[N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685.ist so lieblich/ als würdiger Einer ist/ an dem es angewendet wird. Die Scythen/ worfen dem König Alexandro Magno / als Er Sich was Göttliches bedüncken ließ/ öffentlich vor/ und sagten: Willstu ein Gott seyn/ so solltestu denen Menschen nicht Land und Leute rauben! Bistu aber ein Mensch/ so bedencke/ was du bist/ indem es thöricht/ nach andern Dingen trachten/ und darbey Sich selbst vergessen! Philippus Cominae[unleserliches Material]9. Der Türckische Keyser Mahometh klagte und betaurete in seinem Testament nichts höhers/ als daß Er Seine Unterthanen einsmahls mit allzu grossen Tribut und Satzungen beleget. Keyser Severus hatte ein Register/ darein Er alle die jenigen/ welchen Er eintzige Wohlthat erweisen wollte/ aufzeichnete/ und wenn Er von einem aufrichtigen und ehrlichen Mann hörete/ ließ Er Ihn vor Sich beruffen/ und sagte zu demselben: Warum bittestu nichts von Mir? Willstu/ daß Ich dein Schuldner seyn soll? Bitte was/ damit Du dich über mich zu beklagen nicht Urfach haben mögest. Des Vespasiani Sohn Titus sagte Jedermann viel zu/ aber Er hielte das wenigste. Und / als Ihm solches einsmahls von Seinen guten Freunden Einer aufrückete/ gab Er zur Antwort: Man mus nicht einen Jedweden von des Keysers Angesichte traurig hinweg gehen lassen. Diese Rede ist gar löblich; Die That aber ungeräumt/ denn einem Jeden stehet frey/ was Er verschencken oder versagen will. Viel wegschencken/ Sich selbst aber darbey vergessen/ und es hernach von den Unterthanen wieder fordern/ ist eine Unbedachtsamkeit. Auch die Heyden hielten die Leutseeligkeit für eine Tugend. Als König Antigonus deß Scipionis Sohn gefangen bekahm/ ließ Er Ihn ohne Rantzion wieder loß. König Pyrrhus stellete die Römer auf sreyen Fuß. Hannibal der Carthagonische Fürst/ ließ den todten Leichnam des Römischen Bürger-Meisters Aemilii Pauli ehrlichen zur Erde bestatten. Wie Lucius Aemilius Paulus/ des ietzgedachten Aemilii Sohn/ den Macedonischen König Perseum überwunden/ weinete Er über Ihn/ und hieß denselben nebenst Sich niedersetzen. Antoninus Pius war so sanfftmüthig/ daß / als Er merckete/ daß Ihn das Römische Volck wegen Mangel des Getreydichtes gar steinigen wollte/ so bemühete Er Sich doch vielmehr den Aufstand zu stillen / als Sich zu rächen. Wie die Mässigkeit eine Meisterin der Klugen/ und die Hochgebohrnesten auch für verächtlich hält/ wenn Sie Sich der Unmäßsigkeit ergeben: Also ist auch die Freundlichkeit eine Beherrscherin der Hertzen/ eine Stütze der Unterthanen/ ein Trost der Dürfftigen/ und eine Ergötzung in der grösten Betrübnis. Der Hertzog zu Venedig Marcus Barbadicus befahl/ daß alle die Jenigen/ welche bey Ihme Audientz begehreten/ man zu Ihm lassen sollte / wer nun der Erste/ Andere und Dritte war/ Er mochte gleich reich oder arm seyn / der hatte den Vorzug/ wordurch Er denn bey Männiglichen einen guten Nahmen erlangete. Titus Vespasianus war bey den Seinigen so beliebt/ daß Sie Ihn eine Ergötzlichkeit des Menschlichen Lebens nenneten. Ein Hertzog in Schwaben saß eines Tages bey Einer gewissen Zusammenkunfft bey Andern seines gleichen an der Tafel. Als nun Einer bald Seine Herrschafft/ der Andere sein grosses Reichthum / Sein Land/ Seine stattliche Berg-Wercke und ansehnliche Vestungen rühmete / schwieg dieser gantz stille; Da man Ihn aber fragete/ was hierüber auch Sein Bedüncken wäre/ sagte Er: Er wüste Sich ist so lieblich/ als würdiger Einer ist/ an dem es angewendet wird. Die Scythen/ worfen dem König Alexandro Magno / als Er Sich was Göttliches bedüncken ließ/ öffentlich vor/ und sagten: Willstu ein Gott seyn/ so solltestu denen Menschen nicht Land und Leute rauben! Bistu aber ein Mensch/ so bedencke/ was du bist/ indem es thöricht/ nach andern Dingen trachten/ und darbey Sich selbst vergessen! Philippus Cominae[unleserliches Material]9. Der Türckische Keyser Mahometh klagte und betaurete in seinem Testament nichts höhers/ als daß Er Seine Unterthanen einsmahls mit allzu grossen Tribut und Satzungen beleget. Keyser Severus hatte ein Register/ darein Er alle die jenigen/ welchen Er eintzige Wohlthat erweisen wollte/ aufzeichnete/ und wenn Er von einem aufrichtigen und ehrlichen Mann hörete/ ließ Er Ihn vor Sich beruffen/ und sagte zu demselben: Warum bittestu nichts von Mir? Willstu/ daß Ich dein Schuldner seyn soll? Bitte was/ damit Du dich über mich zu beklagen nicht Urfach haben mögest. Des Vespasiani Sohn Titus sagte Jedermann viel zu/ aber Er hielte das wenigste. Und / als Ihm solches einsmahls von Seinen guten Freunden Einer aufrückete/ gab Er zur Antwort: Man mus nicht einen Jedweden von des Keysers Angesichte traurig hinweg gehen lassen. Diese Rede ist gar löblich; Die That aber ungeräumt/ denn einem Jeden stehet frey/ was Er verschencken oder versagen will. Viel wegschencken/ Sich selbst aber darbey vergessen/ und es hernach von den Unterthanen wieder fordern/ ist eine Unbedachtsamkeit. Auch die Heyden hielten die Leutseeligkeit für eine Tugend. Als König Antigonus deß Scipionis Sohn gefangen bekahm/ ließ Er Ihn ohne Rantzion wieder loß. König Pyrrhus stellete die Römer auf sreyen Fuß. Hannibal der Carthagonische Fürst/ ließ den todten Leichnam des Römischen Bürger-Meisters Aemilii Pauli ehrlichen zur Erde bestatten. Wie Lucius Aemilius Paulus/ des ietzgedachten Aemilii Sohn/ den Macedonischen König Perseum überwunden/ weinete Er über Ihn/ und hieß denselben nebenst Sich niedersetzen. Antoninus Pius war so sanfftmüthig/ daß / als Er merckete/ daß Ihn das Römische Volck wegen Mangel des Getreydichtes gar steinigen wollte/ so bemühete Er Sich doch vielmehr den Aufstand zu stillen / als Sich zu rächen. Wie die Mässigkeit eine Meisterin der Klugen/ und die Hochgebohrnesten auch für verächtlich hält/ wenn Sie Sich der Unmäßsigkeit ergeben: Also ist auch die Freundlichkeit eine Beherrscherin der Hertzen/ eine Stütze der Unterthanen/ ein Trost der Dürfftigen/ und eine Ergötzung in der grösten Betrübnis. Der Hertzog zu Venedig Marcus Barbadicus befahl/ daß alle die Jenigen/ welche bey Ihme Audientz begehreten/ man zu Ihm lassen sollte / wer nun der Erste/ Andere und Dritte war/ Er mochte gleich reich oder arm seyn / der hatte den Vorzug/ wordurch Er denn bey Männiglichen einen guten Nahmen erlangete. Titus Vespasianus war bey den Seinigen so beliebt/ daß Sie Ihn eine Ergötzlichkeit des Menschlichen Lebens nenneten. Ein Hertzog in Schwaben saß eines Tages bey Einer gewissen Zusammenkunfft bey Andern seines gleichen an der Tafel. Als nun Einer bald Seine Herrschafft/ der Andere sein grosses Reichthum / Sein Land/ Seine stattliche Berg-Wercke und ansehnliche Vestungen rühmete / schwieg dieser gantz stille; Da man Ihn aber fragete/ was hierüber auch Sein Bedüncken wäre/ sagte Er: Er wüste Sich <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0348" n="316"/> ist so lieblich/ als würdiger Einer ist/ an dem es angewendet wird. Die Scythen/ worfen dem König Alexandro Magno / als Er Sich was Göttliches bedüncken ließ/ öffentlich vor/ und sagten: Willstu ein Gott seyn/ so solltestu denen Menschen nicht Land und Leute rauben! Bistu aber ein Mensch/ so bedencke/ was du bist/ indem es thöricht/ nach andern Dingen trachten/ und darbey Sich selbst vergessen! <note place="left">Philippus Cominae<gap reason="illegible"/>9.</note> Der Türckische Keyser Mahometh klagte und betaurete in seinem Testament nichts höhers/ als daß Er Seine Unterthanen einsmahls mit allzu grossen Tribut und Satzungen beleget. Keyser Severus hatte ein Register/ darein Er alle die jenigen/ welchen Er eintzige Wohlthat erweisen wollte/ aufzeichnete/ und wenn Er von einem aufrichtigen und ehrlichen Mann hörete/ ließ Er Ihn vor Sich beruffen/ und sagte zu demselben: Warum bittestu nichts von Mir? Willstu/ daß Ich dein Schuldner seyn soll? Bitte was/ damit Du dich über mich zu beklagen nicht Urfach haben mögest. Des Vespasiani Sohn Titus sagte Jedermann viel zu/ aber Er hielte das wenigste. Und / als Ihm solches einsmahls von Seinen guten Freunden Einer aufrückete/ gab Er zur Antwort: Man mus nicht einen Jedweden von des Keysers Angesichte traurig hinweg gehen lassen. Diese Rede ist gar löblich; Die That aber ungeräumt/ denn einem Jeden stehet frey/ was Er verschencken oder versagen will. Viel wegschencken/ Sich selbst aber darbey vergessen/ und es hernach von den Unterthanen wieder fordern/ ist eine Unbedachtsamkeit. Auch die Heyden hielten die Leutseeligkeit für eine Tugend. Als König Antigonus deß Scipionis Sohn gefangen bekahm/ ließ Er Ihn ohne Rantzion wieder loß. König Pyrrhus stellete die Römer auf sreyen Fuß. Hannibal der Carthagonische Fürst/ ließ den todten Leichnam des Römischen Bürger-Meisters Aemilii Pauli ehrlichen zur Erde bestatten. Wie Lucius Aemilius Paulus/ des ietzgedachten Aemilii Sohn/ den Macedonischen König Perseum überwunden/ weinete Er über Ihn/ und hieß denselben nebenst Sich niedersetzen. Antoninus Pius war so sanfftmüthig/ daß / als Er merckete/ daß Ihn das Römische Volck wegen Mangel des Getreydichtes gar steinigen wollte/ so bemühete Er Sich doch vielmehr den Aufstand zu stillen / als Sich zu rächen. Wie die Mässigkeit eine Meisterin der Klugen/ und die Hochgebohrnesten auch für verächtlich hält/ wenn Sie Sich der Unmäßsigkeit ergeben: Also ist auch die Freundlichkeit eine Beherrscherin der Hertzen/ eine Stütze der Unterthanen/ ein Trost der Dürfftigen/ und eine Ergötzung in der grösten Betrübnis. Der Hertzog zu Venedig Marcus Barbadicus befahl/ daß alle die Jenigen/ welche bey Ihme Audientz begehreten/ man zu Ihm lassen sollte / wer nun der Erste/ Andere und Dritte war/ Er mochte gleich reich oder arm seyn / der hatte den Vorzug/ wordurch Er denn bey Männiglichen einen guten Nahmen erlangete. Titus Vespasianus war bey den Seinigen so beliebt/ daß Sie Ihn eine Ergötzlichkeit des Menschlichen Lebens nenneten. Ein Hertzog in Schwaben saß eines Tages bey Einer gewissen Zusammenkunfft bey Andern seines gleichen an der Tafel. Als nun Einer bald Seine Herrschafft/ der Andere sein grosses Reichthum / Sein Land/ Seine stattliche Berg-Wercke und ansehnliche Vestungen rühmete / schwieg dieser gantz stille; Da man Ihn aber fragete/ was hierüber auch Sein Bedüncken wäre/ sagte Er: Er wüste Sich </p> </div> </body> </text> </TEI> [316/0348]
ist so lieblich/ als würdiger Einer ist/ an dem es angewendet wird. Die Scythen/ worfen dem König Alexandro Magno / als Er Sich was Göttliches bedüncken ließ/ öffentlich vor/ und sagten: Willstu ein Gott seyn/ so solltestu denen Menschen nicht Land und Leute rauben! Bistu aber ein Mensch/ so bedencke/ was du bist/ indem es thöricht/ nach andern Dingen trachten/ und darbey Sich selbst vergessen! Der Türckische Keyser Mahometh klagte und betaurete in seinem Testament nichts höhers/ als daß Er Seine Unterthanen einsmahls mit allzu grossen Tribut und Satzungen beleget. Keyser Severus hatte ein Register/ darein Er alle die jenigen/ welchen Er eintzige Wohlthat erweisen wollte/ aufzeichnete/ und wenn Er von einem aufrichtigen und ehrlichen Mann hörete/ ließ Er Ihn vor Sich beruffen/ und sagte zu demselben: Warum bittestu nichts von Mir? Willstu/ daß Ich dein Schuldner seyn soll? Bitte was/ damit Du dich über mich zu beklagen nicht Urfach haben mögest. Des Vespasiani Sohn Titus sagte Jedermann viel zu/ aber Er hielte das wenigste. Und / als Ihm solches einsmahls von Seinen guten Freunden Einer aufrückete/ gab Er zur Antwort: Man mus nicht einen Jedweden von des Keysers Angesichte traurig hinweg gehen lassen. Diese Rede ist gar löblich; Die That aber ungeräumt/ denn einem Jeden stehet frey/ was Er verschencken oder versagen will. Viel wegschencken/ Sich selbst aber darbey vergessen/ und es hernach von den Unterthanen wieder fordern/ ist eine Unbedachtsamkeit. Auch die Heyden hielten die Leutseeligkeit für eine Tugend. Als König Antigonus deß Scipionis Sohn gefangen bekahm/ ließ Er Ihn ohne Rantzion wieder loß. König Pyrrhus stellete die Römer auf sreyen Fuß. Hannibal der Carthagonische Fürst/ ließ den todten Leichnam des Römischen Bürger-Meisters Aemilii Pauli ehrlichen zur Erde bestatten. Wie Lucius Aemilius Paulus/ des ietzgedachten Aemilii Sohn/ den Macedonischen König Perseum überwunden/ weinete Er über Ihn/ und hieß denselben nebenst Sich niedersetzen. Antoninus Pius war so sanfftmüthig/ daß / als Er merckete/ daß Ihn das Römische Volck wegen Mangel des Getreydichtes gar steinigen wollte/ so bemühete Er Sich doch vielmehr den Aufstand zu stillen / als Sich zu rächen. Wie die Mässigkeit eine Meisterin der Klugen/ und die Hochgebohrnesten auch für verächtlich hält/ wenn Sie Sich der Unmäßsigkeit ergeben: Also ist auch die Freundlichkeit eine Beherrscherin der Hertzen/ eine Stütze der Unterthanen/ ein Trost der Dürfftigen/ und eine Ergötzung in der grösten Betrübnis. Der Hertzog zu Venedig Marcus Barbadicus befahl/ daß alle die Jenigen/ welche bey Ihme Audientz begehreten/ man zu Ihm lassen sollte / wer nun der Erste/ Andere und Dritte war/ Er mochte gleich reich oder arm seyn / der hatte den Vorzug/ wordurch Er denn bey Männiglichen einen guten Nahmen erlangete. Titus Vespasianus war bey den Seinigen so beliebt/ daß Sie Ihn eine Ergötzlichkeit des Menschlichen Lebens nenneten. Ein Hertzog in Schwaben saß eines Tages bey Einer gewissen Zusammenkunfft bey Andern seines gleichen an der Tafel. Als nun Einer bald Seine Herrschafft/ der Andere sein grosses Reichthum / Sein Land/ Seine stattliche Berg-Wercke und ansehnliche Vestungen rühmete / schwieg dieser gantz stille; Da man Ihn aber fragete/ was hierüber auch Sein Bedüncken wäre/ sagte Er: Er wüste Sich
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