Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 11. Lieferung, Nr. 1. Berlin, 7. November 1874.

Bild:
<< vorherige Seite
letzte Seite

Zur Unterhaltung und Belehrung. 300
[Beginn Spaltensatz] son 29; Klopstock, Burns 30; Schiller 31; Chaucer, Hogarth,
Peel 32; Humphry Davy 33; Aristoteles 36; Wellington 37;
Wilberforee 37; Luther 42; Addisson 44; Wesley, Young, Lessing
47; Swist 49; Buffon 55; der alte Parr 120. Da Adam und
Eoa sich am Tage ihrer Geburt verheiratheten und Dr. Parr
in seinem 120 Jahre, so hat Niemand ein Recht zu verzweifeln
und Jeder, der sich verheirathet, im welchem Alter immer, kann
sich auf einen berühmten Mann als auf sein Beispiel berufen.
Also lasse man sich durch Nichts abhalten!



Tyroler Derbheit. Die Kaiserin Marie Theresia von
Oesterreich wurde einst gleich einem gewöhnlichen "Unterthan"
von den Blattern heimgesucht. Als dies die Tyroler erfuhren,
beschlossen sie, eine Deputation an den Hof nach Wien zu schicken,
um der Kaiserin ihr Beileid zu bezeugen. Einige Wochen später --
die Kaiserin war bereits auf dem Wege der Besserung -- traf
denn auch diese Deputation in Gestalt von drei strammen biedern
Alpenbewohnern in Nationaltracht in Wien ein und wurde bei
Hof sogleich vorgelassen. "Meine lieben Freunde, redete die
Kaiserin sie freundlich an, es freut mich unendlich, daß meine
braven Tyroler, die dem Hause Oesterreich stets mit kindlicher
Liebe zugethan waren, auch an mich denken, während meiner
schweren Prüfung." Darauf ergriff der Ansührer der Deputation
das Wort und sprach: "Ja wie geht's Dir denn Theresel?"
"Ach, seufzte die kaiserin, es geht wohl besser, aber -- -- mein
Gesicht!" dabei bedeckte sie schluchzend das von Blattern ent-
stellte Gesicht mit dem Taschentuch. "Ach was G'sicht, tröstete
sie der Tyroler, i pfeif' Dir in Dein G'sicht, wann Du nur
sonst g'sund bist."



Album der Poesie.
Kauft Veilchen.
Welch reicher Glanz! die Damen wogen
Jn seideuen Gewändern all'!
Von Perlen ist das Haar durchzogen,
Und Düfte haucht es durch den Saal,
Es rauschen des Concertes Klänge,
Es zittert von Musik die Luft;
Da drängt sich plötzlich durch die Menge
Ein Mädchen bittend vor und ruft:
Kauft Veilchen!
Jn dünnem, längst verschoßnen Kleide,
Wie stehst Du da, Du armes Kind,
Umgeben rings von Pracht und Seide,
Als wär' ein jedes für Dich blind.
Kaum von dem Einen fortgestoßen,
Sieht man Dich freundlich weiter geh'n,
Und lächelnd immer, unverdrossen,
Hört im Gedränge man Dich fleh'n:
Kauft Veilchen!
Ein Thränchen rann die Backen nieder,
Sie kam zu mir mit scheuem Schritt:
"O Gott, die Mutter schlägt mich wieder
Bring' ich kein Geld ihr heute mit.
[Spaltenumbruch] Und seht, ich kann's ihr nicht verdenken,
Mein Schwesterchen, das hungert sehr,
Und Niemand will ihr Etwas schenken;
O bitte, lieber Herr:
Kauft Veilchen!
" Sonst mußt' ich Laub im Walde holen,
Doch fürcht'ich mich, jetzt hinzugeh'n;
Jch that es zwar gar recht verstohlen,
Allein der Förster hat's geseh'n.
Wie ich da rasch davon gelaufen,
Hat er den Hund auf mich gehetzt;
Der böse Mann, sein wildes Raufen
Fühl' in den Haaren ich noch jetzt." --
Kauft Veilchen!
Da dachte ich in stillen Sorgen:
"Jhr Armen alle, wachst ihr nicht
Wie's Veilchen, dunkel und verborgen
Fern von des Glückes Sonnenlicht?
Jhr pranget nie auf Tulpenbeeten
Und wär't ihr, wie das Blümchen rein,
Des Reichen Fuß wird euch zertreten:
Was hilft euch da all' euer Schrei'n:
Kauft Veilchen!
Und warte, Mädchen, nur ein Weilchen,
Wenn dann die Noth Dich ganz erfaßt,
Verkaufest Du wohl selbst die Veilchen,
Die Du in Deinen Augen hast.
Mit Deinen Wangen, Deinen blassen,
Gehst Du dann Abends auf und ab,
Und flüsterst durch die stillen Gassen:
Wer kauft mir meine Veilchen ab?
Kauft Veilchen!
Und weiter war das Kind gegangen,
Und rief wohl auf und ab die Reih'n;
Da kneift ein Herr es in die Wangen:
"Hörst Du denn gar nicht auf zu schrei'n?"
"Marsch nun hinaus und komm' nicht wieder!"
Sie folgte still dem rohen Wort,
Es zitterten im Frost die Glieder
Und wimmernd rief sie draußen fort:
Kauft Veilchen!
H. Semmig.
An die Moralisten.
Das hab'ich ja schon dort und hier
Schon tausendmal gesagt,
Daß unter eurem Scepter mir
Kein Augenblick behagt.
Sich selbst beschränkt ein edler Muth,
Und, seiner selbst gewiß,
Schlägt er sich frei durch Bös' und Gut,
Durch Licht und Finsterniß
Doch immer mehr in dumpfer Hast
Schleppt Ketten ihr herzu;
Jch schüttle weg die ganze Last,
Und werd' ein Mensch im Nu!
A. v. Platen.
[Ende Spaltensatz]

Juhalt der 11. Lieferung. Nr. 1. 1. Welche Steuer ist die gerechteste?. -- 2. Die Reise nach Jkarien. ( Roman von Cabet. ) -- 3. Das
Schulwesen im Mittelalter. -- 4. Allerlei. -- 5. Album der Poesie.



Die nächste Nummer der "Social-politischen Blätter" erscheint mit Jllnstrationen.

    Die Redaction.



Druck und Verlag von C. Jhring's Nfgr. in Berlin, Dresdenerstraße 84. -- Verantwortlich für die Redaction: L. Pfeiffer in Berlin.

Zur Unterhaltung und Belehrung. 300
[Beginn Spaltensatz] son 29; Klopstock, Burns 30; Schiller 31; Chaucer, Hogarth,
Peel 32; Humphry Davy 33; Aristoteles 36; Wellington 37;
Wilberforee 37; Luther 42; Addisson 44; Wesley, Young, Lessing
47; Swist 49; Buffon 55; der alte Parr 120. Da Adam und
Eoa sich am Tage ihrer Geburt verheiratheten und Dr. Parr
in seinem 120 Jahre, so hat Niemand ein Recht zu verzweifeln
und Jeder, der sich verheirathet, im welchem Alter immer, kann
sich auf einen berühmten Mann als auf sein Beispiel berufen.
Also lasse man sich durch Nichts abhalten!



Tyroler Derbheit. Die Kaiserin Marie Theresia von
Oesterreich wurde einst gleich einem gewöhnlichen „Unterthan“
von den Blattern heimgesucht. Als dies die Tyroler erfuhren,
beschlossen sie, eine Deputation an den Hof nach Wien zu schicken,
um der Kaiserin ihr Beileid zu bezeugen. Einige Wochen später —
die Kaiserin war bereits auf dem Wege der Besserung — traf
denn auch diese Deputation in Gestalt von drei strammen biedern
Alpenbewohnern in Nationaltracht in Wien ein und wurde bei
Hof sogleich vorgelassen. „Meine lieben Freunde, redete die
Kaiserin sie freundlich an, es freut mich unendlich, daß meine
braven Tyroler, die dem Hause Oesterreich stets mit kindlicher
Liebe zugethan waren, auch an mich denken, während meiner
schweren Prüfung.“ Darauf ergriff der Ansührer der Deputation
das Wort und sprach: „Ja wie geht's Dir denn Theresel?“
„Ach, seufzte die kaiserin, es geht wohl besser, aber — — mein
Gesicht!“ dabei bedeckte sie schluchzend das von Blattern ent-
stellte Gesicht mit dem Taschentuch. „Ach was G'sicht, tröstete
sie der Tyroler, i pfeif' Dir in Dein G'sicht, wann Du nur
sonst g'sund bist.“



Album der Poesie.
Kauft Veilchen.
Welch reicher Glanz! die Damen wogen
Jn seideuen Gewändern all'!
Von Perlen ist das Haar durchzogen,
Und Düfte haucht es durch den Saal,
Es rauschen des Concertes Klänge,
Es zittert von Musik die Luft;
Da drängt sich plötzlich durch die Menge
Ein Mädchen bittend vor und ruft:
Kauft Veilchen!
Jn dünnem, längst verschoßnen Kleide,
Wie stehst Du da, Du armes Kind,
Umgeben rings von Pracht und Seide,
Als wär' ein jedes für Dich blind.
Kaum von dem Einen fortgestoßen,
Sieht man Dich freundlich weiter geh'n,
Und lächelnd immer, unverdrossen,
Hört im Gedränge man Dich fleh'n:
Kauft Veilchen!
Ein Thränchen rann die Backen nieder,
Sie kam zu mir mit scheuem Schritt:
„O Gott, die Mutter schlägt mich wieder
Bring' ich kein Geld ihr heute mit.
[Spaltenumbruch] Und seht, ich kann's ihr nicht verdenken,
Mein Schwesterchen, das hungert sehr,
Und Niemand will ihr Etwas schenken;
O bitte, lieber Herr:
Kauft Veilchen!
„ Sonst mußt' ich Laub im Walde holen,
Doch fürcht'ich mich, jetzt hinzugeh'n;
Jch that es zwar gar recht verstohlen,
Allein der Förster hat's geseh'n.
Wie ich da rasch davon gelaufen,
Hat er den Hund auf mich gehetzt;
Der böse Mann, sein wildes Raufen
Fühl' in den Haaren ich noch jetzt.“ —
Kauft Veilchen!
Da dachte ich in stillen Sorgen:
„Jhr Armen alle, wachst ihr nicht
Wie's Veilchen, dunkel und verborgen
Fern von des Glückes Sonnenlicht?
Jhr pranget nie auf Tulpenbeeten
Und wär't ihr, wie das Blümchen rein,
Des Reichen Fuß wird euch zertreten:
Was hilft euch da all' euer Schrei'n:
Kauft Veilchen!
Und warte, Mädchen, nur ein Weilchen,
Wenn dann die Noth Dich ganz erfaßt,
Verkaufest Du wohl selbst die Veilchen,
Die Du in Deinen Augen hast.
Mit Deinen Wangen, Deinen blassen,
Gehst Du dann Abends auf und ab,
Und flüsterst durch die stillen Gassen:
Wer kauft mir meine Veilchen ab?
Kauft Veilchen!
Und weiter war das Kind gegangen,
Und rief wohl auf und ab die Reih'n;
Da kneift ein Herr es in die Wangen:
„Hörst Du denn gar nicht auf zu schrei'n?“
„Marsch nun hinaus und komm' nicht wieder!“
Sie folgte still dem rohen Wort,
Es zitterten im Frost die Glieder
Und wimmernd rief sie draußen fort:
Kauft Veilchen!
H. Semmig.
An die Moralisten.
Das hab'ich ja schon dort und hier
Schon tausendmal gesagt,
Daß unter eurem Scepter mir
Kein Augenblick behagt.
Sich selbst beschränkt ein edler Muth,
Und, seiner selbst gewiß,
Schlägt er sich frei durch Bös' und Gut,
Durch Licht und Finsterniß
Doch immer mehr in dumpfer Hast
Schleppt Ketten ihr herzu;
Jch schüttle weg die ganze Last,
Und werd' ein Mensch im Nu!
A. v. Platen.
[Ende Spaltensatz]

Juhalt der 11. Lieferung. Nr. 1. 1. Welche Steuer ist die gerechteste?. — 2. Die Reise nach Jkarien. ( Roman von Cabet. ) — 3. Das
Schulwesen im Mittelalter. — 4. Allerlei. — 5. Album der Poesie.



☞ Die nächste Nummer der „Social-politischen Blätter“ erscheint mit Jllnstrationen.

    Die Redaction.



Druck und Verlag von C. Jhring's Nfgr. in Berlin, Dresdenerstraße 84. — Verantwortlich für die Redaction: L. Pfeiffer in Berlin.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jVarious" n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0008" n="300"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Zur Unterhaltung und Belehrung.</hi> 300</fw><cb type="start"/>
son 29; Klopstock, Burns 30; Schiller 31; Chaucer, Hogarth,<lb/>
Peel 32; Humphry Davy 33; Aristoteles 36; Wellington 37;<lb/>
Wilberforee 37; Luther 42; Addisson 44; Wesley, Young, Lessing<lb/>
47; Swist 49; Buffon 55; der alte Parr 120. Da Adam und<lb/>
Eoa sich am Tage ihrer Geburt verheiratheten und <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Parr<lb/>
in seinem 120 Jahre, so hat Niemand ein Recht zu verzweifeln<lb/>
und Jeder, der sich verheirathet, im welchem Alter immer, kann<lb/>
sich auf einen berühmten Mann als auf sein Beispiel berufen.<lb/>
Also lasse man sich durch Nichts abhalten! </p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><hi rendition="#g">Tyroler Derbheit.</hi> Die Kaiserin Marie Theresia von<lb/>
Oesterreich wurde einst gleich einem gewöhnlichen &#x201E;Unterthan&#x201C;<lb/>
von den Blattern heimgesucht. Als dies die Tyroler erfuhren,<lb/>
beschlossen sie, eine Deputation an den Hof nach Wien zu schicken,<lb/>
um der Kaiserin ihr Beileid zu bezeugen. Einige Wochen später &#x2014;<lb/>
die Kaiserin war bereits auf dem Wege der Besserung &#x2014; traf<lb/>
denn auch diese Deputation in Gestalt von drei strammen biedern<lb/>
Alpenbewohnern in Nationaltracht in Wien ein und wurde bei<lb/>
Hof sogleich vorgelassen. &#x201E;Meine lieben Freunde, redete die<lb/>
Kaiserin sie freundlich an, es freut mich unendlich, daß meine<lb/>
braven Tyroler, die dem Hause Oesterreich stets mit kindlicher<lb/>
Liebe zugethan waren, auch an mich denken, während meiner<lb/>
schweren Prüfung.&#x201C; Darauf ergriff der Ansührer der Deputation<lb/>
das Wort und sprach: &#x201E;Ja wie geht's Dir denn Theresel?&#x201C;<lb/>
&#x201E;Ach, seufzte die kaiserin, es geht wohl besser, aber &#x2014; &#x2014; mein<lb/>
Gesicht!&#x201C; dabei bedeckte sie schluchzend das von Blattern ent-<lb/>
stellte Gesicht mit dem Taschentuch. &#x201E;Ach was G'sicht, tröstete<lb/>
sie der Tyroler, i pfeif' Dir in Dein G'sicht, wann Du nur<lb/>
sonst g'sund bist.&#x201C;</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head>Album der Poesie.</head><lb/>
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <head><hi rendition="#g">Kauft Veilchen</hi>.</head><lb/>
            <lg n="1">
              <l>Welch reicher Glanz! die Damen wogen</l><lb/>
              <l>Jn seideuen Gewändern all'!</l><lb/>
              <l>Von Perlen ist das Haar durchzogen,</l><lb/>
              <l>Und Düfte haucht es durch den Saal,</l><lb/>
              <l>Es rauschen des Concertes Klänge,</l><lb/>
              <l>Es zittert von Musik die Luft;</l><lb/>
              <l>Da drängt sich plötzlich durch die Menge</l><lb/>
              <l>Ein Mädchen bittend vor und ruft:</l><lb/>
              <l>Kauft Veilchen!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Jn dünnem, längst verschoßnen Kleide,</l><lb/>
              <l>Wie stehst Du da, Du armes Kind,</l><lb/>
              <l>Umgeben rings von Pracht und Seide,</l><lb/>
              <l>Als wär' ein jedes für Dich blind.</l><lb/>
              <l>Kaum von dem Einen fortgestoßen,</l><lb/>
              <l>Sieht man Dich freundlich weiter geh'n,</l><lb/>
              <l>Und lächelnd immer, unverdrossen,</l><lb/>
              <l>Hört im Gedränge man Dich fleh'n:</l><lb/>
              <l>Kauft Veilchen!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Ein Thränchen rann die Backen nieder,</l><lb/>
              <l>Sie kam zu mir mit scheuem Schritt:</l><lb/>
              <l>&#x201E;O Gott, die Mutter schlägt mich wieder</l><lb/>
              <l>Bring' ich kein Geld ihr heute mit.</l><lb/>
              <cb n="2"/>
              <l>Und seht, ich kann's ihr nicht verdenken,</l><lb/>
              <l>Mein Schwesterchen, das hungert sehr,</l><lb/>
              <l>Und Niemand will ihr Etwas schenken;</l><lb/>
              <l>O bitte, lieber Herr:</l><lb/>
              <l>Kauft Veilchen!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>&#x201E; Sonst mußt' ich Laub im Walde holen,</l><lb/>
              <l>Doch fürcht'ich mich, jetzt hinzugeh'n;</l><lb/>
              <l>Jch that es zwar gar recht verstohlen,</l><lb/>
              <l>Allein der Förster hat's geseh'n.</l><lb/>
              <l>Wie ich da rasch davon gelaufen,</l><lb/>
              <l>Hat er den Hund auf mich gehetzt;</l><lb/>
              <l>Der böse Mann, sein wildes Raufen</l><lb/>
              <l>Fühl' in den Haaren ich noch jetzt.&#x201C; &#x2014;</l><lb/>
              <l>Kauft Veilchen!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Da dachte ich in stillen Sorgen:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Jhr Armen alle, wachst ihr nicht</l><lb/>
              <l>Wie's Veilchen, dunkel und verborgen</l><lb/>
              <l>Fern von des Glückes Sonnenlicht?</l><lb/>
              <l>Jhr pranget nie auf Tulpenbeeten</l><lb/>
              <l>Und wär't ihr, wie das Blümchen rein,</l><lb/>
              <l>Des Reichen Fuß wird euch zertreten:</l><lb/>
              <l>Was hilft euch da all' euer Schrei'n:</l><lb/>
              <l>Kauft Veilchen!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Und warte, Mädchen, nur ein Weilchen,</l><lb/>
              <l>Wenn dann die Noth Dich ganz erfaßt,</l><lb/>
              <l>Verkaufest Du wohl selbst die Veilchen,</l><lb/>
              <l>Die Du in Deinen Augen hast.</l><lb/>
              <l>Mit Deinen Wangen, Deinen blassen,</l><lb/>
              <l>Gehst Du dann Abends auf und ab,</l><lb/>
              <l>Und flüsterst durch die stillen Gassen:</l><lb/>
              <l>Wer kauft mir meine Veilchen ab?</l><lb/>
              <l>Kauft Veilchen!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Und weiter war das Kind gegangen,</l><lb/>
              <l>Und rief wohl auf und ab die Reih'n;</l><lb/>
              <l>Da kneift ein Herr es in die Wangen:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Hörst Du denn gar nicht auf zu schrei'n?&#x201C;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Marsch nun hinaus und komm' nicht wieder!&#x201C;</l><lb/>
              <l>Sie folgte still dem rohen Wort,</l><lb/>
              <l>Es zitterten im Frost die Glieder</l><lb/>
              <l>Und wimmernd rief sie draußen fort:</l><lb/>
              <l>Kauft Veilchen!</l>
            </lg>
          </lg><lb/>
          <bibl> <hi rendition="#right">H. Semmig. </hi> </bibl>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <head><hi rendition="#g">An die Moralisten</hi>.</head><lb/>
            <lg n="1">
              <l>Das hab'ich ja schon dort und hier</l><lb/>
              <l>Schon tausendmal gesagt,</l><lb/>
              <l>Daß unter eurem Scepter mir</l><lb/>
              <l>Kein Augenblick behagt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Sich selbst beschränkt ein edler Muth,</l><lb/>
              <l>Und, seiner selbst gewiß,</l><lb/>
              <l>Schlägt er sich frei durch Bös' und Gut,</l><lb/>
              <l>Durch Licht und Finsterniß</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Doch immer mehr in dumpfer Hast</l><lb/>
              <l>Schleppt Ketten ihr herzu;</l><lb/>
              <l>Jch schüttle weg die ganze Last,</l><lb/>
              <l>Und werd' ein Mensch im Nu!</l>
            </lg>
          </lg><lb/>
          <bibl> <hi rendition="#right">A. v. Platen.</hi> </bibl>
        </div>
      </div><lb/>
      <cb type="end"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="contents" n="1">
        <p>Juhalt der 11. Lieferung. Nr. 1. 1. Welche Steuer ist die gerechteste?. &#x2014; 2. Die Reise nach Jkarien. ( Roman von Cabet. ) &#x2014; 3. Das<lb/>
Schulwesen im Mittelalter. &#x2014; 4. Allerlei. &#x2014; 5. Album der Poesie.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jAn" n="1">
        <head>&#x261E; Die nächste Nummer der &#x201E;Social-politischen Blätter&#x201C; erscheint mit Jllnstrationen.</head><lb/>
        <p>
          <space dim="horizontal"/> <hi rendition="#g">Die Redaction.</hi> </p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
    <back>
      <div type="imprint" n="1">
        <p> <hi rendition="#c">Druck und Verlag von C. <hi rendition="#g">Jhring's</hi> Nfgr. in Berlin, Dresdenerstraße 84. &#x2014; Verantwortlich für die Redaction: L. <hi rendition="#g">Pfeiffer</hi> in Berlin.</hi> </p>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[300/0008] Zur Unterhaltung und Belehrung. 300 son 29; Klopstock, Burns 30; Schiller 31; Chaucer, Hogarth, Peel 32; Humphry Davy 33; Aristoteles 36; Wellington 37; Wilberforee 37; Luther 42; Addisson 44; Wesley, Young, Lessing 47; Swist 49; Buffon 55; der alte Parr 120. Da Adam und Eoa sich am Tage ihrer Geburt verheiratheten und Dr. Parr in seinem 120 Jahre, so hat Niemand ein Recht zu verzweifeln und Jeder, der sich verheirathet, im welchem Alter immer, kann sich auf einen berühmten Mann als auf sein Beispiel berufen. Also lasse man sich durch Nichts abhalten! Tyroler Derbheit. Die Kaiserin Marie Theresia von Oesterreich wurde einst gleich einem gewöhnlichen „Unterthan“ von den Blattern heimgesucht. Als dies die Tyroler erfuhren, beschlossen sie, eine Deputation an den Hof nach Wien zu schicken, um der Kaiserin ihr Beileid zu bezeugen. Einige Wochen später — die Kaiserin war bereits auf dem Wege der Besserung — traf denn auch diese Deputation in Gestalt von drei strammen biedern Alpenbewohnern in Nationaltracht in Wien ein und wurde bei Hof sogleich vorgelassen. „Meine lieben Freunde, redete die Kaiserin sie freundlich an, es freut mich unendlich, daß meine braven Tyroler, die dem Hause Oesterreich stets mit kindlicher Liebe zugethan waren, auch an mich denken, während meiner schweren Prüfung.“ Darauf ergriff der Ansührer der Deputation das Wort und sprach: „Ja wie geht's Dir denn Theresel?“ „Ach, seufzte die kaiserin, es geht wohl besser, aber — — mein Gesicht!“ dabei bedeckte sie schluchzend das von Blattern ent- stellte Gesicht mit dem Taschentuch. „Ach was G'sicht, tröstete sie der Tyroler, i pfeif' Dir in Dein G'sicht, wann Du nur sonst g'sund bist.“ Album der Poesie. Kauft Veilchen. Welch reicher Glanz! die Damen wogen Jn seideuen Gewändern all'! Von Perlen ist das Haar durchzogen, Und Düfte haucht es durch den Saal, Es rauschen des Concertes Klänge, Es zittert von Musik die Luft; Da drängt sich plötzlich durch die Menge Ein Mädchen bittend vor und ruft: Kauft Veilchen! Jn dünnem, längst verschoßnen Kleide, Wie stehst Du da, Du armes Kind, Umgeben rings von Pracht und Seide, Als wär' ein jedes für Dich blind. Kaum von dem Einen fortgestoßen, Sieht man Dich freundlich weiter geh'n, Und lächelnd immer, unverdrossen, Hört im Gedränge man Dich fleh'n: Kauft Veilchen! Ein Thränchen rann die Backen nieder, Sie kam zu mir mit scheuem Schritt: „O Gott, die Mutter schlägt mich wieder Bring' ich kein Geld ihr heute mit. Und seht, ich kann's ihr nicht verdenken, Mein Schwesterchen, das hungert sehr, Und Niemand will ihr Etwas schenken; O bitte, lieber Herr: Kauft Veilchen! „ Sonst mußt' ich Laub im Walde holen, Doch fürcht'ich mich, jetzt hinzugeh'n; Jch that es zwar gar recht verstohlen, Allein der Förster hat's geseh'n. Wie ich da rasch davon gelaufen, Hat er den Hund auf mich gehetzt; Der böse Mann, sein wildes Raufen Fühl' in den Haaren ich noch jetzt.“ — Kauft Veilchen! Da dachte ich in stillen Sorgen: „Jhr Armen alle, wachst ihr nicht Wie's Veilchen, dunkel und verborgen Fern von des Glückes Sonnenlicht? Jhr pranget nie auf Tulpenbeeten Und wär't ihr, wie das Blümchen rein, Des Reichen Fuß wird euch zertreten: Was hilft euch da all' euer Schrei'n: Kauft Veilchen! Und warte, Mädchen, nur ein Weilchen, Wenn dann die Noth Dich ganz erfaßt, Verkaufest Du wohl selbst die Veilchen, Die Du in Deinen Augen hast. Mit Deinen Wangen, Deinen blassen, Gehst Du dann Abends auf und ab, Und flüsterst durch die stillen Gassen: Wer kauft mir meine Veilchen ab? Kauft Veilchen! Und weiter war das Kind gegangen, Und rief wohl auf und ab die Reih'n; Da kneift ein Herr es in die Wangen: „Hörst Du denn gar nicht auf zu schrei'n?“ „Marsch nun hinaus und komm' nicht wieder!“ Sie folgte still dem rohen Wort, Es zitterten im Frost die Glieder Und wimmernd rief sie draußen fort: Kauft Veilchen! H. Semmig. An die Moralisten. Das hab'ich ja schon dort und hier Schon tausendmal gesagt, Daß unter eurem Scepter mir Kein Augenblick behagt. Sich selbst beschränkt ein edler Muth, Und, seiner selbst gewiß, Schlägt er sich frei durch Bös' und Gut, Durch Licht und Finsterniß Doch immer mehr in dumpfer Hast Schleppt Ketten ihr herzu; Jch schüttle weg die ganze Last, Und werd' ein Mensch im Nu! A. v. Platen. Juhalt der 11. Lieferung. Nr. 1. 1. Welche Steuer ist die gerechteste?. — 2. Die Reise nach Jkarien. ( Roman von Cabet. ) — 3. Das Schulwesen im Mittelalter. — 4. Allerlei. — 5. Album der Poesie. ☞ Die nächste Nummer der „Social-politischen Blätter“ erscheint mit Jllnstrationen. Die Redaction. Druck und Verlag von C. Jhring's Nfgr. in Berlin, Dresdenerstraße 84. — Verantwortlich für die Redaction: L. Pfeiffer in Berlin.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social1101_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social1101_1874/8
Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 11. Lieferung, Nr. 1. Berlin, 7. November 1874, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social1101_1874/8>, abgerufen am 03.12.2024.