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Sonntags-Blatt. Nr. 4. Berlin, 26. Januar 1868.

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[Beginn Spaltensatz] Die Leiter der Adelspartei waren die ersten Prinzen von Geblüt,
darunter die Brüder Cond e und Conti, sowie die Herzoge von
Beaufort und Longueville, und mit ihnen verband sich von Zeit zu Zeit der
Herzog von Orleans, also der eigene Oheim des jungen Königs, im Testa-
ment Ludwigs XIII. zum General=Lieutenant des Königreichs ernannt.
Adel, Geistlichkeit und Parlamente vereinten sich mit dem Volk von
Paris zu einem fünfjährigen Kampfe gegen Mazarin und die Kö-
nigin, von 1648 bis 1653. Dieser Bruderkrieg heißt der Krieg der
Fronde, und seine Theilnehmer nannten sich selber Frondeurs, d. i.
Schleuderer, weil sie als Abzeichen eine Schleuder am Hut trugen.
Die königlichen Heere wurden wiederholt geschlagen, die Königin ver-
ließ mit ihren beiden jungen Söhnen heimlich Paris, und Mazarin
mußte sich zweimal ins Ausland flüchten. Dennoch behielt er schließlich
den Sieg, zumal als das Volk begriff, daß der Kampf nicht seinen
Rechten, sondern den Privilegien der Frondeurs gelte, worauf es diesen
den Rücken wandte. Mazarins Rückkehr glich einem Triumphzuge,
während seine größten Gegner, Retz und Cond e, in der Verbannung
umherirrten. Mit den Andern trat er in Familienverbindungen oder
er versicherte sich ihrer durch Aemter und Würden, so des Prinzen
Conti und der Mitglieder des Hauses Vendome. Den übrigen Adel
zog er von seinen Schlössern und Provinzen an den Hof und steckte
ihn in die goldene Livree. Endlich brach er auch den Widerstand
der Parlamente. Jn dem von Paris erschien, natürlich auf des Mi-
nisters Antrieb, der sechszehnjährige König im rothen Jagdkostüm und
erklärte, indem er den erstarrten Parlamentsräthen mit seiner Reit-
peitsche unter der Nase herumfuchtelte, er wolle an seinen Befehlen
nicht gemäkelt, sondern dieselben einfach vollzogen wissen.

Ebenso glänzend waren des Ministers Erfolge in der äußeren
Politik. Er und sein Vorgänger Richelieu sind die eigentlichen Be-
gründer der Großmachtstellung des französischen Reichs in der euro-
päischen Staatengruppe, während Ludwig XIV. diese ihm über-
kommene glänzende Erbschaft vergeudete und die Saat zu der, hundert
Jahre später aufgehenden Revolution ausstreute. Mazarins letztes
Werk war der pyrenäische Friede ( 1659 ) , der den langjährigen Krieg
mit Spanien beendigte und ganz zum Vortheil Frankreichs abgeschlossen
wurde; denn dieses erhielt im Süden und Osten einen bedeutenden
Gebietszuwachs, und Ludwig XIV. die Hand der Jnfantin Maria
Theresia.

Während Mazarin so die Macht des Königthums und die Be-
deutung des Staates mehrte, vergaß er darüber keineswegs sich selber
und seine zahlreiche Familie. Er hatte einige Bildsäulen aus Rom
kommen lassen, und sie einem der Hofleute zeigend, äußerte er: "Dies
sind die einzigen Verwandten, denen ich jemals erlauben werde, nach
Frankreich zu kommen". Aber dies Wort war bald vergessen, und er
ließ nach und nach nicht weniger als zwei Neffen und sieben Nichten
aus Jtalien zu sich kommen. Jeder der Letzteren gab er eine mehr als
fürstliche Mitgift und verheirathete sie Alle mit Marschällen, Herzogen
und Prinzen. Ja er soll den kühnen Plan gehabt haben, die schönste
dieser Nichten, Maria Mancini, mit dem Könige selbst zu vermählen.

Mazarin häufte unglaubliche Reichthümer zusammen, indem er sich
selber eine Anzahl der einträglichsten Aemter verlieh, und dazu besaß
er den Geiz, die Habsucht und den Spekulationssinn eines Schacher-
juden. Unter diesem schmutzigen Geiz hatten der König und die
Königin=Regentin nicht wenig zu leiden.

( Fortsetzung folgt. )



Das Leben in der Region des ewigen Schnee's.
( Schluß. )

Was die übrigen dem Thierreich angehörigen Bürger des Schnee-
gebietes betrifft, deren man ungefähr dreißig Arten bis jetzt
kennt, so ist ihre Existenz an das Vorhandensein von Pflanzen
geknüpft. Wie schon erwähnt wurde, ist die Lebenszähigkeit
der höchsten Alpenpflanzen eine außerordentliche. Jahre lang bewahren
die Wurzeln und unterirdischen Stengeltheile unter dem Schnee ihre
Lebenskraft, und wenn unter besonders günstigen Umständen die
Schneedecke isolirter Felsenblöcke und freier Strecken von der Sonne
aufgezehrt wird, so erwachen die kleinen Pflänzchen aus ihrem Schlum-
mer; rasch entwickeln sich Blätter und Knospen, und in kurzer Zeit
bildet die vom Schnee befreite Stelle eine grüne Jnsel inmitten des
Eismeeres, um nach der kurzen Zeit von vier bis sechs Wochen wieder
vielleicht auf Jahre vom Schnee begraben zu werden. Auf den
höchsten Gipfeln der Central=Alpen erblicken wir Flechten an den
nackten Felswänden. Nicht ganz so hoch ansteigend erfreuen unser
Auge winzige Moose und moosartige Blüthenpflanzen, deren Reprä-
sentanten auf unseren Alpen noch in einer Höhe von 11,800 Fuß,
also 4800 Fuß jenseits der unteren Schneegrenze, angetroffen werden.

Auf jenen grünen Eilanden entwickelt sich ebenso rasch wie die
Vegetation eine Thierwelt. Spinnen, Milben, Tausendfüße und Jn-
[Spaltenumbruch] sekten, darunter sogar Schmetterlinge, freuen sich des kurzen Sommers
und gehen ihren Berufsgeschäften nach, welche in Ernährung und
Fortpflanzung bestehen. Der Krieg im Kleinen spielt sich ab auf der
oft wenige Quadratfuß messenden Jnsel, denn es ist unglaublich, zu
hören: von jenen dreißig Thieren sind vierundzwanzig als Raubthiere
erkannt worden. Eine Frage, welche noch nicht gelöst worden, ist
diese: wie vermögen jene Thierchen, die zu ihrer Entwicklung doch
längere Zeit als vier Wochen brauchen, die Monate hindurch, in
welchen Schnee ihre Wohnstätte bedeckt, ihr Leben zu fristen? Schlafen
sie wie die Siebenschläfer und Murmelthiere, oder verharren sie in
ihren Uebergangsstadien, im Ei, in der Puppe, bis der erwärmende
Sonnenstrahl sie zu kurzer Lebensfreude erweckt?

An die Thiere, welche als wirkliche stehende Bewohner des Schnee-
gebietes zu betrachten sind, reihen sich jene an, die den größten Theil
ihres Lebens in demselben zubringen. Unter ihnen sind namentlich
die Vögel zu erwähnen, und von diesen wieder in erster Reihe der
Schneefink, die Alpenkrähe und das Schneehuhn.

Der Schneefink, in zierlichem, grau und weißem Gewande, nistet
am liebsten in der Schneeregion und geht nur in seltenen Fällen
tiefer herab. Daß er in die Thäler nie komme, wird zwar allgemein
behauptet und mag vielleicht in der Schweiz der Fall sein. Jn
Steiermark kommt er alljährlich, allerdings nicht zahlreich, in die
Niederungen und wird in dem Becken von Graz nicht selten gefangen.

Ebenso wie der Schneefink, halten sich die beiden andern genannten
Vögel vorzugsweise in der Schneeregion auf, und wohl jeder Bergbe-
steiger hat die lärmenden Schaaren der zierlichen rothfüßigen Alpenkrähen
mit Freude begrüßt. Auch die großen Raubvögel, Lämmergeier und
Adler, dürften hier zu erwähnen sein, da man ihrer am häufigsten in
der Schneeregion ansichtig wird. Zahlreich sind die übrigen Vögel,
die als Gäste in jenen Höhen angetroffen werden; bevor wir jedoch
einige Worte über diese sprechen, müssen wir noch zweier Thiere ge-
denken, von denen wenigstens eines als ständiger Bewohner unseres
Gebietes anzusehen ist, nämlich des Murmelthieres und der
Schneemaus.

Letztere, eine nahe Verwandte unserer gemeinen Feldmaus, legt,
wie diese im Ackerfeld ihre Höhlen und Gänge unter dem Schnee an.
Dieses höchst interessante Thier ist noch in einer Höhe von 12,000
Fuß angetroffen worden, und scheint den Ort, an welchem es einmal
seinen Wohnsitz aufgeschlagen hat, nicht zu verlassen. Die Schnee-
maus wandert nicht etwa im Winter in die tiefer gelegenen Regionen
hinab, versinkt auch nicht in einen Winterschlaf, sondern lebt während
des zehn bis eilf Monate langen Winters von Wurzeln und anderen
Pflanzentheilen, die sie im Sommer gesammelt hat oder unter der
Schneedecke hervorzugraben versteht. Jedenfalls ist die Existenz dieses
warmblütigen Thierchens in einer so beträchtlichen Höhe und in einer
so niederen Temperatur räthselhaft.

Was das Allen wohlbekannte Murmelthier anbelangt, so ist es
allerdings auch als Bewohner dieses Gebietes anzusehen, indem es
sein Sommerlogis gern in der Schneeregion aufschlägt, wo es der
aufmerksame Bergbesteiger häufig bemerken kann, wie es auf den
grünen Jnseln des Eismeeres spielt und äset. Jm Winter jedoch
zieht sich das Murmelthier nach den tiefer gelegenen Gegenden zurück,
woselbst es in seiner Winterwohnung schläft, bis es Zeit wird, die
Sommerwohnung wieder zu beziehen. Daß das Murmelthier in
früheren Zeiten bis tief in die Thäler herabgegangen ist, beweist das
Auffinden von Resten dieses Thieres, wie denn ganz in der Kürze im
Thal der Mur Murmelthierhöhlen entdeckt worden [unleserliches Material - 4 Zeichen fehlen]sind.

Was schließlich die Thiere anbelangt, welche nur vorübergehend
die Region des ewigen Schnee's beleben, so sind vornehmlich die
Vögel zu bemerken, deren viele Arten zu Zeiten die höchsten Berges-
gipfel besuchen, wie der schöne Mauerläufer, der melodische Fluevogel
und andere. Die Gemse eilt wohl auch im Flug über die Firnen,
doch ist sie keinesfalls als Bewohner dieses Gebietes zu betrachten;
eher könnte der nun wieder in unseren Alpen eingebürgerte Steinbock
Anspruch machen auf den Titel eines Bürgers der Schneeregion, wo-
hin ihn die Nachstellungen der Menschen getrieben haben.

Daß häufig unwillkürlich Thiere, namentlich Jnsekten, in die
eisigen Höhen gelangen, indem sie durch Luftströmungen dahin ver-
schlagen werden, soll hier nur beiläufig erwähnt werden. Den meisten
Thieren der Ebene bringt die Temperatur und der verminderte Luft-
druck Gefahr und Tod, und auch der Mensch muß häufig die Be-
gierde, welche ihn treibt, die ihm von der Natur gesteckten Grenzen
zu überschreiten, mit mancherlei Ungemach bezahlen. Abgesehen von
den Gefahren, welche ihm von den Bodenverhältnissen drohen, wird
der Bergbesteiger häufig von Uebelkeit, Beklommenheit, Mund= und
Nasenbluten, Athmungsbeschwerden und anderen Zufällen heimgesucht,
und zwar hatten wir wiederholt Gelegenheit zu bemerken, daß Leute
von kräftiger Konstitution diesen Beschwerden mehr ausgesetzt seien
als schwächliche Jndividuen; so z. B. blieb eine achtzehnjährige zarte
Dame während eines fünfstündigen Aufenthalts in beträchtlicher Höhe
vollkommen gesund, während ein stämmiger Rheinländer so unwohl
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Die Leiter der Adelspartei waren die ersten Prinzen von Geblüt,
darunter die Brüder Cond é und Conti, sowie die Herzoge von
Beaufort und Longueville, und mit ihnen verband sich von Zeit zu Zeit der
Herzog von Orleans, also der eigene Oheim des jungen Königs, im Testa-
ment Ludwigs XIII. zum General=Lieutenant des Königreichs ernannt.
Adel, Geistlichkeit und Parlamente vereinten sich mit dem Volk von
Paris zu einem fünfjährigen Kampfe gegen Mazarin und die Kö-
nigin, von 1648 bis 1653. Dieser Bruderkrieg heißt der Krieg der
Fronde, und seine Theilnehmer nannten sich selber Frondeurs, d. i.
Schleuderer, weil sie als Abzeichen eine Schleuder am Hut trugen.
Die königlichen Heere wurden wiederholt geschlagen, die Königin ver-
ließ mit ihren beiden jungen Söhnen heimlich Paris, und Mazarin
mußte sich zweimal ins Ausland flüchten. Dennoch behielt er schließlich
den Sieg, zumal als das Volk begriff, daß der Kampf nicht seinen
Rechten, sondern den Privilegien der Frondeurs gelte, worauf es diesen
den Rücken wandte. Mazarins Rückkehr glich einem Triumphzuge,
während seine größten Gegner, Retz und Cond é, in der Verbannung
umherirrten. Mit den Andern trat er in Familienverbindungen oder
er versicherte sich ihrer durch Aemter und Würden, so des Prinzen
Conti und der Mitglieder des Hauses Vendome. Den übrigen Adel
zog er von seinen Schlössern und Provinzen an den Hof und steckte
ihn in die goldene Livree. Endlich brach er auch den Widerstand
der Parlamente. Jn dem von Paris erschien, natürlich auf des Mi-
nisters Antrieb, der sechszehnjährige König im rothen Jagdkostüm und
erklärte, indem er den erstarrten Parlamentsräthen mit seiner Reit-
peitsche unter der Nase herumfuchtelte, er wolle an seinen Befehlen
nicht gemäkelt, sondern dieselben einfach vollzogen wissen.

Ebenso glänzend waren des Ministers Erfolge in der äußeren
Politik. Er und sein Vorgänger Richelieu sind die eigentlichen Be-
gründer der Großmachtstellung des französischen Reichs in der euro-
päischen Staatengruppe, während Ludwig XIV. diese ihm über-
kommene glänzende Erbschaft vergeudete und die Saat zu der, hundert
Jahre später aufgehenden Revolution ausstreute. Mazarins letztes
Werk war der pyrenäische Friede ( 1659 ) , der den langjährigen Krieg
mit Spanien beendigte und ganz zum Vortheil Frankreichs abgeschlossen
wurde; denn dieses erhielt im Süden und Osten einen bedeutenden
Gebietszuwachs, und Ludwig XIV. die Hand der Jnfantin Maria
Theresia.

Während Mazarin so die Macht des Königthums und die Be-
deutung des Staates mehrte, vergaß er darüber keineswegs sich selber
und seine zahlreiche Familie. Er hatte einige Bildsäulen aus Rom
kommen lassen, und sie einem der Hofleute zeigend, äußerte er: „Dies
sind die einzigen Verwandten, denen ich jemals erlauben werde, nach
Frankreich zu kommen“. Aber dies Wort war bald vergessen, und er
ließ nach und nach nicht weniger als zwei Neffen und sieben Nichten
aus Jtalien zu sich kommen. Jeder der Letzteren gab er eine mehr als
fürstliche Mitgift und verheirathete sie Alle mit Marschällen, Herzogen
und Prinzen. Ja er soll den kühnen Plan gehabt haben, die schönste
dieser Nichten, Maria Mancini, mit dem Könige selbst zu vermählen.

Mazarin häufte unglaubliche Reichthümer zusammen, indem er sich
selber eine Anzahl der einträglichsten Aemter verlieh, und dazu besaß
er den Geiz, die Habsucht und den Spekulationssinn eines Schacher-
juden. Unter diesem schmutzigen Geiz hatten der König und die
Königin=Regentin nicht wenig zu leiden.

( Fortsetzung folgt. )



Das Leben in der Region des ewigen Schnee's.
( Schluß. )

Was die übrigen dem Thierreich angehörigen Bürger des Schnee-
gebietes betrifft, deren man ungefähr dreißig Arten bis jetzt
kennt, so ist ihre Existenz an das Vorhandensein von Pflanzen
geknüpft. Wie schon erwähnt wurde, ist die Lebenszähigkeit
der höchsten Alpenpflanzen eine außerordentliche. Jahre lang bewahren
die Wurzeln und unterirdischen Stengeltheile unter dem Schnee ihre
Lebenskraft, und wenn unter besonders günstigen Umständen die
Schneedecke isolirter Felsenblöcke und freier Strecken von der Sonne
aufgezehrt wird, so erwachen die kleinen Pflänzchen aus ihrem Schlum-
mer; rasch entwickeln sich Blätter und Knospen, und in kurzer Zeit
bildet die vom Schnee befreite Stelle eine grüne Jnsel inmitten des
Eismeeres, um nach der kurzen Zeit von vier bis sechs Wochen wieder
vielleicht auf Jahre vom Schnee begraben zu werden. Auf den
höchsten Gipfeln der Central=Alpen erblicken wir Flechten an den
nackten Felswänden. Nicht ganz so hoch ansteigend erfreuen unser
Auge winzige Moose und moosartige Blüthenpflanzen, deren Reprä-
sentanten auf unseren Alpen noch in einer Höhe von 11,800 Fuß,
also 4800 Fuß jenseits der unteren Schneegrenze, angetroffen werden.

Auf jenen grünen Eilanden entwickelt sich ebenso rasch wie die
Vegetation eine Thierwelt. Spinnen, Milben, Tausendfüße und Jn-
[Spaltenumbruch] sekten, darunter sogar Schmetterlinge, freuen sich des kurzen Sommers
und gehen ihren Berufsgeschäften nach, welche in Ernährung und
Fortpflanzung bestehen. Der Krieg im Kleinen spielt sich ab auf der
oft wenige Quadratfuß messenden Jnsel, denn es ist unglaublich, zu
hören: von jenen dreißig Thieren sind vierundzwanzig als Raubthiere
erkannt worden. Eine Frage, welche noch nicht gelöst worden, ist
diese: wie vermögen jene Thierchen, die zu ihrer Entwicklung doch
längere Zeit als vier Wochen brauchen, die Monate hindurch, in
welchen Schnee ihre Wohnstätte bedeckt, ihr Leben zu fristen? Schlafen
sie wie die Siebenschläfer und Murmelthiere, oder verharren sie in
ihren Uebergangsstadien, im Ei, in der Puppe, bis der erwärmende
Sonnenstrahl sie zu kurzer Lebensfreude erweckt?

An die Thiere, welche als wirkliche stehende Bewohner des Schnee-
gebietes zu betrachten sind, reihen sich jene an, die den größten Theil
ihres Lebens in demselben zubringen. Unter ihnen sind namentlich
die Vögel zu erwähnen, und von diesen wieder in erster Reihe der
Schneefink, die Alpenkrähe und das Schneehuhn.

Der Schneefink, in zierlichem, grau und weißem Gewande, nistet
am liebsten in der Schneeregion und geht nur in seltenen Fällen
tiefer herab. Daß er in die Thäler nie komme, wird zwar allgemein
behauptet und mag vielleicht in der Schweiz der Fall sein. Jn
Steiermark kommt er alljährlich, allerdings nicht zahlreich, in die
Niederungen und wird in dem Becken von Graz nicht selten gefangen.

Ebenso wie der Schneefink, halten sich die beiden andern genannten
Vögel vorzugsweise in der Schneeregion auf, und wohl jeder Bergbe-
steiger hat die lärmenden Schaaren der zierlichen rothfüßigen Alpenkrähen
mit Freude begrüßt. Auch die großen Raubvögel, Lämmergeier und
Adler, dürften hier zu erwähnen sein, da man ihrer am häufigsten in
der Schneeregion ansichtig wird. Zahlreich sind die übrigen Vögel,
die als Gäste in jenen Höhen angetroffen werden; bevor wir jedoch
einige Worte über diese sprechen, müssen wir noch zweier Thiere ge-
denken, von denen wenigstens eines als ständiger Bewohner unseres
Gebietes anzusehen ist, nämlich des Murmelthieres und der
Schneemaus.

Letztere, eine nahe Verwandte unserer gemeinen Feldmaus, legt,
wie diese im Ackerfeld ihre Höhlen und Gänge unter dem Schnee an.
Dieses höchst interessante Thier ist noch in einer Höhe von 12,000
Fuß angetroffen worden, und scheint den Ort, an welchem es einmal
seinen Wohnsitz aufgeschlagen hat, nicht zu verlassen. Die Schnee-
maus wandert nicht etwa im Winter in die tiefer gelegenen Regionen
hinab, versinkt auch nicht in einen Winterschlaf, sondern lebt während
des zehn bis eilf Monate langen Winters von Wurzeln und anderen
Pflanzentheilen, die sie im Sommer gesammelt hat oder unter der
Schneedecke hervorzugraben versteht. Jedenfalls ist die Existenz dieses
warmblütigen Thierchens in einer so beträchtlichen Höhe und in einer
so niederen Temperatur räthselhaft.

Was das Allen wohlbekannte Murmelthier anbelangt, so ist es
allerdings auch als Bewohner dieses Gebietes anzusehen, indem es
sein Sommerlogis gern in der Schneeregion aufschlägt, wo es der
aufmerksame Bergbesteiger häufig bemerken kann, wie es auf den
grünen Jnseln des Eismeeres spielt und äset. Jm Winter jedoch
zieht sich das Murmelthier nach den tiefer gelegenen Gegenden zurück,
woselbst es in seiner Winterwohnung schläft, bis es Zeit wird, die
Sommerwohnung wieder zu beziehen. Daß das Murmelthier in
früheren Zeiten bis tief in die Thäler herabgegangen ist, beweist das
Auffinden von Resten dieses Thieres, wie denn ganz in der Kürze im
Thal der Mur Murmelthierhöhlen entdeckt worden [unleserliches Material – 4 Zeichen fehlen]sind.

Was schließlich die Thiere anbelangt, welche nur vorübergehend
die Region des ewigen Schnee's beleben, so sind vornehmlich die
Vögel zu bemerken, deren viele Arten zu Zeiten die höchsten Berges-
gipfel besuchen, wie der schöne Mauerläufer, der melodische Fluevogel
und andere. Die Gemse eilt wohl auch im Flug über die Firnen,
doch ist sie keinesfalls als Bewohner dieses Gebietes zu betrachten;
eher könnte der nun wieder in unseren Alpen eingebürgerte Steinbock
Anspruch machen auf den Titel eines Bürgers der Schneeregion, wo-
hin ihn die Nachstellungen der Menschen getrieben haben.

Daß häufig unwillkürlich Thiere, namentlich Jnsekten, in die
eisigen Höhen gelangen, indem sie durch Luftströmungen dahin ver-
schlagen werden, soll hier nur beiläufig erwähnt werden. Den meisten
Thieren der Ebene bringt die Temperatur und der verminderte Luft-
druck Gefahr und Tod, und auch der Mensch muß häufig die Be-
gierde, welche ihn treibt, die ihm von der Natur gesteckten Grenzen
zu überschreiten, mit mancherlei Ungemach bezahlen. Abgesehen von
den Gefahren, welche ihm von den Bodenverhältnissen drohen, wird
der Bergbesteiger häufig von Uebelkeit, Beklommenheit, Mund= und
Nasenbluten, Athmungsbeschwerden und anderen Zufällen heimgesucht,
und zwar hatten wir wiederholt Gelegenheit zu bemerken, daß Leute
von kräftiger Konstitution diesen Beschwerden mehr ausgesetzt seien
als schwächliche Jndividuen; so z. B. blieb eine achtzehnjährige zarte
Dame während eines fünfstündigen Aufenthalts in beträchtlicher Höhe
vollkommen gesund, während ein stämmiger Rheinländer so unwohl
[Ende Spaltensatz]

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[31/0007] 31 Die Leiter der Adelspartei waren die ersten Prinzen von Geblüt, darunter die Brüder Cond é und Conti, sowie die Herzoge von Beaufort und Longueville, und mit ihnen verband sich von Zeit zu Zeit der Herzog von Orleans, also der eigene Oheim des jungen Königs, im Testa- ment Ludwigs XIII. zum General=Lieutenant des Königreichs ernannt. Adel, Geistlichkeit und Parlamente vereinten sich mit dem Volk von Paris zu einem fünfjährigen Kampfe gegen Mazarin und die Kö- nigin, von 1648 bis 1653. Dieser Bruderkrieg heißt der Krieg der Fronde, und seine Theilnehmer nannten sich selber Frondeurs, d. i. Schleuderer, weil sie als Abzeichen eine Schleuder am Hut trugen. Die königlichen Heere wurden wiederholt geschlagen, die Königin ver- ließ mit ihren beiden jungen Söhnen heimlich Paris, und Mazarin mußte sich zweimal ins Ausland flüchten. Dennoch behielt er schließlich den Sieg, zumal als das Volk begriff, daß der Kampf nicht seinen Rechten, sondern den Privilegien der Frondeurs gelte, worauf es diesen den Rücken wandte. Mazarins Rückkehr glich einem Triumphzuge, während seine größten Gegner, Retz und Cond é, in der Verbannung umherirrten. Mit den Andern trat er in Familienverbindungen oder er versicherte sich ihrer durch Aemter und Würden, so des Prinzen Conti und der Mitglieder des Hauses Vendome. Den übrigen Adel zog er von seinen Schlössern und Provinzen an den Hof und steckte ihn in die goldene Livree. Endlich brach er auch den Widerstand der Parlamente. Jn dem von Paris erschien, natürlich auf des Mi- nisters Antrieb, der sechszehnjährige König im rothen Jagdkostüm und erklärte, indem er den erstarrten Parlamentsräthen mit seiner Reit- peitsche unter der Nase herumfuchtelte, er wolle an seinen Befehlen nicht gemäkelt, sondern dieselben einfach vollzogen wissen. Ebenso glänzend waren des Ministers Erfolge in der äußeren Politik. Er und sein Vorgänger Richelieu sind die eigentlichen Be- gründer der Großmachtstellung des französischen Reichs in der euro- päischen Staatengruppe, während Ludwig XIV. diese ihm über- kommene glänzende Erbschaft vergeudete und die Saat zu der, hundert Jahre später aufgehenden Revolution ausstreute. Mazarins letztes Werk war der pyrenäische Friede ( 1659 ) , der den langjährigen Krieg mit Spanien beendigte und ganz zum Vortheil Frankreichs abgeschlossen wurde; denn dieses erhielt im Süden und Osten einen bedeutenden Gebietszuwachs, und Ludwig XIV. die Hand der Jnfantin Maria Theresia. Während Mazarin so die Macht des Königthums und die Be- deutung des Staates mehrte, vergaß er darüber keineswegs sich selber und seine zahlreiche Familie. Er hatte einige Bildsäulen aus Rom kommen lassen, und sie einem der Hofleute zeigend, äußerte er: „Dies sind die einzigen Verwandten, denen ich jemals erlauben werde, nach Frankreich zu kommen“. Aber dies Wort war bald vergessen, und er ließ nach und nach nicht weniger als zwei Neffen und sieben Nichten aus Jtalien zu sich kommen. Jeder der Letzteren gab er eine mehr als fürstliche Mitgift und verheirathete sie Alle mit Marschällen, Herzogen und Prinzen. Ja er soll den kühnen Plan gehabt haben, die schönste dieser Nichten, Maria Mancini, mit dem Könige selbst zu vermählen. Mazarin häufte unglaubliche Reichthümer zusammen, indem er sich selber eine Anzahl der einträglichsten Aemter verlieh, und dazu besaß er den Geiz, die Habsucht und den Spekulationssinn eines Schacher- juden. Unter diesem schmutzigen Geiz hatten der König und die Königin=Regentin nicht wenig zu leiden. ( Fortsetzung folgt. ) Das Leben in der Region des ewigen Schnee's. ( Schluß. ) Was die übrigen dem Thierreich angehörigen Bürger des Schnee- gebietes betrifft, deren man ungefähr dreißig Arten bis jetzt kennt, so ist ihre Existenz an das Vorhandensein von Pflanzen geknüpft. Wie schon erwähnt wurde, ist die Lebenszähigkeit der höchsten Alpenpflanzen eine außerordentliche. Jahre lang bewahren die Wurzeln und unterirdischen Stengeltheile unter dem Schnee ihre Lebenskraft, und wenn unter besonders günstigen Umständen die Schneedecke isolirter Felsenblöcke und freier Strecken von der Sonne aufgezehrt wird, so erwachen die kleinen Pflänzchen aus ihrem Schlum- mer; rasch entwickeln sich Blätter und Knospen, und in kurzer Zeit bildet die vom Schnee befreite Stelle eine grüne Jnsel inmitten des Eismeeres, um nach der kurzen Zeit von vier bis sechs Wochen wieder vielleicht auf Jahre vom Schnee begraben zu werden. Auf den höchsten Gipfeln der Central=Alpen erblicken wir Flechten an den nackten Felswänden. Nicht ganz so hoch ansteigend erfreuen unser Auge winzige Moose und moosartige Blüthenpflanzen, deren Reprä- sentanten auf unseren Alpen noch in einer Höhe von 11,800 Fuß, also 4800 Fuß jenseits der unteren Schneegrenze, angetroffen werden. Auf jenen grünen Eilanden entwickelt sich ebenso rasch wie die Vegetation eine Thierwelt. Spinnen, Milben, Tausendfüße und Jn- sekten, darunter sogar Schmetterlinge, freuen sich des kurzen Sommers und gehen ihren Berufsgeschäften nach, welche in Ernährung und Fortpflanzung bestehen. Der Krieg im Kleinen spielt sich ab auf der oft wenige Quadratfuß messenden Jnsel, denn es ist unglaublich, zu hören: von jenen dreißig Thieren sind vierundzwanzig als Raubthiere erkannt worden. Eine Frage, welche noch nicht gelöst worden, ist diese: wie vermögen jene Thierchen, die zu ihrer Entwicklung doch längere Zeit als vier Wochen brauchen, die Monate hindurch, in welchen Schnee ihre Wohnstätte bedeckt, ihr Leben zu fristen? Schlafen sie wie die Siebenschläfer und Murmelthiere, oder verharren sie in ihren Uebergangsstadien, im Ei, in der Puppe, bis der erwärmende Sonnenstrahl sie zu kurzer Lebensfreude erweckt? An die Thiere, welche als wirkliche stehende Bewohner des Schnee- gebietes zu betrachten sind, reihen sich jene an, die den größten Theil ihres Lebens in demselben zubringen. Unter ihnen sind namentlich die Vögel zu erwähnen, und von diesen wieder in erster Reihe der Schneefink, die Alpenkrähe und das Schneehuhn. Der Schneefink, in zierlichem, grau und weißem Gewande, nistet am liebsten in der Schneeregion und geht nur in seltenen Fällen tiefer herab. Daß er in die Thäler nie komme, wird zwar allgemein behauptet und mag vielleicht in der Schweiz der Fall sein. Jn Steiermark kommt er alljährlich, allerdings nicht zahlreich, in die Niederungen und wird in dem Becken von Graz nicht selten gefangen. Ebenso wie der Schneefink, halten sich die beiden andern genannten Vögel vorzugsweise in der Schneeregion auf, und wohl jeder Bergbe- steiger hat die lärmenden Schaaren der zierlichen rothfüßigen Alpenkrähen mit Freude begrüßt. Auch die großen Raubvögel, Lämmergeier und Adler, dürften hier zu erwähnen sein, da man ihrer am häufigsten in der Schneeregion ansichtig wird. Zahlreich sind die übrigen Vögel, die als Gäste in jenen Höhen angetroffen werden; bevor wir jedoch einige Worte über diese sprechen, müssen wir noch zweier Thiere ge- denken, von denen wenigstens eines als ständiger Bewohner unseres Gebietes anzusehen ist, nämlich des Murmelthieres und der Schneemaus. Letztere, eine nahe Verwandte unserer gemeinen Feldmaus, legt, wie diese im Ackerfeld ihre Höhlen und Gänge unter dem Schnee an. Dieses höchst interessante Thier ist noch in einer Höhe von 12,000 Fuß angetroffen worden, und scheint den Ort, an welchem es einmal seinen Wohnsitz aufgeschlagen hat, nicht zu verlassen. Die Schnee- maus wandert nicht etwa im Winter in die tiefer gelegenen Regionen hinab, versinkt auch nicht in einen Winterschlaf, sondern lebt während des zehn bis eilf Monate langen Winters von Wurzeln und anderen Pflanzentheilen, die sie im Sommer gesammelt hat oder unter der Schneedecke hervorzugraben versteht. Jedenfalls ist die Existenz dieses warmblütigen Thierchens in einer so beträchtlichen Höhe und in einer so niederen Temperatur räthselhaft. Was das Allen wohlbekannte Murmelthier anbelangt, so ist es allerdings auch als Bewohner dieses Gebietes anzusehen, indem es sein Sommerlogis gern in der Schneeregion aufschlägt, wo es der aufmerksame Bergbesteiger häufig bemerken kann, wie es auf den grünen Jnseln des Eismeeres spielt und äset. Jm Winter jedoch zieht sich das Murmelthier nach den tiefer gelegenen Gegenden zurück, woselbst es in seiner Winterwohnung schläft, bis es Zeit wird, die Sommerwohnung wieder zu beziehen. Daß das Murmelthier in früheren Zeiten bis tief in die Thäler herabgegangen ist, beweist das Auffinden von Resten dieses Thieres, wie denn ganz in der Kürze im Thal der Mur Murmelthierhöhlen entdeckt worden ____sind. Was schließlich die Thiere anbelangt, welche nur vorübergehend die Region des ewigen Schnee's beleben, so sind vornehmlich die Vögel zu bemerken, deren viele Arten zu Zeiten die höchsten Berges- gipfel besuchen, wie der schöne Mauerläufer, der melodische Fluevogel und andere. Die Gemse eilt wohl auch im Flug über die Firnen, doch ist sie keinesfalls als Bewohner dieses Gebietes zu betrachten; eher könnte der nun wieder in unseren Alpen eingebürgerte Steinbock Anspruch machen auf den Titel eines Bürgers der Schneeregion, wo- hin ihn die Nachstellungen der Menschen getrieben haben. Daß häufig unwillkürlich Thiere, namentlich Jnsekten, in die eisigen Höhen gelangen, indem sie durch Luftströmungen dahin ver- schlagen werden, soll hier nur beiläufig erwähnt werden. Den meisten Thieren der Ebene bringt die Temperatur und der verminderte Luft- druck Gefahr und Tod, und auch der Mensch muß häufig die Be- gierde, welche ihn treibt, die ihm von der Natur gesteckten Grenzen zu überschreiten, mit mancherlei Ungemach bezahlen. Abgesehen von den Gefahren, welche ihm von den Bodenverhältnissen drohen, wird der Bergbesteiger häufig von Uebelkeit, Beklommenheit, Mund= und Nasenbluten, Athmungsbeschwerden und anderen Zufällen heimgesucht, und zwar hatten wir wiederholt Gelegenheit zu bemerken, daß Leute von kräftiger Konstitution diesen Beschwerden mehr ausgesetzt seien als schwächliche Jndividuen; so z. B. blieb eine achtzehnjährige zarte Dame während eines fünfstündigen Aufenthalts in beträchtlicher Höhe vollkommen gesund, während ein stämmiger Rheinländer so unwohl

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 4. Berlin, 26. Januar 1868, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt04_1868/7>, abgerufen am 01.06.2024.