Reichspost. Nr. 308, Wien, 04.07.1914.Wien, Samstag Reichspost 4. Juli 1914 Nr. 308 [Spaltenumbruch] 33. Folge. Nachdruck verboten. Die Lämmerschur. Ein New-Yorker Börsenroman. "Der Professor schreibt, daß er Nancys Leiden, wie Dieser lachte herzlich. "Ich war so frei, Onkel Ben. "Ja, gewiß -- indessen" -- er vertiefte sich wieder Er kicherte belustigt vor sich hin, wurde aber schnell "Aber, da sind sie doch!" "Wo -- wie meinst Du --" "Hier sind sie, die Fünftausend nämlich!" meinte Ben entfaltete das Papier. Daß es sich um einen "Fünftausend Dollar -- fünftausend!" wiederholte "Nichts mehr und nichts weniger, Onkel, als daß "Aber ich -- ich begreife nicht --" "Ist doch kinderleicht, Onkel. Sieh, ihr habt mich "Aber, ich bitte Dich, Reggie -- das --" "Nur keinen Einspruch, Onkel Ben, denn erstens Ben wollte protestieren; aber die Ueberraschung [Spaltenumbruch] Der Spieleraberglauben in ihm begann wieder rege "Um Himmelswillen, nur keine Rührung, Onkel -- "Nun, dann seid so gut und kommt zum Essen, die Reggies sieghaftes Lachen erstickte ihre weiteren Gut gläubig nahm Ethel seinen Aufschluß hin. "Nein, Ihr Gelächter wirkte ansteckend. Reggie beteiligte (Fortsetzung folgt.) [irrelevantes Material]
Wien, Samstag Reichspoſt 4. Juli 1914 Nr. 308 [Spaltenumbruch] 33. Folge. Nachdruck verboten. Die Lämmerſchur. Ein New-Yorker Börſenroman. „Der Profeſſor ſchreibt, daß er Nancys Leiden, wie Dieſer lachte herzlich. „Ich war ſo frei, Onkel Ben. „Ja, gewiß — indeſſen“ — er vertiefte ſich wieder Er kicherte beluſtigt vor ſich hin, wurde aber ſchnell „Aber, da ſind ſie doch!“ „Wo — wie meinſt Du —“ „Hier ſind ſie, die Fünftauſend nämlich!“ meinte Ben entfaltete das Papier. Daß es ſich um einen „Fünftauſend Dollar — fünftauſend!“ wiederholte „Nichts mehr und nichts weniger, Onkel, als daß „Aber ich — ich begreife nicht —“ „Iſt doch kinderleicht, Onkel. Sieh, ihr habt mich „Aber, ich bitte Dich, Reggie — das —“ „Nur keinen Einſpruch, Onkel Ben, denn erſtens Ben wollte proteſtieren; aber die Ueberraſchung [Spaltenumbruch] Der Spieleraberglauben in ihm begann wieder rege „Um Himmelswillen, nur keine Rührung, Onkel — „Nun, dann ſeid ſo gut und kommt zum Eſſen, die Reggies ſieghaftes Lachen erſtickte ihre weiteren Gut gläubig nahm Ethel ſeinen Aufſchluß hin. „Nein, Ihr Gelächter wirkte anſteckend. Reggie beteiligte (Fortſetzung folgt.) [irrelevantes Material]
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Wollte ich Tante<lb/> Ethel ins Vertrauen ziehen, ſo würde dies ihr Zartgefühl<lb/> verletzen — und gar erſt Nancy! Nicht daran zu denken!<lb/> Sie müſſen beide durch den Beſuch des Profeſſors über-<lb/> rumpelt werden, verſtanden? Uebrigens habe ich mich in<lb/> meiner Anfrage auch nur als von Dir beauftragt hinge-<lb/> ſtellt. Iſt es dann glücklich erſt ſo weit, kann Tantchen<lb/> keine Einwendungen mehr machen — und ich bleibe ganz<lb/> aus dem Spiele. Darin ſind wir einig, das bleibt eben<lb/> unſer Geheimnis, nicht wahr? ... Und wenn Tantchen<lb/> ſich nach dem Honorar und ſeiner Höhe erkundigt, nun<lb/> dann kannſt Du getroſt einmal ſchwindeln, Onkel Ben.<lb/> Wir reduzieren es auf tauſend Dollar und die haſt Du<lb/> eben mal ſo gelegentlich in der Straße mitgenommen.“</p><lb/> <p>Ben wollte proteſtieren; aber die Ueberraſchung<lb/> war allzu groß. Ungläubig ſtarrte er bald das ſonnig<lb/> heitere Geſicht Reggies, bald den ſchmalen Papierſtreifen<lb/> in ſeiner Hand an. 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Dort hinter<lb/> Goldregenbuſch taucht gerade etwas Weißes auf — ſollte<lb/> mich wundern, wenn es nicht Tantes Küchenſchürze iſt<lb/> und ſie ſelbſt kommt, um uns zum Eſſen zu rufen. Alſo<lb/> fort mit den Wiſchen — und kein Wort verraten! Ich<lb/> freue mich ja wie’n Kind auf Weihnachten, wenn die<lb/> Ueberraſchung glücklich gelingt — ja doch, ja, Onkel!“<lb/> wehrte er ab, als Ben nur mit dankbarem Drucke ſeine<lb/> Hand faſſen, aber kein Wort hervorbringen konnte. Laut<lb/> aber rief er: „Hallo, Tantchen, wir ſtecken hier in der<lb/> Laube.“</p><lb/> <p>„Nun, dann ſeid ſo gut und kommt zum Eſſen, die<lb/> Suppe ſteht bereits auf dem Tiſch!“ tönte wohlgemut<lb/> Ethels Stimme zurück. Da kam ſie auch ſchon ſelbſt zum<lb/> Vorſchein. Ihrem ſcharfen Blicke entging die Gemüts-<lb/> bewegung in des Gatten Mienen nicht. „Nun, was habt<lb/> ihr vor? Ihr werdet euch doch hoffentlich nicht gezankt<lb/> haben?“ erkundigte ſie ſich in leichtem Befremden.</p><lb/> <p>Reggies ſieghaftes Lachen erſtickte ihre weiteren<lb/> Worte. Er war aufgeſprungen und hatte ſich unbefangen<lb/> bei ihr eingehängt. „Aber ſicherlich nicht — ich war nur<lb/> indiskret und habe Onkel Ben unter der Blume zu ver-<lb/> ſtehen gegeben, daß auch eine von den bewußten Silber-<lb/> zipfelchen kalt geſtellt worden iſt. Das hat ihn tief ge-<lb/> rührt, wie Figura zeigt.“</p><lb/> <p>Gut gläubig nahm Ethel ſeinen Aufſchluß hin. „Nein,<lb/> ſo’n unverbeſſerlicher Schlemmer!“ ſchmähte ſie und<lb/> drohte ihrem Manne mit dem Finger. „Und Dich muß<lb/> ich auch ausſchelten, Reggie — das ſollte doch unſer Ge-<lb/> heimnis bleiben! Erſt zum Deſſert ſollte Dein Onkel<lb/> darum erfahren. Wirſt ſehen, nun fängt er gleich zur<lb/> Suppe zu nippen an. Noch dazu am Sonntag. Ach, über<lb/> euch Männer, ihr müßt halt immer aus der Schule<lb/> ſchwatzen!“ ſchloß ſie lachend.</p><lb/> <p>Ihr Gelächter wirkte anſteckend. Reggie beteiligte<lb/> ſich daran aus vollem Halſe, und auch Ben taute raſch<lb/> auf und wurde ausgelaſſen fröhlich.</p><lb/> <p> <ref>(Fortſetzung folgt.)</ref> </p> </div> </div><lb/> <div type="jAnnouncements" n="1"> <gap reason="insignificant"/> </div> </body> </text> </TEI> [14/0014]
Wien, Samstag Reichspoſt 4. Juli 1914 Nr. 308
33. Folge. Nachdruck verboten.
Die Lämmerſchur.
Ein New-Yorker Börſenroman.
Von Otto Hoecker.
„Der Profeſſor ſchreibt, daß er Nancys Leiden, wie
Dures ihm geſchildert haſt, wohl abſtellen könnte, da es
ſich um einen typiſchen Fall von Hüftenverkrümmung zu
handeln ſcheine; eine durch ſein Syſtem völlig zu beiſeiti-
gende Entſtellungsform .... ja, haſt Du denn an ihn ge-
ſchrieben?“ Ganz verblüfft ſchaute er Reggie an.
Dieſer lachte herzlich. „Ich war ſo frei, Onkel Ben.
Wie Du ſiehſt, lautet die Antwort aufmunternd — oder
nicht?“
„Ja, gewiß — indeſſen“ — er vertiefte ſich wieder
in den Brief — „er will unmittelbar nach dem Monats-
wechſel hierher nach New-York kommen, wo er ohnehin
eine Anzahl Fälle zu erledigen hat und bei dieſer Ge-
legenheit auch Nancy in Behandlung nehmen. Seine
Honoraranſprüche beziffern ſich — ohne Garantie für
das Gelingen der Kur — auf fünftauſend Dollars, die
im voraus zu entrichten ſind ... Donnerwetter, der
Mann hat ſich erſtaunlich raſch akklimatiſiert!“ entfuhr
es Ben. „Ganz wie unſere Aerzte auch — erſt das Geld
für die Behandlung und dann dieſe ſelbſt — für einen
Erfolg wird keine Garantie übernommen.“
Er kicherte beluſtigt vor ſich hin, wurde aber ſchnell
wieder ernſt. „Lieber Junge, wenn Du vielleicht glaubſt,
daß ich fünftauſend Dollars aufs Ungewiſſe zahlen
könnte — noch keine fünftauſend Pennies!“ pro-
teſtierte er.
„Aber, da ſind ſie doch!“
„Wo — wie meinſt Du —“
„Hier ſind ſie, die Fünftauſend nämlich!“ meinte
Reggie, und lachend drückte er Ben den zweiten Papier-
ſtreifen, mit dem er bis dahin geſpielt, in die Hand.
Ben entfaltete das Papier. Daß es ſich um einen
Scheck handelte, darüber hatten ihm ſchon Form und Be-
ſchaffenheit des Papiers Aufſchluß gegeben. Als er ihn
nun aber entfaltete und die darauf ausgeſtellte Summe
las, gab es ihm einen Ruck, und er ſchaute faſſungslos
Reggie an.
„Fünftauſend Dollar — fünftauſend!“ wiederholte
er nochmals ordentlich ehrfürchtig. „Ausgeſtellt auf die
Erſte Nationalbank — und auf mich?“ Wieder ſchaute er
den ſich herzlich an ſeiner Verblüffung Weidenden be-
ſtürzt an. „Ja, was ſoll denn das heißen?“
„Nichts mehr und nichts weniger, Onkel, als daß
Du den Scheck gelegentlich zu Gelde machſt und dann die
Fünftauſend im eigenen Namen an den Profeſſor nach
Chicago einſendeſt.“
„Aber ich — ich begreife nicht —“
„Iſt doch kinderleicht, Onkel. Sieh, ihr habt mich
mit ſo viel Liebe bei euch aufgenommen — kann Dir
ſagen, ich weiß plötzlich, wie es ſchmeckt, eine Heimat zu
haben — und ich müßte doch blind und taub ſein, hätte
ich nicht längſt Tante Ethels Herzenswunſch, der doch
ſicherlich auch der Deinige iſt, erraten — und da ich ſchon
in Bälde einmal mit Schönbäschen Nancy tanzen und
um die Wette laufen möchte, ſo mußt Du mir ſchon ge-
ſtatten, daß ich von meinem Ueberfluß etwas zu-
ſteuere — —“
„Aber, ich bitte Dich, Reggie — das —“
„Nur keinen Einſpruch, Onkel Ben, denn erſtens
wird ein ſolcher nicht angenommen, und zum andern haſt
Du Dein Mädel doch auch lieb — oder nicht?“ Seine
Stimme klang ernſt; herzlich ergriff er die Hand des ihn
nach wie vor faſſungslos anſtarrenden Onkels. „Nun
ſiehſt Du, da mußte ich Dich ins Vertrauen ziehen. Wir
Männer verſtehen uns am eheſten. Wollte ich Tante
Ethel ins Vertrauen ziehen, ſo würde dies ihr Zartgefühl
verletzen — und gar erſt Nancy! Nicht daran zu denken!
Sie müſſen beide durch den Beſuch des Profeſſors über-
rumpelt werden, verſtanden? Uebrigens habe ich mich in
meiner Anfrage auch nur als von Dir beauftragt hinge-
ſtellt. Iſt es dann glücklich erſt ſo weit, kann Tantchen
keine Einwendungen mehr machen — und ich bleibe ganz
aus dem Spiele. Darin ſind wir einig, das bleibt eben
unſer Geheimnis, nicht wahr? ... Und wenn Tantchen
ſich nach dem Honorar und ſeiner Höhe erkundigt, nun
dann kannſt Du getroſt einmal ſchwindeln, Onkel Ben.
Wir reduzieren es auf tauſend Dollar und die haſt Du
eben mal ſo gelegentlich in der Straße mitgenommen.“
Ben wollte proteſtieren; aber die Ueberraſchung
war allzu groß. Ungläubig ſtarrte er bald das ſonnig
heitere Geſicht Reggies, bald den ſchmalen Papierſtreifen
in ſeiner Hand an. Fünftauſend Dollar! Er hätte ſeine
Seligkeit für ihren Beſitz hingegeben — und nun hielt er
ſie in der Hand! Freilich, ſie gehörten nicht ihm, ſondern
waren anvertrautes Gut — ſelbſtverſtändlich würde er
das Geld unverzüglich dem Profeſſor einſenden. Aber
ein merkwürdiger Zufall blieb es doch, daß ſich im Hand-
umdrehen ſo viel Geld zu ihm finden konnte.
Der Spieleraberglauben in ihm begann wieder rege
zu werden. Eigentlich war das ein gutes Zeichen! Wo
Tauben ſind, da finden ſich Tauben zu — und mit dem
Gelde iſt es genau ſo.
„Um Himmelswillen, nur keine Rührung, Onkel —
ſo was iſt doch unter Verwandten ſelbſtverſtändlich!“
raunte Reggie und nickte dann in der Richtung nach dem
durch Strauchwerk halbverdeckten Häuschen. Dort hinter
Goldregenbuſch taucht gerade etwas Weißes auf — ſollte
mich wundern, wenn es nicht Tantes Küchenſchürze iſt
und ſie ſelbſt kommt, um uns zum Eſſen zu rufen. Alſo
fort mit den Wiſchen — und kein Wort verraten! Ich
freue mich ja wie’n Kind auf Weihnachten, wenn die
Ueberraſchung glücklich gelingt — ja doch, ja, Onkel!“
wehrte er ab, als Ben nur mit dankbarem Drucke ſeine
Hand faſſen, aber kein Wort hervorbringen konnte. Laut
aber rief er: „Hallo, Tantchen, wir ſtecken hier in der
Laube.“
„Nun, dann ſeid ſo gut und kommt zum Eſſen, die
Suppe ſteht bereits auf dem Tiſch!“ tönte wohlgemut
Ethels Stimme zurück. Da kam ſie auch ſchon ſelbſt zum
Vorſchein. Ihrem ſcharfen Blicke entging die Gemüts-
bewegung in des Gatten Mienen nicht. „Nun, was habt
ihr vor? Ihr werdet euch doch hoffentlich nicht gezankt
haben?“ erkundigte ſie ſich in leichtem Befremden.
Reggies ſieghaftes Lachen erſtickte ihre weiteren
Worte. Er war aufgeſprungen und hatte ſich unbefangen
bei ihr eingehängt. „Aber ſicherlich nicht — ich war nur
indiskret und habe Onkel Ben unter der Blume zu ver-
ſtehen gegeben, daß auch eine von den bewußten Silber-
zipfelchen kalt geſtellt worden iſt. Das hat ihn tief ge-
rührt, wie Figura zeigt.“
Gut gläubig nahm Ethel ſeinen Aufſchluß hin. „Nein,
ſo’n unverbeſſerlicher Schlemmer!“ ſchmähte ſie und
drohte ihrem Manne mit dem Finger. „Und Dich muß
ich auch ausſchelten, Reggie — das ſollte doch unſer Ge-
heimnis bleiben! Erſt zum Deſſert ſollte Dein Onkel
darum erfahren. Wirſt ſehen, nun fängt er gleich zur
Suppe zu nippen an. Noch dazu am Sonntag. Ach, über
euch Männer, ihr müßt halt immer aus der Schule
ſchwatzen!“ ſchloß ſie lachend.
Ihr Gelächter wirkte anſteckend. Reggie beteiligte
ſich daran aus vollem Halſe, und auch Ben taute raſch
auf und wurde ausgelaſſen fröhlich.
(Fortſetzung folgt.)
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