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[N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685.

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lüsten und Unzucht/ Pracht und Geitz/ Sorge und Wucher/ Lügen und Trügen/ Freude und Wolleben bethöret; Das Ohr ist dem Gebrauch nach ein nützliches; wegen der Gefahr aber ein schädliches Glied. Der Eva Gehör war ihr Fall. Werhuret/ der giebet der Hurerey Gehör/ und wer täglich frißt und säufft/ der wird am Verstande taub. Das Wesen dieser Welt ist gefährlich/ es gehet auf einmahl dahin/ wie ein Schatten/ und wie ein Geschreye/ das vorüber fähret. Die da reich werden wollen/ fallen in die Versuchung/ und die da sorgen/ in die Stricke des Verderbens. Derohalben stopfe man für allen dergleichen Lastern sein Ohr zu/ und hänge dasselbe nicht an das Irrdische. Man meide die böse Gesellschafft; habe ein leichtes Ohr gegen das/ was Tugend/ und Lob bringet / und ein schwehres gegen die Laster-Reden. Man verstopfe seine Ohren nicht für dem Schreyen der Armen; Man höre GOTTES Wort/ und lasse dem/ der da recht hat / Recht wiederfahren. Man zäume seine Gedancken; denn/ wer eine wohllüstige Sache/ durch das Gehör in das Hertze dringen läffet/ der vollbringet gemeiniglich die That; Und weil Niemand Einem einen Cicero lib. 2. Epist. Famil. Vol. 1. bessern Rath geben kan/ als Sich selbst; so wird man nicht fehlen/ wenn man sich selbst höret. Man rede mit sich / ziehe sich selbst zu Rathe/ und gehorche Jhm. Wer nun diesem Rath folget / dem wird sonder Zweisel kein kommentar Frembder einen besseren zu geben wissen. Von einem übelhörenden Richter/ Kläger und Beklagten wird erzehlet/ daß/ als einsmahls Einer bey dem Richter geklaget/ wie Er von seinem Hausgenossen keinen Mieth-Zins bekommen könnte/ Beklagter hierauf zur Antwort gegeben/ daß er die ganze Nacht auf der Mühle gemahlen/ habe der Richter sie beyde angesehen/ und endlich zu Jhnen gesagt: Ist Sie eurer beyden Mutter/ so unterhaltet Sie auch beyde/ wie mit mehrern aus solgenden Versen zu lesen:

Lisagitur; surdus[unleserliches Material] Reus, surdus[unleserliches Material] fit Actor;

Ipsetamen Judex surdus utro[unleserliches Material] magis.

Pro AEdibus hic petit aes, qvinto jam mense peracto,

Ille refert: tota nocte mihi acta mola est.

Adspicit hos Judex, &: quid contenditis? inqvit.

Annon utri[unleserliches Material] est Mater? utri[unleserliches Material] alite!

Vor Gerichte taub der Kläger; taub auch der Beklagte war /

Doch der Richter tauber noch/ als die Beyden ist verblieben;

Dieser seinen Zins begehrte fast nun auf ein halbes Jahr.

Jener Lohn/ daß Er die Mühle eine ganze Nacht getrieben.

Beyde sahe an der Richter/ sprach: Was zanket ihr euch hochs

Ist Sie euer beyden Mutter/ so ernehrt Sie beyde noch!

Richter sind zuweilen bey Geschencken nicht nur am Gehöre taub/ sondern Sie geben auch taube Abschiede. Wehe aber dir! Der Du das Recht beugest/ den Grössern hörest/ und den Armen unterdruck est! Und verflucht sey auch der/ der das Böse gut/ und das Gute böse heisset /

lüsten und Unzucht/ Pracht und Geitz/ Sorge und Wucher/ Lügen und Trügen/ Freude und Wolleben bethöret; Das Ohr ist dem Gebrauch nach ein nützliches; wegen der Gefahr aber ein schädliches Glied. Der Eva Gehör war ihr Fall. Werhuret/ der giebet der Hurerey Gehör/ und wer täglich frißt und säufft/ der wird am Verstande taub. Das Wesen dieser Welt ist gefährlich/ es gehet auf einmahl dahin/ wie ein Schatten/ und wie ein Geschreye/ das vorüber fähret. Die da reich werden wollen/ fallen in die Versuchung/ und die da sorgen/ in die Stricke des Verderbens. Derohalben stopfe man für allen dergleichen Lastern sein Ohr zu/ und hänge dasselbe nicht an das Irrdische. Man meide die böse Gesellschafft; habe ein leichtes Ohr gegen das/ was Tugend/ und Lob bringet / und ein schwehres gegen die Laster-Reden. Man verstopfe seine Ohren nicht für dem Schreyen der Armen; Man höre GOTTES Wort/ und lasse dem/ der da recht hat / Recht wiederfahren. Man zäume seine Gedancken; denn/ wer eine wohllüstige Sache/ durch das Gehör in das Hertze dringen läffet/ der vollbringet gemeiniglich die That; Und weil Niemand Einem einen Cicero lib. 2. Epist. Famil. Vol. 1. bessern Rath geben kan/ als Sich selbst; so wird man nicht fehlen/ wenn man sich selbst höret. Man rede mit sich / ziehe sich selbst zu Rathe/ und gehorche Jhm. Wer nun diesem Rath folget / dem wird sonder Zweisel kein kommentar Frembder einen besseren zu geben wissen. Von einem übelhörenden Richter/ Kläger und Beklagten wird erzehlet/ daß/ als einsmahls Einer bey dem Richter geklaget/ wie Er von seinem Hausgenossen keinen Mieth-Zins bekommen könnte/ Beklagter hierauf zur Antwort gegeben/ daß er die ganze Nacht auf der Mühle gemahlen/ habe der Richter sie beyde angesehen/ und endlich zu Jhnen gesagt: Ist Sie eurer beyden Mutter/ so unterhaltet Sie auch beyde/ wie mit mehrern aus solgenden Versen zu lesen:

Lisagitur; surdus[unleserliches Material] Reus, surdus[unleserliches Material] fit Actor;

Ipsetamen Judex surdus utro[unleserliches Material] magis.

Pro AEdibus hic petit aes, qvintô jam mense peractô,

Ille refert: totâ nocte mihi acta mola est.

Adspicit hos Judex, &: quid contenditis? inqvit.

Annon utri[unleserliches Material] est Mater? utri[unleserliches Material] alite!

Vor Gerichte taub der Kläger; taub auch der Beklagte war /

Doch der Richter tauber noch/ als die Beyden ist verblieben;

Dieser seinen Zins begehrte fast nun auf ein halbes Jahr.

Jener Lohn/ daß Er die Mühle eine ganze Nacht getrieben.

Beyde sahe an der Richter/ sprach: Was zanket ihr euch hochs

Ist Sie euer beyden Mutter/ so ernehrt Sie beyde noch!

Richter sind zuweilen bey Geschencken nicht nur am Gehöre taub/ sondern Sie geben auch taube Abschiede. Wehe aber dir! Der Du das Recht beugest/ den Grössern hörest/ und den Armen unterdruck est! Und verflucht sey auch der/ der das Böse gut/ und das Gute böse heisset /

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        <p>Vor Gerichte taub der Kläger; taub auch der Beklagte war /</p>
        <p>Doch der Richter tauber noch/ als die Beyden ist verblieben;</p>
        <p>Dieser seinen Zins begehrte fast nun auf ein halbes Jahr.</p>
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        <p>Beyde sahe an der Richter/ sprach: Was zanket ihr euch hochs</p>
        <p>Ist Sie euer beyden Mutter/ so ernehrt Sie beyde noch!</p>
        <p>Richter sind zuweilen bey Geschencken nicht nur am Gehöre taub/ sondern Sie                      geben auch taube Abschiede. Wehe aber dir! Der Du das Recht beugest/ den                      Grössern hörest/ und den Armen unterdruck est! Und verflucht sey auch der/ der                      das Böse gut/ und das Gute böse heisset /
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[483/0507] lüsten und Unzucht/ Pracht und Geitz/ Sorge und Wucher/ Lügen und Trügen/ Freude und Wolleben bethöret; Das Ohr ist dem Gebrauch nach ein nützliches; wegen der Gefahr aber ein schädliches Glied. Der Eva Gehör war ihr Fall. Werhuret/ der giebet der Hurerey Gehör/ und wer täglich frißt und säufft/ der wird am Verstande taub. Das Wesen dieser Welt ist gefährlich/ es gehet auf einmahl dahin/ wie ein Schatten/ und wie ein Geschreye/ das vorüber fähret. Die da reich werden wollen/ fallen in die Versuchung/ und die da sorgen/ in die Stricke des Verderbens. Derohalben stopfe man für allen dergleichen Lastern sein Ohr zu/ und hänge dasselbe nicht an das Irrdische. Man meide die böse Gesellschafft; habe ein leichtes Ohr gegen das/ was Tugend/ und Lob bringet / und ein schwehres gegen die Laster-Reden. Man verstopfe seine Ohren nicht für dem Schreyen der Armen; Man höre GOTTES Wort/ und lasse dem/ der da recht hat / Recht wiederfahren. Man zäume seine Gedancken; denn/ wer eine wohllüstige Sache/ durch das Gehör in das Hertze dringen läffet/ der vollbringet gemeiniglich die That; Und weil Niemand Einem einen bessern Rath geben kan/ als Sich selbst; so wird man nicht fehlen/ wenn man sich selbst höret. Man rede mit sich / ziehe sich selbst zu Rathe/ und gehorche Jhm. Wer nun diesem Rath folget / dem wird sonder Zweisel kein kommentar Frembder einen besseren zu geben wissen. Von einem übelhörenden Richter/ Kläger und Beklagten wird erzehlet/ daß/ als einsmahls Einer bey dem Richter geklaget/ wie Er von seinem Hausgenossen keinen Mieth-Zins bekommen könnte/ Beklagter hierauf zur Antwort gegeben/ daß er die ganze Nacht auf der Mühle gemahlen/ habe der Richter sie beyde angesehen/ und endlich zu Jhnen gesagt: Ist Sie eurer beyden Mutter/ so unterhaltet Sie auch beyde/ wie mit mehrern aus solgenden Versen zu lesen: Cicero lib. 2. Epist. Famil. Vol. 1. Lisagitur; surdus_ Reus, surdus_ fit Actor; Ipsetamen Judex surdus utro_ magis. Pro AEdibus hic petit aes, qvintô jam mense peractô, Ille refert: totâ nocte mihi acta mola est. Adspicit hos Judex, &: quid contenditis? inqvit. Annon utri_ est Mater? utri_ alite! Vor Gerichte taub der Kläger; taub auch der Beklagte war / Doch der Richter tauber noch/ als die Beyden ist verblieben; Dieser seinen Zins begehrte fast nun auf ein halbes Jahr. Jener Lohn/ daß Er die Mühle eine ganze Nacht getrieben. Beyde sahe an der Richter/ sprach: Was zanket ihr euch hochs Ist Sie euer beyden Mutter/ so ernehrt Sie beyde noch! Richter sind zuweilen bey Geschencken nicht nur am Gehöre taub/ sondern Sie geben auch taube Abschiede. Wehe aber dir! Der Du das Recht beugest/ den Grössern hörest/ und den Armen unterdruck est! Und verflucht sey auch der/ der das Böse gut/ und das Gute böse heisset /

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Zitationshilfe: [N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_schauplatz_1685/507>, abgerufen am 17.06.2024.