Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685.

Bild:
<< vorherige Seite
Was das Alter auf sich.

WAnn nun dieses Alter mit allen dergleichen Dingen seine Zeit zugebracht/ so folget darauf das graue Alter/ in welchem allbereit unsere Glieder/ unser Leben/ unser Gerüchte beginnen hinfällig zu werden. Auf den Winter folget zwar wieder ein Sommer; niemahls aber auf das Alter eine Jugend. Wir sterben/ sobald wir anfangen gebohren zu werden. Gleichwohl aber soll man wissen/ daß des Jenigen graue Haare/ dessen Haupt die Tugend und Helden-Bahne betretten/ ob schon die Mühe sich verdoppelt/ Cronen der Ehren sind. Bey solchen ist das Gedächtnis schwach/ und die Augen dunckel. Der sehr kluge und verständige Thebanische Fürst Epaminondas urtheilete hiervon sehrweißlich und sagte: wenn man zu einen dreyssigjährigen Menschen käme/ sollte man sich begriffe. Nach etlichen dreyssig bis gegen funffzig Jahren/ sollte man zu Ihm/ gehabe dich wohl! sagen; alldieweil Er erst empfinde/ was die Welt sey; nach 50. Jahren aber sollte man zu Ihme sprechen: Nun begleite dich GOTT/ und ziehe hin! Denn du hast dich täglich deines Urlaubes/ und der Stunde deines Todes zu versehen.

Virgil. in Georgic. ---- Optima qvaeq; dies Mortalibus aevi

Prima fugit; subeunt morbi, tristisq; Senectus

Et labor & durae rapit inclementia mortis.

Die allerglück seligsten Tage des Lebens fliehen von den Sterblichen am meisten / hernach folgen die Kranck heiten/ auf diese das traurige Alter/ Arbeit/ Mühe / und letzlich der grausame Tod. Der jenige/ so viel Jahre auf sich/ muß viel dulden und leiden. Denn da empfindt Er bald den Verlust seiner Freunde/ den Verlust seiner Kinder und Enkel/ den Verlust seiner Güter/ die Krankheit am Leibe/ und die Verwunderung vieler Dinge. Dahero auch Plato sagt: Es ist besser / daß sich der Mensch bemühe wol zu sterben als lange zu leben. In diesem Leben bezahlt man Müntze mit gleicher Müntze. Die Wollüste/ erstarren/ das Gehirn ist schwach/ der Athem stinkend/ das Gemüthe traurig/ der Leib krumm/ das Angesichte runzelicht/ die Ohren taub/ die Augen tunkel/ die Hände unvermögend/ die Nase trieffend/ das Haupt kahl/ die Zähne stumpff/ die Schenkel und die Glieder matt. An statt daß man sich ergetzet und belustiget an zeitlichen Gütern/ so wird man unwillig/ geitzig/ verdrossen/ argwöhnisch / vergessen/ lobet der Vorfahren kluges Beginnen/ und verachtet der jungen Welt ihr Vornehmen. Es hat aber nicht die Meinung/ daß man dieses Alter verunehre / sondern man siehet hieraus nur die darauf gegen denen Andern erfolgete Ungelegenheit. Die weisen Gesetz-Geber Solon, Lycurgus, und andere waren der Meinung/ daß man zuförderst die Götter anruffen/ den Armen gutes thun/ und die Alten verehren sollte. Vor Alters hielte man zu Rom die Tugend/ und mit hohen Alter begabten Leute viel höher als die Reichen/ oder die/ welche in Ehren-Stande lebeten. Als der Philosophus Pantheus von dem Könige Cycidaco gefragt wur-

Was das Alter auf sich.

WAnn nun dieses Alter mit allen dergleichen Dingen seine Zeit zugebracht/ so folget darauf das graue Alter/ in welchem allbereit unsere Glieder/ unser Leben/ unser Gerüchte beginnen hinfällig zu werden. Auf den Winter folget zwar wieder ein Sommer; niemahls aber auf das Alter eine Jugend. Wir sterben/ sobald wir anfangen gebohren zu werden. Gleichwohl aber soll man wissen/ daß des Jenigen graue Haare/ dessen Haupt die Tugend und Helden-Bahne betretten/ ob schon die Mühe sich verdoppelt/ Cronen der Ehren sind. Bey solchen ist das Gedächtnis schwach/ und die Augen dunckel. Der sehr kluge und verständige Thebanische Fürst Epaminondas urtheilete hiervon sehrweißlich und sagte: wenn man zu einen dreyssigjährigen Menschen käme/ sollte man sich begriffe. Nach etlichen dreyssig bis gegen funffzig Jahren/ sollte man zu Ihm/ gehabe dich wohl! sagen; alldieweil Er erst empfinde/ was die Welt sey; nach 50. Jahren aber sollte man zu Ihme sprechen: Nun begleite dich GOTT/ und ziehe hin! Denn du hast dich täglich deines Urlaubes/ und der Stunde deines Todes zu versehen.

Virgil. in Georgic. ---- Optima qvaeq; dies Mortalibus aevi

Prima fugit; subeunt morbi, tristisq; Senectus

Et labor & durae rapit inclementia mortis.

Die allerglück seligsten Tage des Lebens fliehen von den Sterblichen am meisten / hernach folgen die Kranck heiten/ auf diese das traurige Alter/ Arbeit/ Mühe / und letzlich der grausame Tod. Der jenige/ so viel Jahre auf sich/ muß viel dulden und leiden. Denn da empfindt Er bald den Verlust seiner Freunde/ den Verlust seiner Kinder und Enkel/ den Verlust seiner Güter/ die Krankheit am Leibe/ und die Verwunderung vieler Dinge. Dahero auch Plato sagt: Es ist besser / daß sich der Mensch bemühe wol zu sterben als lange zu leben. In diesem Leben bezahlt man Müntze mit gleicher Müntze. Die Wollüste/ erstarren/ das Gehirn ist schwach/ der Athem stinkend/ das Gemüthe traurig/ der Leib krumm/ das Angesichte runzelicht/ die Ohren taub/ die Augen tunkel/ die Hände unvermögend/ die Nase trieffend/ das Haupt kahl/ die Zähne stumpff/ die Schenkel und die Glieder matt. An statt daß man sich ergetzet und belustiget an zeitlichen Gütern/ so wird man unwillig/ geitzig/ verdrossen/ argwöhnisch / vergessen/ lobet der Vorfahren kluges Beginnen/ und verachtet der jungen Welt ihr Vornehmen. Es hat aber nicht die Meinung/ daß man dieses Alter verunehre / sondern man siehet hieraus nur die darauf gegen denen Andern erfolgete Ungelegenheit. Die weisen Gesetz-Geber Solon, Lycurgus, und andere waren der Meinung/ daß man zuförderst die Götter anruffen/ den Armen gutes thun/ und die Alten verehren sollte. Vor Alters hielte man zu Rom die Tugend/ und mit hohen Alter begabten Leute viel höher als die Reichen/ oder die/ welche in Ehren-Stande lebeten. Als der Philosophus Pantheus von dem Könige Cycidaco gefragt wur-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0440" n="406"/>
        <head>Was das Alter auf sich.</head>
        <p>WAnn nun dieses Alter mit allen dergleichen Dingen seine Zeit zugebracht/ so                      folget darauf das graue Alter/ in welchem allbereit unsere Glieder/ unser                      Leben/ unser Gerüchte beginnen hinfällig zu werden. Auf den Winter folget zwar                      wieder ein Sommer; niemahls aber auf das Alter eine Jugend. Wir sterben/ sobald                      wir anfangen gebohren zu werden. Gleichwohl aber soll man wissen/ daß des                      Jenigen graue Haare/ dessen Haupt die Tugend und Helden-Bahne betretten/ ob                      schon die Mühe sich verdoppelt/ Cronen der Ehren sind. Bey solchen ist das                      Gedächtnis schwach/ und die Augen dunckel. Der sehr kluge und verständige                      Thebanische Fürst Epaminondas urtheilete hiervon sehrweißlich und sagte: wenn                      man zu einen dreyssigjährigen Menschen käme/ sollte man sich begriffe. Nach                      etlichen dreyssig bis gegen funffzig Jahren/ sollte man zu Ihm/ gehabe dich                      wohl! sagen; alldieweil Er erst empfinde/ was die Welt sey; nach 50. Jahren                      aber sollte man zu Ihme sprechen: Nun begleite dich GOTT/ und ziehe hin! Denn                      du hast dich täglich deines Urlaubes/ und der Stunde deines Todes zu                      versehen.</p>
        <p><note place="left">Virgil. in Georgic.</note> ---- Optima qvaeq; dies Mortalibus                      aevi</p>
        <p>Prima fugit; subeunt morbi, tristisq; Senectus</p>
        <p>Et labor &amp; durae rapit inclementia mortis.</p>
        <p>Die allerglück seligsten Tage des Lebens fliehen von den Sterblichen am meisten /                      hernach folgen die Kranck heiten/ auf diese das traurige Alter/ Arbeit/ Mühe                     / und letzlich der grausame Tod. Der jenige/ so viel Jahre auf sich/ muß viel                      dulden und leiden. Denn da empfindt Er bald den Verlust seiner Freunde/ den                      Verlust seiner Kinder und Enkel/ den Verlust seiner Güter/ die Krankheit am                      Leibe/ und die Verwunderung vieler Dinge. Dahero auch Plato sagt: Es ist besser                     / daß sich der Mensch bemühe wol zu sterben als lange zu leben. In diesem Leben                      bezahlt man Müntze mit gleicher Müntze. Die Wollüste/ erstarren/ das Gehirn                      ist schwach/ der Athem stinkend/ das Gemüthe traurig/ der Leib krumm/ das                      Angesichte runzelicht/ die Ohren taub/ die Augen tunkel/ die Hände                      unvermögend/ die Nase trieffend/ das Haupt kahl/ die Zähne stumpff/ die                      Schenkel und die Glieder matt. An statt daß man sich ergetzet und belustiget an                      zeitlichen Gütern/ so wird man unwillig/ geitzig/ verdrossen/ argwöhnisch /                      vergessen/ lobet der Vorfahren kluges Beginnen/ und verachtet der jungen Welt                      ihr Vornehmen. Es hat aber nicht die Meinung/ daß man dieses Alter verunehre /                      sondern man siehet hieraus nur die darauf gegen denen Andern erfolgete                      Ungelegenheit. Die weisen Gesetz-Geber Solon, Lycurgus, und andere waren der                      Meinung/ daß man zuförderst die Götter anruffen/ den Armen gutes thun/ und                      die Alten verehren sollte. Vor Alters hielte man zu Rom die Tugend/ und mit                      hohen Alter begabten Leute viel höher als die Reichen/ oder die/ welche in                      Ehren-Stande lebeten. Als der Philosophus Pantheus von dem Könige Cycidaco                      gefragt wur-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[406/0440] Was das Alter auf sich. WAnn nun dieses Alter mit allen dergleichen Dingen seine Zeit zugebracht/ so folget darauf das graue Alter/ in welchem allbereit unsere Glieder/ unser Leben/ unser Gerüchte beginnen hinfällig zu werden. Auf den Winter folget zwar wieder ein Sommer; niemahls aber auf das Alter eine Jugend. Wir sterben/ sobald wir anfangen gebohren zu werden. Gleichwohl aber soll man wissen/ daß des Jenigen graue Haare/ dessen Haupt die Tugend und Helden-Bahne betretten/ ob schon die Mühe sich verdoppelt/ Cronen der Ehren sind. Bey solchen ist das Gedächtnis schwach/ und die Augen dunckel. Der sehr kluge und verständige Thebanische Fürst Epaminondas urtheilete hiervon sehrweißlich und sagte: wenn man zu einen dreyssigjährigen Menschen käme/ sollte man sich begriffe. Nach etlichen dreyssig bis gegen funffzig Jahren/ sollte man zu Ihm/ gehabe dich wohl! sagen; alldieweil Er erst empfinde/ was die Welt sey; nach 50. Jahren aber sollte man zu Ihme sprechen: Nun begleite dich GOTT/ und ziehe hin! Denn du hast dich täglich deines Urlaubes/ und der Stunde deines Todes zu versehen. ---- Optima qvaeq; dies Mortalibus aevi Virgil. in Georgic. Prima fugit; subeunt morbi, tristisq; Senectus Et labor & durae rapit inclementia mortis. Die allerglück seligsten Tage des Lebens fliehen von den Sterblichen am meisten / hernach folgen die Kranck heiten/ auf diese das traurige Alter/ Arbeit/ Mühe / und letzlich der grausame Tod. Der jenige/ so viel Jahre auf sich/ muß viel dulden und leiden. Denn da empfindt Er bald den Verlust seiner Freunde/ den Verlust seiner Kinder und Enkel/ den Verlust seiner Güter/ die Krankheit am Leibe/ und die Verwunderung vieler Dinge. Dahero auch Plato sagt: Es ist besser / daß sich der Mensch bemühe wol zu sterben als lange zu leben. In diesem Leben bezahlt man Müntze mit gleicher Müntze. Die Wollüste/ erstarren/ das Gehirn ist schwach/ der Athem stinkend/ das Gemüthe traurig/ der Leib krumm/ das Angesichte runzelicht/ die Ohren taub/ die Augen tunkel/ die Hände unvermögend/ die Nase trieffend/ das Haupt kahl/ die Zähne stumpff/ die Schenkel und die Glieder matt. An statt daß man sich ergetzet und belustiget an zeitlichen Gütern/ so wird man unwillig/ geitzig/ verdrossen/ argwöhnisch / vergessen/ lobet der Vorfahren kluges Beginnen/ und verachtet der jungen Welt ihr Vornehmen. Es hat aber nicht die Meinung/ daß man dieses Alter verunehre / sondern man siehet hieraus nur die darauf gegen denen Andern erfolgete Ungelegenheit. Die weisen Gesetz-Geber Solon, Lycurgus, und andere waren der Meinung/ daß man zuförderst die Götter anruffen/ den Armen gutes thun/ und die Alten verehren sollte. Vor Alters hielte man zu Rom die Tugend/ und mit hohen Alter begabten Leute viel höher als die Reichen/ oder die/ welche in Ehren-Stande lebeten. Als der Philosophus Pantheus von dem Könige Cycidaco gefragt wur-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theatrum-Literatur der Frühen Neuzeit: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-11-26T12:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-11-26T12:54:31Z)
Arne Binder: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-11-26T12:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_schauplatz_1685
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_schauplatz_1685/440
Zitationshilfe: [N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_schauplatz_1685/440>, abgerufen am 03.12.2024.