in der Mark und selbst in Sachsen an Fruchtbarkeit und an Schönheit weit hinter sich lassen. Ueberhaupt ist der Charakter des Bodens in Pom- mern nicht so einförmig, vielmehr bietet das Land in seiner vorherr- schend wellenförmigen Beschaffenheit und da es manche Seen, Flüsse und Wälder aufzuzeigen hat, auch dem Touristen viel Abwechselung, die sich hier und da zu einem Anfluge von romantischer Schönheit erhebt. So trifft man auf dem rechten Oderufer nicht weit von Stettin, zur rechten Seite der Eisenbahn, die von dieser Stadt nach Stargard und dann weiter in die posener Bahn führt, einen herrlichen meilenlangen Buchenwald, der von nicht unbedeutenden Höhen durch- zogen wird und prächtige Thäler in sich schließt. Auch hinter Star- gard, auf dem Wege nach dem Städtchen Jakobshagen, passiren wir einen prächtigen Laubwald, nachdem wir an dem wohlerhaltenen, in seiner mittelalterlichen Architektur höchst merkwürdigen Schloß Pansin, dem Stammsitz des Geschlechts der Puttkammer, vorübergegangen sind. Und der Gollenberg bei Cöslin kann sich zwar nicht mit un- seren Harzbergen und denen in Thüringen messen, erscheint aber mit seinen Buchenwäldern und mit seiner herrlichen Fernsicht auf das Meer dem, welcher auf der Chaussee nach Danzig ihn durchfährt, nicht ohne Reiz. Jch habe freilich kein Wort zum Lobe jener Gegend um Bütow und Lauenburg, die man gewöhnlich „das blaue Ländchen“ nennt und die man sich als so arm und trostlos denkt, wie kaum die vielverrufene „Lüneburger Haide.“ Jch will auch in dieser Hinsicht nichts beschönigen, sondern gestehen, daß dieses „blaue Ländchen“ wirklich arm und traurig ist; aber in seiner Ver- lassenheit von aller Kultur, nur berührt von der einzigen länder-

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Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 33. Berlin, 16. August 1868, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt33_1868/7>, abgerufen am 22.07.2024.