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Sonntags-Blatt. Nr. 23. Berlin, 7. Juni 1868.

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[Beginn Spaltensatz]
Römische Landhäuser.
( Schluß. )

Als hervorragende Villen und Gärten werden uns genannt die des
Lukullus ( + 56 v. Chr. ) , dessen fürstlicher Reichthum fast sprich-
wörtlich geworden war, wie auch sein Name zur Bezeichnung
üppiger Schmausereien noch heut herhalten muß; die des Kaisers
Augustus, des großen Pompejus, des Redners Cicero, der Kaiser Nero,
Hadrian u. A. Der Dichter Catullus besaß eine reizende Villa im
Gebiet von Verona, auf der in den Gardasee hineinragenden Halb-
insel Sirmio -- jetzt Sermione -- deren anmuthige Lage er in
einem seiner Gedichte besingt. Noch heut ragen Trümmermassen der-
selben in die Luft, die Ruine einer großen Bogenhalle; unfern zeigen
sich Grotten und die Reste eines Bades, von dessen Mosaikfußboden
die arbeitende Hand in den benachbarten Maisfeldern nicht selten
Stücke zu Tage fördert. Jn den Grotten, die sonst nach dem phan-
tastischen Glauben von Nymphen bewohnt wurden, birgt sich jetzt
der höchst unätherische Ziegenhirt vor ausbrechenden Wettern, der
sich jetzt da die Langeweile auf der Pansflöte vertreibt, wo einst
des gottbegeisterten Sängers Leier ertönte. Sic transit gloria
mundi!

Aber diese und andere Reste, die hier und da unter tausendjähri-
gem Schutt hervorgescharrt werden, unterrichten uns höchstens über
den Umfang und einzelne Punkte derartiger Bauanlagen des Alter-
thums; wir müssen, um uns ein Bild von einer römischen Villa
machen zu können, die schriftlichen Ueberlieferungen der alten Literatur
zu Hülfe nehmen, und hier sind es, abgesehen von den Angaben des
römischen Architekten Vitruvius und des Varro in seinen landwirth-
schaftlichen Schriften, ganz besonders zwei Briefe des jüngeren Pli-
nius, die Beachtung verdienen, weil er in ihnen mit Vorliebe und
ziemlicher Ausführlichkeit zwei seiner Landhäuser beschreibt.

Dieser Plinius ( geb. 62 n. Chr. ) , der Neffe des gleichnamigen
Verfassers der bekannten Naturgeschichte, eines ziemlich planlosen
Sammelwerks allerdings für den Alterthumsforscher oft unschätzbarer
Notizen, war, wenn auch nicht besonders mit Gaben des Geistes, ob-
gleich er neben dem Historiker Tacitus für die bedeutendste Kapazität
seiner Zeit galt, um so mehr mit Glücksgütern gesegnet. Von einer
Reihe von Landgütern, die er besaß, hat ihm die Beschreibung seiner
beiden Lieblingssitze, des Laurentinums und Tuskums, Stoff zu den
erwähnten Briefen seiner Sammlung gegeben. Diese Schriftstücke
mögen auf uns allerdings den Eindruck von Schularbeiten machen,
denn unsere ernste und arbeitsvolle Zeit findet die Muße zu der-
artigem Briefwechsel, bei welchem es sich vielfach nur um Zeitvertreib
gehandelt zu haben scheint, nicht mehr und begreift deßhalb derartige
Produkte nicht recht; aber sie sind uns in archäologischer Hinsicht von
großer Wichtigkeit geworden, und wir müssen deßhalb dem Brief-
schreiber immerhin dankbar für seine Mühe sein, durch die es der
Nachwelt ermöglicht ist, einen Blick in eine interessante, aber sonst
noch ziemlich dunkle Partie des römischen Kulturlebens zu thun. Man
möchte vielleicht einen Zug von Jronie darin erblicken, daß Plinius in
einem der Briefe die betreffende Villa ein "bescheidenes Haus" nennt;
indessen mag er in seinem Sinne Recht haben, denn es gab noch viel
umfangreichere Anlagen dieser Art, als die seinige war. Es dürfte
sich wohl der Mühe lohnen, einen Blick in diese Schriftstücke zu werfen,
um sich eine Vorstellung von der "bescheidenen Wohnung" eines vor-
nehmen Römers zu machen.

Ein Bild seines Landhauses bei Laurentum, unweit der Meeres-
küste, siebzehn Millien von Rom entfernt, entwirft uns der Besitzer
im siebzehnten Brief des zweiten Buchs seiner Sammlung, nachdem
er die Annehmlichkeiten der beiden dorhin führenden Wege, die dem
Reisenden den anmuthigsten Wechsel von Wald und Auen böten,
hervorgehoben. Vornan lag ein Atrium, ein in keinem römischen
Hause fehlendes Vorhaus, mit Sparsamkeit -- was Plinius darunter
verstanden haben mag -- eingerichtet, aber doch nicht ärmlich, an
welches sich ein runder Säulengang mit Glasfenstern und weit über-
tretendem Dach anschloß, in dem, so wie in dem in der Mitte liegen-
den kleinen aber hübschen Hof, der Aufenthalt bei stürmischer Wit-
terung ein sehr angenehmer war. Daran stieß ein freundlicher Saal,
und an diesen ein Speisezimmer, das sich nach dem Strande zu
öffnete und bei hochgehender See vom Wellenschaum bespritzt wurde.
Nach allen Seiten hin hatte es große Fenster und bot eine reizende
Aussicht auf das Meer, und durch die vorher beschriebenen Räum-
lichkeiten hindurch auf die im Rücken der Villa liegenden Bergwälder.
Zur Linken dieses Speisezimmers, etwas zurücktretend, lag ein großes
Gemach, dem ein kleineres folgte, in welchem man aus einem Fenster
die Sonne auf=, aus einem andern untergehen sehen konnte. Durch
die Stellung dieses Gemachs zu dem Speisezimmer entstand ein
Winkel, den der Besitzer wegen seiner schattigen und windstillen Lage
zum Turnplatz gemacht hatte. Hieran schloß sich ein kreisrunder
[Spaltenumbruch] Raum, aus dessen Fenstern man den Umlauf der Sonne beobachten
konnte; in die Wände waren Schränke mit Büchern, aber jedenfalls
leichteren Jnhalts, eingelassen, denn der Briefschreiber meint, sie seien
mehr zum Durchblättern als zum Lesen. Verbunden mit diesem
pavillonartigen Zimmer war ein Schlafgemach. Hinterwärts schloß
sich eine Reihe von Räumlichkeiten an, die zum Aufenthalt der Skla-
ven dienten, aber im Nothfall auch mit als Gastzimmer benutzt werden
konnten.

Rechts vom Atrium wird zunächst ein geschmackvolles Zimmer,
jedenfalls ein Empfangszimmer, erwähnt, dem sich ein ähnliches an-
schloß, das auch als Eßsaal benutzt werden konnte, sonnig und mit
der Aussicht aufs Meer. Dahinter lag ein Kabinet mit Vorzimmer,
für den Sommer= und Winteraufenthalt eingerichtet. Eine Reihe
ähnlicher Lokalitäten setzte sich von diesen aus fort. Weiterhin lagen
die Bäder: zunächst ein Zimmer zum Abkühlen, von beträchtlichem
Umfang und mit zwei Schwimmbassins versehen; ein Zimmer, wo
man sich nach dem Bade salbte; eine Wärmstube mit darunter befind-
lichem Heizapparat und demnächst zwei mehr zierliche, als großartige
Zimmer, also wohl Boudoirs in unserem Sinne. Jn der Nähe be-
fand sich ein anderes Bad mit erwärmtem Wasser, auch zum Schwim-
men eingerichtet, und zwar so, daß die Schwimmer das Meer vor
Augen hatten; es muß also wohl frei gelegen haben. Ein Platz zum
Ballspiel war nicht weit davon.

Hier erhob sich auch ein Thurm, unter welchem zwei Gemächer
lagen; eben so viel enthielt er selbst, und außerdem noch einen Speise-
saal, der eine Rundschau über das Meer und die umliegende Land-
schaft gestattete.

Ueberall wird die schöne Aussicht hervorgehoben -- ein Zeichen,
daß die Alten auch an landschaftlichen Schönheiten, was vielfach ge-
leugnet wird, ihre Freude hatten.

Außer diesem war noch ein zweiter Thurm vorhanden, enthaltend
einen großen Lagerraum für den Wein und einen Speicher; darunter
einen Speisesaal, worin man vom Toben des Meeres nur einen
leisen Widerhall vernahm. Von da aus hatte man die Aussicht auf
den Garten und die denselben umgebende Promenade, welche mit
Buxbaum und Rosmarin bepflanzt war. An der inneren Reihe
dieser Allee war eine Weinlaube angebracht, deren weichen Fußboden
Plinius rühmt; man habe darin barfuß gehen können, jedenfalls war
sie mit sehr feinem Sande bestreut. Auf diese Partie blickte man
von einem dem Meere abgelegenen Speisezimmer aus, an dessen Rück-
seite sich zwei Reihen Gemächer anschlossen, unter deren Fenstern sich
ein Vorplatz und ein fruchtbarer Küchengarten ausbreitete. Von hier
ging eine verdeckte Halle aus, fast von der Größe einer öffentlichen,
mit Fenstern auf beiden Seiten und der Aussicht auf die See und
den Garten. Vor diesem Gang zog sich eine offene Halle hin, und
am Ende dieser Anlagen stand ein Gartenhaus, des Besitzers Lieb-
lingsaufenthalt, nach seinen eigenen Angaben erbaut. Es enthielt
eine nach der Sonnenseite zu liegende Stube zum Winteraufenthalt,
und davor ein Kabinet mit einem Ruhebett und zwei Armsesseln.
Auch von hier aus genoß man einer herrlichen und wechselnden Aus-
sicht. Ein Nacht= und Schlafgemach, von einem Gange umfaßt und
deßhalb von allem äußern Lärm abgeschlossen; ein kleines Wärm-
zimmer und ein Vorzimmer vollenden die innere Einrichtung. Pli-
nius zog sich in dieses Gartenhaus -- er nennt es einmal so, ob-
gleich doch die ganze Villa im Garten liegt -- gern während der
Saturnalien zurück, um dem lärmenden Treiben seines Hauswesens
zu entgehen. Die römischen Saturnalien, ein Freudenfest zum An-
denken an die glückliche Regierung des Saturnus in Latium gefeiert,
fielen in unsere Weihnachtszeit ( vom 17. Dezember an ) und waren
Tage des Jubels und der Ausgelassenheit, an denen man sich gegen-
seitig beschenkte und sich den Freuden der Tafel und den Genüssen
des Schauspiels hingab. Eine besondere Eigenthümlichkeit des Festes
war die, daß die Sklaven ihren Launen freies Spiel lassen durften,
ja sogar bei Tische von ihren Herren bedient wurden. Die Be-
lustigungen mochte Plinius den Seinen wohl gönnen, aber selbst nicht
mitmachen; deßhalb schloß er sich in sein Gartenhäuschen ein.

Einen Bach gab es bei dieser Villa nicht, und das erschien dem
Besitzer als ein Mangel, obgleich es an Wasser durchaus nicht fehle,
da man überall am Ufer einschlagen könne und auf gutes Trink-
wasser stoße. Holz lieferten die benachbarten Wälder, Seekrebse und
gemeine Fische das Meer, die anderen Bedürfnisse waren sehr leicht
aus Ostia zu beziehen.

Jn einem benachbarten Flecken gab es auch Bäder, die gebraucht
werden konnten, wenn es sich bei zu kurzem Aufenthalt oder zu spätem
Eintreffen auf der Villa nicht lohnte, die eigenen erst zu heizen.

Das sind die Herrlichkeiten seiner "kleinen laurentinischen Villa",
die der Besitzer seinen Freund Gallus, an den der Brief adressirt ist,
einladet, selbst in Augenschein zu nehmen.

Der andere Brief ( der sechste des fünften Buchs ) , an einen ge-
wissen Domitius Apollinaris gerichtet, liefert die Beschreibung eines
andern Landguts, welches im tuskischen Gebiet lag. Es würde
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz]
Römische Landhäuser.
( Schluß. )

Als hervorragende Villen und Gärten werden uns genannt die des
Lukullus ( † 56 v. Chr. ) , dessen fürstlicher Reichthum fast sprich-
wörtlich geworden war, wie auch sein Name zur Bezeichnung
üppiger Schmausereien noch heut herhalten muß; die des Kaisers
Augustus, des großen Pompejus, des Redners Cicero, der Kaiser Nero,
Hadrian u. A. Der Dichter Catullus besaß eine reizende Villa im
Gebiet von Verona, auf der in den Gardasee hineinragenden Halb-
insel Sirmio — jetzt Sermione — deren anmuthige Lage er in
einem seiner Gedichte besingt. Noch heut ragen Trümmermassen der-
selben in die Luft, die Ruine einer großen Bogenhalle; unfern zeigen
sich Grotten und die Reste eines Bades, von dessen Mosaikfußboden
die arbeitende Hand in den benachbarten Maisfeldern nicht selten
Stücke zu Tage fördert. Jn den Grotten, die sonst nach dem phan-
tastischen Glauben von Nymphen bewohnt wurden, birgt sich jetzt
der höchst unätherische Ziegenhirt vor ausbrechenden Wettern, der
sich jetzt da die Langeweile auf der Pansflöte vertreibt, wo einst
des gottbegeisterten Sängers Leier ertönte. Sic transit gloria
mundi!

Aber diese und andere Reste, die hier und da unter tausendjähri-
gem Schutt hervorgescharrt werden, unterrichten uns höchstens über
den Umfang und einzelne Punkte derartiger Bauanlagen des Alter-
thums; wir müssen, um uns ein Bild von einer römischen Villa
machen zu können, die schriftlichen Ueberlieferungen der alten Literatur
zu Hülfe nehmen, und hier sind es, abgesehen von den Angaben des
römischen Architekten Vitruvius und des Varro in seinen landwirth-
schaftlichen Schriften, ganz besonders zwei Briefe des jüngeren Pli-
nius, die Beachtung verdienen, weil er in ihnen mit Vorliebe und
ziemlicher Ausführlichkeit zwei seiner Landhäuser beschreibt.

Dieser Plinius ( geb. 62 n. Chr. ) , der Neffe des gleichnamigen
Verfassers der bekannten Naturgeschichte, eines ziemlich planlosen
Sammelwerks allerdings für den Alterthumsforscher oft unschätzbarer
Notizen, war, wenn auch nicht besonders mit Gaben des Geistes, ob-
gleich er neben dem Historiker Tacitus für die bedeutendste Kapazität
seiner Zeit galt, um so mehr mit Glücksgütern gesegnet. Von einer
Reihe von Landgütern, die er besaß, hat ihm die Beschreibung seiner
beiden Lieblingssitze, des Laurentinums und Tuskums, Stoff zu den
erwähnten Briefen seiner Sammlung gegeben. Diese Schriftstücke
mögen auf uns allerdings den Eindruck von Schularbeiten machen,
denn unsere ernste und arbeitsvolle Zeit findet die Muße zu der-
artigem Briefwechsel, bei welchem es sich vielfach nur um Zeitvertreib
gehandelt zu haben scheint, nicht mehr und begreift deßhalb derartige
Produkte nicht recht; aber sie sind uns in archäologischer Hinsicht von
großer Wichtigkeit geworden, und wir müssen deßhalb dem Brief-
schreiber immerhin dankbar für seine Mühe sein, durch die es der
Nachwelt ermöglicht ist, einen Blick in eine interessante, aber sonst
noch ziemlich dunkle Partie des römischen Kulturlebens zu thun. Man
möchte vielleicht einen Zug von Jronie darin erblicken, daß Plinius in
einem der Briefe die betreffende Villa ein „bescheidenes Haus“ nennt;
indessen mag er in seinem Sinne Recht haben, denn es gab noch viel
umfangreichere Anlagen dieser Art, als die seinige war. Es dürfte
sich wohl der Mühe lohnen, einen Blick in diese Schriftstücke zu werfen,
um sich eine Vorstellung von der „bescheidenen Wohnung“ eines vor-
nehmen Römers zu machen.

Ein Bild seines Landhauses bei Laurentum, unweit der Meeres-
küste, siebzehn Millien von Rom entfernt, entwirft uns der Besitzer
im siebzehnten Brief des zweiten Buchs seiner Sammlung, nachdem
er die Annehmlichkeiten der beiden dorhin führenden Wege, die dem
Reisenden den anmuthigsten Wechsel von Wald und Auen böten,
hervorgehoben. Vornan lag ein Atrium, ein in keinem römischen
Hause fehlendes Vorhaus, mit Sparsamkeit — was Plinius darunter
verstanden haben mag — eingerichtet, aber doch nicht ärmlich, an
welches sich ein runder Säulengang mit Glasfenstern und weit über-
tretendem Dach anschloß, in dem, so wie in dem in der Mitte liegen-
den kleinen aber hübschen Hof, der Aufenthalt bei stürmischer Wit-
terung ein sehr angenehmer war. Daran stieß ein freundlicher Saal,
und an diesen ein Speisezimmer, das sich nach dem Strande zu
öffnete und bei hochgehender See vom Wellenschaum bespritzt wurde.
Nach allen Seiten hin hatte es große Fenster und bot eine reizende
Aussicht auf das Meer, und durch die vorher beschriebenen Räum-
lichkeiten hindurch auf die im Rücken der Villa liegenden Bergwälder.
Zur Linken dieses Speisezimmers, etwas zurücktretend, lag ein großes
Gemach, dem ein kleineres folgte, in welchem man aus einem Fenster
die Sonne auf=, aus einem andern untergehen sehen konnte. Durch
die Stellung dieses Gemachs zu dem Speisezimmer entstand ein
Winkel, den der Besitzer wegen seiner schattigen und windstillen Lage
zum Turnplatz gemacht hatte. Hieran schloß sich ein kreisrunder
[Spaltenumbruch] Raum, aus dessen Fenstern man den Umlauf der Sonne beobachten
konnte; in die Wände waren Schränke mit Büchern, aber jedenfalls
leichteren Jnhalts, eingelassen, denn der Briefschreiber meint, sie seien
mehr zum Durchblättern als zum Lesen. Verbunden mit diesem
pavillonartigen Zimmer war ein Schlafgemach. Hinterwärts schloß
sich eine Reihe von Räumlichkeiten an, die zum Aufenthalt der Skla-
ven dienten, aber im Nothfall auch mit als Gastzimmer benutzt werden
konnten.

Rechts vom Atrium wird zunächst ein geschmackvolles Zimmer,
jedenfalls ein Empfangszimmer, erwähnt, dem sich ein ähnliches an-
schloß, das auch als Eßsaal benutzt werden konnte, sonnig und mit
der Aussicht aufs Meer. Dahinter lag ein Kabinet mit Vorzimmer,
für den Sommer= und Winteraufenthalt eingerichtet. Eine Reihe
ähnlicher Lokalitäten setzte sich von diesen aus fort. Weiterhin lagen
die Bäder: zunächst ein Zimmer zum Abkühlen, von beträchtlichem
Umfang und mit zwei Schwimmbassins versehen; ein Zimmer, wo
man sich nach dem Bade salbte; eine Wärmstube mit darunter befind-
lichem Heizapparat und demnächst zwei mehr zierliche, als großartige
Zimmer, also wohl Boudoirs in unserem Sinne. Jn der Nähe be-
fand sich ein anderes Bad mit erwärmtem Wasser, auch zum Schwim-
men eingerichtet, und zwar so, daß die Schwimmer das Meer vor
Augen hatten; es muß also wohl frei gelegen haben. Ein Platz zum
Ballspiel war nicht weit davon.

Hier erhob sich auch ein Thurm, unter welchem zwei Gemächer
lagen; eben so viel enthielt er selbst, und außerdem noch einen Speise-
saal, der eine Rundschau über das Meer und die umliegende Land-
schaft gestattete.

Ueberall wird die schöne Aussicht hervorgehoben — ein Zeichen,
daß die Alten auch an landschaftlichen Schönheiten, was vielfach ge-
leugnet wird, ihre Freude hatten.

Außer diesem war noch ein zweiter Thurm vorhanden, enthaltend
einen großen Lagerraum für den Wein und einen Speicher; darunter
einen Speisesaal, worin man vom Toben des Meeres nur einen
leisen Widerhall vernahm. Von da aus hatte man die Aussicht auf
den Garten und die denselben umgebende Promenade, welche mit
Buxbaum und Rosmarin bepflanzt war. An der inneren Reihe
dieser Allee war eine Weinlaube angebracht, deren weichen Fußboden
Plinius rühmt; man habe darin barfuß gehen können, jedenfalls war
sie mit sehr feinem Sande bestreut. Auf diese Partie blickte man
von einem dem Meere abgelegenen Speisezimmer aus, an dessen Rück-
seite sich zwei Reihen Gemächer anschlossen, unter deren Fenstern sich
ein Vorplatz und ein fruchtbarer Küchengarten ausbreitete. Von hier
ging eine verdeckte Halle aus, fast von der Größe einer öffentlichen,
mit Fenstern auf beiden Seiten und der Aussicht auf die See und
den Garten. Vor diesem Gang zog sich eine offene Halle hin, und
am Ende dieser Anlagen stand ein Gartenhaus, des Besitzers Lieb-
lingsaufenthalt, nach seinen eigenen Angaben erbaut. Es enthielt
eine nach der Sonnenseite zu liegende Stube zum Winteraufenthalt,
und davor ein Kabinet mit einem Ruhebett und zwei Armsesseln.
Auch von hier aus genoß man einer herrlichen und wechselnden Aus-
sicht. Ein Nacht= und Schlafgemach, von einem Gange umfaßt und
deßhalb von allem äußern Lärm abgeschlossen; ein kleines Wärm-
zimmer und ein Vorzimmer vollenden die innere Einrichtung. Pli-
nius zog sich in dieses Gartenhaus — er nennt es einmal so, ob-
gleich doch die ganze Villa im Garten liegt — gern während der
Saturnalien zurück, um dem lärmenden Treiben seines Hauswesens
zu entgehen. Die römischen Saturnalien, ein Freudenfest zum An-
denken an die glückliche Regierung des Saturnus in Latium gefeiert,
fielen in unsere Weihnachtszeit ( vom 17. Dezember an ) und waren
Tage des Jubels und der Ausgelassenheit, an denen man sich gegen-
seitig beschenkte und sich den Freuden der Tafel und den Genüssen
des Schauspiels hingab. Eine besondere Eigenthümlichkeit des Festes
war die, daß die Sklaven ihren Launen freies Spiel lassen durften,
ja sogar bei Tische von ihren Herren bedient wurden. Die Be-
lustigungen mochte Plinius den Seinen wohl gönnen, aber selbst nicht
mitmachen; deßhalb schloß er sich in sein Gartenhäuschen ein.

Einen Bach gab es bei dieser Villa nicht, und das erschien dem
Besitzer als ein Mangel, obgleich es an Wasser durchaus nicht fehle,
da man überall am Ufer einschlagen könne und auf gutes Trink-
wasser stoße. Holz lieferten die benachbarten Wälder, Seekrebse und
gemeine Fische das Meer, die anderen Bedürfnisse waren sehr leicht
aus Ostia zu beziehen.

Jn einem benachbarten Flecken gab es auch Bäder, die gebraucht
werden konnten, wenn es sich bei zu kurzem Aufenthalt oder zu spätem
Eintreffen auf der Villa nicht lohnte, die eigenen erst zu heizen.

Das sind die Herrlichkeiten seiner „kleinen laurentinischen Villa“,
die der Besitzer seinen Freund Gallus, an den der Brief adressirt ist,
einladet, selbst in Augenschein zu nehmen.

Der andere Brief ( der sechste des fünften Buchs ) , an einen ge-
wissen Domitius Apollinaris gerichtet, liefert die Beschreibung eines
andern Landguts, welches im tuskischen Gebiet lag. Es würde
[Ende Spaltensatz]

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[183/0007] 183 Römische Landhäuser. ( Schluß. ) Als hervorragende Villen und Gärten werden uns genannt die des Lukullus ( † 56 v. Chr. ) , dessen fürstlicher Reichthum fast sprich- wörtlich geworden war, wie auch sein Name zur Bezeichnung üppiger Schmausereien noch heut herhalten muß; die des Kaisers Augustus, des großen Pompejus, des Redners Cicero, der Kaiser Nero, Hadrian u. A. Der Dichter Catullus besaß eine reizende Villa im Gebiet von Verona, auf der in den Gardasee hineinragenden Halb- insel Sirmio — jetzt Sermione — deren anmuthige Lage er in einem seiner Gedichte besingt. Noch heut ragen Trümmermassen der- selben in die Luft, die Ruine einer großen Bogenhalle; unfern zeigen sich Grotten und die Reste eines Bades, von dessen Mosaikfußboden die arbeitende Hand in den benachbarten Maisfeldern nicht selten Stücke zu Tage fördert. Jn den Grotten, die sonst nach dem phan- tastischen Glauben von Nymphen bewohnt wurden, birgt sich jetzt der höchst unätherische Ziegenhirt vor ausbrechenden Wettern, der sich jetzt da die Langeweile auf der Pansflöte vertreibt, wo einst des gottbegeisterten Sängers Leier ertönte. Sic transit gloria mundi! Aber diese und andere Reste, die hier und da unter tausendjähri- gem Schutt hervorgescharrt werden, unterrichten uns höchstens über den Umfang und einzelne Punkte derartiger Bauanlagen des Alter- thums; wir müssen, um uns ein Bild von einer römischen Villa machen zu können, die schriftlichen Ueberlieferungen der alten Literatur zu Hülfe nehmen, und hier sind es, abgesehen von den Angaben des römischen Architekten Vitruvius und des Varro in seinen landwirth- schaftlichen Schriften, ganz besonders zwei Briefe des jüngeren Pli- nius, die Beachtung verdienen, weil er in ihnen mit Vorliebe und ziemlicher Ausführlichkeit zwei seiner Landhäuser beschreibt. Dieser Plinius ( geb. 62 n. Chr. ) , der Neffe des gleichnamigen Verfassers der bekannten Naturgeschichte, eines ziemlich planlosen Sammelwerks allerdings für den Alterthumsforscher oft unschätzbarer Notizen, war, wenn auch nicht besonders mit Gaben des Geistes, ob- gleich er neben dem Historiker Tacitus für die bedeutendste Kapazität seiner Zeit galt, um so mehr mit Glücksgütern gesegnet. Von einer Reihe von Landgütern, die er besaß, hat ihm die Beschreibung seiner beiden Lieblingssitze, des Laurentinums und Tuskums, Stoff zu den erwähnten Briefen seiner Sammlung gegeben. Diese Schriftstücke mögen auf uns allerdings den Eindruck von Schularbeiten machen, denn unsere ernste und arbeitsvolle Zeit findet die Muße zu der- artigem Briefwechsel, bei welchem es sich vielfach nur um Zeitvertreib gehandelt zu haben scheint, nicht mehr und begreift deßhalb derartige Produkte nicht recht; aber sie sind uns in archäologischer Hinsicht von großer Wichtigkeit geworden, und wir müssen deßhalb dem Brief- schreiber immerhin dankbar für seine Mühe sein, durch die es der Nachwelt ermöglicht ist, einen Blick in eine interessante, aber sonst noch ziemlich dunkle Partie des römischen Kulturlebens zu thun. Man möchte vielleicht einen Zug von Jronie darin erblicken, daß Plinius in einem der Briefe die betreffende Villa ein „bescheidenes Haus“ nennt; indessen mag er in seinem Sinne Recht haben, denn es gab noch viel umfangreichere Anlagen dieser Art, als die seinige war. Es dürfte sich wohl der Mühe lohnen, einen Blick in diese Schriftstücke zu werfen, um sich eine Vorstellung von der „bescheidenen Wohnung“ eines vor- nehmen Römers zu machen. Ein Bild seines Landhauses bei Laurentum, unweit der Meeres- küste, siebzehn Millien von Rom entfernt, entwirft uns der Besitzer im siebzehnten Brief des zweiten Buchs seiner Sammlung, nachdem er die Annehmlichkeiten der beiden dorhin führenden Wege, die dem Reisenden den anmuthigsten Wechsel von Wald und Auen böten, hervorgehoben. Vornan lag ein Atrium, ein in keinem römischen Hause fehlendes Vorhaus, mit Sparsamkeit — was Plinius darunter verstanden haben mag — eingerichtet, aber doch nicht ärmlich, an welches sich ein runder Säulengang mit Glasfenstern und weit über- tretendem Dach anschloß, in dem, so wie in dem in der Mitte liegen- den kleinen aber hübschen Hof, der Aufenthalt bei stürmischer Wit- terung ein sehr angenehmer war. Daran stieß ein freundlicher Saal, und an diesen ein Speisezimmer, das sich nach dem Strande zu öffnete und bei hochgehender See vom Wellenschaum bespritzt wurde. Nach allen Seiten hin hatte es große Fenster und bot eine reizende Aussicht auf das Meer, und durch die vorher beschriebenen Räum- lichkeiten hindurch auf die im Rücken der Villa liegenden Bergwälder. Zur Linken dieses Speisezimmers, etwas zurücktretend, lag ein großes Gemach, dem ein kleineres folgte, in welchem man aus einem Fenster die Sonne auf=, aus einem andern untergehen sehen konnte. Durch die Stellung dieses Gemachs zu dem Speisezimmer entstand ein Winkel, den der Besitzer wegen seiner schattigen und windstillen Lage zum Turnplatz gemacht hatte. Hieran schloß sich ein kreisrunder Raum, aus dessen Fenstern man den Umlauf der Sonne beobachten konnte; in die Wände waren Schränke mit Büchern, aber jedenfalls leichteren Jnhalts, eingelassen, denn der Briefschreiber meint, sie seien mehr zum Durchblättern als zum Lesen. Verbunden mit diesem pavillonartigen Zimmer war ein Schlafgemach. Hinterwärts schloß sich eine Reihe von Räumlichkeiten an, die zum Aufenthalt der Skla- ven dienten, aber im Nothfall auch mit als Gastzimmer benutzt werden konnten. Rechts vom Atrium wird zunächst ein geschmackvolles Zimmer, jedenfalls ein Empfangszimmer, erwähnt, dem sich ein ähnliches an- schloß, das auch als Eßsaal benutzt werden konnte, sonnig und mit der Aussicht aufs Meer. Dahinter lag ein Kabinet mit Vorzimmer, für den Sommer= und Winteraufenthalt eingerichtet. Eine Reihe ähnlicher Lokalitäten setzte sich von diesen aus fort. Weiterhin lagen die Bäder: zunächst ein Zimmer zum Abkühlen, von beträchtlichem Umfang und mit zwei Schwimmbassins versehen; ein Zimmer, wo man sich nach dem Bade salbte; eine Wärmstube mit darunter befind- lichem Heizapparat und demnächst zwei mehr zierliche, als großartige Zimmer, also wohl Boudoirs in unserem Sinne. Jn der Nähe be- fand sich ein anderes Bad mit erwärmtem Wasser, auch zum Schwim- men eingerichtet, und zwar so, daß die Schwimmer das Meer vor Augen hatten; es muß also wohl frei gelegen haben. Ein Platz zum Ballspiel war nicht weit davon. Hier erhob sich auch ein Thurm, unter welchem zwei Gemächer lagen; eben so viel enthielt er selbst, und außerdem noch einen Speise- saal, der eine Rundschau über das Meer und die umliegende Land- schaft gestattete. Ueberall wird die schöne Aussicht hervorgehoben — ein Zeichen, daß die Alten auch an landschaftlichen Schönheiten, was vielfach ge- leugnet wird, ihre Freude hatten. Außer diesem war noch ein zweiter Thurm vorhanden, enthaltend einen großen Lagerraum für den Wein und einen Speicher; darunter einen Speisesaal, worin man vom Toben des Meeres nur einen leisen Widerhall vernahm. Von da aus hatte man die Aussicht auf den Garten und die denselben umgebende Promenade, welche mit Buxbaum und Rosmarin bepflanzt war. An der inneren Reihe dieser Allee war eine Weinlaube angebracht, deren weichen Fußboden Plinius rühmt; man habe darin barfuß gehen können, jedenfalls war sie mit sehr feinem Sande bestreut. Auf diese Partie blickte man von einem dem Meere abgelegenen Speisezimmer aus, an dessen Rück- seite sich zwei Reihen Gemächer anschlossen, unter deren Fenstern sich ein Vorplatz und ein fruchtbarer Küchengarten ausbreitete. Von hier ging eine verdeckte Halle aus, fast von der Größe einer öffentlichen, mit Fenstern auf beiden Seiten und der Aussicht auf die See und den Garten. Vor diesem Gang zog sich eine offene Halle hin, und am Ende dieser Anlagen stand ein Gartenhaus, des Besitzers Lieb- lingsaufenthalt, nach seinen eigenen Angaben erbaut. Es enthielt eine nach der Sonnenseite zu liegende Stube zum Winteraufenthalt, und davor ein Kabinet mit einem Ruhebett und zwei Armsesseln. Auch von hier aus genoß man einer herrlichen und wechselnden Aus- sicht. Ein Nacht= und Schlafgemach, von einem Gange umfaßt und deßhalb von allem äußern Lärm abgeschlossen; ein kleines Wärm- zimmer und ein Vorzimmer vollenden die innere Einrichtung. Pli- nius zog sich in dieses Gartenhaus — er nennt es einmal so, ob- gleich doch die ganze Villa im Garten liegt — gern während der Saturnalien zurück, um dem lärmenden Treiben seines Hauswesens zu entgehen. Die römischen Saturnalien, ein Freudenfest zum An- denken an die glückliche Regierung des Saturnus in Latium gefeiert, fielen in unsere Weihnachtszeit ( vom 17. Dezember an ) und waren Tage des Jubels und der Ausgelassenheit, an denen man sich gegen- seitig beschenkte und sich den Freuden der Tafel und den Genüssen des Schauspiels hingab. Eine besondere Eigenthümlichkeit des Festes war die, daß die Sklaven ihren Launen freies Spiel lassen durften, ja sogar bei Tische von ihren Herren bedient wurden. Die Be- lustigungen mochte Plinius den Seinen wohl gönnen, aber selbst nicht mitmachen; deßhalb schloß er sich in sein Gartenhäuschen ein. Einen Bach gab es bei dieser Villa nicht, und das erschien dem Besitzer als ein Mangel, obgleich es an Wasser durchaus nicht fehle, da man überall am Ufer einschlagen könne und auf gutes Trink- wasser stoße. Holz lieferten die benachbarten Wälder, Seekrebse und gemeine Fische das Meer, die anderen Bedürfnisse waren sehr leicht aus Ostia zu beziehen. Jn einem benachbarten Flecken gab es auch Bäder, die gebraucht werden konnten, wenn es sich bei zu kurzem Aufenthalt oder zu spätem Eintreffen auf der Villa nicht lohnte, die eigenen erst zu heizen. Das sind die Herrlichkeiten seiner „kleinen laurentinischen Villa“, die der Besitzer seinen Freund Gallus, an den der Brief adressirt ist, einladet, selbst in Augenschein zu nehmen. Der andere Brief ( der sechste des fünften Buchs ) , an einen ge- wissen Domitius Apollinaris gerichtet, liefert die Beschreibung eines andern Landguts, welches im tuskischen Gebiet lag. Es würde

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 23. Berlin, 7. Juni 1868, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt23_1868/7>, abgerufen am 04.06.2024.