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Sonntags-Blatt. Nr. 15. Berlin, 12. April 1868.

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[Beginn Spaltensatz] ihren Aemtern verbleibenden Priester, sich mit dem zu begnügen, was
die Laien ihnen freiwillig zukommen ließen -- gewiß eine bittere Pille
für an ein üppiges Leben gewohnte Leute! Während aber Arnold
reformirte, wählte das Kardinal=Kollegium den Abt des Cistercienser-
Klosters von St. Anastasius zu Rom zum Papst. Der neue,
" Eugen III." sich nennende Papst verlangte, eben so vergeblich wie
seine Vorgänger, von Rom Unterwerfung. Er mußte, wie sie, außer-
halb der rebellischen "heiligen Stadt" seinen Sitz nehmen, bis es ihm
gelang, den mächtigen Normannen=König Roger von Neapel und
Sicilien für sich zu gewinnen, welcher ihm Rom mit gewaffneter
Hand wiederverschaffte. Damit hatte dann, Ausgangs des Jahres
1150, die neu erstandene "römische Republik" ein Ende; mit ihr auch
Arnolds reformatorische Wirksamkeit in derselben und was er dort
eingerichtet. Er selbst fand zwar, aus Rom flüchtig, bei ein Paar
oberitalienischen Großen Schutz, aber seiner Laufbahn war dennoch
das Ziel gesteckt. Reformen und Reformations=Jdeen, von einem
versteckten Winkel Ober=Jtaliens ausgehend, hatten lange nicht das
Gewicht wie solche, welche auf dem Kapitol ihre Geburtsstätte fanden
und in der Stadt sich vollzogen, welche man noch immer als die
Hauptstadt der abendländischen Christenheit zu betrachten gewöhnt war.

Zwar revoltirten die Römer nach dem Tode Eugens III. ( 1153 )
noch einmal, aber ihre Unabhängigkeit dauerte nur so lange, als das
kurze Pontifikat Anastasius' IV., d. h. nur wenige Monate. Der
energische Nikolaus Breackspeare, welcher ihm als " Hadrian IV."
schon Anfangs 1154 auf dem päpstlichen Thron folgte, ein Mann,
welcher sich durch eigene Kraft aus den niedrigsten Verhältnissen -- er
war in seiner Jugend Bedienter gewesen -- zu den höchsten kirchlichen
Würden emporgeschwungen hatte, wußte durch Androhung des Bannes
und strengen weltlichen Gerichts die Römer alsbald zur Unterwerfung
und völliger Lossagung von Arnold zu vermögen. Dieser gab seine
Sache jedoch noch keineswegs verloren, sondern wandte sich direkt an
den deutschen König Friedrich I., der eben damals auf seinem Römer-
zuge begriffen war. Allein seine Bemühungen, den König für seine
Reformpläne zu gewinnen, scheiterten gänzlich. Friedrich Barbarossa
war allerdings ein Feind hierarchischer Anmaßungen und durchaus
nicht blind für die zahlreichen äußeren und inneren Gebrechen der
Kirche seiner Zeit, allein er war auch eben so sehr ein Gegner dema-
gogischer Bestrebungen, und Priestermacht und Volksfreiheit waren ihm
[Spaltenumbruch] gleich ungelegen. Ueberdies war er ja auch auf seinem "Römerzuge"
begriffen, d. h. er wünschte zu Rom aus der Hand des Papstes die
römische Kaiserkrone zu empfangen. Deßhalb war ihm daran gelegen,
mit dem "Nachfolger Petri", um jede Weiterung zu vermeiden,
zunächst in gutem Einvernehmen zu stehen. Jn diesem Bestreben kam
ihm der Papst entgegen, indem er den König wissen ließ, er sei nicht
nur bereit, ihn ohne jede Bedingung als "echten römischen Kaiser und
Herrn der christlichen Welt" zu krönen, sondern auch seine Ober= und
Schutzhoheit über die Stadt und das Gebiet von Rom anzuerkennen
und ihm das, allerdings von den Kaisern nie völlig und förmlich
aufgegebene, thatsächlich aber seit achtzig Jahren nicht mehr aus-
geübte Recht zuzugestehen, zur Wahrnehmung seines oberherrlichen
Aufsichtsrechts in weltlichen Dingen in Rom einen Präfekten oder
Burggrafen unterhalten zu dürfen. Das waren Anerbietungen, wie
Friedrich sie sich gar nicht besser wünschen konnte, und als Gegen-
dienst verlangte der heilige Vater nichts weiter, als daß ihm der
"Erzketzer" Arnold von Brescia ausgeliefert werde, um zur Rechen-
schaft gezogen zu werden. Welch eine bedeutende Person mußte doch
dieser "Erzketzer und Jrrlehrer" sein, daß um ihretwillen der Papst
zu so großen Zugeständnissen sich herbeiließ!

Leider ging der König -- es ist dies ein dunkler Fleck in seinem
Heldenleben -- auf den schändlichen Handel ein. Zwar befand Arnold
sich, als derselbe abgeschlossen wurde, nicht mehr im Gefolge des Kö-
nigs, aber an einem, diesem bekannten Ort in Campanien. Hier ließ
Friedrich I. ihn aufgreifen und gefesselt dem Papst überliefern. Dieser
ließ ihn durch ein von ihm aus Kardinälen und höheren Geistlichen
willkürlich zusammengesetztes Gericht als "hartnäckigen Ketzer, Jrr-
lehrer und Rebellen gegen göttliche und weltliche Autorität" zum
Feuertode
verurtheilen. Dieses Bluturtheil ward dann auch an
dem schuldlosen und bis zum letzten Augenblick ungebeugten Mann
zu Rom im Jahre 1155 vollzogen, seine Asche aber, weil man die
Verehrung seiner Reliquien fürchtete, in die Tiber gestreut.

Solches war das Ende eines Mannes, welcher, selbst ein Geist-
licher, es gewagt, an der damals die Welt in Banden haltenden
Priester= und Papstmacht zu rütteln und mit Wort und That gegen
deren weltlichen Besitz anzukämpfen; der Erste, welcher auf die Un-
vereinbarkeit weltlicher Hoheit und priesterlichen Amtes aufmerksam
gemacht hat, und dies vor bereits siebenhundert Jahren!

[Ende Spaltensatz]

Lose Blätter.
[Beginn Spaltensatz]

W. Beaumarchais, der dichterische Vertreter des französischen Bürger-
standes, der rüstige Kämpfer gegen das Vorrecht, war der Sohn eines ein-
fachen Uhrmachers. Durch sein musikalisches Talent schaffte er sich Zutritt
bei Hofe, erwarb sich durch den Handel ein bedeutendes Vermögen und
durch die Führung mehrerer Prozesse Ansehn und Achtung, auch in den
höchsten aristokratischen Kreisen. Eines Tages traf ihn ein Höfling in der
Galerie von Versailles. "Siehe da, Herr von Beaumarchais, das trifft
sich ja gut. Meine Uhr ist in Unordnung; thun Sie mir den Gefallen,
einmal danach zu sehen". "Gern", erwiderte Beaumarchais, "aber ich
sage Jhnen im Voraus, Herr Marquis, daß ich sehr ungeschickt bin".
"Nichts als Bescheidenheit! Jch bitte Sie, sehen Sie danach". Beau-
marchais nimmt die Uhr und läßt sie auf das Pflaster fallen. "Bitte
tausendmal um Entschuldigung, Herr Marquis; aber ich habe Jhnen ja
vorher gesagt, daß ich ungeschickt sei!"



M. Tönender Sand. Die Naturerscheinung des tönenden Sandes,
welche man zuerst am Dschebel Nakus und Reg=Rawan in Arabien wahr-
nahm und die vor einigen Jahren auf der schottischen Jnsel Eigg be-
obachtet worden, ist neuerdings auch im Strandsande bei Kolberg zur
Wahrnehmung gekommen. Das Phänomen tritt dort nicht immer und
nur unter der Vorbedingung ein, daß der Sand von den brandenden
Wellen zuerst durchfeuchtet und dann von der darauf scheinenden Sonne
bis zur Tiefe von etwa einem Fuß wieder ausgetrocknet worden ist. Das
tönende Klingen wird dann beim bloßen Darübergehen wahrnehmbar;
stößt man aber mit dem Fuß in schiefer Richtung auf den Sand, dann
werden die Töne so laut und scharf, daß sie weithin hörbar sind.



J. Wider die Frömmelei. Vor beiläufig zweihundertzwanzig Jahren
schrieb der wahrhaft fromme und deßhalb eben aller Frömmelei feindliche
berühmte Mathematiker Blaise Pascal ( geb. 1623, gest. 1662 ) : " La devo-
tion est une manie, qui vient surtout aux femmes d'un certain age
comme une maladie ou comme une mode, qu'il faut suivre
", d. h.:
"Die Frömmigkeit ist eine Manie, welche besonders Frauen eines gewissen
Alters wie eine Krankheit überkommt, oder wie eine Mode, die man mit-
[Spaltenumbruch] machen muß". Aehnlich äußerte sich sein Landsmann und Zeitgenosse, der
geistreiche Herzog de la Rochefoucauld: " La religion est la derniere de
nos passions amoureuses
", d. h.: "Die Religion ist die letzte unserer
Liebschaften". Eine Aeußerung, welche ihm sehr verübelt wurde, und welche
man doch, gleich der vorher erwähnten Pascals, nur zutreffend finden kann,
wenn man an die "Bekehrungen" eines Ludwig XIV., einer Christine von
Schweden, einer Juliane von Krüdner, einer Gräfin Jda Hahn=Hahn und
anderer "fromm" gewordenen Frauen und Männer denkt.



M. Ein Fürstenbrief. Katharina von Rußland erhielt von dem per-
sischen Schah ein Schreiben, das folgende merkwürdige Stelle enthielt:
"Jch hoffe, meine vielgeliebte Schwester, Gott werde Dich vor der Liebe
zu starken Getränken bewahren. Jch, der ich Dir schreibe, habe
Augen wie Rubinen, eine Nase gleich einem Karfunkel, und die
Wangen glühen mir wie von Feuer, weil ich mich jener unglücklichen
Neigung hingegeben habe; auch muß ich nun meine Tage und Nächte auf
dem Bett des Jammers verbringen."



+ Auf dem Grabe des Kammersängers Pinto in Madrid prangt
folgende Grabschrift:

Hier ruht Juan Pinto, Spaniens Orpheus. Bei seiner Ankunft im
Himmel vermischte sich seine Stimme mit der der Engel. Kaum aber
hörte ihn der Herr, als er so entzückt war, daß er seinen himmlischen
Chören zurief: "Schweigt und laßt meinen Kammermusiker Juan Pinto
singen!"



Briefkasten.

A. C. M. in B.: Besten Dank. Möglichst bald. -- Ph. M. in
Wiesbaden: Jst bereits besorgt. -- Hugo E. in Berlin: Soll mit
Dank gelegentlich benutzt werden. -- Paul K. in Sch.: Nicht recht ge-
eignet für unser Blatt. -- A. R. in C.: Einstweilen besten Dank. Das
Andere erfolgt sehr bald. -- F. H. in B.: Wenn wir einen geeigneten
"Fortsetzer" fänden, sehr gern. -- Dr. B. in Cr.: Mit Dank erhalten.

[Ende Spaltensatz]

Zur Besprechung die Redaktion betreffender Angelegenheiten ist der Redakteur dieses Blattes jeden Montag und Dienstag von
12 bis 2 Uhr in dem Redaktionsbureau, Potsdamerstraße Nr. 20, anwesend, wohin auch alle Zusendungen erbeten werden.



Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. -- Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

[Beginn Spaltensatz] ihren Aemtern verbleibenden Priester, sich mit dem zu begnügen, was
die Laien ihnen freiwillig zukommen ließen — gewiß eine bittere Pille
für an ein üppiges Leben gewohnte Leute! Während aber Arnold
reformirte, wählte das Kardinal=Kollegium den Abt des Cistercienser-
Klosters von St. Anastasius zu Rom zum Papst. Der neue,
Eugen III.“ sich nennende Papst verlangte, eben so vergeblich wie
seine Vorgänger, von Rom Unterwerfung. Er mußte, wie sie, außer-
halb der rebellischen „heiligen Stadt“ seinen Sitz nehmen, bis es ihm
gelang, den mächtigen Normannen=König Roger von Neapel und
Sicilien für sich zu gewinnen, welcher ihm Rom mit gewaffneter
Hand wiederverschaffte. Damit hatte dann, Ausgangs des Jahres
1150, die neu erstandene „römische Republik“ ein Ende; mit ihr auch
Arnolds reformatorische Wirksamkeit in derselben und was er dort
eingerichtet. Er selbst fand zwar, aus Rom flüchtig, bei ein Paar
oberitalienischen Großen Schutz, aber seiner Laufbahn war dennoch
das Ziel gesteckt. Reformen und Reformations=Jdeen, von einem
versteckten Winkel Ober=Jtaliens ausgehend, hatten lange nicht das
Gewicht wie solche, welche auf dem Kapitol ihre Geburtsstätte fanden
und in der Stadt sich vollzogen, welche man noch immer als die
Hauptstadt der abendländischen Christenheit zu betrachten gewöhnt war.

Zwar revoltirten die Römer nach dem Tode Eugens III. ( 1153 )
noch einmal, aber ihre Unabhängigkeit dauerte nur so lange, als das
kurze Pontifikat Anastasius' IV., d. h. nur wenige Monate. Der
energische Nikolaus Breackspeare, welcher ihm als „ Hadrian IV.“
schon Anfangs 1154 auf dem päpstlichen Thron folgte, ein Mann,
welcher sich durch eigene Kraft aus den niedrigsten Verhältnissen — er
war in seiner Jugend Bedienter gewesen — zu den höchsten kirchlichen
Würden emporgeschwungen hatte, wußte durch Androhung des Bannes
und strengen weltlichen Gerichts die Römer alsbald zur Unterwerfung
und völliger Lossagung von Arnold zu vermögen. Dieser gab seine
Sache jedoch noch keineswegs verloren, sondern wandte sich direkt an
den deutschen König Friedrich I., der eben damals auf seinem Römer-
zuge begriffen war. Allein seine Bemühungen, den König für seine
Reformpläne zu gewinnen, scheiterten gänzlich. Friedrich Barbarossa
war allerdings ein Feind hierarchischer Anmaßungen und durchaus
nicht blind für die zahlreichen äußeren und inneren Gebrechen der
Kirche seiner Zeit, allein er war auch eben so sehr ein Gegner dema-
gogischer Bestrebungen, und Priestermacht und Volksfreiheit waren ihm
[Spaltenumbruch] gleich ungelegen. Ueberdies war er ja auch auf seinem „Römerzuge“
begriffen, d. h. er wünschte zu Rom aus der Hand des Papstes die
römische Kaiserkrone zu empfangen. Deßhalb war ihm daran gelegen,
mit dem „Nachfolger Petri“, um jede Weiterung zu vermeiden,
zunächst in gutem Einvernehmen zu stehen. Jn diesem Bestreben kam
ihm der Papst entgegen, indem er den König wissen ließ, er sei nicht
nur bereit, ihn ohne jede Bedingung als „echten römischen Kaiser und
Herrn der christlichen Welt“ zu krönen, sondern auch seine Ober= und
Schutzhoheit über die Stadt und das Gebiet von Rom anzuerkennen
und ihm das, allerdings von den Kaisern nie völlig und förmlich
aufgegebene, thatsächlich aber seit achtzig Jahren nicht mehr aus-
geübte Recht zuzugestehen, zur Wahrnehmung seines oberherrlichen
Aufsichtsrechts in weltlichen Dingen in Rom einen Präfekten oder
Burggrafen unterhalten zu dürfen. Das waren Anerbietungen, wie
Friedrich sie sich gar nicht besser wünschen konnte, und als Gegen-
dienst verlangte der heilige Vater nichts weiter, als daß ihm der
„Erzketzer“ Arnold von Brescia ausgeliefert werde, um zur Rechen-
schaft gezogen zu werden. Welch eine bedeutende Person mußte doch
dieser „Erzketzer und Jrrlehrer“ sein, daß um ihretwillen der Papst
zu so großen Zugeständnissen sich herbeiließ!

Leider ging der König — es ist dies ein dunkler Fleck in seinem
Heldenleben — auf den schändlichen Handel ein. Zwar befand Arnold
sich, als derselbe abgeschlossen wurde, nicht mehr im Gefolge des Kö-
nigs, aber an einem, diesem bekannten Ort in Campanien. Hier ließ
Friedrich I. ihn aufgreifen und gefesselt dem Papst überliefern. Dieser
ließ ihn durch ein von ihm aus Kardinälen und höheren Geistlichen
willkürlich zusammengesetztes Gericht als „hartnäckigen Ketzer, Jrr-
lehrer und Rebellen gegen göttliche und weltliche Autorität“ zum
Feuertode
verurtheilen. Dieses Bluturtheil ward dann auch an
dem schuldlosen und bis zum letzten Augenblick ungebeugten Mann
zu Rom im Jahre 1155 vollzogen, seine Asche aber, weil man die
Verehrung seiner Reliquien fürchtete, in die Tiber gestreut.

Solches war das Ende eines Mannes, welcher, selbst ein Geist-
licher, es gewagt, an der damals die Welt in Banden haltenden
Priester= und Papstmacht zu rütteln und mit Wort und That gegen
deren weltlichen Besitz anzukämpfen; der Erste, welcher auf die Un-
vereinbarkeit weltlicher Hoheit und priesterlichen Amtes aufmerksam
gemacht hat, und dies vor bereits siebenhundert Jahren!

[Ende Spaltensatz]

Lose Blätter.
[Beginn Spaltensatz]

W. Beaumarchais, der dichterische Vertreter des französischen Bürger-
standes, der rüstige Kämpfer gegen das Vorrecht, war der Sohn eines ein-
fachen Uhrmachers. Durch sein musikalisches Talent schaffte er sich Zutritt
bei Hofe, erwarb sich durch den Handel ein bedeutendes Vermögen und
durch die Führung mehrerer Prozesse Ansehn und Achtung, auch in den
höchsten aristokratischen Kreisen. Eines Tages traf ihn ein Höfling in der
Galerie von Versailles. „Siehe da, Herr von Beaumarchais, das trifft
sich ja gut. Meine Uhr ist in Unordnung; thun Sie mir den Gefallen,
einmal danach zu sehen“. „Gern“, erwiderte Beaumarchais, „aber ich
sage Jhnen im Voraus, Herr Marquis, daß ich sehr ungeschickt bin“.
„Nichts als Bescheidenheit! Jch bitte Sie, sehen Sie danach“. Beau-
marchais nimmt die Uhr und läßt sie auf das Pflaster fallen. „Bitte
tausendmal um Entschuldigung, Herr Marquis; aber ich habe Jhnen ja
vorher gesagt, daß ich ungeschickt sei!“



M. Tönender Sand. Die Naturerscheinung des tönenden Sandes,
welche man zuerst am Dschebel Nakus und Reg=Rawan in Arabien wahr-
nahm und die vor einigen Jahren auf der schottischen Jnsel Eigg be-
obachtet worden, ist neuerdings auch im Strandsande bei Kolberg zur
Wahrnehmung gekommen. Das Phänomen tritt dort nicht immer und
nur unter der Vorbedingung ein, daß der Sand von den brandenden
Wellen zuerst durchfeuchtet und dann von der darauf scheinenden Sonne
bis zur Tiefe von etwa einem Fuß wieder ausgetrocknet worden ist. Das
tönende Klingen wird dann beim bloßen Darübergehen wahrnehmbar;
stößt man aber mit dem Fuß in schiefer Richtung auf den Sand, dann
werden die Töne so laut und scharf, daß sie weithin hörbar sind.



J. Wider die Frömmelei. Vor beiläufig zweihundertzwanzig Jahren
schrieb der wahrhaft fromme und deßhalb eben aller Frömmelei feindliche
berühmte Mathematiker Blaise Pascal ( geb. 1623, gest. 1662 ) : „ La dévo-
tion est une manie, qui vient surtout aux femmes d'un certain âge
comme une maladie ou comme une mode, qu'il faut suivre
“, d. h.:
„Die Frömmigkeit ist eine Manie, welche besonders Frauen eines gewissen
Alters wie eine Krankheit überkommt, oder wie eine Mode, die man mit-
[Spaltenumbruch] machen muß“. Aehnlich äußerte sich sein Landsmann und Zeitgenosse, der
geistreiche Herzog de la Rochefoucauld: „ La religion est la dernière de
nos passions amoureuses
“, d. h.: „Die Religion ist die letzte unserer
Liebschaften“. Eine Aeußerung, welche ihm sehr verübelt wurde, und welche
man doch, gleich der vorher erwähnten Pascals, nur zutreffend finden kann,
wenn man an die „Bekehrungen“ eines Ludwig XIV., einer Christine von
Schweden, einer Juliane von Krüdner, einer Gräfin Jda Hahn=Hahn und
anderer „fromm“ gewordenen Frauen und Männer denkt.



M. Ein Fürstenbrief. Katharina von Rußland erhielt von dem per-
sischen Schah ein Schreiben, das folgende merkwürdige Stelle enthielt:
„Jch hoffe, meine vielgeliebte Schwester, Gott werde Dich vor der Liebe
zu starken Getränken bewahren. Jch, der ich Dir schreibe, habe
Augen wie Rubinen, eine Nase gleich einem Karfunkel, und die
Wangen glühen mir wie von Feuer, weil ich mich jener unglücklichen
Neigung hingegeben habe; auch muß ich nun meine Tage und Nächte auf
dem Bett des Jammers verbringen.“



Auf dem Grabe des Kammersängers Pinto in Madrid prangt
folgende Grabschrift:

Hier ruht Juan Pinto, Spaniens Orpheus. Bei seiner Ankunft im
Himmel vermischte sich seine Stimme mit der der Engel. Kaum aber
hörte ihn der Herr, als er so entzückt war, daß er seinen himmlischen
Chören zurief: „Schweigt und laßt meinen Kammermusiker Juan Pinto
singen!“



Briefkasten.

A. C. M. in B.: Besten Dank. Möglichst bald. — Ph. M. in
Wiesbaden: Jst bereits besorgt. — Hugo E. in Berlin: Soll mit
Dank gelegentlich benutzt werden. — Paul K. in Sch.: Nicht recht ge-
eignet für unser Blatt. — A. R. in C.: Einstweilen besten Dank. Das
Andere erfolgt sehr bald. — F. H. in B.: Wenn wir einen geeigneten
„Fortsetzer“ fänden, sehr gern. — Dr. B. in Cr.: Mit Dank erhalten.

[Ende Spaltensatz]

☞ Zur Besprechung die Redaktion betreffender Angelegenheiten ist der Redakteur dieses Blattes jeden Montag und Dienstag von
12 bis 2 Uhr in dem Redaktionsbureau, Potsdamerstraße Nr. 20, anwesend, wohin auch alle Zusendungen erbeten werden.



Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. — Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

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[120/0008] 120 ihren Aemtern verbleibenden Priester, sich mit dem zu begnügen, was die Laien ihnen freiwillig zukommen ließen — gewiß eine bittere Pille für an ein üppiges Leben gewohnte Leute! Während aber Arnold reformirte, wählte das Kardinal=Kollegium den Abt des Cistercienser- Klosters von St. Anastasius zu Rom zum Papst. Der neue, „ Eugen III.“ sich nennende Papst verlangte, eben so vergeblich wie seine Vorgänger, von Rom Unterwerfung. Er mußte, wie sie, außer- halb der rebellischen „heiligen Stadt“ seinen Sitz nehmen, bis es ihm gelang, den mächtigen Normannen=König Roger von Neapel und Sicilien für sich zu gewinnen, welcher ihm Rom mit gewaffneter Hand wiederverschaffte. Damit hatte dann, Ausgangs des Jahres 1150, die neu erstandene „römische Republik“ ein Ende; mit ihr auch Arnolds reformatorische Wirksamkeit in derselben und was er dort eingerichtet. Er selbst fand zwar, aus Rom flüchtig, bei ein Paar oberitalienischen Großen Schutz, aber seiner Laufbahn war dennoch das Ziel gesteckt. Reformen und Reformations=Jdeen, von einem versteckten Winkel Ober=Jtaliens ausgehend, hatten lange nicht das Gewicht wie solche, welche auf dem Kapitol ihre Geburtsstätte fanden und in der Stadt sich vollzogen, welche man noch immer als die Hauptstadt der abendländischen Christenheit zu betrachten gewöhnt war. Zwar revoltirten die Römer nach dem Tode Eugens III. ( 1153 ) noch einmal, aber ihre Unabhängigkeit dauerte nur so lange, als das kurze Pontifikat Anastasius' IV., d. h. nur wenige Monate. Der energische Nikolaus Breackspeare, welcher ihm als „ Hadrian IV.“ schon Anfangs 1154 auf dem päpstlichen Thron folgte, ein Mann, welcher sich durch eigene Kraft aus den niedrigsten Verhältnissen — er war in seiner Jugend Bedienter gewesen — zu den höchsten kirchlichen Würden emporgeschwungen hatte, wußte durch Androhung des Bannes und strengen weltlichen Gerichts die Römer alsbald zur Unterwerfung und völliger Lossagung von Arnold zu vermögen. Dieser gab seine Sache jedoch noch keineswegs verloren, sondern wandte sich direkt an den deutschen König Friedrich I., der eben damals auf seinem Römer- zuge begriffen war. Allein seine Bemühungen, den König für seine Reformpläne zu gewinnen, scheiterten gänzlich. Friedrich Barbarossa war allerdings ein Feind hierarchischer Anmaßungen und durchaus nicht blind für die zahlreichen äußeren und inneren Gebrechen der Kirche seiner Zeit, allein er war auch eben so sehr ein Gegner dema- gogischer Bestrebungen, und Priestermacht und Volksfreiheit waren ihm gleich ungelegen. Ueberdies war er ja auch auf seinem „Römerzuge“ begriffen, d. h. er wünschte zu Rom aus der Hand des Papstes die römische Kaiserkrone zu empfangen. Deßhalb war ihm daran gelegen, mit dem „Nachfolger Petri“, um jede Weiterung zu vermeiden, zunächst in gutem Einvernehmen zu stehen. Jn diesem Bestreben kam ihm der Papst entgegen, indem er den König wissen ließ, er sei nicht nur bereit, ihn ohne jede Bedingung als „echten römischen Kaiser und Herrn der christlichen Welt“ zu krönen, sondern auch seine Ober= und Schutzhoheit über die Stadt und das Gebiet von Rom anzuerkennen und ihm das, allerdings von den Kaisern nie völlig und förmlich aufgegebene, thatsächlich aber seit achtzig Jahren nicht mehr aus- geübte Recht zuzugestehen, zur Wahrnehmung seines oberherrlichen Aufsichtsrechts in weltlichen Dingen in Rom einen Präfekten oder Burggrafen unterhalten zu dürfen. Das waren Anerbietungen, wie Friedrich sie sich gar nicht besser wünschen konnte, und als Gegen- dienst verlangte der heilige Vater nichts weiter, als daß ihm der „Erzketzer“ Arnold von Brescia ausgeliefert werde, um zur Rechen- schaft gezogen zu werden. Welch eine bedeutende Person mußte doch dieser „Erzketzer und Jrrlehrer“ sein, daß um ihretwillen der Papst zu so großen Zugeständnissen sich herbeiließ! Leider ging der König — es ist dies ein dunkler Fleck in seinem Heldenleben — auf den schändlichen Handel ein. Zwar befand Arnold sich, als derselbe abgeschlossen wurde, nicht mehr im Gefolge des Kö- nigs, aber an einem, diesem bekannten Ort in Campanien. Hier ließ Friedrich I. ihn aufgreifen und gefesselt dem Papst überliefern. Dieser ließ ihn durch ein von ihm aus Kardinälen und höheren Geistlichen willkürlich zusammengesetztes Gericht als „hartnäckigen Ketzer, Jrr- lehrer und Rebellen gegen göttliche und weltliche Autorität“ zum Feuertode verurtheilen. Dieses Bluturtheil ward dann auch an dem schuldlosen und bis zum letzten Augenblick ungebeugten Mann zu Rom im Jahre 1155 vollzogen, seine Asche aber, weil man die Verehrung seiner Reliquien fürchtete, in die Tiber gestreut. Solches war das Ende eines Mannes, welcher, selbst ein Geist- licher, es gewagt, an der damals die Welt in Banden haltenden Priester= und Papstmacht zu rütteln und mit Wort und That gegen deren weltlichen Besitz anzukämpfen; der Erste, welcher auf die Un- vereinbarkeit weltlicher Hoheit und priesterlichen Amtes aufmerksam gemacht hat, und dies vor bereits siebenhundert Jahren! Lose Blätter. W. Beaumarchais, der dichterische Vertreter des französischen Bürger- standes, der rüstige Kämpfer gegen das Vorrecht, war der Sohn eines ein- fachen Uhrmachers. Durch sein musikalisches Talent schaffte er sich Zutritt bei Hofe, erwarb sich durch den Handel ein bedeutendes Vermögen und durch die Führung mehrerer Prozesse Ansehn und Achtung, auch in den höchsten aristokratischen Kreisen. Eines Tages traf ihn ein Höfling in der Galerie von Versailles. „Siehe da, Herr von Beaumarchais, das trifft sich ja gut. Meine Uhr ist in Unordnung; thun Sie mir den Gefallen, einmal danach zu sehen“. „Gern“, erwiderte Beaumarchais, „aber ich sage Jhnen im Voraus, Herr Marquis, daß ich sehr ungeschickt bin“. „Nichts als Bescheidenheit! Jch bitte Sie, sehen Sie danach“. Beau- marchais nimmt die Uhr und läßt sie auf das Pflaster fallen. „Bitte tausendmal um Entschuldigung, Herr Marquis; aber ich habe Jhnen ja vorher gesagt, daß ich ungeschickt sei!“ M. Tönender Sand. Die Naturerscheinung des tönenden Sandes, welche man zuerst am Dschebel Nakus und Reg=Rawan in Arabien wahr- nahm und die vor einigen Jahren auf der schottischen Jnsel Eigg be- obachtet worden, ist neuerdings auch im Strandsande bei Kolberg zur Wahrnehmung gekommen. Das Phänomen tritt dort nicht immer und nur unter der Vorbedingung ein, daß der Sand von den brandenden Wellen zuerst durchfeuchtet und dann von der darauf scheinenden Sonne bis zur Tiefe von etwa einem Fuß wieder ausgetrocknet worden ist. Das tönende Klingen wird dann beim bloßen Darübergehen wahrnehmbar; stößt man aber mit dem Fuß in schiefer Richtung auf den Sand, dann werden die Töne so laut und scharf, daß sie weithin hörbar sind. J. Wider die Frömmelei. Vor beiläufig zweihundertzwanzig Jahren schrieb der wahrhaft fromme und deßhalb eben aller Frömmelei feindliche berühmte Mathematiker Blaise Pascal ( geb. 1623, gest. 1662 ) : „ La dévo- tion est une manie, qui vient surtout aux femmes d'un certain âge comme une maladie ou comme une mode, qu'il faut suivre “, d. h.: „Die Frömmigkeit ist eine Manie, welche besonders Frauen eines gewissen Alters wie eine Krankheit überkommt, oder wie eine Mode, die man mit- machen muß“. Aehnlich äußerte sich sein Landsmann und Zeitgenosse, der geistreiche Herzog de la Rochefoucauld: „ La religion est la dernière de nos passions amoureuses “, d. h.: „Die Religion ist die letzte unserer Liebschaften“. Eine Aeußerung, welche ihm sehr verübelt wurde, und welche man doch, gleich der vorher erwähnten Pascals, nur zutreffend finden kann, wenn man an die „Bekehrungen“ eines Ludwig XIV., einer Christine von Schweden, einer Juliane von Krüdner, einer Gräfin Jda Hahn=Hahn und anderer „fromm“ gewordenen Frauen und Männer denkt. M. Ein Fürstenbrief. Katharina von Rußland erhielt von dem per- sischen Schah ein Schreiben, das folgende merkwürdige Stelle enthielt: „Jch hoffe, meine vielgeliebte Schwester, Gott werde Dich vor der Liebe zu starken Getränken bewahren. Jch, der ich Dir schreibe, habe Augen wie Rubinen, eine Nase gleich einem Karfunkel, und die Wangen glühen mir wie von Feuer, weil ich mich jener unglücklichen Neigung hingegeben habe; auch muß ich nun meine Tage und Nächte auf dem Bett des Jammers verbringen.“ † Auf dem Grabe des Kammersängers Pinto in Madrid prangt folgende Grabschrift: Hier ruht Juan Pinto, Spaniens Orpheus. Bei seiner Ankunft im Himmel vermischte sich seine Stimme mit der der Engel. Kaum aber hörte ihn der Herr, als er so entzückt war, daß er seinen himmlischen Chören zurief: „Schweigt und laßt meinen Kammermusiker Juan Pinto singen!“ Briefkasten. A. C. M. in B.: Besten Dank. Möglichst bald. — Ph. M. in Wiesbaden: Jst bereits besorgt. — Hugo E. in Berlin: Soll mit Dank gelegentlich benutzt werden. — Paul K. in Sch.: Nicht recht ge- eignet für unser Blatt. — A. R. in C.: Einstweilen besten Dank. Das Andere erfolgt sehr bald. — F. H. in B.: Wenn wir einen geeigneten „Fortsetzer“ fänden, sehr gern. — Dr. B. in Cr.: Mit Dank erhalten. ☞ Zur Besprechung die Redaktion betreffender Angelegenheiten ist der Redakteur dieses Blattes jeden Montag und Dienstag von 12 bis 2 Uhr in dem Redaktionsbureau, Potsdamerstraße Nr. 20, anwesend, wohin auch alle Zusendungen erbeten werden. Druck und Verlag von Franz Duncker in Berlin. — Verantwortlicher Redakteur: Ernst Dohm in Berlin.

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 15. Berlin, 12. April 1868, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt15_1868/8>, abgerufen am 07.06.2024.