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Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 11. Lieferung, Nr. 1. Berlin, 7. November 1874.

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11. Lief. Nr. 1.Berlin, 7. November 1874.2. Jahrgang.
Social-politische Blätter
zur
Unterhaltung u Belehrung
für
die deutschen Arbeiter


[Beginn Spaltensatz]

Bestellungen
nehmen alle Postanstalten an; in Berlin
wird bei den Zeitungsspediteuren und
dem Verleger, C. Jhring's Nfgr., Dres-
denerstraße 84, abonnirt.

[Spaltenumbruch]

Eigenthum der Lassalleaner.

[Spaltenumbruch]

Diese Blätter
erscheinen regelmäßig jeden Sonnabend
und kosten auf der Post bestellt pro Quar-
tal 10 Sgr.; ein Monatsheft durch Col-
portage bezogen 4 Sgr.

[Ende Spaltensatz]


[Beginn Spaltensatz]
Welche Steuer ist die gerechteste?

Wenn wir über diese Frage nachdenken, müssen wir
wohl zu folgenden Resultaten gelangen:

Die civilisirte, mehr oder minder auf Gemeinsamkeit
beruhende Gesellschaft, als deren äußere, zusammenhalten-
der und ordnender Ausdruck der Staat erscheint, gewährt
im Vergleich zum staatlosen Naturzustand allen ihren Mit-
gliedern einen Vortheil. Aber die Gesellschaft thut dies nicht
für Alle in gleichem Maße. Vielmehr nützt die Gesammt-
heit der gesellschaftlichen Einrichtungen dem Einen weit mehr
als dem Andern; sie nützt, im Vergleich zum Naturzustand,
dem Einen nur wenig, dem Andern viel, Einigen unendlich
viel. Sie nützt dem Millionär unendlich mehr, als dem
besitzlosen Arbeiter, der sich Tag aus Tag ein bis zum
späten Abend für kärglichen Lohn abplacken muß. Und da
der Staat nichts anderes ist, als diejenige Gesammteinrich-
tung, durch welche die gesellschaftliche Bewegung geschützt
und aufrecht erhalten wird, so ist nichts natürlicher und
gerechter, als daß Einer zu den Lasten des Staates in
demjenigen Maße beiträgt, in welchem er durch die Gesell-
schaft Vortheile hat.

Also kurz gesagt: Ein Jeder in der Gesellschaft muß
von Staatswegen besteuert werden, nach Maßgabe des
Vortheils, den er durch das Vorhandensein und die Ein-
richtungen der Gesellschaft hat.

Aus diesem Grundsatze läßt sich die Forderung der
sogenannten "einfachen Einkommensteuer" und in weiterer
Entwickelung, die Forderung der sogenannten "progressiven
Einkommensteuer" herleiten.

Wir schreiten nunmehr dazu, zunächst zu zeigen, daß
sich die Forderung der sogenannten "einfachen Einkommen-
steuer " aus jenem Grundsatze entwickeln läßt.

[Spaltenumbruch]

Unter "einfacher Einkommensteuer" versteht man die
Besteuerung alles Einkommens nach ein= und demselben,
bei jeglicher Höhe des Einkommens sich gleichbleibenden
Procentsatz; z. B. von 100 Thalern 1 Procent, macht
Einen Thaler, von 1000 Thlrn. 1 Procent macht 10 Thlr.,
von Einer Million 1 Procent macht 10,000 Thaler. Jm
Gegensatz hierzu versteht man unter progressiver Einkommen-
steuer diejenige Besteuerung des Einkommens, deren Pro-
centsatz mit der Höhe des Einkommens wächst. Z. B. Ein-
kommen bis zur Höhe von 300 Thlrn. 1 / 4 Procent, von
300 bis 600 Thlrn. 1 / 2 Procent, von 600 bis 1000 Thlrn.
3 / 4 Procent, von 1000 bis 2000 Thlrn. 1 Procent, von
2000 bis 3000 Thlrn.,1 1 / 4 Procent und so fort, z. B. für
jedes Tausend um 1 / 4 Procent steigend.

Eine einfache Einkommensteuer, die Besteuerung nach
gleichem Procentsatz, schließt nicht aus, daß man verschie-
dene Arten möglichen Einkommens unterscheide und mit
verschiedenem Procentsatz besteuere; der Begriff der ein-
fachen Einkommensteuer ist so lange gewahrt, als die Höhe
des Einkommens keinen Einfluß auf den Procentsatz hat.

Daß man insbesondere zwei unterschiedene Arten von
Einkommen annehmen muß, ergiebt sich so zu sagen auf
den ersten Blick aus dem Umstande, daß es erstens solche
Einkommen giebt, die auf einem bleibenden, außerhalb der
Person stehenden Vermögenswerth ( Capital oder Grund-
besitz ) beruhen, und zweitens solche Einkommen, hinter
denen ein solcher Werth nicht steht, sondern die vielmehr
aus der mit der Person unzertrennlich verbundenen Arbeits-
kraft fließen.

Der Unterschied ist sehr bedeutend: Ein höherer Ar-
beiter soll einen jährlichen Gehalt von 1000 Thlrn. haben,
ein kleiner Rentier soll 1000 Thlr. an jährlichen Hypothe-
kenzinsen beziehen. Das Einkommen in beiden Fällen ist
ganz dasselbe. Aber 1 ) Der Eine muß, um das Einkom-
[Ende Spaltensatz]

11. Lief. Nr. 1.Berlin, 7. November 1874.2. Jahrgang.
Social-politische Blätter
zur
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die deutschen Arbeiter


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nehmen alle Postanstalten an; in Berlin
wird bei den Zeitungsspediteuren und
dem Verleger, C. Jhring's Nfgr., Dres-
denerstraße 84, abonnirt.

[Spaltenumbruch]

Eigenthum der Lassalleaner.

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Diese Blätter
erscheinen regelmäßig jeden Sonnabend
und kosten auf der Post bestellt pro Quar-
tal 10 Sgr.; ein Monatsheft durch Col-
portage bezogen 4 Sgr.

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Welche Steuer ist die gerechteste?

Wenn wir über diese Frage nachdenken, müssen wir
wohl zu folgenden Resultaten gelangen:

Die civilisirte, mehr oder minder auf Gemeinsamkeit
beruhende Gesellschaft, als deren äußere, zusammenhalten-
der und ordnender Ausdruck der Staat erscheint, gewährt
im Vergleich zum staatlosen Naturzustand allen ihren Mit-
gliedern einen Vortheil. Aber die Gesellschaft thut dies nicht
für Alle in gleichem Maße. Vielmehr nützt die Gesammt-
heit der gesellschaftlichen Einrichtungen dem Einen weit mehr
als dem Andern; sie nützt, im Vergleich zum Naturzustand,
dem Einen nur wenig, dem Andern viel, Einigen unendlich
viel. Sie nützt dem Millionär unendlich mehr, als dem
besitzlosen Arbeiter, der sich Tag aus Tag ein bis zum
späten Abend für kärglichen Lohn abplacken muß. Und da
der Staat nichts anderes ist, als diejenige Gesammteinrich-
tung, durch welche die gesellschaftliche Bewegung geschützt
und aufrecht erhalten wird, so ist nichts natürlicher und
gerechter, als daß Einer zu den Lasten des Staates in
demjenigen Maße beiträgt, in welchem er durch die Gesell-
schaft Vortheile hat.

Also kurz gesagt: Ein Jeder in der Gesellschaft muß
von Staatswegen besteuert werden, nach Maßgabe des
Vortheils, den er durch das Vorhandensein und die Ein-
richtungen der Gesellschaft hat.

Aus diesem Grundsatze läßt sich die Forderung der
sogenannten „einfachen Einkommensteuer“ und in weiterer
Entwickelung, die Forderung der sogenannten „progressiven
Einkommensteuer“ herleiten.

Wir schreiten nunmehr dazu, zunächst zu zeigen, daß
sich die Forderung der sogenannten „einfachen Einkommen-
steuer “ aus jenem Grundsatze entwickeln läßt.

[Spaltenumbruch]

Unter „einfacher Einkommensteuer“ versteht man die
Besteuerung alles Einkommens nach ein= und demselben,
bei jeglicher Höhe des Einkommens sich gleichbleibenden
Procentsatz; z. B. von 100 Thalern 1 Procent, macht
Einen Thaler, von 1000 Thlrn. 1 Procent macht 10 Thlr.,
von Einer Million 1 Procent macht 10,000 Thaler. Jm
Gegensatz hierzu versteht man unter progressiver Einkommen-
steuer diejenige Besteuerung des Einkommens, deren Pro-
centsatz mit der Höhe des Einkommens wächst. Z. B. Ein-
kommen bis zur Höhe von 300 Thlrn. 1 / 4 Procent, von
300 bis 600 Thlrn. 1 / 2 Procent, von 600 bis 1000 Thlrn.
3 / 4 Procent, von 1000 bis 2000 Thlrn. 1 Procent, von
2000 bis 3000 Thlrn.,1 1 / 4 Procent und so fort, z. B. für
jedes Tausend um 1 / 4 Procent steigend.

Eine einfache Einkommensteuer, die Besteuerung nach
gleichem Procentsatz, schließt nicht aus, daß man verschie-
dene Arten möglichen Einkommens unterscheide und mit
verschiedenem Procentsatz besteuere; der Begriff der ein-
fachen Einkommensteuer ist so lange gewahrt, als die Höhe
des Einkommens keinen Einfluß auf den Procentsatz hat.

Daß man insbesondere zwei unterschiedene Arten von
Einkommen annehmen muß, ergiebt sich so zu sagen auf
den ersten Blick aus dem Umstande, daß es erstens solche
Einkommen giebt, die auf einem bleibenden, außerhalb der
Person stehenden Vermögenswerth ( Capital oder Grund-
besitz ) beruhen, und zweitens solche Einkommen, hinter
denen ein solcher Werth nicht steht, sondern die vielmehr
aus der mit der Person unzertrennlich verbundenen Arbeits-
kraft fließen.

Der Unterschied ist sehr bedeutend: Ein höherer Ar-
beiter soll einen jährlichen Gehalt von 1000 Thlrn. haben,
ein kleiner Rentier soll 1000 Thlr. an jährlichen Hypothe-
kenzinsen beziehen. Das Einkommen in beiden Fällen ist
ganz dasselbe. Aber 1 ) Der Eine muß, um das Einkom-
[Ende Spaltensatz]

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[[293]/0001] 11. Lief. Nr. 1.Berlin, 7. November 1874.2. Jahrgang. Social-politische Blätter zur Unterhaltung u Belehrung für die deutschen Arbeiter Bestellungen nehmen alle Postanstalten an; in Berlin wird bei den Zeitungsspediteuren und dem Verleger, C. Jhring's Nfgr., Dres- denerstraße 84, abonnirt. Eigenthum der Lassalleaner. Diese Blätter erscheinen regelmäßig jeden Sonnabend und kosten auf der Post bestellt pro Quar- tal 10 Sgr.; ein Monatsheft durch Col- portage bezogen 4 Sgr. Welche Steuer ist die gerechteste? Wenn wir über diese Frage nachdenken, müssen wir wohl zu folgenden Resultaten gelangen: Die civilisirte, mehr oder minder auf Gemeinsamkeit beruhende Gesellschaft, als deren äußere, zusammenhalten- der und ordnender Ausdruck der Staat erscheint, gewährt im Vergleich zum staatlosen Naturzustand allen ihren Mit- gliedern einen Vortheil. Aber die Gesellschaft thut dies nicht für Alle in gleichem Maße. Vielmehr nützt die Gesammt- heit der gesellschaftlichen Einrichtungen dem Einen weit mehr als dem Andern; sie nützt, im Vergleich zum Naturzustand, dem Einen nur wenig, dem Andern viel, Einigen unendlich viel. Sie nützt dem Millionär unendlich mehr, als dem besitzlosen Arbeiter, der sich Tag aus Tag ein bis zum späten Abend für kärglichen Lohn abplacken muß. Und da der Staat nichts anderes ist, als diejenige Gesammteinrich- tung, durch welche die gesellschaftliche Bewegung geschützt und aufrecht erhalten wird, so ist nichts natürlicher und gerechter, als daß Einer zu den Lasten des Staates in demjenigen Maße beiträgt, in welchem er durch die Gesell- schaft Vortheile hat. Also kurz gesagt: Ein Jeder in der Gesellschaft muß von Staatswegen besteuert werden, nach Maßgabe des Vortheils, den er durch das Vorhandensein und die Ein- richtungen der Gesellschaft hat. Aus diesem Grundsatze läßt sich die Forderung der sogenannten „einfachen Einkommensteuer“ und in weiterer Entwickelung, die Forderung der sogenannten „progressiven Einkommensteuer“ herleiten. Wir schreiten nunmehr dazu, zunächst zu zeigen, daß sich die Forderung der sogenannten „einfachen Einkommen- steuer “ aus jenem Grundsatze entwickeln läßt. Unter „einfacher Einkommensteuer“ versteht man die Besteuerung alles Einkommens nach ein= und demselben, bei jeglicher Höhe des Einkommens sich gleichbleibenden Procentsatz; z. B. von 100 Thalern 1 Procent, macht Einen Thaler, von 1000 Thlrn. 1 Procent macht 10 Thlr., von Einer Million 1 Procent macht 10,000 Thaler. Jm Gegensatz hierzu versteht man unter progressiver Einkommen- steuer diejenige Besteuerung des Einkommens, deren Pro- centsatz mit der Höhe des Einkommens wächst. Z. B. Ein- kommen bis zur Höhe von 300 Thlrn. 1 / 4 Procent, von 300 bis 600 Thlrn. 1 / 2 Procent, von 600 bis 1000 Thlrn. 3 / 4 Procent, von 1000 bis 2000 Thlrn. 1 Procent, von 2000 bis 3000 Thlrn.,1 1 / 4 Procent und so fort, z. B. für jedes Tausend um 1 / 4 Procent steigend. Eine einfache Einkommensteuer, die Besteuerung nach gleichem Procentsatz, schließt nicht aus, daß man verschie- dene Arten möglichen Einkommens unterscheide und mit verschiedenem Procentsatz besteuere; der Begriff der ein- fachen Einkommensteuer ist so lange gewahrt, als die Höhe des Einkommens keinen Einfluß auf den Procentsatz hat. Daß man insbesondere zwei unterschiedene Arten von Einkommen annehmen muß, ergiebt sich so zu sagen auf den ersten Blick aus dem Umstande, daß es erstens solche Einkommen giebt, die auf einem bleibenden, außerhalb der Person stehenden Vermögenswerth ( Capital oder Grund- besitz ) beruhen, und zweitens solche Einkommen, hinter denen ein solcher Werth nicht steht, sondern die vielmehr aus der mit der Person unzertrennlich verbundenen Arbeits- kraft fließen. Der Unterschied ist sehr bedeutend: Ein höherer Ar- beiter soll einen jährlichen Gehalt von 1000 Thlrn. haben, ein kleiner Rentier soll 1000 Thlr. an jährlichen Hypothe- kenzinsen beziehen. Das Einkommen in beiden Fällen ist ganz dasselbe. Aber 1 ) Der Eine muß, um das Einkom-

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 11. Lieferung, Nr. 1. Berlin, 7. November 1874, S. [293]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social1101_1874/1>, abgerufen am 03.12.2024.