Reichspost. Nr. 143, Wien, 26.06.1900.143 Wien, Dienstag Reichspost 26. Juni 1900 [Spaltenumbruch] Streiflichter. "Rein-narr vom Weine". Carl Habermann vom "Scherer" hat seine Eine vorzügliche Reclame macht die "Scherer-Correspondenz" -- und darum "Touristen und Radfahrer, welche nach Tirol Wir wüßten nicht, wie der "Scherer" diesem Das Bürgermädchen vom Theater. Niemand hat der am Samstag zur Gruft ge- "Das Theater ist bürgerlich geworden, es ver- Wir protestieren, daß ein unglückliches Bürger- Eine Gefahr für's Vaterland hat das sächsische Ministerium soeben "Euerer Erlaucht dem gegenwärtigen Be- Also: die dringendste Gefahr für Sachsen ist Besuche des Kaisers in der Telephon- centrale und im Mariahilfer Ambu- latorium. Samstag Mittags besichtigte Se. Majestät in Nach einstündigem Aufenthalte verließ Se. Majestät Große Versammlung des Vereines der Lehrer und Schulfreunde. Im Saale zur "Stadt Brünn" fand Sonntag Bürgerschullehrer Prohaska begrüßte die Reichsraths-Abgeordneter Prof. Schlesinger Bürgerschullehrer Andreas Mayer erörterte Schriftleiter Puchstein ergriff sodann das Es sprach sodann der Bürgerschullehrer Andreas Bürgerschullehrer Prohaska bat sodann um Arbeiterbewegung. Im Kohlenbergwerke von Carpano wurde Zur Lohnbewegung in Berlin. Die Stein- 143 Wien, Dienſtag Reichspoſt 26. Juni 1900 [Spaltenumbruch] Streiflichter. „Rein-narr vom Weine“. Carl Habermann vom „Scherer“ hat ſeine Eine vorzügliche Reclame macht die „Scherer-Correſpondenz“ — und darum „Touriſten und Radfahrer, welche nach Tirol Wir wüßten nicht, wie der „Scherer“ dieſem Das Bürgermädchen vom Theater. Niemand hat der am Samſtag zur Gruft ge- „Das Theater iſt bürgerlich geworden, es ver- Wir proteſtieren, daß ein unglückliches Bürger- Eine Gefahr für’s Vaterland hat das ſächſiſche Miniſterium ſoeben „Euerer Erlaucht dem gegenwärtigen Be- Alſo: die dringendſte Gefahr für Sachſen iſt Beſuche des Kaiſers in der Telephon- centrale und im Mariahilfer Ambu- latorium. Samſtag Mittags beſichtigte Se. Majeſtät in Nach einſtündigem Aufenthalte verließ Se. Majeſtät Große Verſammlung des Vereines der Lehrer und Schulfreunde. Im Saale zur „Stadt Brünn“ fand Sonntag Bürgerſchullehrer Prohaska begrüßte die Reichsraths-Abgeordneter Prof. Schleſinger Bürgerſchullehrer Andreas Mayer erörterte Schriftleiter Puchſtein ergriff ſodann das Es ſprach ſodann der Bürgerſchullehrer Andreas Bürgerſchullehrer Prohaska bat ſodann um Arbeiterbewegung. Im Kohlenbergwerke von Carpano wurde Zur Lohnbewegung in Berlin. Die Stein- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0009" n="9"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">143 Wien, Dienſtag Reichspoſt 26. Juni 1900</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Streiflichter.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">„Rein-narr vom Weine“.</hi> </head><lb/> <p>Carl Habermann vom „Scherer“ hat ſeine<lb/> Sache in der „Scherer-Correſpondenz“ bisher ſo<lb/> ſchlecht gemacht, daß man ihm ſchleunigſt einen<lb/> Helfer engagiren mußte, der nun dem Habermann<lb/> die Artikel für die „Correſpondenz“ liefert. Der<lb/> neue Mann nennt ſich „Reinmar vom Rheine“;<lb/> das wird aber nur ein Druckfehler ſein für<lb/><hi rendition="#g">„Rein-narr vom Weine“.</hi> Gleich ſein<lb/> erſter Artikel über „Römiſchen Reliquien-Schwindel“<lb/> wurde confiscirt, ebenſo ein anderer: „Die Frauen<lb/> und die Kirche“. Dafür iſt einer ſtehen geblieben,<lb/> der von den Hugenottenkriegen handelt, von der<lb/> Bartholomäusnacht und anderen alten lieben Be-<lb/> kannten aus dem Culturkampf-Converſationslexikon<lb/> älteſter unverbeſſerter Auflage. Und zum Schluſſe<lb/> wird dann ein Wort Biſchofs Hefele von Rotten-<lb/> burg citirt <hi rendition="#g">ohne Citat,</hi> ohne Gewähr für die<lb/> Echtheit desſelben, aus jedem Zuſammenhang ge-<lb/> riſſen, aber jedenfalls, wenn auch noch ſo entſtellt,<lb/> aus ſeiner vor-biſchöflichen Zeit: „Es fehlt wahr-<lb/> lich nicht am Willen der Hierarchie, wenn nicht<lb/> im 19. Jahrhundert wieder Scheiterhaufen aufge-<lb/> richtet werden.“ Und daran fügt er den claſſiſchen<lb/> Satz: „Von welchen Friedensgedanken die Hierarchie<lb/> gegen Andersgläubige beſeelt iſt, das ſagt uns<lb/> u. A. die Caniſius-Encyclika und das Verhalten<lb/> gegen die Altkatholiken!“ Wahrſcheinlich, weil darin<lb/> empfohlen ward, die Proteſtanten und Altkatholiken<lb/> alle mit Butz und Stingel, mit Haut und Haar<lb/> zu <supplied>v</supplied>erbrennen! — Der „reine Narr“ ſpricht auch<lb/> aus den folgenden Artikeln, die von der Tugend-<lb/> roſe, den Sonetten des Papſtes, den päpſtlichen<lb/> Orden, Lourdeswaſſer, Roſenkranz, Blut des<lb/> heiligen Januarius, heiligen Rock in Trier<lb/> und ſo weiter handeln. Wir glauben ſelbſt für die<lb/> Eſel, für welche der „Scherer“ ſchreibt, iſt <hi rendition="#g">das</hi><lb/> alte Stroh zu dürr, und ſie laſſen es liegen. Da-<lb/> gegen werden ſie mit Entſetzen leſen, „daß<lb/> Gregor <hi rendition="#aq">VII.</hi> in einem feierlichen Concil erklärt<lb/> habe: „Die Kirche iſt berechtigt, jegliche weltliche<lb/> Herrſchaft zu verleihen und zu nehmen.“ Das<lb/> wird alles ſo ohne Citat, ohne Beweis, ohne<lb/> Herſtellung von Sinn und Zuſammenhang, an-<lb/> geführt, daß man nur annehmen kann, die Herren<lb/> vom „Scherer“ ſpeculiren eben nur auf — Eſel,<lb/> die ſich von „reinen Thoren“ mit den aller-<lb/> abgeſtandenſten Geſchichtslügen einen blauen Dunſt<lb/> vormachen laſſen. Eine <hi rendition="#g">ernſtere</hi> Antwort<lb/> geben wir erſt dann, wenn ſolche geſchichtliche<lb/> Fragen <hi rendition="#g">ernſt</hi> behandelt werden. 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Wer von chriſtlichen Touriſten nach<lb/> Matrei am Brenner kommt, verſäume nicht, bei<lb/> Franz Stadler einzukehren und unter einem kräftigen<lb/> „Heil!“ mit ſeinem feurigen Wein auf ſein Wohl<lb/> anzuſtoßen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das Bürgermädchen vom Theater.</hi> </head><lb/> <p>Niemand hat der am Samſtag zur Gruft ge-<lb/> leiteten unglücklichen Schauſpielerin Frl. Krall,<lb/> die, von einem jüdiſchen Arzte entehrt und dann<lb/> im Stich gelaſſen, in den Tod gieng, ſein Mitleid<lb/> verſagt. Aber mit allem Nachdruck müſſen wir<lb/> proteſtieren, daß der Jude Julian von Sternberg<lb/> in der „N. Fr. Pr.“ nunmehr dieſe That zum<lb/> Beweiſe ſtempeln will, daß der Selbſtmord nun<lb/> nicht mehr blos ein ſpecifiſch-theatraliſcher, ſondern<lb/> ein echt <hi rendition="#g">bürgerlicher, ſpießbürgerlicher</hi><lb/> Tod ſei, wenn man ein Unglück nicht mehr tragen<lb/> kann; wir müſſen proteſtieren, wenn er ob dieſes<lb/> Selbſtmordverſuches Fräulein Krall als das<lb/> „<hi rendition="#g">Bürgermädchen</hi> vom Theater“ preiſt und<lb/> alſo ſchließt:</p><lb/> <p>„Das Theater iſt bürgerlich geworden, es ver-<lb/> zichtet dankend auf die Ausnahmsſtellung, die ihm ein-<lb/> geräumt wird. Auch das verführte Bürgermädchen vom<lb/> Theater will geheirathet werden, und wird es belogen<lb/><cb/> und betrogen, ſo handelt es nicht anders, als es ge-<lb/> handelt hätte, wenn es eben <hi rendition="#g">nicht</hi> zum Theater ge-<lb/> gangen wäre.“</p><lb/> <p>Wir proteſtieren, daß ein unglückliches Bürger-<lb/> mädchen auch wenn es nicht zum Theater gehört, im<lb/> Unglück zum Selbſtmord eilt! Das iſt <hi rendition="#g">nicht<lb/> bürgerliche Moral,</hi> das iſt Judenmoral;<lb/> wir proteſtiren aber auch im Namen der an-<lb/> ſtändigen Theaterwelt, daß das Theater <hi rendition="#g">moral</hi><lb/> ſein ſoll. Es iſt bürgerliche Moral, daß ein<lb/> bürgerliches Mädel nicht mit jedem erſten beſten<lb/> frechen Juden eine Liebſchaft anfängt und wenn<lb/> es ſchließlich doch durch ihn ſich „belügen und be-<lb/> trügen läßt,“ reuig und geduldig trägt, was es<lb/> ſelbſt mitverſchuldet hat. Wir glauben, es wäre<lb/> für den Juden Julius Sternberg ein viel<lb/> pikanteres Thema für eine Plauderei in der<lb/> „N. Fr. Preſſe“ geweſen, wenn er eine nähere<lb/> Charakteriſtik jenes Dr. Stößel gegeben, der die<lb/> Unglückliche um Unſchuld, Ehre und ihr junges,<lb/> blühendes Leben gebracht. Es gibt ſolcher „Lebe-<lb/> jünglinge“ noch mehr in den dem Dr. Julius<lb/> Sternberg zugänglichen Kreiſen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Eine Gefahr für’s Vaterland</hi> </head><lb/> <p>hat das <hi rendition="#g">ſächſiſche Miniſterium</hi> ſoeben<lb/> beſchworen. Es konnte für Sachſen wirklich nichts<lb/> Gefährlicheres geben, als daß auf Schloß Wechſel-<lb/> burg Graf Schönburg-Forderglauchau eine Haus-<lb/> capelle beſitzt, zu welcher auch Katholiken aus der<lb/> Umgegend kommen, um dem Gottesdienſt beizu-<lb/> wohnen. Die Leipziger Kreishauptmannſchaft hat<lb/> dieſem ſtaatsgefährlichen Treiben nun ein Ende<lb/> gemacht mit Zuſendung einer miniſteriellen Ver-<lb/> ordnung, in der es u. a. heißt:</p><lb/> <p>„Euerer Erlaucht dem gegenwärtigen Be-<lb/> ſitzer des Schloſſes Wechſelburg und dem deshalb zur<lb/> Ausübung der <hi rendition="#aq">Devotio domestica</hi> (häuslichen Andacht)<lb/> daſelbſt Berechtigten wird hiemit aufgegeben: 1. Dafür<lb/> beſorgt zu ſein, daß in Zukunſt und zwar ſpäteſtens vom<lb/> 12. Juni d. M. ab, andere als die zur Familie oder<lb/> zum Hausſtande Ew. Erlaucht gehörigen Perſonen,<lb/> gleichviel welchen Alters oder Geſchlechtes von der<lb/> Theilnahme an den in der Schloßkirche oder in andern<lb/> Räumen des Schloſſes ſtattfindenden Gottesdienſten<lb/> und vom Zutritt zu dieſen Gottesdienſten, ſowie von<lb/> der <hi rendition="#g">Theilnahme</hi> an den dieſen Gottesdienſten<lb/> etwa vorausgehenden oder nachfolgenden Auf- und Um-<lb/> zügen ausgeſchloſſen werden, zur Vermeidung einer<lb/> wider Ew. Erlaucht zu verhängenden Ordnungsſtrafe<lb/> von 100 Mark wegen einer jeden dem vorſtehenden Ver-<lb/> bote zuwider zugelaſſenen Perſon. 2. Zur Vermeidung<lb/> einer Ordnungsſtrafe von 1000 Mark für jeden Fall der<lb/> Zuwiderhandlung dafür beſorgt zu ſein, daß die in Aus-<lb/> übung der Ew. Erlaucht zuſtehenden <hi rendition="#aq">devotio domestica</hi> vor-<lb/> zunehmenden gottesdienſtlichen Handlungen einſchließlich<lb/> etwaiger Aufzüge zu, bei oder von dieſen Handlungen<lb/> nicht an Orten abgehalten werden oder Orte berühren,<lb/> von wo aus ſie einem <hi rendition="#g">größeren</hi> oder <hi rendition="#g">gerin-<lb/> geren Kreiſe nicht zur Theilnahme<lb/> berechtigter Perſonen ſichtbar ſein<lb/> können.</hi> Die Amtshauptmannſchaft Rochlitz iſt an-<lb/> gewieſen, die genaue Befolgung der vorſtehenden An-<lb/> ordnungen ſtreng zu überwachen, bei Zuwiderhand-<lb/> lungen die angedrohten Ordnungsſtrafen für verwirkt<lb/> zu erklären und einzuziehen und weiter alsbald eine<lb/> öffentliche Bekanntmachung zu erlaſſen, dahingehend,<lb/> daß in der Schloßkirche zu Wechſelburg <hi rendition="#g">öffent-<lb/> liche katholiſche Gottesdienſte nicht<lb/> mehr abgehalten werden.</hi> Die Sicher-<lb/> ſtellung der <hi rendition="#g">wichtigen öffentlichen<lb/> Intereſſen,</hi> zu deren Schutze die vorſtehenden<lb/> Anordnungen getroffen worden ſind, läßt es <hi rendition="#g">ge-<lb/> boten</hi> erſcheinen, etwaigen Rechtsmitteln gegen dieſe<lb/> Anordnungen die aufſchiebende Wirkung, wie hiemit<lb/> geſchieht, zu verſagen.“</p><lb/> <p>Alſo: die dringendſte Gefahr für Sachſen iſt<lb/> ſchon vorhanden, wenn einige Katholiken der Um-<lb/> gebung die gottesdienſtlichen Handlungen im<lb/> Schloſſe Wechſelburg auch nur <hi rendition="#g">aus</hi> der Ferne<lb/><hi rendition="#g">ſehen.</hi> Man ſieht: zu welchen Tollheiten die<lb/><hi rendition="#g">kulturkämpferiſche Geſetzgebung</hi><lb/> Sachſens führt. Selbſt die vernünftigen Prote-<lb/> ſtanten lachen darüber.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Beſuche des Kaiſers in der Telephon-<lb/> centrale und im Mariahilfer Ambu-<lb/> latorium.</hi> </head><lb/> <p>Samſtag Mittags beſichtigte Se. <hi rendition="#g">Majeſtät</hi> in<lb/> Begleitung des Generaladjutanten FZM. Edler von<lb/><hi rendition="#g">Bolfras</hi> und des Flügeladjutanten Major <hi rendition="#g">Pitlik</hi><lb/> die neue <hi rendition="#g">Telephoncentrale</hi> in der Berg-<lb/> gaſſe. Der Monarch wurde im Veſtibule vom Eiſen-<lb/> bahnminiſter Dr. Ritter von <hi rendition="#g">Wittek,</hi> Sectionschef<lb/> des Handelsminiſterium <hi rendition="#g">Neubauer,</hi> dem Vorſtande<lb/> der Telephoncentrale Regierungsrath <hi rendition="#g">Pilz</hi> und den<lb/> dienſtfreien Beamten empfangen, wobei der Eiſenbahn-<lb/> miniſter eine Anſprache an Se. Majeſtät richtete und<lb/> die an der Errichtung der Telephonanlagen hervor-<lb/> ragend betheiligten Privattechniker vorſtellte. Sodann<lb/> begann der Rundgung, wobei Sectionschef Neubauer<lb/><cb/> den Cicernne ſpielte. Zuerſt wurde der Kaiſer in den<lb/> großen Umſchal<supplied>t</supplied>ſaal der Localcentrale im 3. Stock-<lb/> werke geführt, wo er den Telephonfräulein längere<lb/> Zeit bei der Arbeit zuſah und auch einige Fragen<lb/> an ſie richtete. An einem leerſtehenden Umſchalter<lb/> demonſtrirte Sectionschef <hi rendition="#g">Neubauer</hi> die ganze<lb/> Manipulation. Der Kaiſer blieb nahezu eine halbe<lb/> Stunde in dieſem Saale und wurde hierauf in den<lb/> großen Saal für den interurbanen Verkehr, der im<lb/> erſten Stocke gelegen iſt, geführt. Auch hier erregte<lb/> die raſche und ſichere Manipulation die beſondere Zu-<lb/> friedenheit des Kaiſers.</p><lb/> <p>Nach einſtündigem Aufenthalte verließ Se. Majeſtät<lb/> die Telephoncentrale, nachdem er ſich in huldvollſter<lb/> Weiſe von dem Eiſenbahnminiſter und den übrigen<lb/> Beamten verabſchiedet hatte, und fuhr nach Maria-<lb/> hilf, um das neue Haus des <hi rendition="#g">Franz Joſephs-<lb/> Ambulatoriums,</hi> 6. Bez., Sandwirthgaſſe 3,<lb/> zu beſuchen, das anläßlich des 50jährigen Regierungs-<lb/> jubiläums errichtet wurde, um den unbemittelten<lb/> Ständen, namentlich den arbeitenden Claſſen ärztliche<lb/> Hilfe zu bieten.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Große Verſammlung des Vereines der<lb/> Lehrer und Schulfreunde.</hi> </head><lb/> <p>Im Saale zur „Stadt Brünn“ fand Sonntag<lb/> unter zahlreicher Theilnahme der Lehrer und Bürger<lb/> des 8. Bezirkes die Conſtituirung der Ortsgruppe<lb/> „Joſefſtadt“ des „Vereines der Lehrer und Schul-<lb/> freunde“ ſtatt. Anweſend waren u. A. die Reichsraths-<lb/> Abgeordneten Prof. <hi rendition="#g">Schleſinger</hi> und Doctor<lb/><hi rendition="#g">Weiskirchner,</hi> Stadtrath <hi rendition="#g">Fiedler,</hi> die Ge-<lb/> meinderäthe <hi rendition="#g">Hawranek, Schwer</hi> und <hi rendition="#g">Rain,</hi><lb/> Bezirksvorſteher-Stellvertreter <hi rendition="#g">Schneeweiß,</hi><lb/> mehrere Bezirksräthe.</p><lb/> <p>Bürgerſchullehrer <hi rendition="#g">Prohaska</hi> begrüßte die<lb/> Erſchienenen, worauf Bürgerſchullehrer Ernſt <hi rendition="#g">Wohl-<lb/> bach</hi> das Wort ergriff zu dem Vortrage <hi rendition="#g">„die<lb/> letzten Gemeinderathswahlen in Be-<lb/> zug auf die Schule.“</hi> </p><lb/> <p>Reichsraths-Abgeordneter Prof. <hi rendition="#g">Schleſinger</hi><lb/> verſprach, alle ſeine Kräfte aufzubieten, um der Lehrer-<lb/> ſchaft auch bei Bekämpfung der materiellen Lage be-<lb/> hilflich zu ſein, damit ſie ihrer erhabenen Aufgabe<lb/> gerecht werden kann.</p><lb/> <p>Bürgerſchullehrer Andreas <hi rendition="#g">Mayer</hi> erörterte<lb/> ſodann die neuen Satzungen, worauf die Wahl der<lb/> Ortsgruppen vorgenommen wurde, und zwar wurden<lb/> gewählt: zum Obmann Bürgerſchullehrer <hi rendition="#g">Wohl-</hi><lb/> bach, zum Obmann-Stellvertreter Bezirksvorſteher<lb/><hi rendition="#g">Antenſteiner,</hi> zu Schriftführern die Lehrer<lb/><hi rendition="#g">Adami</hi> und <hi rendition="#g">Seikora,</hi> zum Caſſier Lehrer<lb/><hi rendition="#g">Haidinger,</hi> zu Beiräthen Gemeinderath <hi rendition="#g">Hier-<lb/> hammer,</hi> Bezirksrath <hi rendition="#g">Bergauer</hi> und Orts-<lb/> ſchulrath <hi rendition="#g">Fuhrmann.</hi> </p><lb/> <p>Schriftleiter <hi rendition="#g">Puchſtein</hi> ergriff ſodann das<lb/> Wort zu dem Vortage: <hi rendition="#g">„Die Schule und die<lb/> ſociale Frage.“</hi> </p><lb/> <p>Es ſprach ſodann der Bürgerſchullehrer Andreas<lb/><hi rendition="#g">Mayer,</hi> worauf Reichsraths-Abgeordneter Doctor<lb/><hi rendition="#g">Weiskirchner</hi> die Gründung der Ortsgruppe<lb/> auf’s Wärmſte begrüßte und derſelben ein recht gedeih-<lb/> liches Fortkommen wünſcht.</p><lb/> <p>Bürgerſchullehrer <hi rendition="#g">Prohaska</hi> bat ſodann um<lb/> Unterſtützung des deutſch-chriſtlichen Stenographen-<lb/> Bundes. Nachdem noch Stadtrath <hi rendition="#g">Fiedler</hi> einige<lb/> aufmunternde Worte geſprochen hatte, wurde die Ver-<lb/> ſammlung geſchloſſen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Arbeiterbewegung.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Im Kohlenbergwerke von Carpano</hi> </head> <p>wurde<lb/> den ſtrikenden Arbeite<supplied>r</supplied>n eine Lohnaufbeſſerung zuge-<lb/> ſtanden. 250 Arbeiter nahmen daher am Samſtag die<lb/> Arbeit wieder auf, ſo daß der Strike als beendet an-<lb/> zuſehen iſt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Zur Lohnbewegung in Berlin.</hi> </head> <p>Die Stein-<lb/> bildhauer Berlins beſchloſſen in einer Generalverſamm-<lb/> lung, in eine allgemeine Lohnbewegung einzutreten.<lb/> Auf Vorſchlag der Platzdelegirten ſind folgende For-<lb/> derungen, die bereits auf Grund des „Budenrechtes“<lb/> in Werkplatzverſammlungen durchberathen waren, auf-<lb/> geſtellt. 1. Beendigung der 7½ſtündigen täglichen Ar-<lb/> beitsdauer um 5 Uhr nachmittags. 2. Erhöhung des<lb/> Minimallohnes von 6 auf 7 Mark; höhere Löhne<lb/> werden gleichfalls dementſprechend geſteigert. 3. Im<lb/> Winter wird die ½ſtündige Frühſtückspauſe und ein-<lb/> ſtündige Mittagspauſe beibehalten, ohne daß Lohnab-<lb/> züge gemacht werden. Als ſelbſtverſtändlich wurde die<lb/> allgemeine Anerkennung des „Budenrechtes“ (Arbeit-<lb/> nehmer-Beſprechungen auf dem Werkplatz während der<lb/> Arbeitspauſen) angeſehen. Die Verſammlung war der<lb/> Anſicht, daß angeſichts der günſtigen Conjunctur in der<lb/> Steininduſtrie die genannten Forderungen anerkannt<lb/> werden, ohne daß ein Streik proclamirt werden müßte.<lb/> — Auch im Berliner Baugewerbe beginnt es ſich zu<lb/> rühren. So ſind die Flieſenleger in eine allgemeine<lb/> Lohnbewegung eingetreten und ſetzten durch einen Gene-<lb/> ralverſammlungsbeſchluß feſt, vom 1. Juli d. ab einen<lb/> feſten Tarif, ſowie den erhöhten Minimalſtundenlohn<lb/> von 75 Pfennig zu fordern. Auch dieſe Branche glaubt<lb/> hinſichtlich der günſtigen Conjunctur ohne Kampf das<lb/> Geforderte bewilligt zu erhalten. — Im Ausſtand<lb/> befinden ſich ferner die Spanner der Drahtgeflechte für<lb/> Rabitzwände, die einen höheren Tarif verlangen. Die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [9/0009]
143 Wien, Dienſtag Reichspoſt 26. Juni 1900
Streiflichter.
„Rein-narr vom Weine“.
Carl Habermann vom „Scherer“ hat ſeine
Sache in der „Scherer-Correſpondenz“ bisher ſo
ſchlecht gemacht, daß man ihm ſchleunigſt einen
Helfer engagiren mußte, der nun dem Habermann
die Artikel für die „Correſpondenz“ liefert. Der
neue Mann nennt ſich „Reinmar vom Rheine“;
das wird aber nur ein Druckfehler ſein für
„Rein-narr vom Weine“. Gleich ſein
erſter Artikel über „Römiſchen Reliquien-Schwindel“
wurde confiscirt, ebenſo ein anderer: „Die Frauen
und die Kirche“. Dafür iſt einer ſtehen geblieben,
der von den Hugenottenkriegen handelt, von der
Bartholomäusnacht und anderen alten lieben Be-
kannten aus dem Culturkampf-Converſationslexikon
älteſter unverbeſſerter Auflage. Und zum Schluſſe
wird dann ein Wort Biſchofs Hefele von Rotten-
burg citirt ohne Citat, ohne Gewähr für die
Echtheit desſelben, aus jedem Zuſammenhang ge-
riſſen, aber jedenfalls, wenn auch noch ſo entſtellt,
aus ſeiner vor-biſchöflichen Zeit: „Es fehlt wahr-
lich nicht am Willen der Hierarchie, wenn nicht
im 19. Jahrhundert wieder Scheiterhaufen aufge-
richtet werden.“ Und daran fügt er den claſſiſchen
Satz: „Von welchen Friedensgedanken die Hierarchie
gegen Andersgläubige beſeelt iſt, das ſagt uns
u. A. die Caniſius-Encyclika und das Verhalten
gegen die Altkatholiken!“ Wahrſcheinlich, weil darin
empfohlen ward, die Proteſtanten und Altkatholiken
alle mit Butz und Stingel, mit Haut und Haar
zu verbrennen! — Der „reine Narr“ ſpricht auch
aus den folgenden Artikeln, die von der Tugend-
roſe, den Sonetten des Papſtes, den päpſtlichen
Orden, Lourdeswaſſer, Roſenkranz, Blut des
heiligen Januarius, heiligen Rock in Trier
und ſo weiter handeln. Wir glauben ſelbſt für die
Eſel, für welche der „Scherer“ ſchreibt, iſt das
alte Stroh zu dürr, und ſie laſſen es liegen. Da-
gegen werden ſie mit Entſetzen leſen, „daß
Gregor VII. in einem feierlichen Concil erklärt
habe: „Die Kirche iſt berechtigt, jegliche weltliche
Herrſchaft zu verleihen und zu nehmen.“ Das
wird alles ſo ohne Citat, ohne Beweis, ohne
Herſtellung von Sinn und Zuſammenhang, an-
geführt, daß man nur annehmen kann, die Herren
vom „Scherer“ ſpeculiren eben nur auf — Eſel,
die ſich von „reinen Thoren“ mit den aller-
abgeſtandenſten Geſchichtslügen einen blauen Dunſt
vormachen laſſen. Eine ernſtere Antwort
geben wir erſt dann, wenn ſolche geſchichtliche
Fragen ernſt behandelt werden. Für Narren
ſchreibt nur die „Scherer-Correſpondenz“.
Eine vorzügliche Reclame
macht die „Scherer-Correſpondenz“ — und darum
iſt dieſer Artikel auch nicht vom Rein—narr ge-
zeichnet — für einen wackeren Tiroler Wirth.
Der Artikel lautet:
„Touriſten und Radfahrer, welche nach Tirol
kommen und Matrei am Brenner berühren,
werden vor dem dortigen „Gaſthof zur Krone“ ge-
warnt, deſſen Beſitzer, ein pfäffiſcher Landtags-
abgeordneter Namens Franz Stadler, als Ge-
meindevorſteher durch bewaffnete Bauern die Sonn-
wendfeuer auf der Waldraſtſpitze verhinderte.“
Wir wüßten nicht, wie der „Scherer“ dieſem
wackeren Mann und ſeinem Geſchäfte beſſer dienen
konnte. Wer von chriſtlichen Touriſten nach
Matrei am Brenner kommt, verſäume nicht, bei
Franz Stadler einzukehren und unter einem kräftigen
„Heil!“ mit ſeinem feurigen Wein auf ſein Wohl
anzuſtoßen.
Das Bürgermädchen vom Theater.
Niemand hat der am Samſtag zur Gruft ge-
leiteten unglücklichen Schauſpielerin Frl. Krall,
die, von einem jüdiſchen Arzte entehrt und dann
im Stich gelaſſen, in den Tod gieng, ſein Mitleid
verſagt. Aber mit allem Nachdruck müſſen wir
proteſtieren, daß der Jude Julian von Sternberg
in der „N. Fr. Pr.“ nunmehr dieſe That zum
Beweiſe ſtempeln will, daß der Selbſtmord nun
nicht mehr blos ein ſpecifiſch-theatraliſcher, ſondern
ein echt bürgerlicher, ſpießbürgerlicher
Tod ſei, wenn man ein Unglück nicht mehr tragen
kann; wir müſſen proteſtieren, wenn er ob dieſes
Selbſtmordverſuches Fräulein Krall als das
„Bürgermädchen vom Theater“ preiſt und
alſo ſchließt:
„Das Theater iſt bürgerlich geworden, es ver-
zichtet dankend auf die Ausnahmsſtellung, die ihm ein-
geräumt wird. Auch das verführte Bürgermädchen vom
Theater will geheirathet werden, und wird es belogen
und betrogen, ſo handelt es nicht anders, als es ge-
handelt hätte, wenn es eben nicht zum Theater ge-
gangen wäre.“
Wir proteſtieren, daß ein unglückliches Bürger-
mädchen auch wenn es nicht zum Theater gehört, im
Unglück zum Selbſtmord eilt! Das iſt nicht
bürgerliche Moral, das iſt Judenmoral;
wir proteſtiren aber auch im Namen der an-
ſtändigen Theaterwelt, daß das Theater moral
ſein ſoll. Es iſt bürgerliche Moral, daß ein
bürgerliches Mädel nicht mit jedem erſten beſten
frechen Juden eine Liebſchaft anfängt und wenn
es ſchließlich doch durch ihn ſich „belügen und be-
trügen läßt,“ reuig und geduldig trägt, was es
ſelbſt mitverſchuldet hat. Wir glauben, es wäre
für den Juden Julius Sternberg ein viel
pikanteres Thema für eine Plauderei in der
„N. Fr. Preſſe“ geweſen, wenn er eine nähere
Charakteriſtik jenes Dr. Stößel gegeben, der die
Unglückliche um Unſchuld, Ehre und ihr junges,
blühendes Leben gebracht. Es gibt ſolcher „Lebe-
jünglinge“ noch mehr in den dem Dr. Julius
Sternberg zugänglichen Kreiſen.
Eine Gefahr für’s Vaterland
hat das ſächſiſche Miniſterium ſoeben
beſchworen. Es konnte für Sachſen wirklich nichts
Gefährlicheres geben, als daß auf Schloß Wechſel-
burg Graf Schönburg-Forderglauchau eine Haus-
capelle beſitzt, zu welcher auch Katholiken aus der
Umgegend kommen, um dem Gottesdienſt beizu-
wohnen. Die Leipziger Kreishauptmannſchaft hat
dieſem ſtaatsgefährlichen Treiben nun ein Ende
gemacht mit Zuſendung einer miniſteriellen Ver-
ordnung, in der es u. a. heißt:
„Euerer Erlaucht dem gegenwärtigen Be-
ſitzer des Schloſſes Wechſelburg und dem deshalb zur
Ausübung der Devotio domestica (häuslichen Andacht)
daſelbſt Berechtigten wird hiemit aufgegeben: 1. Dafür
beſorgt zu ſein, daß in Zukunſt und zwar ſpäteſtens vom
12. Juni d. M. ab, andere als die zur Familie oder
zum Hausſtande Ew. Erlaucht gehörigen Perſonen,
gleichviel welchen Alters oder Geſchlechtes von der
Theilnahme an den in der Schloßkirche oder in andern
Räumen des Schloſſes ſtattfindenden Gottesdienſten
und vom Zutritt zu dieſen Gottesdienſten, ſowie von
der Theilnahme an den dieſen Gottesdienſten
etwa vorausgehenden oder nachfolgenden Auf- und Um-
zügen ausgeſchloſſen werden, zur Vermeidung einer
wider Ew. Erlaucht zu verhängenden Ordnungsſtrafe
von 100 Mark wegen einer jeden dem vorſtehenden Ver-
bote zuwider zugelaſſenen Perſon. 2. Zur Vermeidung
einer Ordnungsſtrafe von 1000 Mark für jeden Fall der
Zuwiderhandlung dafür beſorgt zu ſein, daß die in Aus-
übung der Ew. Erlaucht zuſtehenden devotio domestica vor-
zunehmenden gottesdienſtlichen Handlungen einſchließlich
etwaiger Aufzüge zu, bei oder von dieſen Handlungen
nicht an Orten abgehalten werden oder Orte berühren,
von wo aus ſie einem größeren oder gerin-
geren Kreiſe nicht zur Theilnahme
berechtigter Perſonen ſichtbar ſein
können. Die Amtshauptmannſchaft Rochlitz iſt an-
gewieſen, die genaue Befolgung der vorſtehenden An-
ordnungen ſtreng zu überwachen, bei Zuwiderhand-
lungen die angedrohten Ordnungsſtrafen für verwirkt
zu erklären und einzuziehen und weiter alsbald eine
öffentliche Bekanntmachung zu erlaſſen, dahingehend,
daß in der Schloßkirche zu Wechſelburg öffent-
liche katholiſche Gottesdienſte nicht
mehr abgehalten werden. Die Sicher-
ſtellung der wichtigen öffentlichen
Intereſſen, zu deren Schutze die vorſtehenden
Anordnungen getroffen worden ſind, läßt es ge-
boten erſcheinen, etwaigen Rechtsmitteln gegen dieſe
Anordnungen die aufſchiebende Wirkung, wie hiemit
geſchieht, zu verſagen.“
Alſo: die dringendſte Gefahr für Sachſen iſt
ſchon vorhanden, wenn einige Katholiken der Um-
gebung die gottesdienſtlichen Handlungen im
Schloſſe Wechſelburg auch nur aus der Ferne
ſehen. Man ſieht: zu welchen Tollheiten die
kulturkämpferiſche Geſetzgebung
Sachſens führt. Selbſt die vernünftigen Prote-
ſtanten lachen darüber.
Beſuche des Kaiſers in der Telephon-
centrale und im Mariahilfer Ambu-
latorium.
Samſtag Mittags beſichtigte Se. Majeſtät in
Begleitung des Generaladjutanten FZM. Edler von
Bolfras und des Flügeladjutanten Major Pitlik
die neue Telephoncentrale in der Berg-
gaſſe. Der Monarch wurde im Veſtibule vom Eiſen-
bahnminiſter Dr. Ritter von Wittek, Sectionschef
des Handelsminiſterium Neubauer, dem Vorſtande
der Telephoncentrale Regierungsrath Pilz und den
dienſtfreien Beamten empfangen, wobei der Eiſenbahn-
miniſter eine Anſprache an Se. Majeſtät richtete und
die an der Errichtung der Telephonanlagen hervor-
ragend betheiligten Privattechniker vorſtellte. Sodann
begann der Rundgung, wobei Sectionschef Neubauer
den Cicernne ſpielte. Zuerſt wurde der Kaiſer in den
großen Umſchaltſaal der Localcentrale im 3. Stock-
werke geführt, wo er den Telephonfräulein längere
Zeit bei der Arbeit zuſah und auch einige Fragen
an ſie richtete. An einem leerſtehenden Umſchalter
demonſtrirte Sectionschef Neubauer die ganze
Manipulation. Der Kaiſer blieb nahezu eine halbe
Stunde in dieſem Saale und wurde hierauf in den
großen Saal für den interurbanen Verkehr, der im
erſten Stocke gelegen iſt, geführt. Auch hier erregte
die raſche und ſichere Manipulation die beſondere Zu-
friedenheit des Kaiſers.
Nach einſtündigem Aufenthalte verließ Se. Majeſtät
die Telephoncentrale, nachdem er ſich in huldvollſter
Weiſe von dem Eiſenbahnminiſter und den übrigen
Beamten verabſchiedet hatte, und fuhr nach Maria-
hilf, um das neue Haus des Franz Joſephs-
Ambulatoriums, 6. Bez., Sandwirthgaſſe 3,
zu beſuchen, das anläßlich des 50jährigen Regierungs-
jubiläums errichtet wurde, um den unbemittelten
Ständen, namentlich den arbeitenden Claſſen ärztliche
Hilfe zu bieten.
Große Verſammlung des Vereines der
Lehrer und Schulfreunde.
Im Saale zur „Stadt Brünn“ fand Sonntag
unter zahlreicher Theilnahme der Lehrer und Bürger
des 8. Bezirkes die Conſtituirung der Ortsgruppe
„Joſefſtadt“ des „Vereines der Lehrer und Schul-
freunde“ ſtatt. Anweſend waren u. A. die Reichsraths-
Abgeordneten Prof. Schleſinger und Doctor
Weiskirchner, Stadtrath Fiedler, die Ge-
meinderäthe Hawranek, Schwer und Rain,
Bezirksvorſteher-Stellvertreter Schneeweiß,
mehrere Bezirksräthe.
Bürgerſchullehrer Prohaska begrüßte die
Erſchienenen, worauf Bürgerſchullehrer Ernſt Wohl-
bach das Wort ergriff zu dem Vortrage „die
letzten Gemeinderathswahlen in Be-
zug auf die Schule.“
Reichsraths-Abgeordneter Prof. Schleſinger
verſprach, alle ſeine Kräfte aufzubieten, um der Lehrer-
ſchaft auch bei Bekämpfung der materiellen Lage be-
hilflich zu ſein, damit ſie ihrer erhabenen Aufgabe
gerecht werden kann.
Bürgerſchullehrer Andreas Mayer erörterte
ſodann die neuen Satzungen, worauf die Wahl der
Ortsgruppen vorgenommen wurde, und zwar wurden
gewählt: zum Obmann Bürgerſchullehrer Wohl-
bach, zum Obmann-Stellvertreter Bezirksvorſteher
Antenſteiner, zu Schriftführern die Lehrer
Adami und Seikora, zum Caſſier Lehrer
Haidinger, zu Beiräthen Gemeinderath Hier-
hammer, Bezirksrath Bergauer und Orts-
ſchulrath Fuhrmann.
Schriftleiter Puchſtein ergriff ſodann das
Wort zu dem Vortage: „Die Schule und die
ſociale Frage.“
Es ſprach ſodann der Bürgerſchullehrer Andreas
Mayer, worauf Reichsraths-Abgeordneter Doctor
Weiskirchner die Gründung der Ortsgruppe
auf’s Wärmſte begrüßte und derſelben ein recht gedeih-
liches Fortkommen wünſcht.
Bürgerſchullehrer Prohaska bat ſodann um
Unterſtützung des deutſch-chriſtlichen Stenographen-
Bundes. Nachdem noch Stadtrath Fiedler einige
aufmunternde Worte geſprochen hatte, wurde die Ver-
ſammlung geſchloſſen.
Arbeiterbewegung.
Im Kohlenbergwerke von Carpano wurde
den ſtrikenden Arbeitern eine Lohnaufbeſſerung zuge-
ſtanden. 250 Arbeiter nahmen daher am Samſtag die
Arbeit wieder auf, ſo daß der Strike als beendet an-
zuſehen iſt.
Zur Lohnbewegung in Berlin. Die Stein-
bildhauer Berlins beſchloſſen in einer Generalverſamm-
lung, in eine allgemeine Lohnbewegung einzutreten.
Auf Vorſchlag der Platzdelegirten ſind folgende For-
derungen, die bereits auf Grund des „Budenrechtes“
in Werkplatzverſammlungen durchberathen waren, auf-
geſtellt. 1. Beendigung der 7½ſtündigen täglichen Ar-
beitsdauer um 5 Uhr nachmittags. 2. Erhöhung des
Minimallohnes von 6 auf 7 Mark; höhere Löhne
werden gleichfalls dementſprechend geſteigert. 3. Im
Winter wird die ½ſtündige Frühſtückspauſe und ein-
ſtündige Mittagspauſe beibehalten, ohne daß Lohnab-
züge gemacht werden. Als ſelbſtverſtändlich wurde die
allgemeine Anerkennung des „Budenrechtes“ (Arbeit-
nehmer-Beſprechungen auf dem Werkplatz während der
Arbeitspauſen) angeſehen. Die Verſammlung war der
Anſicht, daß angeſichts der günſtigen Conjunctur in der
Steininduſtrie die genannten Forderungen anerkannt
werden, ohne daß ein Streik proclamirt werden müßte.
— Auch im Berliner Baugewerbe beginnt es ſich zu
rühren. So ſind die Flieſenleger in eine allgemeine
Lohnbewegung eingetreten und ſetzten durch einen Gene-
ralverſammlungsbeſchluß feſt, vom 1. Juli d. ab einen
feſten Tarif, ſowie den erhöhten Minimalſtundenlohn
von 75 Pfennig zu fordern. Auch dieſe Branche glaubt
hinſichtlich der günſtigen Conjunctur ohne Kampf das
Geforderte bewilligt zu erhalten. — Im Ausſtand
befinden ſich ferner die Spanner der Drahtgeflechte für
Rabitzwände, die einen höheren Tarif verlangen. Die
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