Reichspost. Nr. 227, Wien, 05.10.1906.[Spaltenumbruch]
Preis 8 h Redaktion, Administration, Stadtexpedition I., Wollzeile 11 Unfrankierte und nicht genügend Inserate Abonnements werden ange- Erscheint täglich 6 Uhr nach- [Spaltenumbruch] Reichspost. Unabhängiges Tagblatt für das christliche Volk Österreich-Ungarns. [Spaltenumbruch] Preis 8 h Bezugspreise: Einzelne Nummern 8 h, per Post Bei Abholung in unserer Administra- Für Österreich-Ungarn: Für Deutschland: Länder des Weltpostvereines: Telephon 18082. XIII. Jahrgang. Wien, Freitag, 5. Oktober 1906. Nr. 227. [Spaltenumbruch] Erinnerung, nicht Zwang. Wien, am 4. Oktober. Abg. Dr. Geßmann hat gestern im Subkomitee Eine Strafsanktion aber, die alle möglichen Die Gegner der Wahlpflicht bleiben freilich taub Der langen Rede kurzer Sinn ist: "Je mehr Daß die sozialdemokratische Presse sich nicht Wer es ernst meint mit dem allgemeinen Wahl- Politische Rundschau. Oesterreich-Ungarn. Wien, 4. Oktober. Befetzung von Statthalterposten. In Landtagskandidaturen in Mähren. Aus Iglau, 4. d., wird telegraphiert: Im Das Geheimnis des Antrages Tol- linger. Das "Grazer Volksblatt" übt "Die Tollingerschen Vorschläge haben nicht des- Minister Dr. Pazak für die Kongrua. Aus Prag wird uns heute berichtet: Wie der Die Hilfe für Dalmatien. Wie dem Die agrarische Zentralstelle und der Ausgleich. In einer unter dem Vorsitze des [Abbildung] Die heutige Nummer ist 12 Seiten stark. [Abbildung] [Spaltenumbruch]
Preis 8 h Redaktion, Adminiſtration, Stadtexpedition I., Wollzeile 11 Unfrankierte und nicht genügend Inſerate Abonnements werden ange- Erſcheint täglich 6 Uhr nach- [Spaltenumbruch] Reichspoſt. Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Öſterreich-Ungarns. [Spaltenumbruch] Preis 8 h Bezugspreiſe: Einzelne Nummern 8 h, per Poſt Bei Abholung in unſerer Adminiſtra- Für Öſterreich-Ungarn: Für Deutſchland: Länder des Weltpoſtvereines: Telephon 18082. XIII. Jahrgang. Wien, Freitag, 5. Oktober 1906. Nr. 227. [Spaltenumbruch] Erinnerung, nicht Zwang. Wien, am 4. Oktober. Abg. Dr. Geßmann hat geſtern im Subkomitee Eine Strafſanktion aber, die alle möglichen Die Gegner der Wahlpflicht bleiben freilich taub Der langen Rede kurzer Sinn iſt: „Je mehr Daß die ſozialdemokratiſche Preſſe ſich nicht Wer es ernſt meint mit dem allgemeinen Wahl- Politiſche Rundſchau. Oeſterreich-Ungarn. Wien, 4. Oktober. Befetzung von Statthalterpoſten. In Landtagskandidaturen in Mähren. Aus Iglau, 4. d., wird telegraphiert: Im Das Geheimnis des Antrages Tol- linger. Das „Grazer Volksblatt“ übt „Die Tollingerſchen Vorſchläge haben nicht des- Miniſter Dr. Pazak für die Kongrua. Aus Prag wird uns heute berichtet: Wie der Die Hilfe für Dalmatien. Wie dem Die agrariſche Zentralſtelle und der Ausgleich. In einer unter dem Vorſitze des [Abbildung] Die heutige Nummer iſt 12 Seiten ſtark. [Abbildung] <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <cb/> <div type="jExpedition"> <head> <hi rendition="#b">Preis 8 <hi rendition="#aq">h</hi> </hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Redaktion, Adminiſtration,<lb/> Expedition und Druckerei:<lb/><hi rendition="#aq">VIII.,</hi> <hi rendition="#g">Strozzigaſſe</hi> 41.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p><hi rendition="#b">Stadtexpedition</hi><hi rendition="#aq">I.,</hi> Wollzeile <hi rendition="#b">11</hi><lb/> Zeitungsbureau <hi rendition="#b">H. 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Wien, Freitag, 5. Oktober 1906. Nr. 227.</hi> </docDate> </docImprint> </titlePage><lb/> </front> <body> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Erinnerung, nicht Zwang.</hi> </head><lb/> <dateline>Wien, am 4. Oktober.</dateline><lb/> <p>Abg. Dr. Geßmann hat geſtern im Subkomitee<lb/> für die Frage der Wahlpflicht, einen Antrag geſtellt,<lb/> der die beſte Widerlegung aller der Fabeleien<lb/> darſtellt, die die Wahlpflicht als einen Angriff<lb/> auf die bürgerliche Freiheit, als die Ausübung eines<lb/> unerlaubten Zwanges bezeichnen und daraus<lb/> Wertloſigkeit einer erzwungenen Stimmenabgabe<lb/> folgern möchten. Eine geſetzliche Beſtimmung, die<lb/> als Entſchuldigungsgründe für die Nichtabgabe der<lb/> Stimme Alter, Gebrechlichkeit, Krankheit, längere<lb/> Abweſenheit, berufsmäßige Verhinderung, Kommu-<lb/> nikationshinderniſſe und Erſchwerungen anführt,<lb/> ohne mit dieſer Aufzählung alle Diſpensbedingungen<lb/> erſchöpfen zu wollen, und als Strafe für Wahl-<lb/> ſäumige Beträge bis zu höchſtens 10 Kronen feſtſetzt,<lb/> kann doch unmöglich als Zwang angeſehen werden.<lb/> Es gibt unzählige, bedeutend ſtrengere Geldſtraf-<lb/> beſtimmungen, viele davon nur auf dem Verord-<lb/> nungswege erlaſſen und nur durch einfache Polizeiakte<lb/> angewendet, die, obwohl ſie gleichgültigere Angelegen-<lb/> heiten als die Zuſammenſetzung der Volksvertretung,<lb/> der geſetzgebenden Körperſchaft betreffen, trotzdem<lb/> niemand als Zwang fühlt.</p><lb/> <p>Eine Strafſanktion aber, die alle möglichen<lb/> Entſchuldigungsgründe gelten läßt und dabei ſelbſt<lb/> dem Wohlhabendſten gegenüber mit einer ganz ge-<lb/> ringen Ahndung vorgeht, iſt in der Tat nichts an-<lb/> deres als eine mit der Feierlichkeit der Geſetzgebung<lb/> ausgeſprochene Mahnung an die Bürgerpflichten.<lb/> Dieſe ſtete, im Geſetze feſtgelegte Erinnerung an<lb/> den Bürger, daß er ein Verſäumnis begeht, wenn<lb/> er ſich um die Wahl nicht kümmert, ſtellt gewiß ein<lb/> Erziehungsmittel dar, das notwendig iſt, wenn das<lb/> allgemeine Wahlrecht nicht auf dem Papiere bleiben<lb/> und auch in der Zukunft praktiſch nicht nur den Beſitz<lb/> eines Teiles aus dem Volke darſtellen ſoll. Etwas<lb/> anderes haben die Chriſtlich-Sozialen, wie wieder-<lb/> holt an dieſer Stelle dargelegt worden iſt, nie ge-<lb/> wollt.</p><lb/> <p>Die Gegner der Wahlpflicht bleiben freilich taub<lb/> für alle Gründe der Vernunft, auch die Sozial-<lb/> demokratie, deren Preſſe bisher hierin gegenüber allen<lb/> ſachlichen Darlegungen ebenſo verſtockt iſt,<lb/> wie die armen Sünder, die ſie wegen<lb/> ihrer Anhänglichkeit für d<supplied>aſ</supplied> Pluralwahlrecht<lb/> täglich durch die Gaſſen treibt. Jetzt iſt die ſozial-<lb/> demokratiſche Preſſe gar ſchon auf das Grazer Organ<lb/> der deutſchen Volkspartei gekommen. Den bürger-<lb/> lichen Parteien werden die Aeußerungen dieſes Blattes,<lb/> das unzählig oft gerade von der ſozialdemokratiſchen<lb/> Preſſe als das Prototyp politiſcher Beſchränktheit<lb/> angenagelt wurde, als heiliges Evangelium ins Ge-<lb/> wiſſen gerufen. Einen ſchlechteren Dienſt hätte die<lb/> ſozialdemokratiſche Preſſe ihrer Sache ſchon nicht<lb/> mehr leiſten können, als daß ſie jetzt die<lb/> Blinden als Augenzeugen zu Hilfe holt. Es iſt<lb/> aber doch gar zu hübſch, was das Grazer Organ<lb/> der deutſchen Volkspartei als Urſache ſeiner<lb/> Abneigung gegen die Wahlpflicht angibt: „Wenn<lb/> nun auch gar nicht zu beſtreiten iſt, daß den Sozial-<lb/> demokraten durch die Wahlpflicht eine gewaltige<lb/> Phalanx gegenübergeſtellt würde, ſo müſſen wir<lb/> doch daran denken, daß die Klerikalen erſt mit der<lb/> Wahlpflicht <hi rendition="#g">ihren letzten Mann heraus-<lb/> brächten.</hi> Denn außer ihren wohldisziplinierten<lb/><cb/> Heerſcharen fielen zu ihnen die Hauptmaſſen jener<lb/><hi rendition="#g">Indolenz,</hi> die ſie ja ſtets zu hegen verſtanden;<lb/> alle jene, für die die Worte Freiheit, Fortſchritt und<lb/> Bildung einen <hi rendition="#g">höchſt unangenehmen Klang</hi><lb/> haben, weil darin etwas von geiſtiger Bewegung iſt,<lb/> die die <hi rendition="#g">Sumper</hi> haſſen. Vermehrt würden ſie durch<lb/> die Zahl aller Allzuvorſichtigen; alle, die der Wahl-<lb/> urne auch heute noch aus einem gewiſſen vormärz-<lb/> lichen Gefühle aus dem Wege gehen, würden nur<lb/> mit einem ängſtlichen Blick nach oben den Stimm-<lb/> zettel ſchreiben. Jede kräftige, deutſchbewußte Volks-<lb/> bewegung würde arg niedergedrückt werden durch die<lb/> Stimmenmaſſen der wahlpflichtigen Indolenz.“</p><lb/> <p>Der langen Rede kurzer Sinn iſt: „Je mehr<lb/> zur Wahl gehen, deſto weniger leicht werde ich ge-<lb/> wählt. Und weil ich am Ende nicht mehr gewählt<lb/> werde, deswegen bin ich gegen die Wahlpflicht.“<lb/> Eine Politik, die alle für Trottel und Heloten der<lb/> Dummheit erklärt, die nicht für ſie ſtimmen, iſt<lb/> zwar nicht ſehr volkstümlich, aber ſie iſt vielleicht<lb/> rieſig fortſchrittlich, freiheitlich und geiſtig bewegt<lb/> Es fehlt uns Armen, die wir immer der Meinung<lb/> waren, die Demokratie des modernen Verfaſſungs-<lb/> lebens ruhe auf dem <hi rendition="#g">ganzen</hi> Volke und nicht auf<lb/> einigen Ortsölgötzen und ihrem Anhange, für der-<lb/> artige Begriffe fortſchrittlicher Politik ohne Zweifel<lb/> jegliches Verſtändnis. Wi<supplied>r</supplied> finden es nur<lb/> ſehr billig, jeden einen dummen Kerl zu<lb/> heißen, der am Ende nicht in das Horn einer Partei<lb/> bläſt, die einſt einem Genie wie Malik zu einem<lb/> Mandat verhalf.</p><lb/> <p>Daß die ſozialdemokratiſche Preſſe ſich nicht<lb/> ſchämt, dem Freiſinn eine ſo geiſtreiche Logik, wie<lb/> die jenes Volkspartei-Organes als die ſchlagkräftigſte<lb/> Vertretung „rein bürgerlicher Intereſſen“ anzupreiſen,<lb/> iſt ebenſo denkwürdig, wie die Blindheit jener deutſch-<lb/> nationalen Politiker, deren Partei in ihren ureigenſten<lb/> Domänen, wie in Graz, nach den Behauptungen<lb/> ihrer eigenen Parteipreſſe nur infolge der Wahl<lb/> ſäumigkeit ihres Anhanges der Sozialdemo-<lb/> kratie weichen mußte. Es gehört zu den<lb/> ſpaßhaften Rätſeln, welche die deutſche<lb/> Volkspartei ſo <hi rendition="#g">gerne ihren Geſinnungs-<lb/> genoſſen</hi> aufgibt, daß ein alpenländiſcher Abge-<lb/> ordneter der Deutſchen Partei, Herr Dr. Löcker,<lb/> die von dem Hauptorgan der Deutſchen Volkspartei<lb/> für die Alpenländer ſo wuchtig bekämpfte Wahlpflicht<lb/> mit noch viel ſchärferen Strafbeſtimmungen ſchützen<lb/> möchte als die Chriſtlich-Sozialen. Wenn ſelbſt ſein<lb/> punzierter Freiſinn Herrn Abg. Dr. Löcker nicht be-<lb/> wahrt vor Neigungen für die Wahlpflicht — was<lb/> ſind dann die vom Standpunkte des „Freiſinns“<lb/> gegen die Wahlpflicht vorgebrachten Bedenken wert?</p><lb/> <p>Wer es ernſt meint mit dem allgemeinen Wahl-<lb/> rechte, muß die Wahl tatſächlich zu einer<lb/> allgemeinen Volksabſtimmung machen. Das iſt keine<lb/> Nebenſache in der jetzigen Reform, <hi rendition="#g">ſondern trifft<lb/> ihr Weſen.</hi> </p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Politiſche Rundſchau.</hi> </head><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreich-Ungarn.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#g">Wien,</hi> 4. Oktober.</dateline><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Befetzung von Statthalterpoſten.</hi> </head> <p>In<lb/> der nächſten Zeit ſollen die erledigten Statthalter-<lb/> poſten in <hi rendition="#g">Innsbruck</hi> und <hi rendition="#g">Brünn</hi> zur<lb/> Beſetzung gelangen. Unter den Kandidaten für den<lb/> Innsbrucker Statthalterpoſten wird nebſt dem<lb/><cb/> Statthalter von Linz, Frhrn. v. Handel, auch der<lb/> ehemalige Handelsminiſter Frhr. v. <hi rendition="#g">Call</hi> ge-<lb/> nannt. Es verlautet auch, daß auf dem <hi rendition="#g">Wiener</hi><lb/> Statthalterpoſten ein Wechſel bevorſtehe und als<lb/> Nachfolger des Grafen Kielmansegg der ehemalige<lb/> Miniſter des Innern, Graf <hi rendition="#g">Bylandt-Rheydt</hi><lb/> auserſehen ſei. Damit bekäme Niederöſterreich den<lb/> erſten Vertreter der Wahlreformvorlage an die<lb/> Spitze der Landesverwaltung.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Landtagskandidaturen in Mähren.</hi> </head><lb/> <p>Aus <hi rendition="#g">Iglau,</hi> 4. d., wird telegraphiert: Im<lb/><hi rendition="#g">Landgemeindenkreis Iglau—Frain—<lb/> Datſchitz—Jamnitz</hi> kandidieren die Chriſtlich-<lb/> Sozialen gegen den „Deutſchfreiheitlichen“ Köttner<lb/> aus Wolfra<supplied>ms</supplied> den Bauer Karl <hi rendition="#g">Steindl</hi> in<lb/> Zlabings. Für die <hi rendition="#g">allgemeine Kurie</hi><lb/> im 3. Wahlkreis, zu welchem die Gerichtsbezirke<lb/> Iglau, Datſchitz, Jamnitz, Trebitſch, Zwittau,<lb/> Mähriſch-Trübau, Müglitz, Boskowitz gehören und<lb/> wo der deutſchfreiſinnige Block den Krankenkaſſen-<lb/> kaſſier Müller in Iglau und die Sozialdemokraten<lb/> den jüdiſchen Redakteur Leo Freundlich aufgeſtellt<lb/> haben, kandidieren die Chriſtlich-Sozialen den<lb/> Fahrrad- und Kohlenhändler Anton <hi rendition="#g">Pieringer</hi><lb/> in Zlabings. Die Sozialdemokraten ſind gut<lb/> organiſiert und glauben von den 22.000 Stimmen<lb/> des Wahlkreiſes über wenigſtens 6000 Stimmen<lb/> verfügen zu können. — Um das Mandat der<lb/><hi rendition="#g">Städtekurie Iglau</hi> bewirbt ſich der bis-<lb/> herige liberale Abgeordnete Dr. Groß.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Das Geheimnis des Antrages Tol-<lb/> linger.</hi> </head> <p>Das <hi rendition="#g">„Grazer Volksblatt“</hi> übt<lb/> heute an dem Antrag des Abg. Dr. Tollinger<lb/> auf Einführung des Pluralwahlrechts ſcharfe<lb/> Kritik, weiſt insbeſondere auf die Zurückſetzung<lb/> der Geiſtlichen in dieſem Antrage hin und fährt<lb/> dann fort:</p><lb/> <p>„Die Tollingerſchen Vorſchläge haben <hi rendition="#g">nicht des-<lb/> halb</hi> im Wahlreformausſchuſſe ſo viele Freunde ge-<lb/> funden, weil ſie der Gerechtigkeit entſpringen, ſondern<lb/> deshalb, weil jetzt in der elften Stunde den Parla-<lb/> mentariern der <hi rendition="#g">Schrecken vor der Zukunft</hi> in<lb/> die Glieder gefahren iſt. Nicht prinzipielle Anſchauungen<lb/> ſind es, die für die Stellungnahme maßgebend ſind,<lb/> ſondern taktiſche Erwägungen. Und ſo iſt es gekommen,<lb/> daß <hi rendition="#g">Herodes und Pilatus Freunde ge-<lb/> worden ſind</hi> und den letzten Verſuch machen, um<lb/> das alte Privilegienparlament unter einer neuen<lb/> Form zu retten. Es hat faſt den Anſchein, daß die<lb/> Entſcheidungsſchlacht bei dieſer Frage geſchlagen<lb/> wird.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Miniſter Dr. Pazak für die Kongrua.</hi> </head><lb/> <p>Aus <hi rendition="#g">Prag</hi> wird uns heute berichtet: Wie der<lb/> „<hi rendition="#aq">Č</hi>ech“ meldet, hatte der Landesausſchußbeiſitzer<lb/> Mſgr. <hi rendition="#g">Burian</hi> geſtern mit dem tſchechiſchen<lb/> Landsmannminiſter Dr. Pazak in Angelegenheit<lb/> der Kongruavorlage eine Konferenz. Der Miniſter<lb/> ſicherte zu, ſich der Geiſtlichkeit annehmen zu<lb/> wollen und zu trachten, daß die Regelung der<lb/> Kongrua ſo bald als möglich im günſtigen Sinne<lb/> gelöſt werde.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Hilfe für Dalmatien.</hi> </head> <p>Wie dem<lb/> „Narodni Liſt“ aus Wien gemeldet wird, hat die<lb/> Regierung den dalmatiniſchen Abgeordnetn mit-<lb/> geteilt, daß ſie ſchon <hi rendition="#g">im nächſten Staats-<lb/> voranſchlage</hi> mehrere Millionen Kronen zur<lb/> Hebung der wirtſchaftlichen Lage Dalmatiens be-<lb/> anſpruchen werde, da die Regierung keineswegs<lb/> beabſichtige, Dalmatien nur in akademiſcher Weiſe<lb/> zu unterſtützen.</p> </div><lb/> <div xml:id="ausgleich1" next="#ausgleich2" type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die agrariſche Zentralſtelle und der<lb/> Ausgleich.</hi> </head> <p>In einer unter dem Vorſitze des<lb/> Hofrates R. v. <hi rendition="#g">Guttenberg</hi> geſtern in Wien<lb/> abgehaltenen Sitzung der „Oeſterreichiſchen Zentral-<lb/> ſtelle zur Wahrung der landwirtſchaftlichen In-<lb/> tereſſen“, der auch mehrere Abgeordnete und Ge-<lb/> noſſenſchaftsvertreter beiwohnten, führte R. von</p> </div> </div> </div><lb/> <note> <ref> <hi rendition="#c"> <figure/> <hi rendition="#b">Die heutige Nummer iſt 12 Seiten ſtark.</hi> <figure/> </hi> </ref> </note><lb/> </body> </text> </TEI> [[1]/0001]
Preis 8 h
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Expedition und Druckerei:
VIII., Strozzigaſſe 41.
Stadtexpedition I., Wollzeile 11
Zeitungsbureau H. Goldſchmiedt.
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frankierte Briefe werden nicht ange-
nommen; Manuſkripte werden nicht
zurückgeſtellt. Unverſchloſſene Rekla-
mationen ſind portofrei.
Inſerate
werden im Ankündigungs-
Bureau VIII., Strozzigaſſe 41,
ſowie in allen Annonzenbureaux
des In- und Auslandes angenommen.
Abonnements werden ange-
nommen außer in den Expeditionen
bei J. Heindl, I., Stephansplatz 7.
Erſcheint täglich 6 Uhr nach-
mittags, mit Ausnahme der Sonn-
und Feiertage.
Reichspoſt.
Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Öſterreich-Ungarns.
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Für Wien mit Zuſtellung ins Haus
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Telephon 18082.
XIII. Jahrgang. Wien, Freitag, 5. Oktober 1906. Nr. 227.
Erinnerung, nicht Zwang.
Wien, am 4. Oktober.
Abg. Dr. Geßmann hat geſtern im Subkomitee
für die Frage der Wahlpflicht, einen Antrag geſtellt,
der die beſte Widerlegung aller der Fabeleien
darſtellt, die die Wahlpflicht als einen Angriff
auf die bürgerliche Freiheit, als die Ausübung eines
unerlaubten Zwanges bezeichnen und daraus
Wertloſigkeit einer erzwungenen Stimmenabgabe
folgern möchten. Eine geſetzliche Beſtimmung, die
als Entſchuldigungsgründe für die Nichtabgabe der
Stimme Alter, Gebrechlichkeit, Krankheit, längere
Abweſenheit, berufsmäßige Verhinderung, Kommu-
nikationshinderniſſe und Erſchwerungen anführt,
ohne mit dieſer Aufzählung alle Diſpensbedingungen
erſchöpfen zu wollen, und als Strafe für Wahl-
ſäumige Beträge bis zu höchſtens 10 Kronen feſtſetzt,
kann doch unmöglich als Zwang angeſehen werden.
Es gibt unzählige, bedeutend ſtrengere Geldſtraf-
beſtimmungen, viele davon nur auf dem Verord-
nungswege erlaſſen und nur durch einfache Polizeiakte
angewendet, die, obwohl ſie gleichgültigere Angelegen-
heiten als die Zuſammenſetzung der Volksvertretung,
der geſetzgebenden Körperſchaft betreffen, trotzdem
niemand als Zwang fühlt.
Eine Strafſanktion aber, die alle möglichen
Entſchuldigungsgründe gelten läßt und dabei ſelbſt
dem Wohlhabendſten gegenüber mit einer ganz ge-
ringen Ahndung vorgeht, iſt in der Tat nichts an-
deres als eine mit der Feierlichkeit der Geſetzgebung
ausgeſprochene Mahnung an die Bürgerpflichten.
Dieſe ſtete, im Geſetze feſtgelegte Erinnerung an
den Bürger, daß er ein Verſäumnis begeht, wenn
er ſich um die Wahl nicht kümmert, ſtellt gewiß ein
Erziehungsmittel dar, das notwendig iſt, wenn das
allgemeine Wahlrecht nicht auf dem Papiere bleiben
und auch in der Zukunft praktiſch nicht nur den Beſitz
eines Teiles aus dem Volke darſtellen ſoll. Etwas
anderes haben die Chriſtlich-Sozialen, wie wieder-
holt an dieſer Stelle dargelegt worden iſt, nie ge-
wollt.
Die Gegner der Wahlpflicht bleiben freilich taub
für alle Gründe der Vernunft, auch die Sozial-
demokratie, deren Preſſe bisher hierin gegenüber allen
ſachlichen Darlegungen ebenſo verſtockt iſt,
wie die armen Sünder, die ſie wegen
ihrer Anhänglichkeit für daſ Pluralwahlrecht
täglich durch die Gaſſen treibt. Jetzt iſt die ſozial-
demokratiſche Preſſe gar ſchon auf das Grazer Organ
der deutſchen Volkspartei gekommen. Den bürger-
lichen Parteien werden die Aeußerungen dieſes Blattes,
das unzählig oft gerade von der ſozialdemokratiſchen
Preſſe als das Prototyp politiſcher Beſchränktheit
angenagelt wurde, als heiliges Evangelium ins Ge-
wiſſen gerufen. Einen ſchlechteren Dienſt hätte die
ſozialdemokratiſche Preſſe ihrer Sache ſchon nicht
mehr leiſten können, als daß ſie jetzt die
Blinden als Augenzeugen zu Hilfe holt. Es iſt
aber doch gar zu hübſch, was das Grazer Organ
der deutſchen Volkspartei als Urſache ſeiner
Abneigung gegen die Wahlpflicht angibt: „Wenn
nun auch gar nicht zu beſtreiten iſt, daß den Sozial-
demokraten durch die Wahlpflicht eine gewaltige
Phalanx gegenübergeſtellt würde, ſo müſſen wir
doch daran denken, daß die Klerikalen erſt mit der
Wahlpflicht ihren letzten Mann heraus-
brächten. Denn außer ihren wohldisziplinierten
Heerſcharen fielen zu ihnen die Hauptmaſſen jener
Indolenz, die ſie ja ſtets zu hegen verſtanden;
alle jene, für die die Worte Freiheit, Fortſchritt und
Bildung einen höchſt unangenehmen Klang
haben, weil darin etwas von geiſtiger Bewegung iſt,
die die Sumper haſſen. Vermehrt würden ſie durch
die Zahl aller Allzuvorſichtigen; alle, die der Wahl-
urne auch heute noch aus einem gewiſſen vormärz-
lichen Gefühle aus dem Wege gehen, würden nur
mit einem ängſtlichen Blick nach oben den Stimm-
zettel ſchreiben. Jede kräftige, deutſchbewußte Volks-
bewegung würde arg niedergedrückt werden durch die
Stimmenmaſſen der wahlpflichtigen Indolenz.“
Der langen Rede kurzer Sinn iſt: „Je mehr
zur Wahl gehen, deſto weniger leicht werde ich ge-
wählt. Und weil ich am Ende nicht mehr gewählt
werde, deswegen bin ich gegen die Wahlpflicht.“
Eine Politik, die alle für Trottel und Heloten der
Dummheit erklärt, die nicht für ſie ſtimmen, iſt
zwar nicht ſehr volkstümlich, aber ſie iſt vielleicht
rieſig fortſchrittlich, freiheitlich und geiſtig bewegt
Es fehlt uns Armen, die wir immer der Meinung
waren, die Demokratie des modernen Verfaſſungs-
lebens ruhe auf dem ganzen Volke und nicht auf
einigen Ortsölgötzen und ihrem Anhange, für der-
artige Begriffe fortſchrittlicher Politik ohne Zweifel
jegliches Verſtändnis. Wir finden es nur
ſehr billig, jeden einen dummen Kerl zu
heißen, der am Ende nicht in das Horn einer Partei
bläſt, die einſt einem Genie wie Malik zu einem
Mandat verhalf.
Daß die ſozialdemokratiſche Preſſe ſich nicht
ſchämt, dem Freiſinn eine ſo geiſtreiche Logik, wie
die jenes Volkspartei-Organes als die ſchlagkräftigſte
Vertretung „rein bürgerlicher Intereſſen“ anzupreiſen,
iſt ebenſo denkwürdig, wie die Blindheit jener deutſch-
nationalen Politiker, deren Partei in ihren ureigenſten
Domänen, wie in Graz, nach den Behauptungen
ihrer eigenen Parteipreſſe nur infolge der Wahl
ſäumigkeit ihres Anhanges der Sozialdemo-
kratie weichen mußte. Es gehört zu den
ſpaßhaften Rätſeln, welche die deutſche
Volkspartei ſo gerne ihren Geſinnungs-
genoſſen aufgibt, daß ein alpenländiſcher Abge-
ordneter der Deutſchen Partei, Herr Dr. Löcker,
die von dem Hauptorgan der Deutſchen Volkspartei
für die Alpenländer ſo wuchtig bekämpfte Wahlpflicht
mit noch viel ſchärferen Strafbeſtimmungen ſchützen
möchte als die Chriſtlich-Sozialen. Wenn ſelbſt ſein
punzierter Freiſinn Herrn Abg. Dr. Löcker nicht be-
wahrt vor Neigungen für die Wahlpflicht — was
ſind dann die vom Standpunkte des „Freiſinns“
gegen die Wahlpflicht vorgebrachten Bedenken wert?
Wer es ernſt meint mit dem allgemeinen Wahl-
rechte, muß die Wahl tatſächlich zu einer
allgemeinen Volksabſtimmung machen. Das iſt keine
Nebenſache in der jetzigen Reform, ſondern trifft
ihr Weſen.
Politiſche Rundſchau.
Oeſterreich-Ungarn.
Wien, 4. Oktober.
Befetzung von Statthalterpoſten. In
der nächſten Zeit ſollen die erledigten Statthalter-
poſten in Innsbruck und Brünn zur
Beſetzung gelangen. Unter den Kandidaten für den
Innsbrucker Statthalterpoſten wird nebſt dem
Statthalter von Linz, Frhrn. v. Handel, auch der
ehemalige Handelsminiſter Frhr. v. Call ge-
nannt. Es verlautet auch, daß auf dem Wiener
Statthalterpoſten ein Wechſel bevorſtehe und als
Nachfolger des Grafen Kielmansegg der ehemalige
Miniſter des Innern, Graf Bylandt-Rheydt
auserſehen ſei. Damit bekäme Niederöſterreich den
erſten Vertreter der Wahlreformvorlage an die
Spitze der Landesverwaltung.
Landtagskandidaturen in Mähren.
Aus Iglau, 4. d., wird telegraphiert: Im
Landgemeindenkreis Iglau—Frain—
Datſchitz—Jamnitz kandidieren die Chriſtlich-
Sozialen gegen den „Deutſchfreiheitlichen“ Köttner
aus Wolframs den Bauer Karl Steindl in
Zlabings. Für die allgemeine Kurie
im 3. Wahlkreis, zu welchem die Gerichtsbezirke
Iglau, Datſchitz, Jamnitz, Trebitſch, Zwittau,
Mähriſch-Trübau, Müglitz, Boskowitz gehören und
wo der deutſchfreiſinnige Block den Krankenkaſſen-
kaſſier Müller in Iglau und die Sozialdemokraten
den jüdiſchen Redakteur Leo Freundlich aufgeſtellt
haben, kandidieren die Chriſtlich-Sozialen den
Fahrrad- und Kohlenhändler Anton Pieringer
in Zlabings. Die Sozialdemokraten ſind gut
organiſiert und glauben von den 22.000 Stimmen
des Wahlkreiſes über wenigſtens 6000 Stimmen
verfügen zu können. — Um das Mandat der
Städtekurie Iglau bewirbt ſich der bis-
herige liberale Abgeordnete Dr. Groß.
Das Geheimnis des Antrages Tol-
linger. Das „Grazer Volksblatt“ übt
heute an dem Antrag des Abg. Dr. Tollinger
auf Einführung des Pluralwahlrechts ſcharfe
Kritik, weiſt insbeſondere auf die Zurückſetzung
der Geiſtlichen in dieſem Antrage hin und fährt
dann fort:
„Die Tollingerſchen Vorſchläge haben nicht des-
halb im Wahlreformausſchuſſe ſo viele Freunde ge-
funden, weil ſie der Gerechtigkeit entſpringen, ſondern
deshalb, weil jetzt in der elften Stunde den Parla-
mentariern der Schrecken vor der Zukunft in
die Glieder gefahren iſt. Nicht prinzipielle Anſchauungen
ſind es, die für die Stellungnahme maßgebend ſind,
ſondern taktiſche Erwägungen. Und ſo iſt es gekommen,
daß Herodes und Pilatus Freunde ge-
worden ſind und den letzten Verſuch machen, um
das alte Privilegienparlament unter einer neuen
Form zu retten. Es hat faſt den Anſchein, daß die
Entſcheidungsſchlacht bei dieſer Frage geſchlagen
wird.“
Miniſter Dr. Pazak für die Kongrua.
Aus Prag wird uns heute berichtet: Wie der
„Čech“ meldet, hatte der Landesausſchußbeiſitzer
Mſgr. Burian geſtern mit dem tſchechiſchen
Landsmannminiſter Dr. Pazak in Angelegenheit
der Kongruavorlage eine Konferenz. Der Miniſter
ſicherte zu, ſich der Geiſtlichkeit annehmen zu
wollen und zu trachten, daß die Regelung der
Kongrua ſo bald als möglich im günſtigen Sinne
gelöſt werde.
Die Hilfe für Dalmatien. Wie dem
„Narodni Liſt“ aus Wien gemeldet wird, hat die
Regierung den dalmatiniſchen Abgeordnetn mit-
geteilt, daß ſie ſchon im nächſten Staats-
voranſchlage mehrere Millionen Kronen zur
Hebung der wirtſchaftlichen Lage Dalmatiens be-
anſpruchen werde, da die Regierung keineswegs
beabſichtige, Dalmatien nur in akademiſcher Weiſe
zu unterſtützen.
Die agrariſche Zentralſtelle und der
Ausgleich. In einer unter dem Vorſitze des
Hofrates R. v. Guttenberg geſtern in Wien
abgehaltenen Sitzung der „Oeſterreichiſchen Zentral-
ſtelle zur Wahrung der landwirtſchaftlichen In-
tereſſen“, der auch mehrere Abgeordnete und Ge-
noſſenſchaftsvertreter beiwohnten, führte R. von
[Abbildung]
Die heutige Nummer iſt 12 Seiten ſtark.
[Abbildung]
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