Social-politische Blätter. 2. Lieferung. Berlin, 3. Februar 1873.Zur Unterhaltung und Belehrung. 35 [Beginn Spaltensatz]
-- Jch, Siegfried der Landstreicher, sage Euch: hier ist -- Da nehmet, Schwestern, sprach darauf die Nonne -- Nehmt, nehmt, gute Frauen, und Gott verhüte, daß -- Gott vergelt' es Euch! entgegneten die Armen weinend Es war eine Lust, mit anzusehen, mit welchem Eifer die -- Wehe Euch! Fluch und Verdammniß über Euch, wenn Der Bischof Woldemar sprach also, indem er trotz den Vor- -- Wir wollen nichts von dem anrühren, was man uns -- Wölfe, Brüder, rief Siegfried, henkt den Bischof. Wir Schon bemächtigte man sich des heiligen Mannes, der blei- -- Der Eremit, riefen die Leibeigenen, der Eremit! -- Gesegnet seiest Du, Freund der Betrübten! -- Gesegnet seiest Du, Freund unserer armen Kinder, die Und alle Kinder hängten sich an das Gewand des Eremiten, -- Liebe Frauen, liebe Kinder, nehmt, was man Euch giebt, Gesegnet seiest Du, heiliger Bischof, sprachen nun die -- Jch gebe nichts, murrte Woldemar; man zwingt es mir Die meisten der Frauen sahen unentschlossen einander, Sieg- -- Heiliger Bischof, vergieb, daß wir an eine so große -- Fürchtet nichts, Schwestern, entgegnete der Eremit, Euer -- Hört nicht auf ihn! rief Woldemar dazwischen, denn ich -- Du sagst gar nichts, unterbrach ihn Siegfried mit einem Mehrere Frauen, welche sich durch die Worte des Eremiten -- Lieben Töchter, sagte dann der Bischof trotz der Dro- -- Und ich, so wahr ich Wolfszahn heiße, werde mich ver- -- Schweig, Du Heide! schrie Woldemar ihn an, und Jhr, -- Freunde, sagte jetzt Siegfried erbittert, einen Strick, Der Eremit hielt die Landstreicher mit einer zornigen Ge- -- Bischof, erkennst Du die Worte Jesus für gött- -- Du Ketzer, Du Pharao! Jetzt zeigst Du Dich, wie Du -- Jesus hat gesagt, fuhr der Eremit fort: "Wenn Zur Unterhaltung und Belehrung. 35 [Beginn Spaltensatz]
— Jch, Siegfried der Landstreicher, sage Euch: hier ist — Da nehmet, Schwestern, sprach darauf die Nonne — Nehmt, nehmt, gute Frauen, und Gott verhüte, daß — Gott vergelt' es Euch! entgegneten die Armen weinend Es war eine Lust, mit anzusehen, mit welchem Eifer die — Wehe Euch! Fluch und Verdammniß über Euch, wenn Der Bischof Woldemar sprach also, indem er trotz den Vor- — Wir wollen nichts von dem anrühren, was man uns — Wölfe, Brüder, rief Siegfried, henkt den Bischof. Wir Schon bemächtigte man sich des heiligen Mannes, der blei- — Der Eremit, riefen die Leibeigenen, der Eremit! — Gesegnet seiest Du, Freund der Betrübten! — Gesegnet seiest Du, Freund unserer armen Kinder, die Und alle Kinder hängten sich an das Gewand des Eremiten, — Liebe Frauen, liebe Kinder, nehmt, was man Euch giebt, Gesegnet seiest Du, heiliger Bischof, sprachen nun die — Jch gebe nichts, murrte Woldemar; man zwingt es mir Die meisten der Frauen sahen unentschlossen einander, Sieg- — Heiliger Bischof, vergieb, daß wir an eine so große — Fürchtet nichts, Schwestern, entgegnete der Eremit, Euer — Hört nicht auf ihn! rief Woldemar dazwischen, denn ich — Du sagst gar nichts, unterbrach ihn Siegfried mit einem Mehrere Frauen, welche sich durch die Worte des Eremiten — Lieben Töchter, sagte dann der Bischof trotz der Dro- — Und ich, so wahr ich Wolfszahn heiße, werde mich ver- — Schweig, Du Heide! schrie Woldemar ihn an, und Jhr, — Freunde, sagte jetzt Siegfried erbittert, einen Strick, Der Eremit hielt die Landstreicher mit einer zornigen Ge- — Bischof, erkennst Du die Worte Jesus für gött- — Du Ketzer, Du Pharao! Jetzt zeigst Du Dich, wie Du — Jesus hat gesagt, fuhr der Eremit fort: „Wenn <TEI> <text> <body> <div xml:id="Streich1" type="jArticle" n="1"> <pb facs="#f0011" n="35"/> <fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Zur Unterhaltung und Belehrung.</hi> 35</fw> <cb type="start"/> <p>— Jch, Siegfried der Landstreicher, sage Euch: hier ist<lb/> Wäsche, hier sind Zeuge, Kleider, Decken, Kissen, Säcke voll Ge-<lb/> treide, volle Schläuche und Lebensmittel aller Art. Gebt, meine<lb/> Wölfe, gieb, kleine Gudrun, den guten Leuten; gieb schöne<lb/> Nonne, den armen Frauen, den kleinen Kindern, gebt, gebt<lb/> immerhin. </p><lb/> <p>— Da nehmet, Schwestern, sprach darauf die Nonne<lb/> mit Thränen in den Augen, indem sie behülflich war, die<lb/> Beute aus ihrem Hause zu vertheilen: nehmet, Schwestern.<lb/> Jch war Leibeigene wie Jhr, schlimmer vielleicht noch, und habe<lb/> hinter diesen Vorhängen von Liebe und Freiheit geträumt;<lb/> jetzt bin ich frei und geliebt, nehmet also, meine Schwestern,<lb/> nehmet. </p><lb/> <p>— Nehmt, nehmt, gute Frauen, und Gott verhüte, daß<lb/> Euch Eure Kinder jemals geraubt werden, sagte Gudrun, die<lb/> ebenfalls die Beute mit vertheilte. Dann trocknete sie die Augen<lb/> und setzte hinzu: wie gut ist Siegfried, wie gut ist er gegen die<lb/> Armen. </p><lb/> <p>— Gott vergelt' es Euch! entgegneten die Armen weinend<lb/> vor Freude. Es ist doch besser, man begegnet einem Landstreicher,<lb/> als einem Ritter oder einem Bischof. </p><lb/> <p>Es war eine Lust, mit anzusehen, mit welchem Eifer die<lb/> kecken Burschen oben von den Wagen herab das vertheilten, was<lb/> sie dem bösen und habsüchtigen Bischofe geraubt hatten; es war<lb/> eine Lust zu sehen, wie die immer traurigen Gesichter dieser un-<lb/> glücklichen Frauen sich aufheiterten in ihrer Verwunderung über<lb/> diese unverhoffte Gabe. Sie sahen bestürzt und entzückt diese<lb/> Menge von Gegenständen aller Art an, die ihnen bis dahin<lb/> völlig unbekannt gewesen. Die ungeduldigeren Kinder spannten<lb/> sich lustig zu zweien, dreien, vieren an eine Matratze, um sie in<lb/> eine der Hütten zu schleppen, oder gaben einander die Hände<lb/> und versuchten so vereint, eine schwere Rolle Leinwand aufzu-<lb/> heben und fortzuschaffen. — Mit einemmale aber entsetzte eine<lb/> zornige, drohende, freudenstörende Stimme diese armen Leute.</p><lb/> <p>— Wehe Euch! Fluch und Verdammniß über Euch, wenn<lb/> Jhr mit frevelnder Hand die Güter der Kirche anzutasten wagt!<lb/> Zittert, zittert! Es ist eine Todsünde. Jhr, Eure Männer,<lb/> Eure Kinder würdet in den Flammen der Hölle braten in aller<lb/> Ewigkeit. </p><lb/> <p>Der Bischof Woldemar sprach also, indem er trotz den Vor-<lb/> stellungen des Eremiten hinzutrat.</p><lb/> <p>— Wir wollen nichts von dem anrühren, was man uns<lb/> giebt, Herr Bischof, antworteten die Frauen und Kinder reuevoll<lb/> und an allen Gliedern zitternd. Wir wollen gar nichts anrühren<lb/> von dieser Habe der Kirche. </p><lb/> <p>— Wölfe, Brüder, rief Siegfried, henkt den Bischof. Wir<lb/> finden schon anderswo einen Koch. </p><lb/> <p>Schon bemächtigte man sich des heiligen Mannes, der blei-<lb/> cher und furchtsamer war als die bleichste und furchtsamste der<lb/> armen Frauen, die sich eben noch so sehr gefreut hatten, — als<lb/> der Eremit von neuem sich in das Mittel schlug und den Bischof<lb/> nochmals befreiete.</p><lb/> <p>— Der Eremit, riefen die Leibeigenen, der Eremit! </p><lb/> <p>— Gesegnet seiest Du, Freund der Betrübten! </p><lb/> <p>— Gesegnet seiest Du, Freund unserer armen Kinder, die<lb/> Dich so sehr lieben, denn Du liebst uns. </p><lb/> <p>Und alle Kinder hängten sich an das Gewand des Eremiten,<lb/> der mit seiner milden herzergreifenden Stimme sprach:</p><lb/> <p>— Liebe Frauen, liebe Kinder, nehmt, was man Euch giebt,<lb/> nehmt es ohne Scheu. Jesus hat gesagt: „Wehe dem Reichen,<lb/> wenn er sein Brod nicht theilt mit dem Hungrigen, oder seinen<lb/> Mantel mit dem, der friert.“ Euer Bischof wollte Euch nur<lb/> prüfen; er selbst giebt Euch Alles dies. </p><lb/> <cb n="2"/> <p>Gesegnet seiest Du, heiliger Bischof, sprachen nun die<lb/> Frauen, indem sie dankend ihre Hände nach Woldemar erhoben;<lb/> gesegnet seiest Du, guter Vater, um Deiner Güte Willen.</p><lb/> <p>— Jch gebe nichts, murrte Woldemar; man zwingt es mir<lb/> ab, man beraubt mich, und Jhr werdet ewig in der Hölle bren-<lb/> nen, wenn Jhr auf diesen betrügerifchen Eremiten hört, </p><lb/> <p>Die meisten der Frauen sahen unentschlossen einander, Sieg-<lb/> fried, den Bischof und den Eremiten an; bald streckten sie die<lb/> Hände nach den für sie so kostbaren Gegenständen aus, bald<lb/> zogen sie dieselben wieder zurück. Einige Alte entfernten sich<lb/> ganz und gar von diesen „Gütern der Kirche“, knieten nieder<lb/> und murmelten in ihrer Angst:</p><lb/> <p>— Heiliger Bischof, vergieb, daß wir an eine so große<lb/> Sünde nur dachten. </p><lb/> <p>— Fürchtet nichts, Schwestern, entgegnete der Eremit, Euer<lb/> Bischof, noch einmal sage ich es Euch, will Euch nur prüfen.<lb/> Diese überflüssigen Güter giebt er Euch; er weiß, daß der Herr,<lb/> der seine Geschöpfe gleichermaßen liebt, nicht will, daß einige<lb/> nackt sind und frieren, während andere unter der nutzlosen Last<lb/> von zwanzig Kleidern schwitzen; er will nicht, daß einige hungern<lb/> und andere zu viel essen. Fürchtet nicht, daß Euer Bischof Hunger<lb/> oder Frost leide; sehet nur, sein Kleid ist neu, seine Schuhe sind<lb/> es auch; was braucht er mehr? Könnte er allein diese Kleider<lb/> tragen? Könnte er allein alle diese Schläuche leeren? Nein<lb/> nein, nehmt Schwestern, nehmt Kinder, Euer Bischof theilt<lb/> mit Euch..</p><lb/> <p>— Hört nicht auf ihn! rief Woldemar dazwischen, denn ich<lb/> sage Euch..</p><lb/> <p>— Du sagst gar nichts, unterbrach ihn Siegfried mit einem<lb/> furchtbaren Blicke. Wenn Du noch ein Wort sagst, sorge ich<lb/> gegen Deinen Willen für Dein Seelenheil, indem ich Dir den<lb/> Märtyrertod bereite. </p><lb/> <p>Mehrere Frauen, welche sich durch die Worte des Eremiten<lb/> hatten überreden lassen und durch ihre große Armuth noch mehr<lb/> angetrieben wurden, begannen eifrig mit Hülfe ihrer Kinder die<lb/> „Güter der Kirche“ in ihre Hütten zu tragen. Nur die drei<lb/> Alten wagten es nicht, dieselben anzurühren; sie blieben auf den<lb/> Knieen liegen und schlugen reuig an ihre Brust.</p><lb/> <p>— Lieben Töchter, sagte dann der Bischof trotz der Dro-<lb/> hungen Siegfrieds, beharrt in Eurem frommen Abscheu vor dem<lb/> Kirchenraube. Jhr werdet in dem Paradiese ewig die Seraphim<lb/> vor dem Herrn spielen und singen hören. </p><lb/> <p>— Und ich, so wahr ich Wolfszahn heiße, werde mich ver-<lb/> dammen lassen, um nur nicht ewig diese Singerei anhören zu<lb/> müssen. </p><lb/> <p>— Schweig, Du Heide! schrie Woldemar ihn an, und Jhr,<lb/> meine Töchter, beharrt bei Euren guten Vorsätzen. Dieser<lb/> Eremit, den der Teufel gesendet hat, verleitet Euch zum Kirchen-<lb/> raub, der Euch geradeswegs in die Hölle bringt. </p><lb/> <p>— Freunde, sagte jetzt Siegfried erbittert, einen Strick,<lb/> damit wir dem Schwätzer das Maul stopfen, da er denn durch-<lb/> aus gehängt sein will. </p><lb/> <p>Der Eremit hielt die Landstreicher mit einer zornigen Ge-<lb/> berde zurück und sagte:</p><lb/> <p>— Bischof, erkennst Du die Worte Jesus für gött-<lb/> lich an? </p><lb/> <p>— Du Ketzer, Du Pharao! Jetzt zeigst Du Dich, wie Du<lb/> bist! Du hattest Dich in Lammsgestalt vorgeführt, bist aber ein<lb/> räuberischer Wolf wie die Andern. Jch verbiete Dir, den Namen<lb/> unseres Herrn und Heilandes auszusprechen. </p><lb/> <p>— Jesus hat gesagt, fuhr der Eremit fort: „Wenn<lb/> man Dir den Mantel nimmt, so gieb auch noch den Rock hin.“<lb/> Was wollte Jesus mit diesen Worten Anderes sagen, als daß<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [35/0011]
Zur Unterhaltung und Belehrung. 35
— Jch, Siegfried der Landstreicher, sage Euch: hier ist
Wäsche, hier sind Zeuge, Kleider, Decken, Kissen, Säcke voll Ge-
treide, volle Schläuche und Lebensmittel aller Art. Gebt, meine
Wölfe, gieb, kleine Gudrun, den guten Leuten; gieb schöne
Nonne, den armen Frauen, den kleinen Kindern, gebt, gebt
immerhin.
— Da nehmet, Schwestern, sprach darauf die Nonne
mit Thränen in den Augen, indem sie behülflich war, die
Beute aus ihrem Hause zu vertheilen: nehmet, Schwestern.
Jch war Leibeigene wie Jhr, schlimmer vielleicht noch, und habe
hinter diesen Vorhängen von Liebe und Freiheit geträumt;
jetzt bin ich frei und geliebt, nehmet also, meine Schwestern,
nehmet.
— Nehmt, nehmt, gute Frauen, und Gott verhüte, daß
Euch Eure Kinder jemals geraubt werden, sagte Gudrun, die
ebenfalls die Beute mit vertheilte. Dann trocknete sie die Augen
und setzte hinzu: wie gut ist Siegfried, wie gut ist er gegen die
Armen.
— Gott vergelt' es Euch! entgegneten die Armen weinend
vor Freude. Es ist doch besser, man begegnet einem Landstreicher,
als einem Ritter oder einem Bischof.
Es war eine Lust, mit anzusehen, mit welchem Eifer die
kecken Burschen oben von den Wagen herab das vertheilten, was
sie dem bösen und habsüchtigen Bischofe geraubt hatten; es war
eine Lust zu sehen, wie die immer traurigen Gesichter dieser un-
glücklichen Frauen sich aufheiterten in ihrer Verwunderung über
diese unverhoffte Gabe. Sie sahen bestürzt und entzückt diese
Menge von Gegenständen aller Art an, die ihnen bis dahin
völlig unbekannt gewesen. Die ungeduldigeren Kinder spannten
sich lustig zu zweien, dreien, vieren an eine Matratze, um sie in
eine der Hütten zu schleppen, oder gaben einander die Hände
und versuchten so vereint, eine schwere Rolle Leinwand aufzu-
heben und fortzuschaffen. — Mit einemmale aber entsetzte eine
zornige, drohende, freudenstörende Stimme diese armen Leute.
— Wehe Euch! Fluch und Verdammniß über Euch, wenn
Jhr mit frevelnder Hand die Güter der Kirche anzutasten wagt!
Zittert, zittert! Es ist eine Todsünde. Jhr, Eure Männer,
Eure Kinder würdet in den Flammen der Hölle braten in aller
Ewigkeit.
Der Bischof Woldemar sprach also, indem er trotz den Vor-
stellungen des Eremiten hinzutrat.
— Wir wollen nichts von dem anrühren, was man uns
giebt, Herr Bischof, antworteten die Frauen und Kinder reuevoll
und an allen Gliedern zitternd. Wir wollen gar nichts anrühren
von dieser Habe der Kirche.
— Wölfe, Brüder, rief Siegfried, henkt den Bischof. Wir
finden schon anderswo einen Koch.
Schon bemächtigte man sich des heiligen Mannes, der blei-
cher und furchtsamer war als die bleichste und furchtsamste der
armen Frauen, die sich eben noch so sehr gefreut hatten, — als
der Eremit von neuem sich in das Mittel schlug und den Bischof
nochmals befreiete.
— Der Eremit, riefen die Leibeigenen, der Eremit!
— Gesegnet seiest Du, Freund der Betrübten!
— Gesegnet seiest Du, Freund unserer armen Kinder, die
Dich so sehr lieben, denn Du liebst uns.
Und alle Kinder hängten sich an das Gewand des Eremiten,
der mit seiner milden herzergreifenden Stimme sprach:
— Liebe Frauen, liebe Kinder, nehmt, was man Euch giebt,
nehmt es ohne Scheu. Jesus hat gesagt: „Wehe dem Reichen,
wenn er sein Brod nicht theilt mit dem Hungrigen, oder seinen
Mantel mit dem, der friert.“ Euer Bischof wollte Euch nur
prüfen; er selbst giebt Euch Alles dies.
Gesegnet seiest Du, heiliger Bischof, sprachen nun die
Frauen, indem sie dankend ihre Hände nach Woldemar erhoben;
gesegnet seiest Du, guter Vater, um Deiner Güte Willen.
— Jch gebe nichts, murrte Woldemar; man zwingt es mir
ab, man beraubt mich, und Jhr werdet ewig in der Hölle bren-
nen, wenn Jhr auf diesen betrügerifchen Eremiten hört,
Die meisten der Frauen sahen unentschlossen einander, Sieg-
fried, den Bischof und den Eremiten an; bald streckten sie die
Hände nach den für sie so kostbaren Gegenständen aus, bald
zogen sie dieselben wieder zurück. Einige Alte entfernten sich
ganz und gar von diesen „Gütern der Kirche“, knieten nieder
und murmelten in ihrer Angst:
— Heiliger Bischof, vergieb, daß wir an eine so große
Sünde nur dachten.
— Fürchtet nichts, Schwestern, entgegnete der Eremit, Euer
Bischof, noch einmal sage ich es Euch, will Euch nur prüfen.
Diese überflüssigen Güter giebt er Euch; er weiß, daß der Herr,
der seine Geschöpfe gleichermaßen liebt, nicht will, daß einige
nackt sind und frieren, während andere unter der nutzlosen Last
von zwanzig Kleidern schwitzen; er will nicht, daß einige hungern
und andere zu viel essen. Fürchtet nicht, daß Euer Bischof Hunger
oder Frost leide; sehet nur, sein Kleid ist neu, seine Schuhe sind
es auch; was braucht er mehr? Könnte er allein diese Kleider
tragen? Könnte er allein alle diese Schläuche leeren? Nein
nein, nehmt Schwestern, nehmt Kinder, Euer Bischof theilt
mit Euch..
— Hört nicht auf ihn! rief Woldemar dazwischen, denn ich
sage Euch..
— Du sagst gar nichts, unterbrach ihn Siegfried mit einem
furchtbaren Blicke. Wenn Du noch ein Wort sagst, sorge ich
gegen Deinen Willen für Dein Seelenheil, indem ich Dir den
Märtyrertod bereite.
Mehrere Frauen, welche sich durch die Worte des Eremiten
hatten überreden lassen und durch ihre große Armuth noch mehr
angetrieben wurden, begannen eifrig mit Hülfe ihrer Kinder die
„Güter der Kirche“ in ihre Hütten zu tragen. Nur die drei
Alten wagten es nicht, dieselben anzurühren; sie blieben auf den
Knieen liegen und schlugen reuig an ihre Brust.
— Lieben Töchter, sagte dann der Bischof trotz der Dro-
hungen Siegfrieds, beharrt in Eurem frommen Abscheu vor dem
Kirchenraube. Jhr werdet in dem Paradiese ewig die Seraphim
vor dem Herrn spielen und singen hören.
— Und ich, so wahr ich Wolfszahn heiße, werde mich ver-
dammen lassen, um nur nicht ewig diese Singerei anhören zu
müssen.
— Schweig, Du Heide! schrie Woldemar ihn an, und Jhr,
meine Töchter, beharrt bei Euren guten Vorsätzen. Dieser
Eremit, den der Teufel gesendet hat, verleitet Euch zum Kirchen-
raub, der Euch geradeswegs in die Hölle bringt.
— Freunde, sagte jetzt Siegfried erbittert, einen Strick,
damit wir dem Schwätzer das Maul stopfen, da er denn durch-
aus gehängt sein will.
Der Eremit hielt die Landstreicher mit einer zornigen Ge-
berde zurück und sagte:
— Bischof, erkennst Du die Worte Jesus für gött-
lich an?
— Du Ketzer, Du Pharao! Jetzt zeigst Du Dich, wie Du
bist! Du hattest Dich in Lammsgestalt vorgeführt, bist aber ein
räuberischer Wolf wie die Andern. Jch verbiete Dir, den Namen
unseres Herrn und Heilandes auszusprechen.
— Jesus hat gesagt, fuhr der Eremit fort: „Wenn
man Dir den Mantel nimmt, so gieb auch noch den Rock hin.“
Was wollte Jesus mit diesen Worten Anderes sagen, als daß
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