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Social-politische Blätter. 1. Lieferung. Berlin, 7. Februar 1874.

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Zur Unterhaltung und Belehrung. 9
[Beginn Spaltensatz] Keller geschafft, als zwanzig bis dreißig Menschen kaum zu lie-
fern im Stande sind. So auch heute; die ganze Hausflur ist
mit Schwerdtern angefüllt, die nun um Mitternacht von den
Leuten des Ritters Janetschek still und heimlich abgeholt werden.
Wie geht das zu? Wer hilft in dem Keller mit arbeiten? Wer
wendet den Sinn des sonst so braven Mannes von seiner
Frau ab?

-- Wer? Wer? murmelte der Priester.

-- Jst das nicht der Fluch, der auf unserer Ehe ruht? Jch,
liebe meinen Mann, das weiß Gott; aber wenn ich bedenke, wie
es nach einem Jahre mit uns stehen kann, wenn das so fort
geht -- jene alte Frau hatte wohl Recht!

-- Meine liebe Frau, habt Jhr Jano schon aufmerksam
darauf gemacht? Habt Jhr ihn schon um den Grund seiner Ver-
änderung gefragt?

-- Jch hatte gestern den Muth dazu, schluchzte Wlaska.

-- Und was antwortete er?

-- Er nahm sich nicht einmal so viel Zeit, mir eine Ant-
wort zu ertheilen. Kind, sagte er, ich habe jetzt so wichtige
Dinge zu thun, mir liegen so ernste Pflichten gegen unsere Ge-
meinde ob, wozu mich mein Gewissen antreibt, daß ich Dir
später erst Rechnung von meinen Handlungen ablegen kann.
Bis dahin beruhige Dich und störe mich nicht in meinen Ar-
beiten. Nach diesen Worten verließ er mich und ging in den
Keller, seinen gewöhnlichen [unleserliches Material - 14 Zeichen fehlen]Aufenthaltsert.

-- Das ist allerdings eine betrübende Antwort, meinte der
Priester. Die Pflichten gegen die Gattin müßten nach meiner
Ansicht allen andern Pflichten in der Welt vorgehen. Wenn
das Glück im Hause auf schwankendem Grunde steht, läßt sich
von der Zukunft nicht viel erwarten. Hat Jano nie darauf an-
getragen, daß Jhr Euch offen zu unserm Glauben bekennen sollt?

-- Nein!

-- So kommt ihm zuvor, indem ihr morgen schon das
heilige Abendmahl in unserer Kirche nehmt.

-- Hochwürdiger Herr! stammelte in großer Verwirrung
die junge Frau.

-- Nun, wollt Jhr in dieser Glaubensverschiedenheit ferner
mit Eurem Manne leben? Nur dadurch, daß Jhr mit ihm eine
Kirche besucht, kann das Glück gebannt werden, das von Eurer
Schwelle zu fliehen droht. Es läßt sich wohl annehmen, daß
Jano in dieser Voraussetzung mit Euch zum Altare trat.

Die Verwirrung der jungen Frau mehrte sich mit jedem
Augenblicke -- aber auch die Spannung des Priesters, dem das
eigentliche Verhältniß der beiden jungen Gatten bis jetzt fremd
gewesen war. Daß Wlaska Gewissensskrupel hegte, seinem ge-
machten Vorschlage nachzukommen, konnte einem weniger schlauen
Manne, als dem Priester, nicht entgehen. Der würdige Johan-
nes glaubte von seinem Ziele nur noch einen Schritt entfernt
zu sein. Er nahm sich vor, die günstige Gelegenheit des Allein-
seins zu benutzen, um rasch das letzte Hinderniß, das dem frei-
müthigen Bekenntnisse Wlaska's noch entgegenstand, zu beseitigen.
Der verschlagene Priester wußte, daß man sich das Vertrauen
einer Person nicht leichter erwerben kann, als wenn man ihre
Ansichten in Glaubenssachen theilt, zumal wenn diese angefochten
werden.

-- Mein Gott, rief Wlaska leise vor sich hin, mein Gott,
was soll ich beginnen?

-- Johannes ergriff ihre Hand und sagte freundlich und
liebevoll:

-- Habt Jhr Vertrauen zu mir?

-- Das größte von der Welt! rief Wlaska rasch.

-- Jch stehe zwar nicht im Dienste der Kirche, der Jhr
bis jetzt angehört habt, aber ich diene dennoch Gott dem Herrn,
[Spaltenumbruch] der aller Menschen Herr ist. Jeder Bedrängte hat ein Recht
auf meinen Trost, auf meinen Rath, und ich helfe gern, wo ich
kann. Haß und Groll sind mir fremd, ich betrachte jeden Men-
schen, weß Glaubens er auch sei, als meinen Bruder. Die
schwache Menschennatur strauchelt ja so leicht -- ist es mir selbst
doch nicht besser ergangen.

-- Wie, Euch, Vater Johannes?

-- Schweigen wir davon, mein Kind. Wer bereuet und
rechtzeitig umkehrt von dem Pfade der Verwirrung, ist dem
Herrn willkommen und findet stets eine gute Aufnahme in der
Wohnung unsers allliebenden Vaters.

Diese gleißnerischen Worte, zeugend von den schwankenden
Ansichten des Pfaffen über die Richtigkeit des neuen Glaubens,
verfehlten ihren Eindruck auf die junge Frau nicht.

-- Großer Gott, rief sie aus, und mein armer Mann,
mein armer Mann! Ja, Hochwürdiger, es muß doch aller
Segen von ihm gewichen sein, da er meine Liebe in seiner Ver-
blendung nicht erkennt und mich, sein treues Weib, über dem
eitlen Streben vergißt. Bin ich deshalb eine andere, weil ich
noch dem Glauben meiner Eltern angehöre? Habe ich ihm je-
mals seinen Glauben zum Vorwurfe gemacht? Wenn ich das
Unglück bedenke, das aus dieser heillosen Verschiedenheit schon
hervorgegangen ist, möchte mir das Herz zerspringen. Wie kann
ich einer Partei beitreten, die so viel wackere Leute wieder ver-
lassen? Und selbst der brave Puska ist zu einer bessern Erkennt-
niß gelangt. Ach, es muß doch wohl wahr sein, daß man ohne
den Schutz der heiligen Jungfrau nicht glücklich leben kann.
Vater Johannes, ich kann nicht, ich kann nicht! rief Wlaska laut
weinend. Jhr selbst habt ja gesagt -- --

-- Jch habe gesagt, meine Tochter, daß jeder Mensch strau-
cheln kann. Jch habe mich seit den wenigen Jahren, die ich als
Priester in Harattowitz wirke, geprüft und gefunden, daß es
besser ist, wenn alle Christen sich unter den Schutz der heiligen
Jungfrau begeben, wenn ein gemeinsames Band der Liebe uns
umschlingt. Wie lange dauert es noch, und die Leidenschaft, die
in unserer kirchlichen Verbindung immer mehr um sich greift,
entzündet auch hier einen furchtbaren Krieg. Man hat einen
würdigen Mönch in unserer Stadt ermordet -- diese That lastet
auf unserer ganzen Glaubenspartei und kann unmöglich von der
Vorsehung ungerächt bleiben. Wehe dem Mörder und allen
denen, die mit ihm in Berührung stehen! Das Blut des Ge-
mordeten schreit um Rache -- und wahrlich, sie wird nicht aus-
bleiben.

-- Mein armer Mann! Mein armer Mann! schluchzte
Wlaska.

-- Um Gotteswillen, warum beklagst Du Deinen Mann?

Wlaska fuhr wie eine Sinnverwirrte empor.

-- Nein, nein, glaubt nicht, daß Jano der Mörder ist --
er ist so gut, daß er keinem Menschen ein Leid zufügt --

-- Jano? Jano? Wer hat daran gedacht? fragte der
Pfaffe, überrascht ob dieser neuen Entdeckung.

Die junge Frau befand sich in einem Zustande der Furcht,
der Betrübniß und des Entsetzens, so daß sie ihrer Sinne kaum
noch mächtig war.

-- Frommer Vater, rief sie, Jhr haltet doch meinen Jano
nicht etwa für den Mörder des Mönchs? Jhr seht mich mit so
seltsamen Blicken an --

-- Das sind die Blicke der Vorsehung, Wlaska, die das
Gewissen erzittern machen! Bewahre Deinen Mann vor später
Reue! rief Johannes in feierlichem Tone. Wenn Du ihn liebst,
so bete mit mir für das Heil seiner Seele, bete, daß er seine
Sünden beichte und die Absolution der alleinseligmachenden
[Ende Spaltensatz]

Zur Unterhaltung und Belehrung. 9
[Beginn Spaltensatz] Keller geschafft, als zwanzig bis dreißig Menschen kaum zu lie-
fern im Stande sind. So auch heute; die ganze Hausflur ist
mit Schwerdtern angefüllt, die nun um Mitternacht von den
Leuten des Ritters Janetschek still und heimlich abgeholt werden.
Wie geht das zu? Wer hilft in dem Keller mit arbeiten? Wer
wendet den Sinn des sonst so braven Mannes von seiner
Frau ab?

— Wer? Wer? murmelte der Priester.

— Jst das nicht der Fluch, der auf unserer Ehe ruht? Jch,
liebe meinen Mann, das weiß Gott; aber wenn ich bedenke, wie
es nach einem Jahre mit uns stehen kann, wenn das so fort
geht — jene alte Frau hatte wohl Recht!

— Meine liebe Frau, habt Jhr Jano schon aufmerksam
darauf gemacht? Habt Jhr ihn schon um den Grund seiner Ver-
änderung gefragt?

— Jch hatte gestern den Muth dazu, schluchzte Wlaska.

— Und was antwortete er?

— Er nahm sich nicht einmal so viel Zeit, mir eine Ant-
wort zu ertheilen. Kind, sagte er, ich habe jetzt so wichtige
Dinge zu thun, mir liegen so ernste Pflichten gegen unsere Ge-
meinde ob, wozu mich mein Gewissen antreibt, daß ich Dir
später erst Rechnung von meinen Handlungen ablegen kann.
Bis dahin beruhige Dich und störe mich nicht in meinen Ar-
beiten. Nach diesen Worten verließ er mich und ging in den
Keller, seinen gewöhnlichen [unleserliches Material – 14 Zeichen fehlen]Aufenthaltsert.

— Das ist allerdings eine betrübende Antwort, meinte der
Priester. Die Pflichten gegen die Gattin müßten nach meiner
Ansicht allen andern Pflichten in der Welt vorgehen. Wenn
das Glück im Hause auf schwankendem Grunde steht, läßt sich
von der Zukunft nicht viel erwarten. Hat Jano nie darauf an-
getragen, daß Jhr Euch offen zu unserm Glauben bekennen sollt?

— Nein!

— So kommt ihm zuvor, indem ihr morgen schon das
heilige Abendmahl in unserer Kirche nehmt.

— Hochwürdiger Herr! stammelte in großer Verwirrung
die junge Frau.

— Nun, wollt Jhr in dieser Glaubensverschiedenheit ferner
mit Eurem Manne leben? Nur dadurch, daß Jhr mit ihm eine
Kirche besucht, kann das Glück gebannt werden, das von Eurer
Schwelle zu fliehen droht. Es läßt sich wohl annehmen, daß
Jano in dieser Voraussetzung mit Euch zum Altare trat.

Die Verwirrung der jungen Frau mehrte sich mit jedem
Augenblicke — aber auch die Spannung des Priesters, dem das
eigentliche Verhältniß der beiden jungen Gatten bis jetzt fremd
gewesen war. Daß Wlaska Gewissensskrupel hegte, seinem ge-
machten Vorschlage nachzukommen, konnte einem weniger schlauen
Manne, als dem Priester, nicht entgehen. Der würdige Johan-
nes glaubte von seinem Ziele nur noch einen Schritt entfernt
zu sein. Er nahm sich vor, die günstige Gelegenheit des Allein-
seins zu benutzen, um rasch das letzte Hinderniß, das dem frei-
müthigen Bekenntnisse Wlaska's noch entgegenstand, zu beseitigen.
Der verschlagene Priester wußte, daß man sich das Vertrauen
einer Person nicht leichter erwerben kann, als wenn man ihre
Ansichten in Glaubenssachen theilt, zumal wenn diese angefochten
werden.

— Mein Gott, rief Wlaska leise vor sich hin, mein Gott,
was soll ich beginnen?

— Johannes ergriff ihre Hand und sagte freundlich und
liebevoll:

— Habt Jhr Vertrauen zu mir?

— Das größte von der Welt! rief Wlaska rasch.

— Jch stehe zwar nicht im Dienste der Kirche, der Jhr
bis jetzt angehört habt, aber ich diene dennoch Gott dem Herrn,
[Spaltenumbruch] der aller Menschen Herr ist. Jeder Bedrängte hat ein Recht
auf meinen Trost, auf meinen Rath, und ich helfe gern, wo ich
kann. Haß und Groll sind mir fremd, ich betrachte jeden Men-
schen, weß Glaubens er auch sei, als meinen Bruder. Die
schwache Menschennatur strauchelt ja so leicht — ist es mir selbst
doch nicht besser ergangen.

— Wie, Euch, Vater Johannes?

— Schweigen wir davon, mein Kind. Wer bereuet und
rechtzeitig umkehrt von dem Pfade der Verwirrung, ist dem
Herrn willkommen und findet stets eine gute Aufnahme in der
Wohnung unsers allliebenden Vaters.

Diese gleißnerischen Worte, zeugend von den schwankenden
Ansichten des Pfaffen über die Richtigkeit des neuen Glaubens,
verfehlten ihren Eindruck auf die junge Frau nicht.

— Großer Gott, rief sie aus, und mein armer Mann,
mein armer Mann! Ja, Hochwürdiger, es muß doch aller
Segen von ihm gewichen sein, da er meine Liebe in seiner Ver-
blendung nicht erkennt und mich, sein treues Weib, über dem
eitlen Streben vergißt. Bin ich deshalb eine andere, weil ich
noch dem Glauben meiner Eltern angehöre? Habe ich ihm je-
mals seinen Glauben zum Vorwurfe gemacht? Wenn ich das
Unglück bedenke, das aus dieser heillosen Verschiedenheit schon
hervorgegangen ist, möchte mir das Herz zerspringen. Wie kann
ich einer Partei beitreten, die so viel wackere Leute wieder ver-
lassen? Und selbst der brave Puska ist zu einer bessern Erkennt-
niß gelangt. Ach, es muß doch wohl wahr sein, daß man ohne
den Schutz der heiligen Jungfrau nicht glücklich leben kann.
Vater Johannes, ich kann nicht, ich kann nicht! rief Wlaska laut
weinend. Jhr selbst habt ja gesagt — —

— Jch habe gesagt, meine Tochter, daß jeder Mensch strau-
cheln kann. Jch habe mich seit den wenigen Jahren, die ich als
Priester in Harattowitz wirke, geprüft und gefunden, daß es
besser ist, wenn alle Christen sich unter den Schutz der heiligen
Jungfrau begeben, wenn ein gemeinsames Band der Liebe uns
umschlingt. Wie lange dauert es noch, und die Leidenschaft, die
in unserer kirchlichen Verbindung immer mehr um sich greift,
entzündet auch hier einen furchtbaren Krieg. Man hat einen
würdigen Mönch in unserer Stadt ermordet — diese That lastet
auf unserer ganzen Glaubenspartei und kann unmöglich von der
Vorsehung ungerächt bleiben. Wehe dem Mörder und allen
denen, die mit ihm in Berührung stehen! Das Blut des Ge-
mordeten schreit um Rache — und wahrlich, sie wird nicht aus-
bleiben.

— Mein armer Mann! Mein armer Mann! schluchzte
Wlaska.

— Um Gotteswillen, warum beklagst Du Deinen Mann?

Wlaska fuhr wie eine Sinnverwirrte empor.

— Nein, nein, glaubt nicht, daß Jano der Mörder ist —
er ist so gut, daß er keinem Menschen ein Leid zufügt —

— Jano? Jano? Wer hat daran gedacht? fragte der
Pfaffe, überrascht ob dieser neuen Entdeckung.

Die junge Frau befand sich in einem Zustande der Furcht,
der Betrübniß und des Entsetzens, so daß sie ihrer Sinne kaum
noch mächtig war.

— Frommer Vater, rief sie, Jhr haltet doch meinen Jano
nicht etwa für den Mörder des Mönchs? Jhr seht mich mit so
seltsamen Blicken an —

— Das sind die Blicke der Vorsehung, Wlaska, die das
Gewissen erzittern machen! Bewahre Deinen Mann vor später
Reue! rief Johannes in feierlichem Tone. Wenn Du ihn liebst,
so bete mit mir für das Heil seiner Seele, bete, daß er seine
Sünden beichte und die Absolution der alleinseligmachenden
[Ende Spaltensatz]

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Die schwache Menschennatur strauchelt ja so leicht — ist es mir selbst doch nicht besser ergangen. — Wie, Euch, Vater Johannes? — Schweigen wir davon, mein Kind. Wer bereuet und rechtzeitig umkehrt von dem Pfade der Verwirrung, ist dem Herrn willkommen und findet stets eine gute Aufnahme in der Wohnung unsers allliebenden Vaters. Diese gleißnerischen Worte, zeugend von den schwankenden Ansichten des Pfaffen über die Richtigkeit des neuen Glaubens, verfehlten ihren Eindruck auf die junge Frau nicht. — Großer Gott, rief sie aus, und mein armer Mann, mein armer Mann! Ja, Hochwürdiger, es muß doch aller Segen von ihm gewichen sein, da er meine Liebe in seiner Ver- blendung nicht erkennt und mich, sein treues Weib, über dem eitlen Streben vergißt. Bin ich deshalb eine andere, weil ich noch dem Glauben meiner Eltern angehöre? Habe ich ihm je- mals seinen Glauben zum Vorwurfe gemacht? Wenn ich das Unglück bedenke, das aus dieser heillosen Verschiedenheit schon hervorgegangen ist, möchte mir das Herz zerspringen. Wie kann ich einer Partei beitreten, die so viel wackere Leute wieder ver- lassen? Und selbst der brave Puska ist zu einer bessern Erkennt- niß gelangt. Ach, es muß doch wohl wahr sein, daß man ohne den Schutz der heiligen Jungfrau nicht glücklich leben kann. Vater Johannes, ich kann nicht, ich kann nicht! rief Wlaska laut weinend. Jhr selbst habt ja gesagt — — — Jch habe gesagt, meine Tochter, daß jeder Mensch strau- cheln kann. Jch habe mich seit den wenigen Jahren, die ich als Priester in Harattowitz wirke, geprüft und gefunden, daß es besser ist, wenn alle Christen sich unter den Schutz der heiligen Jungfrau begeben, wenn ein gemeinsames Band der Liebe uns umschlingt. Wie lange dauert es noch, und die Leidenschaft, die in unserer kirchlichen Verbindung immer mehr um sich greift, entzündet auch hier einen furchtbaren Krieg. Man hat einen würdigen Mönch in unserer Stadt ermordet — diese That lastet auf unserer ganzen Glaubenspartei und kann unmöglich von der Vorsehung ungerächt bleiben. Wehe dem Mörder und allen denen, die mit ihm in Berührung stehen! Das Blut des Ge- mordeten schreit um Rache — und wahrlich, sie wird nicht aus- bleiben. — Mein armer Mann! Mein armer Mann! schluchzte Wlaska. — Um Gotteswillen, warum beklagst Du Deinen Mann? Wlaska fuhr wie eine Sinnverwirrte empor. — Nein, nein, glaubt nicht, daß Jano der Mörder ist — er ist so gut, daß er keinem Menschen ein Leid zufügt — — Jano? Jano? Wer hat daran gedacht? fragte der Pfaffe, überrascht ob dieser neuen Entdeckung. Die junge Frau befand sich in einem Zustande der Furcht, der Betrübniß und des Entsetzens, so daß sie ihrer Sinne kaum noch mächtig war. — Frommer Vater, rief sie, Jhr haltet doch meinen Jano nicht etwa für den Mörder des Mönchs? Jhr seht mich mit so seltsamen Blicken an — — Das sind die Blicke der Vorsehung, Wlaska, die das Gewissen erzittern machen! Bewahre Deinen Mann vor später Reue! rief Johannes in feierlichem Tone. Wenn Du ihn liebst, so bete mit mir für das Heil seiner Seele, bete, daß er seine Sünden beichte und die Absolution der alleinseligmachenden

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Zitationshilfe: Social-politische Blätter. 1. Lieferung. Berlin, 7. Februar 1874, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_social01_1874/9>, abgerufen am 23.11.2024.