[N. N.]: Neuer Lust- und Lehrreicher Schau-Platz. Nürnberg, 1685.das Lacedaemonische Krieges-Heer / welches doch am Fuß-Volcke vier und zwantzig tausend Mann/ und sechzehen hundert Reisige starck ware. Des Menschen Krieg mit sich selbst. Wie nun der Mensch äusserlich seine Feinde/ und nebenst solchen bald über die unfruchtbare Erde / bald über die Gefährlichkeit des Meeres/ bald über die strenge Lufft/ bald über die dürre Hitze/ bald über die falschen Freunde/ bald über das unbeständige Glücke/ und bald über die flüchtige Zeit klaget: Also pfleget er auch mit sich selbst einen innerlichen Krieg zu führen/ und wann derselbe gegen Jenen auf die Wag-Schale gelegt wird/ so hat dieser letztere den allergefährlichsten Anfang/ und ist eins von denen schwehresten/ dadurch den Sieg zu erlangen. Denn wer in demselben sieget/ der lieget unten/ und welcher unten lieget/ der sieget ob. Dieser Krieg wächst in dem Hertzen/ und wann er daselbst ein Ende nimmet/ so dienen die Thränen an statt der Büchsen/ die Seufftzer an statt des Geschützes/ und das Weinen an statt des Kampffes. Hier streitet die Liebe gegen die Furcht/ die Mässigkeit gegen die Wohllust/ die Verschwiegenheit gegen die Verläumdungen/ die Freygebigkeit gegen den Neid / die Sanfftmuth gegen den Zorn/ die Barmhertzigkeit gegen die Tyranney/ die Frömmigkeit gegen die Boßheit/ die Tugend gegen die Laster/ die Gedult gegen die Rache/ und der Fleiß wider die Faulheit. Man kämpffet nicht wider einen Hauffen der Feinde/ sondern wider sich alleine / nicht öffentlich sondern heimlich/ nicht auf offenem Felde/ sondern in den Häusern/ nicht mit blancken Schwertern/ sondern mit den Gedancken/ nicht mit deme/ was man siehet/ sondern was man empfindet/ und welches das allerschwerlichste/ so muß man sich lassen überwinden/ wofern man sich anders des Sieges rühmen will. Und in diesem Kriege sind gewesen und umkommen alle fromme und tugendhaffte Menschen. Nichts kan in der Welt für grösser gehalten werden/ als ein Hertze/ welches alles Weltliche verachtet: Wenn wir bedencken / was wir sind/ so ist unser Anfang die Vergessenheit/ das Mittel die Mühe / und das Ende ein Schmertzen. Unser Leben ist nichts anders als ein Irrweg zum Gehen/ eine Grube zum Fallen / ein Strick zum Berücken/ und eine Falle darinnen man ermordet wird/ also daß die Wenigsten zu dem gelangen/ wohin sie begehren. Viel wissen ihre Feinde herzurechnen/ und vergessen sich darbey selbst: Ein Narr ist in diesem Fall klüger/ als der sonst Allerklügeste/ alldieweil er sich an seinem Zustande begnügt/ und gilt ihm gleich ob Er Armuth leide oder nicht; Wie der Philosophus Neotides gefragt ward/ welches der beste Rath sey/ antwortete er: Es kan dem Menschen nichts heilsamers wiederfahren/ als wann er Andere um Rath fraget / und sich selbst nicht zu viel begrüsset. Dann ein Mensch kan keinen grössern Schatz finden/ als wann er sich selbsten findet/ und keinen grössern Verlust leiden/ als wenn er sich selbsten verlieret/ Er wird von seinem Leben betrogen / von den Wohllüsten überfallen/ von Freunden verlassen/ von Sorgen geängstiget/ von mancherley Widerwärtigkeit angefochten/ und endlich vom Ehr-Geitze begraben. Niemand empfähet von Einem mehr Leides/ als Einer von sich selbst. Denn die vermessene Thorheit setzet uns uf die Höhe der Hoffart/ der Neid und Ehr-Geitz vergifftet unsere Hertzen/ der Zorn bläset das Lacedaemonische Krieges-Heer / welches doch am Fuß-Volcke vier und zwantzig tausend Mann/ und sechzehen hundert Reisige starck ware. Des Menschen Krieg mit sich selbst. Wie nun der Mensch äusserlich seine Feinde/ und nebenst solchen bald über die unfruchtbare Erde / bald über die Gefährlichkeit des Meeres/ bald über die strenge Lufft/ bald über die dürre Hitze/ bald über die falschen Freunde/ bald über das unbeständige Glücke/ und bald über die flüchtige Zeit klaget: Also pfleget er auch mit sich selbst einen innerlichen Krieg zu führen/ und wann derselbe gegen Jenen auf die Wag-Schale gelegt wird/ so hat dieser letztere den allergefährlichsten Anfang/ und ist eins von denen schwehresten/ dadurch den Sieg zu erlangen. Denn wer in demselben sieget/ der lieget unten/ und welcher unten lieget/ der sieget ob. Dieser Krieg wächst in dem Hertzen/ und wann er daselbst ein Ende nimmet/ so dienen die Thränen an statt der Büchsen/ die Seufftzer an statt des Geschützes/ und das Weinen an statt des Kampffes. Hier streitet die Liebe gegen die Furcht/ die Mässigkeit gegen die Wohllust/ die Verschwiegenheit gegen die Verläumdungen/ die Freygebigkeit gegen den Neid / die Sanfftmuth gegen den Zorn/ die Barmhertzigkeit gegen die Tyranney/ die Frömmigkeit gegen die Boßheit/ die Tugend gegen die Laster/ die Gedult gegen die Rache/ und der Fleiß wider die Faulheit. Man kämpffet nicht wider einen Hauffen der Feinde/ sondern wider sich alleine / nicht öffentlich sondern heimlich/ nicht auf offenem Felde/ sondern in den Häusern/ nicht mit blancken Schwertern/ sondern mit den Gedancken/ nicht mit deme/ was man siehet/ sondern was man empfindet/ und welches das allerschwerlichste/ so muß man sich lassen überwinden/ wofern man sich anders des Sieges rühmen will. Und in diesem Kriege sind gewesen und umkommen alle fromme und tugendhaffte Menschen. Nichts kan in der Welt für grösser gehalten werden/ als ein Hertze/ welches alles Weltliche verachtet: Wenn wir bedencken / was wir sind/ so ist unser Anfang die Vergessenheit/ das Mittel die Mühe / und das Ende ein Schmertzen. Unser Leben ist nichts anders als ein Irrweg zum Gehen/ eine Grube zum Fallen / ein Strick zum Berücken/ und eine Falle darinnen man ermordet wird/ also daß die Wenigsten zu dem gelangen/ wohin sie begehren. Viel wissen ihre Feinde herzurechnen/ und vergessen sich darbey selbst: Ein Narr ist in diesem Fall klüger/ als der sonst Allerklügeste/ alldieweil er sich an seinem Zustande begnügt/ und gilt ihm gleich ob Er Armuth leide oder nicht; Wie der Philosophus Neotides gefragt ward/ welches der beste Rath sey/ antwortete er: Es kan dem Menschen nichts heilsamers wiederfahren/ als wann er Andere um Rath fraget / und sich selbst nicht zu viel begrüsset. Dann ein Mensch kan keinen grössern Schatz finden/ als wann er sich selbsten findet/ und keinen grössern Verlust leiden/ als wenn er sich selbsten verlieret/ Er wird von seinem Leben betrogen / von den Wohllüsten überfallen/ von Freunden verlassen/ von Sorgen geängstiget/ von mancherley Widerwärtigkeit angefochten/ und endlich vom Ehr-Geitze begraben. Niemand empfähet von Einem mehr Leides/ als Einer von sich selbst. Denn die vermessene Thorheit setzet uns uf die Höhe der Hoffart/ der Neid und Ehr-Geitz vergifftet unsere Hertzen/ der Zorn bläset <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0288" n="258"/> das Lacedaemonische Krieges-Heer / welches doch am Fuß-Volcke vier und zwantzig tausend Mann/ und sechzehen hundert Reisige starck ware.</p> <p><note place="left">Des Menschen Krieg mit sich selbst.</note> Wie nun der Mensch äusserlich seine Feinde/ und nebenst solchen bald über die unfruchtbare Erde / bald über die Gefährlichkeit des Meeres/ bald über die strenge Lufft/ bald über die dürre Hitze/ bald über die falschen Freunde/ bald über das unbeständige Glücke/ und bald über die flüchtige Zeit klaget: Also pfleget er auch mit sich selbst einen innerlichen Krieg zu führen/ und wann derselbe gegen Jenen auf die Wag-Schale gelegt wird/ so hat dieser letztere den allergefährlichsten Anfang/ und ist eins von denen schwehresten/ dadurch den Sieg zu erlangen. Denn wer in demselben sieget/ der lieget unten/ und welcher unten lieget/ der sieget ob. Dieser Krieg wächst in dem Hertzen/ und wann er daselbst ein Ende nimmet/ so dienen die Thränen an statt der Büchsen/ die Seufftzer an statt des Geschützes/ und das Weinen an statt des Kampffes. Hier streitet die Liebe gegen die Furcht/ die Mässigkeit gegen die Wohllust/ die Verschwiegenheit gegen die Verläumdungen/ die Freygebigkeit gegen den Neid / die Sanfftmuth gegen den Zorn/ die Barmhertzigkeit gegen die Tyranney/ die Frömmigkeit gegen die Boßheit/ die Tugend gegen die Laster/ die Gedult gegen die Rache/ und der Fleiß wider die Faulheit.</p> <p>Man kämpffet nicht wider einen Hauffen der Feinde/ sondern wider sich alleine / nicht öffentlich sondern heimlich/ nicht auf offenem Felde/ sondern in den Häusern/ nicht mit blancken Schwertern/ sondern mit den Gedancken/ nicht mit deme/ was man siehet/ sondern was man empfindet/ und welches das allerschwerlichste/ so muß man sich lassen überwinden/ wofern man sich anders des Sieges rühmen will. Und in diesem Kriege sind gewesen und umkommen alle fromme und tugendhaffte Menschen. Nichts kan in der Welt für grösser gehalten werden/ als ein Hertze/ welches alles Weltliche verachtet: Wenn wir bedencken / was wir sind/ so ist unser Anfang die Vergessenheit/ das Mittel die Mühe / und das Ende ein Schmertzen.</p> <p>Unser Leben ist nichts anders als ein Irrweg zum Gehen/ eine Grube zum Fallen / ein Strick zum Berücken/ und eine Falle darinnen man ermordet wird/ also daß die Wenigsten zu dem gelangen/ wohin sie begehren. Viel wissen ihre Feinde herzurechnen/ und vergessen sich darbey selbst: Ein Narr ist in diesem Fall klüger/ als der sonst Allerklügeste/ alldieweil er sich an seinem Zustande begnügt/ und gilt ihm gleich ob Er Armuth leide oder nicht; Wie der Philosophus Neotides gefragt ward/ welches der beste Rath sey/ antwortete er: Es kan dem Menschen nichts heilsamers wiederfahren/ als wann er Andere um Rath fraget / und sich selbst nicht zu viel begrüsset. Dann ein Mensch kan keinen grössern Schatz finden/ als wann er sich selbsten findet/ und keinen grössern Verlust leiden/ als wenn er sich selbsten verlieret/ Er wird von seinem Leben betrogen / von den Wohllüsten überfallen/ von Freunden verlassen/ von Sorgen geängstiget/ von mancherley Widerwärtigkeit angefochten/ und endlich vom Ehr-Geitze begraben.</p> <p>Niemand empfähet von Einem mehr Leides/ als Einer von sich selbst. Denn die vermessene Thorheit setzet uns uf die Höhe der Hoffart/ der Neid und Ehr-Geitz vergifftet unsere Hertzen/ der Zorn bläset </p> </div> </body> </text> </TEI> [258/0288]
das Lacedaemonische Krieges-Heer / welches doch am Fuß-Volcke vier und zwantzig tausend Mann/ und sechzehen hundert Reisige starck ware.
Wie nun der Mensch äusserlich seine Feinde/ und nebenst solchen bald über die unfruchtbare Erde / bald über die Gefährlichkeit des Meeres/ bald über die strenge Lufft/ bald über die dürre Hitze/ bald über die falschen Freunde/ bald über das unbeständige Glücke/ und bald über die flüchtige Zeit klaget: Also pfleget er auch mit sich selbst einen innerlichen Krieg zu führen/ und wann derselbe gegen Jenen auf die Wag-Schale gelegt wird/ so hat dieser letztere den allergefährlichsten Anfang/ und ist eins von denen schwehresten/ dadurch den Sieg zu erlangen. Denn wer in demselben sieget/ der lieget unten/ und welcher unten lieget/ der sieget ob. Dieser Krieg wächst in dem Hertzen/ und wann er daselbst ein Ende nimmet/ so dienen die Thränen an statt der Büchsen/ die Seufftzer an statt des Geschützes/ und das Weinen an statt des Kampffes. Hier streitet die Liebe gegen die Furcht/ die Mässigkeit gegen die Wohllust/ die Verschwiegenheit gegen die Verläumdungen/ die Freygebigkeit gegen den Neid / die Sanfftmuth gegen den Zorn/ die Barmhertzigkeit gegen die Tyranney/ die Frömmigkeit gegen die Boßheit/ die Tugend gegen die Laster/ die Gedult gegen die Rache/ und der Fleiß wider die Faulheit.
Des Menschen Krieg mit sich selbst. Man kämpffet nicht wider einen Hauffen der Feinde/ sondern wider sich alleine / nicht öffentlich sondern heimlich/ nicht auf offenem Felde/ sondern in den Häusern/ nicht mit blancken Schwertern/ sondern mit den Gedancken/ nicht mit deme/ was man siehet/ sondern was man empfindet/ und welches das allerschwerlichste/ so muß man sich lassen überwinden/ wofern man sich anders des Sieges rühmen will. Und in diesem Kriege sind gewesen und umkommen alle fromme und tugendhaffte Menschen. Nichts kan in der Welt für grösser gehalten werden/ als ein Hertze/ welches alles Weltliche verachtet: Wenn wir bedencken / was wir sind/ so ist unser Anfang die Vergessenheit/ das Mittel die Mühe / und das Ende ein Schmertzen.
Unser Leben ist nichts anders als ein Irrweg zum Gehen/ eine Grube zum Fallen / ein Strick zum Berücken/ und eine Falle darinnen man ermordet wird/ also daß die Wenigsten zu dem gelangen/ wohin sie begehren. Viel wissen ihre Feinde herzurechnen/ und vergessen sich darbey selbst: Ein Narr ist in diesem Fall klüger/ als der sonst Allerklügeste/ alldieweil er sich an seinem Zustande begnügt/ und gilt ihm gleich ob Er Armuth leide oder nicht; Wie der Philosophus Neotides gefragt ward/ welches der beste Rath sey/ antwortete er: Es kan dem Menschen nichts heilsamers wiederfahren/ als wann er Andere um Rath fraget / und sich selbst nicht zu viel begrüsset. Dann ein Mensch kan keinen grössern Schatz finden/ als wann er sich selbsten findet/ und keinen grössern Verlust leiden/ als wenn er sich selbsten verlieret/ Er wird von seinem Leben betrogen / von den Wohllüsten überfallen/ von Freunden verlassen/ von Sorgen geängstiget/ von mancherley Widerwärtigkeit angefochten/ und endlich vom Ehr-Geitze begraben.
Niemand empfähet von Einem mehr Leides/ als Einer von sich selbst. Denn die vermessene Thorheit setzet uns uf die Höhe der Hoffart/ der Neid und Ehr-Geitz vergifftet unsere Hertzen/ der Zorn bläset
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