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Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 8. Lieferung, Nr. 2. Berlin, 8. August 1874.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 190
Reise nach Jkarien
von Cabet.
( Fortsetzung. ) [Beginn Spaltensatz]
Siebentes Kapitel.

Nahrung.

Es war ein ikarischer Sonntag, ein Ruhetag, der zehnte in
der ikarischen Woche, da kam Walmor zu mir, um der Verab-
redung gemäß mich bereits recht früh abzuholen. Wir beide
machten uns denn, nebst dem jungen französischen Maler Eugen,
auf den Weg und gingen auf das Land.

Jch werde später die sinnreichen Mittel erzählen, deren sich
die Republik bedient, um, die schöne Jahreszeit hindurch, die
Ausflüge in die Umgegend der Stadt, die ländlichen Mittagessen
u. s. w. zu regeln, in der Art, daß jeder daran Theil habe.
Die Vorsorge der Republik erstreckt sich allerdings bis auf fol-
cherlei Punkte, die unstreitig mancher meiner Leser mit Achsel-
zucken für "unbedeutend" erklären wird, obschon es ihm wahr-
scheinlich nicht "unbedeutend" ist, von einer ihn anziehenden
Landpartie sich, sei's durch Geldmangel, sei's durch andere Gründe,
ausgeschlossen zu sehen. Uebrigens steht es jedem frei, der-
artige Punkte zu halten, für was er Lust hat.

Wir machten uns also auf, ohne erst vorher zu grübeln,
ob dies "unbedeutend" oder nicht sei; einige waren zu Fuß,
andere in den Landomnibus, andere zu Pferde, zu Esel, zu
Maulthier. Das Zusammentreffen war an einem allerliebsten
Springbrunnen, eine Meile von Jkara entfernt, auf dem Ab-
hange eines schönen Bergrückens, der die Stadt beherrscht.

Eine große Menge Besucher nahm denselben Weg. Solcher
Vergnügungsorte sind über zwanzig ringsum, einst im egoistischen
Besitz einiger hohen Herrschaften oder reichen Familien, jetzt
Gemeingut des gesammten Volkes, und mithin auch der Nach-
kömmlinge jener ehemaligen Eigenthümer dieser Anlagen. Heute
noch stehen hie und da einige, aber nur sehr wenige und kleine
Bruchtrümmer der Schloßmauern und Gräben, durch die sich die
alten Gebieter in ihrem Besitzthum gegen das Publikum abzu-
sperren für gut befunden hatten. Absichtlich scheint das Volk
diese Ruinen aufrecht zu lassen; sie sind übrigens so gering an
Ausdehnung, daß sie keinen in Auschlag zu bringenden Raum
wegnehmen, sie sind nur Erinerungen an eine trübe, schmerzliche
Vergangenheit, aus der die Nation sich durch eigne Kraft zu
ziehen wußte. Jetzt sind z. B. viele der alten Schloßgräben in
Blumen= und Gemüsegärten umgewandelt; die Burgverließe, so
viel man deren noch übrig hat ( die meisten sind längst zugeschüt-
tet und zugestampft ) , dienen zu Bierkellern und Eisgruben; in
Schloßhöfen wird getanzt, unter den an den Mauern wie zum
Wahrzeichen aufgehängten Ketten; mitten auf einem Tanzplatz
starrt noch ein uraltes Steinthor empor, auf dem nunmehr die
Musikanten sitzen. Solcherlei könnte ich Mehreres anführen,
doch genügt wohl dieses Wenige.

Walmor hatte die Güte, mir das System zu erklären, nach
welchem der Staat Jkarien bei der Nahrungsaustheilung zu
Werke geht. Jch hatte niemals an diese Möglichkeit auch nur
im Entferntesten gedacht. Eugen mag mir auch hier wieder sei-
nen Brief leihen; es war der dritte, den der junge, begeisterte
Franzose nach der fernen Heimath schrieb. Die Landpartie be-
treffend, will ich nur hinzusetzen, daß unsere Rückkehr nicht weni-
ger angenehm war, als unser Aufenthalt an jenem Orte. Jch
will den Leser daher nicht mit besonderen Beschreibungen der
Vergügungen jenes Abends hinhalten.

[Spaltenumbruch]
Brief Eugen's an seinen Bruder.

Lieber Kamill! wäre doch unser theures Frankreich endlich
auch ein Jkarien! Lies und staune.

Nahrung.

Bei uns ist alles, was sich auf Leibes = Nothdurft bezieht,
bekanntlich ganz der Laune des Zufalls preisgegeben; hier zu
Lande ist es auf's Gerechteste und Umständlichste geordnet, und
man darf sagen, Jkarien habe den schwersten und erhabensten
Sieg errungen, der dem Menschen auf Erden zu Theil werden
kann: Jkarien hat den Zufall besiegt.

Zuvörderst bestimmt das Gesetz, welche Nahrungsmittel heil-
sam, und welche zu verwerfen sind; ein Rath von Gelehrten und
Sachkundigen, von der Deputirtenkammer eigens dazu ernannt,
und vom Mitwirken der Bürger unterstützt, hat ein Verzeichniß
von allen Nahrungsmitteln angefertigt, mit genauer Angabe der
guten und schlechten Eigenschaften von jedem, oder richtiger der
Verhältnisse, worin ein Nahrungsmittel diese oder jene Eigen-
schaft behält oder verliert. Nach dem ikarischen Satze: "zuerst
das Nothwendige, dann das Nützliche, zuletzt das Angenehme,"
nach diesem so wahren, so einfachen Lebenssatze, der auf das
Größte wie Kleinste auf Erden seine Anwendung findet, hat das
Comit e jener Gelehrten auch in dieser Angelegenheit verfahren,
und an jede Familie des Reiches ein Exemplar der erwähnten
Schrift geliefert. Außerdem hat jede Familie ein Exemplar
eines anderen Buches, worin die zweckmäßige Zubereitung jeder
Speise angegeben ist; ein ikarisches Kochbuch, mein Kamill.
Lache nicht, ich muß Dir gestehen, das Ding ist ganz ernsthaft,
ganz verständig, ganz nützlich; es stehen darin auch eine Menge
wissenschaftlicher Angaben, welche manchen unserer Familien er-
wünscht genug kämen; das Ganze hat einen Ton, der weit über
den Ton unserer Hausbücher erhaben ist, und man sieht schon
aus diesem Speisebuch, daß die Jkarier keine Wüstlinge, keine
Kinder, keine Spießbürger sind. Bei uns wird bekanntlich be-
hauptet, jede Provinz, jedes Land wisse schon aus Erfahrung,
welche Speise und welche Küche ihm am besten passe; das ist
aber nicht richtig. Die Europäer verderben sich täglich die Ein-
geweide, unter andern Gründen auch aus dem, daß nicht genau
bekannt ist, oder auf die leichte Achsel genommen wird, was und
wie zu essen und zu trinken sei. Wäre die thörichte Meinung
derjenigen richtig, die da spöttisch sagen: "es sei doch seltsam,
daß der gebildete Mensch nicht wissen solle, was er zu essen
habe? er sei ja kein Kind!" -- so müßten sich ja in dem wohl-
habenden und reichen Stande die Europäer nicht mehr den Ma-
gen verderben; denn in diesem Stande kann doch nicht der Magen
aus Nahrungsmangel verdorben werden.

Die Republik hat also die Nahrungsstoffe festgesetzt. Nach
den Jahreszeiten und Lebensaltern, Beschäftigungen und Gesund-
heitszuständen kommen in den Verbrauch wohl einige Verschie-
denheiten, wie Du Dir denken kannst, aber diese Verschiedenheiten
sind ganz unerheblich auf das Ganze, und es ist eine viel größere
Gleichheit hier wirklich, als unsere kühnsten Denker oder
Träumer je haben für möglich halten wollen. Die Republik
läßt keine anderen, als die vom Speiserath anerkannten Nah-
rungsmittel bauen, und so findest Du denn auch keine andern bei
ihren Ackerwirthen, welche als Mitbürger und Mitgesetzgeber ihr
[Ende Spaltensatz]

Zur Unterhaltung und Belehrung. 190
Reise nach Jkarien
von Cabet.
( Fortsetzung. ) [Beginn Spaltensatz]
Siebentes Kapitel.

Nahrung.

Es war ein ikarischer Sonntag, ein Ruhetag, der zehnte in
der ikarischen Woche, da kam Walmor zu mir, um der Verab-
redung gemäß mich bereits recht früh abzuholen. Wir beide
machten uns denn, nebst dem jungen französischen Maler Eugen,
auf den Weg und gingen auf das Land.

Jch werde später die sinnreichen Mittel erzählen, deren sich
die Republik bedient, um, die schöne Jahreszeit hindurch, die
Ausflüge in die Umgegend der Stadt, die ländlichen Mittagessen
u. s. w. zu regeln, in der Art, daß jeder daran Theil habe.
Die Vorsorge der Republik erstreckt sich allerdings bis auf fol-
cherlei Punkte, die unstreitig mancher meiner Leser mit Achsel-
zucken für „unbedeutend“ erklären wird, obschon es ihm wahr-
scheinlich nicht „unbedeutend“ ist, von einer ihn anziehenden
Landpartie sich, sei's durch Geldmangel, sei's durch andere Gründe,
ausgeschlossen zu sehen. Uebrigens steht es jedem frei, der-
artige Punkte zu halten, für was er Lust hat.

Wir machten uns also auf, ohne erst vorher zu grübeln,
ob dies „unbedeutend“ oder nicht sei; einige waren zu Fuß,
andere in den Landomnibus, andere zu Pferde, zu Esel, zu
Maulthier. Das Zusammentreffen war an einem allerliebsten
Springbrunnen, eine Meile von Jkara entfernt, auf dem Ab-
hange eines schönen Bergrückens, der die Stadt beherrscht.

Eine große Menge Besucher nahm denselben Weg. Solcher
Vergnügungsorte sind über zwanzig ringsum, einst im egoistischen
Besitz einiger hohen Herrschaften oder reichen Familien, jetzt
Gemeingut des gesammten Volkes, und mithin auch der Nach-
kömmlinge jener ehemaligen Eigenthümer dieser Anlagen. Heute
noch stehen hie und da einige, aber nur sehr wenige und kleine
Bruchtrümmer der Schloßmauern und Gräben, durch die sich die
alten Gebieter in ihrem Besitzthum gegen das Publikum abzu-
sperren für gut befunden hatten. Absichtlich scheint das Volk
diese Ruinen aufrecht zu lassen; sie sind übrigens so gering an
Ausdehnung, daß sie keinen in Auschlag zu bringenden Raum
wegnehmen, sie sind nur Erinerungen an eine trübe, schmerzliche
Vergangenheit, aus der die Nation sich durch eigne Kraft zu
ziehen wußte. Jetzt sind z. B. viele der alten Schloßgräben in
Blumen= und Gemüsegärten umgewandelt; die Burgverließe, so
viel man deren noch übrig hat ( die meisten sind längst zugeschüt-
tet und zugestampft ) , dienen zu Bierkellern und Eisgruben; in
Schloßhöfen wird getanzt, unter den an den Mauern wie zum
Wahrzeichen aufgehängten Ketten; mitten auf einem Tanzplatz
starrt noch ein uraltes Steinthor empor, auf dem nunmehr die
Musikanten sitzen. Solcherlei könnte ich Mehreres anführen,
doch genügt wohl dieses Wenige.

Walmor hatte die Güte, mir das System zu erklären, nach
welchem der Staat Jkarien bei der Nahrungsaustheilung zu
Werke geht. Jch hatte niemals an diese Möglichkeit auch nur
im Entferntesten gedacht. Eugen mag mir auch hier wieder sei-
nen Brief leihen; es war der dritte, den der junge, begeisterte
Franzose nach der fernen Heimath schrieb. Die Landpartie be-
treffend, will ich nur hinzusetzen, daß unsere Rückkehr nicht weni-
ger angenehm war, als unser Aufenthalt an jenem Orte. Jch
will den Leser daher nicht mit besonderen Beschreibungen der
Vergügungen jenes Abends hinhalten.

[Spaltenumbruch]
Brief Eugen's an seinen Bruder.

Lieber Kamill! wäre doch unser theures Frankreich endlich
auch ein Jkarien! Lies und staune.

Nahrung.

Bei uns ist alles, was sich auf Leibes = Nothdurft bezieht,
bekanntlich ganz der Laune des Zufalls preisgegeben; hier zu
Lande ist es auf's Gerechteste und Umständlichste geordnet, und
man darf sagen, Jkarien habe den schwersten und erhabensten
Sieg errungen, der dem Menschen auf Erden zu Theil werden
kann: Jkarien hat den Zufall besiegt.

Zuvörderst bestimmt das Gesetz, welche Nahrungsmittel heil-
sam, und welche zu verwerfen sind; ein Rath von Gelehrten und
Sachkundigen, von der Deputirtenkammer eigens dazu ernannt,
und vom Mitwirken der Bürger unterstützt, hat ein Verzeichniß
von allen Nahrungsmitteln angefertigt, mit genauer Angabe der
guten und schlechten Eigenschaften von jedem, oder richtiger der
Verhältnisse, worin ein Nahrungsmittel diese oder jene Eigen-
schaft behält oder verliert. Nach dem ikarischen Satze: „zuerst
das Nothwendige, dann das Nützliche, zuletzt das Angenehme,“
nach diesem so wahren, so einfachen Lebenssatze, der auf das
Größte wie Kleinste auf Erden seine Anwendung findet, hat das
Comit é jener Gelehrten auch in dieser Angelegenheit verfahren,
und an jede Familie des Reiches ein Exemplar der erwähnten
Schrift geliefert. Außerdem hat jede Familie ein Exemplar
eines anderen Buches, worin die zweckmäßige Zubereitung jeder
Speise angegeben ist; ein ikarisches Kochbuch, mein Kamill.
Lache nicht, ich muß Dir gestehen, das Ding ist ganz ernsthaft,
ganz verständig, ganz nützlich; es stehen darin auch eine Menge
wissenschaftlicher Angaben, welche manchen unserer Familien er-
wünscht genug kämen; das Ganze hat einen Ton, der weit über
den Ton unserer Hausbücher erhaben ist, und man sieht schon
aus diesem Speisebuch, daß die Jkarier keine Wüstlinge, keine
Kinder, keine Spießbürger sind. Bei uns wird bekanntlich be-
hauptet, jede Provinz, jedes Land wisse schon aus Erfahrung,
welche Speise und welche Küche ihm am besten passe; das ist
aber nicht richtig. Die Europäer verderben sich täglich die Ein-
geweide, unter andern Gründen auch aus dem, daß nicht genau
bekannt ist, oder auf die leichte Achsel genommen wird, was und
wie zu essen und zu trinken sei. Wäre die thörichte Meinung
derjenigen richtig, die da spöttisch sagen: „es sei doch seltsam,
daß der gebildete Mensch nicht wissen solle, was er zu essen
habe? er sei ja kein Kind!“ — so müßten sich ja in dem wohl-
habenden und reichen Stande die Europäer nicht mehr den Ma-
gen verderben; denn in diesem Stande kann doch nicht der Magen
aus Nahrungsmangel verdorben werden.

Die Republik hat also die Nahrungsstoffe festgesetzt. Nach
den Jahreszeiten und Lebensaltern, Beschäftigungen und Gesund-
heitszuständen kommen in den Verbrauch wohl einige Verschie-
denheiten, wie Du Dir denken kannst, aber diese Verschiedenheiten
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Träumer je haben für möglich halten wollen. Die Republik
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[190/0002] Zur Unterhaltung und Belehrung. 190 Reise nach Jkarien von Cabet. ( Fortsetzung. ) Siebentes Kapitel. Nahrung. Es war ein ikarischer Sonntag, ein Ruhetag, der zehnte in der ikarischen Woche, da kam Walmor zu mir, um der Verab- redung gemäß mich bereits recht früh abzuholen. Wir beide machten uns denn, nebst dem jungen französischen Maler Eugen, auf den Weg und gingen auf das Land. Jch werde später die sinnreichen Mittel erzählen, deren sich die Republik bedient, um, die schöne Jahreszeit hindurch, die Ausflüge in die Umgegend der Stadt, die ländlichen Mittagessen u. s. w. zu regeln, in der Art, daß jeder daran Theil habe. Die Vorsorge der Republik erstreckt sich allerdings bis auf fol- cherlei Punkte, die unstreitig mancher meiner Leser mit Achsel- zucken für „unbedeutend“ erklären wird, obschon es ihm wahr- scheinlich nicht „unbedeutend“ ist, von einer ihn anziehenden Landpartie sich, sei's durch Geldmangel, sei's durch andere Gründe, ausgeschlossen zu sehen. Uebrigens steht es jedem frei, der- artige Punkte zu halten, für was er Lust hat. Wir machten uns also auf, ohne erst vorher zu grübeln, ob dies „unbedeutend“ oder nicht sei; einige waren zu Fuß, andere in den Landomnibus, andere zu Pferde, zu Esel, zu Maulthier. Das Zusammentreffen war an einem allerliebsten Springbrunnen, eine Meile von Jkara entfernt, auf dem Ab- hange eines schönen Bergrückens, der die Stadt beherrscht. Eine große Menge Besucher nahm denselben Weg. Solcher Vergnügungsorte sind über zwanzig ringsum, einst im egoistischen Besitz einiger hohen Herrschaften oder reichen Familien, jetzt Gemeingut des gesammten Volkes, und mithin auch der Nach- kömmlinge jener ehemaligen Eigenthümer dieser Anlagen. Heute noch stehen hie und da einige, aber nur sehr wenige und kleine Bruchtrümmer der Schloßmauern und Gräben, durch die sich die alten Gebieter in ihrem Besitzthum gegen das Publikum abzu- sperren für gut befunden hatten. Absichtlich scheint das Volk diese Ruinen aufrecht zu lassen; sie sind übrigens so gering an Ausdehnung, daß sie keinen in Auschlag zu bringenden Raum wegnehmen, sie sind nur Erinerungen an eine trübe, schmerzliche Vergangenheit, aus der die Nation sich durch eigne Kraft zu ziehen wußte. Jetzt sind z. B. viele der alten Schloßgräben in Blumen= und Gemüsegärten umgewandelt; die Burgverließe, so viel man deren noch übrig hat ( die meisten sind längst zugeschüt- tet und zugestampft ) , dienen zu Bierkellern und Eisgruben; in Schloßhöfen wird getanzt, unter den an den Mauern wie zum Wahrzeichen aufgehängten Ketten; mitten auf einem Tanzplatz starrt noch ein uraltes Steinthor empor, auf dem nunmehr die Musikanten sitzen. Solcherlei könnte ich Mehreres anführen, doch genügt wohl dieses Wenige. Walmor hatte die Güte, mir das System zu erklären, nach welchem der Staat Jkarien bei der Nahrungsaustheilung zu Werke geht. Jch hatte niemals an diese Möglichkeit auch nur im Entferntesten gedacht. Eugen mag mir auch hier wieder sei- nen Brief leihen; es war der dritte, den der junge, begeisterte Franzose nach der fernen Heimath schrieb. Die Landpartie be- treffend, will ich nur hinzusetzen, daß unsere Rückkehr nicht weni- ger angenehm war, als unser Aufenthalt an jenem Orte. Jch will den Leser daher nicht mit besonderen Beschreibungen der Vergügungen jenes Abends hinhalten. Brief Eugen's an seinen Bruder. Lieber Kamill! wäre doch unser theures Frankreich endlich auch ein Jkarien! Lies und staune. Nahrung. Bei uns ist alles, was sich auf Leibes = Nothdurft bezieht, bekanntlich ganz der Laune des Zufalls preisgegeben; hier zu Lande ist es auf's Gerechteste und Umständlichste geordnet, und man darf sagen, Jkarien habe den schwersten und erhabensten Sieg errungen, der dem Menschen auf Erden zu Theil werden kann: Jkarien hat den Zufall besiegt. 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Lache nicht, ich muß Dir gestehen, das Ding ist ganz ernsthaft, ganz verständig, ganz nützlich; es stehen darin auch eine Menge wissenschaftlicher Angaben, welche manchen unserer Familien er- wünscht genug kämen; das Ganze hat einen Ton, der weit über den Ton unserer Hausbücher erhaben ist, und man sieht schon aus diesem Speisebuch, daß die Jkarier keine Wüstlinge, keine Kinder, keine Spießbürger sind. Bei uns wird bekanntlich be- hauptet, jede Provinz, jedes Land wisse schon aus Erfahrung, welche Speise und welche Küche ihm am besten passe; das ist aber nicht richtig. Die Europäer verderben sich täglich die Ein- geweide, unter andern Gründen auch aus dem, daß nicht genau bekannt ist, oder auf die leichte Achsel genommen wird, was und wie zu essen und zu trinken sei. Wäre die thörichte Meinung derjenigen richtig, die da spöttisch sagen: „es sei doch seltsam, daß der gebildete Mensch nicht wissen solle, was er zu essen habe? er sei ja kein Kind!“ — so müßten sich ja in dem wohl- habenden und reichen Stande die Europäer nicht mehr den Ma- gen verderben; denn in diesem Stande kann doch nicht der Magen aus Nahrungsmangel verdorben werden. Die Republik hat also die Nahrungsstoffe festgesetzt. Nach den Jahreszeiten und Lebensaltern, Beschäftigungen und Gesund- heitszuständen kommen in den Verbrauch wohl einige Verschie- denheiten, wie Du Dir denken kannst, aber diese Verschiedenheiten sind ganz unerheblich auf das Ganze, und es ist eine viel größere Gleichheit hier wirklich, als unsere kühnsten Denker oder Träumer je haben für möglich halten wollen. Die Republik läßt keine anderen, als die vom Speiserath anerkannten Nah- rungsmittel bauen, und so findest Du denn auch keine andern bei ihren Ackerwirthen, welche als Mitbürger und Mitgesetzgeber ihr

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 2. Jahrgang, 8. Lieferung, Nr. 2. Berlin, 8. August 1874, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social0802_1874/2>, abgerufen am 16.10.2024.