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Reichspost. Nr. 106, Wien, 18.04.1910.

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Preis 8 h



Redaktion: VIII. Strozzigasse 41.
Telephon: 18082.


Verwaltung:
VIII. Strozzig. [42].
Telephon: 13870.


Druckerei:
VIII. Strozzigasse [41].
Telephon: 22641.


Kleiner Anzeiger
I. Schulerstr. 21.
Telephon 292[6].



Das Blatt erscheint täglich ein-
mal (als Morgenausgabe).


Montag
erfolgt die Ausgabe um
2 Uhr nachmittags.
Inserate
werden in der Verwaltung der
"Reichspost", VIII. Strozzigasse 42,
der I. Schulerstraße 21 sowie in
allen Annoncenbureaus des In- und
Auslandes angenommen.
Kleine Anzeigen kostet das Wort
2 h, Titelzeile 20 h, fettgedruckte
Worte 4 h.


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Mittagsblatt.
Reichspost.
Unabhängiges Tagblatt für das christliche Volk Oesterreich-Ungarns.

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Preis 8 h



Bezugspreise:
Für Wien und Oestern-Ungarn
(samt Zustellung ins Haus):
ganzjährig ......... 32 K
vierteljährig ........ 8 K
monatlich ....... 2 K 75 h


Für Deutschland:
vierteljährig, Kreuzbandsendung 12 K


Länder des Weltpostvereines:
vierteljährig, Kreuzbandsendung [16] K
Bei den Post[ä]mtern:
Vierteljährig Aegypten K 9.[03],
Belgien Frs. 9.29, Bulgarien
Frs 6.6[9], Dänemark K 6.75,
Holland Frs. 4.6[0], Italien L 8.11,
Luxemburg Frs. 9.10, Rumänien
Frs. 8.50, Rußland Rbl. 3.35,
Serbien Frs. 7.99, Schweden K 6.95,
Schweiz Frs. 8.40.




Nr. 106 Wien, Montag, den 18. April 1910. XVII. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Die Reform der Beamten-
gesetze.


Eine stattliche Versammlung der akademisch ge-
bildeten Staatsbeamten nahm gestern zu dem dem Ab-
geordnetenhause vorliegenden Gesetzentwurfe über die
Reform der Beamtengesetze Stellung. Diese Reform ist
bereits in ein sehr aktuelles Stadium gerückt sie
steht bekanntlich auf der Tagesordnung des Ab-
geordnetenhauses an zweiter Stelle, was aber in der
Beamtenschaft einige Verstimmung hervorgerufen hat.

Der Präsident des Abgeordnetenhauses
Dr. Pattai, der in der Versammlung er-
schienen war, beruhigte die Beamtenschaft
über diese Einreihung des Gesetzentwurfes
und versprach, so weit es in seiner Macht liegt, die
baldige Erledigung der Beamtengesetze zu fördern.
Auch die Abgeordneten Dr. Glombinski,
Dr. Skedl und Dr. Simonowicz wiesen in
kurzen Ansprachen auf die Notwendigkeit einer raschen
Erledigung des Beamtengesetzentwurfes hin. In einer
Resolution faßte die Versammlung, in der alle
Kategorien und Rangsklassen bis zum Sektionschef
hinauf vertreten waren, ihre Wünsche zusammen, indem
sie die Grundsätze, auf denen der Entwurf aufgebaut
ist, begrüßt, doch bedauert, daß sie in der weiteren
Verarbeitung im Gesetzentwurfe nicht entsprechend
zum Ausdrucke kommen. Insbesondere wendet
sich die Beamtenschaft dagegen, daß sich die
Dienstpragmatik die Auffassung des Dienst-
verhältnisses zum Staat als Gewaltverhältnis und nicht
als Pflichtverhältnis zu eigen macht. Gleichzeitig wird
in der Resolution die Forderung nach Gleichstellung
mit den Mittelschulprofessoren aufgestellt, sowie die nach
Einrechnung der Gesamtdienstzeit in die Uebergangszeit
zum Zeitavancement.

Die in dieser Hinsicht erstatteten Referate waren
tief und umfassend angelegt und ernteten die volle
wiederholt stürmische Zustimmung der Versammlung.
Wie Präsident Dr. Pattai hervorhob, wird der
[Spaltenumbruch] Gesetzentwurf über die Dienstpragmatik nach der
in wenigen Tagen erfolgenden ersten Lesung dem
Ausschusse zugewiesen werden und dann sofort wieder
auf die Tagesordnung gestellt werden, damit der Ent-
wurf im Hinblicke auf seine Wichtigkeit bald Gesetz
werden könne.




Für die Wiener Postdirektion war Oberpostrat
v. Winkler, für die Finanzlandesdirektion Finanz-
rat Nowotny anwesend. Der Vorsitzende Finanzrat
Jordan (Gmunden) begrüßte die Erschienenen,
worauf namens des niederösterreichischen Vereines Finanz-
kommissär Dr. Waber den Regierungsentwurf einer
Kritik unterzog und insbesondere gegen jene Bestimmungen
des Gesetzentwurfes polemisierte, durch welche die Ver-
antwortlichkeit der Beamten bis zur Grenze des Straf-
gesetzes in unverjährbarer Weise ausgedehnt werden soll.

Finanzkommissär Dr. Feldmann aus Lemberg
referierte in eingehender Weise über die Dienstpragmatik,
wobei er sich in entschiedener Weise gegen jede Ver-
kürzung der staatsbürgerlichen Rechte der Beamten und
die geradezu als Gewaltverhältnis aufzufassende Stel-
lung der Beamten wendete. Von diesem Gesichtspunkte
aus wies Dr. Feldmann auf die Mängel der Bestim-
mungen über die Lösbarkeit des Dienstver-
hältnisses der Praktikanten und die Zusammen-
setzung der Qualifikationskommissionen hin, die nur
aus Vertretern der Regierung, ohne jede Teilnahme der
Interessenten bestehen. Was die im Entwurfe festgelegte
"Gehorsamspflicht" betrifft, so sei eine Modernisierung
unbedingt notwendig, eventuell nach ausländischem
Muster, wo der Gehorsam "innerhalb der Verfassung
und der Gesetze" verlangt wird, nicht aber wie im Ent-
wurfe "bis an die Grenze das Strafgesetzes". Weiters
seien die Bestimmungen, betreffend Vereinsangelegenheiten
der Beamten, sehr drückend und würden in ihrer Durch-
führung die Vernichtung der Organisation mit sich bringen.
Auch die Gehalts- und Urlaubsbestimmungen seien
nicht entsprechend, ebenso wie jene, über die Versetzung
auf andere Dienstposten ohne Uebersiedlungsgebühren,
da sie den Beamten die Frucht des schwererrungenen
Avancements wieder rauben. Das Disziplinarverfahren
ist wohl human gedacht, aber doch sehr verbesserungs-
bedürftig. Insbesondere hinsichtlich des Ablehnungsrechtes
von Senatsmitgliedern wegen Befangenheit und des
[Spaltenumbruch] Mangels einer Bestimmung einer Verjährung von Dienst-
vergehen, der die Möglichkeit einer Verfolgung bis ans
Grab offen läßt. Der Redner schloß seine Ausführungen
mit dem Hinweis auf die Produktivität der für die
Beamten aufgewendeten Ausgaben und appelliert an die
Regierungsvertreter, die Wünsche der Beamtenschaft zu
erfüllen.

Das Referat über das Zeitavancement
erstattete Postkommissär Dr. Kallina, der feststellte,
daß der Entwurf diesbezüglich große Enttäuschung ge-
bracht hat. Man hatte die berechtigte und längst an-
gestrebte Gleichstellung mit den Mittel-
schulprofessoren
erwartet. Dies sei aber nicht
der Fall und die akademisch gebildete Beamtenschaft
ist dadurch in unverdienter Weise zurückgesetzt worden.
Die Aufrückungsfristen für die akademisch gebildeten
Beamten sind im Entwurf so außerordentlich ungünstig,
daß sie -- abgesehen von der sozialen Stellung -- auch
den hohen Kosten des Hochschulstudiums nicht ent-
sprechen. Man bedenke: ein Gehalt von 3600 Kronen
mit 40 Jahren, von 4800 Kronen mit 50 Jahren, von
6000 Kronen mit fast 60 Jahren -- das bedeutet direkt
eine Entwertung des Hochschulstudiums, es bedeutet für
den Juristen oder Techniker, dem überhaupt noch ein
Ausweg offensteht, eine direkte Abschreckung, sich dem
Staatsdienst zu widmen.

Der Referent verlangte schließlich bei der Besoldung
außer der Rücksicht auf die Rangsklasse auch die Be-
rücksichtigung der Gesamtdienstzeit als Entschädigung
für die in der Vorrückung Zurückgebliebenen. Die Be-
amtenschaft fordere nicht zuviel, sondern nur die im
Regierungsentwurfe versprochene "ausgleichende Ge-
rechtigkeit".

Nachdem Präsident Dr. Pattai und die an-
wesenden Abgeordneten die Unterstützung der vorge-
brachten Wünsche der Beamten versprochen hatten,
wurde vom Finanzkommissär Manda nachstehende
Resolution
verlesen und mit großem Beifalle einstimmig ange-
nommen:

Die Tagung der akademisch gebildeten Staatsbeamten be-
grüßt es, daß der Motivenbericht der Regierung offen zugibt,
daß die Vorrückungsverhältnisse der Beamten nach dem geltenden
Besoldungssystem von bloßen Zufälligkeiten abhängen, und daß die
bestehenden Mißstände nur durch die Reformierung des
Besoldungssystems behoben werden können. Die Versammlung
vermißt aber in dem Regierungsentwurfe den Gesichtspunkt




[Spaltenumbruch]

51. Folge.

Nachdruck verboten

Stolz um Stolz.
Roman aus dem Leben von O. Elster.

"Na, ich meinte ja nur, daß ich ihm auf den Zahn
fühlen will," brummte Onkel Christof. "Laß mich nur
machen, Hildchen. Der Mensch hat ja ein Riesenglück,
und wenn er dann noch räsonnieren will, dann werde
ich ihm schon die Augen öffnen. Es läuft so mancher in
der Welt herum, der einen Fleck auf seiner weißen Weste
hat und dennoch ein braver Kerl ist. Das Leben ist nun
einmal so. Also, ich sage Dir morgen Bescheid."

Aber das war gar nicht nötig. Denn schon in der
Frühe des nächsten Tages erhielt Mary einen schönen
Rosenstrauch von Herrn Dettmer mit einer herzlichen
Einladung für den nächsten Sonntag nach Wannsee zur
Besichtigung der Villa.

"Ihr Herr Papa, Fräulein Hilde, Herr Wacker-
nagel und Fräulein Wera werden mir gewiß die Freude
bereiten, mit von der Partie zu sein," schloß das liebens-
würdige Schreiben, das einen feinen Duft von Veilchen
ausströmte. Und am Sonntag mittag erschien Herr
Dettmer selbst, um Herrn Hildebrandt und die Damen
abzuholen.

Hilde blieb jedoch daheim.

Da Frau Ritter eine Bekannte besuchte, wollte sie
die Wohnung nicht allein lassen; auch beabsichtigte sie,
eine Arbeit zu vollenden, die sie vor einigen Tagen an-
gefangen hatte.

Mary war es ganz lieb, daß sie den ernsten Augen
Hildes entfliehen konnte. Sie freute sich ungemein auf
den Ausflug, war lebhaft und munter wie in früherer
Zeit und bezauberte Herrn Dettmer durch ihr drolliges
Wesen, in das sich eine gewisse verlegene, schelmische
Koketterie mischte.

Auf dem Bahnhof traf man mit Wera und Christof
Wackernagel zusammen. Die erstere war ernst und still
[Spaltenumbruch] wie immer, der kleine Maler dagegen von einer etwas
lärmenden Lustigkeit. Er neckte Mary, daß diese ein
über das anderemal errötete; er scherzte über den könig-
lichen Hofphotographen, was sich dieser gutmütig ge-
fallen ließ -- kurz, er trug wesentlich zur Unterhaltung
und Erheiterung der kleinen Gesellschaft bei.

Im Schwedischen Pavillon am Ufer des im schönsten
Sonnenglanz leuchtenden Sees wurde zu Mittag ge-
gessen. Herr Dettmer ließ es sich nicht nehmen, bei
schäumendem Champagner einen Toast auf "alles, was
wir lieben", auszubringen, wobei er Mary mit so
schwärmerischen Blicken ansah, daß diese verlegen er-
rötend die Augen niederschlug.

Dann ging man nach der Villa, um sie zu be-
sichtigen.

Die kleine, aber sehr hübsche Villa stand leer, war
aber vollkommen instand, so daß sie sofort bezogen wer-
den konnte. Ein nicht sehr großer, aber hübsch angelegter
Garten umgab das Haus, das zum Hintergrunde den
schattigen, duftenden Hochwald hatte, während der Gar-
ten in der Front an das Wasser des Wannsees stieß.

Mary gefiel alles sehr gut. Sie lehnte sich fester auf
den Arm Dettmers, als sie mit ihm durch die Zimmer
schritt und auf der Veranda stehen blieb, um die Blicke
über den weiten See schweifen zu lassen, auf dem gerade
eine Segelbootregatta abgehalten wurde.

Ein herrlicher Anblick war es! Die grünen Ufer,
der glänzende Wasserspiegel mit den sanft dahingleiten-
den Segelbooten, darüber der blaue, wolkenlose Himmel
und strahlender Sonnenschein.

Ein Bild des Friedens und der Freude -- und un-
willkürlich entschlüpfte Marys Lippen ein Seufzer.

Herr Dettmer ergriff ihre Hand.

"Es ist herrlich hier -- wundervoll!"

Er drückte einen Kuß auf ihre Hand.

"Also soll ich die Villa kaufen?" fuhr er fort und
seine Augen leuchteten.


[Spaltenumbruch]

Sie drückte ihm statt der Antwort sanft die Hand
und lehnte sich zärtlich an ihn. Da schlang er seinen Arm
um ihre Gestalt und flüsterte:

"Mary, liebe Mary, willst Du hier als meine süße,
liebe Frau wohnen? Willst Du mich zum Glücklichsten
der Sterblichen machen?"

"Ich will es versuchen," entgegnete sie, mit reizen-
dem Lächeln zu ihm aufblickend.

Da küßte er sie auf den Mund und zog sie stürmisch
in seine Arme.

"Dank -- tausend Dank, meine Mary."

Sie erwiderte seinen Kuß -- sie war glücklich in
dem Gedanken, einen Hafen des friedlichen, stillen
Glückes gefunden zu haben. Ihr Herz war von Dank er-
füllt -- doch plötzlich flog ein Schatten über ihr Gesicht
und sie entzog sich seiner Umarmung. Sie dachte an das
Unglück ihres Lebens.

"Du weißt," sagte sie stammelnd, "ich -- ich war
am Theater ..."

"Ja -- aber nicht wahr, Du sehnst Dich nicht dort-
hin zurück?"

"O nein -- nein! Wenn Du nur vergessen
kannst ..."

Sie brach ab und erglühte heiß.

Da nahm er ihre Hände und blickte ihr ernst und
herzlich in die mit Tränen erfüllten Augen.

"Es soll mein Bestreben sein, Mary," sprach er mit
tiefem Gefühl, "Dich, meine Mary, vergessen zu machen,
was Du gelitten hast."

Da sank sie aufschluchzend an seine Brust und ihre
Tränen löschten die Angst ihres Herzens, die Schuld und
das Unglück ihres Lebens aus.

"Ich habe Dich lieb, Du Lieber, Du Guter,"
flüsterte sie.

(Fortsetzung folgt.)


[Spaltenumbruch]

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Redaktion: VIII. Strozzigaſſe 41.
Telephon: 18082.


Verwaltung:
VIII. Strozzig. [42].
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Druckerei:
VIII. Strozzigaſſe [41].
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Kleiner Anzeiger
I. Schulerſtr. 21.
Telephon 292[6].



Das Blatt erſcheint täglich ein-
mal (als Morgenausgabe).


Montag
erfolgt die Ausgabe um
2 Uhr nachmittags.
Inſerate
werden in der Verwaltung der
„Reichspoſt“, VIII. Strozzigaſſe 42,
der I. Schulerſtraße 21 ſowie in
allen Annoncenbureaus des In- und
Auslandes angenommen.
Kleine Anzeigen koſtet das Wort
2 h, Titelzeile 20 h, fettgedruckte
Worte 4 h.


[Spaltenumbruch]
Mittagsblatt.
Reichspoſt.
Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreich-Ungarns.

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Preis 8 h



Bezugspreiſe:
Für Wien und Oeſtern-Ungarn
(ſamt Zuſtellung ins Haus):
ganzjährig ......... 32 K
vierteljährig ........ 8 K
monatlich ....... 2 K 75 h


Für Deutſchland:
vierteljährig, Kreuzbandſendung 12 K


Länder des Weltpoſtvereines:
vierteljährig, Kreuzbandſendung [16] K
Bei den Poſt[ä]mtern:
Vierteljährig Aegypten K 9.[03],
Belgien Frs. 9.29, Bulgarien
Frs 6.6[9], Dänemark K 6.75,
Holland Frs. 4.6[0], Italien L 8.11,
Luxemburg Frs. 9.10, Rumänien
Frs. 8.50, Rußland Rbl. 3.35,
Serbien Frs. 7.99, Schweden K 6.95,
Schweiz Frs. 8.40.




Nr. 106 Wien, Montag, den 18. April 1910. XVII. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Die Reform der Beamten-
geſetze.


Eine ſtattliche Verſammlung der akademiſch ge-
bildeten Staatsbeamten nahm geſtern zu dem dem Ab-
geordnetenhauſe vorliegenden Geſetzentwurfe über die
Reform der Beamtengeſetze Stellung. Dieſe Reform iſt
bereits in ein ſehr aktuelles Stadium gerückt ſie
ſteht bekanntlich auf der Tagesordnung des Ab-
geordnetenhauſes an zweiter Stelle, was aber in der
Beamtenſchaft einige Verſtimmung hervorgerufen hat.

Der Präſident des Abgeordnetenhauſes
Dr. Pattai, der in der Verſammlung er-
ſchienen war, beruhigte die Beamtenſchaft
über dieſe Einreihung des Geſetzentwurfes
und verſprach, ſo weit es in ſeiner Macht liegt, die
baldige Erledigung der Beamtengeſetze zu fördern.
Auch die Abgeordneten Dr. Glombinski,
Dr. Skedl und Dr. Simonowicz wieſen in
kurzen Anſprachen auf die Notwendigkeit einer raſchen
Erledigung des Beamtengeſetzentwurfes hin. In einer
Reſolution faßte die Verſammlung, in der alle
Kategorien und Rangsklaſſen bis zum Sektionschef
hinauf vertreten waren, ihre Wünſche zuſammen, indem
ſie die Grundſätze, auf denen der Entwurf aufgebaut
iſt, begrüßt, doch bedauert, daß ſie in der weiteren
Verarbeitung im Geſetzentwurfe nicht entſprechend
zum Ausdrucke kommen. Insbeſondere wendet
ſich die Beamtenſchaft dagegen, daß ſich die
Dienſtpragmatik die Auffaſſung des Dienſt-
verhältniſſes zum Staat als Gewaltverhältnis und nicht
als Pflichtverhältnis zu eigen macht. Gleichzeitig wird
in der Reſolution die Forderung nach Gleichſtellung
mit den Mittelſchulprofeſſoren aufgeſtellt, ſowie die nach
Einrechnung der Geſamtdienſtzeit in die Uebergangszeit
zum Zeitavancement.

Die in dieſer Hinſicht erſtatteten Referate waren
tief und umfaſſend angelegt und ernteten die volle
wiederholt ſtürmiſche Zuſtimmung der Verſammlung.
Wie Präſident Dr. Pattai hervorhob, wird der
[Spaltenumbruch] Geſetzentwurf über die Dienſtpragmatik nach der
in wenigen Tagen erfolgenden erſten Leſung dem
Ausſchuſſe zugewieſen werden und dann ſofort wieder
auf die Tagesordnung geſtellt werden, damit der Ent-
wurf im Hinblicke auf ſeine Wichtigkeit bald Geſetz
werden könne.




Für die Wiener Poſtdirektion war Oberpoſtrat
v. Winkler, für die Finanzlandesdirektion Finanz-
rat Nowotny anweſend. Der Vorſitzende Finanzrat
Jordan (Gmunden) begrüßte die Erſchienenen,
worauf namens des niederöſterreichiſchen Vereines Finanz-
kommiſſär Dr. Waber den Regierungsentwurf einer
Kritik unterzog und insbeſondere gegen jene Beſtimmungen
des Geſetzentwurfes polemiſierte, durch welche die Ver-
antwortlichkeit der Beamten bis zur Grenze des Straf-
geſetzes in unverjährbarer Weiſe ausgedehnt werden ſoll.

Finanzkommiſſär Dr. Feldmann aus Lemberg
referierte in eingehender Weiſe über die Dienſtpragmatik,
wobei er ſich in entſchiedener Weiſe gegen jede Ver-
kürzung der ſtaatsbürgerlichen Rechte der Beamten und
die geradezu als Gewaltverhältnis aufzufaſſende Stel-
lung der Beamten wendete. Von dieſem Geſichtspunkte
aus wies Dr. Feldmann auf die Mängel der Beſtim-
mungen über die Lösbarkeit des Dienſtver-
hältniſſes der Praktikanten und die Zuſammen-
ſetzung der Qualifikationskommiſſionen hin, die nur
aus Vertretern der Regierung, ohne jede Teilnahme der
Intereſſenten beſtehen. Was die im Entwurfe feſtgelegte
„Gehorſamspflicht“ betrifft, ſo ſei eine Moderniſierung
unbedingt notwendig, eventuell nach ausländiſchem
Muſter, wo der Gehorſam „innerhalb der Verfaſſung
und der Geſetze“ verlangt wird, nicht aber wie im Ent-
wurfe „bis an die Grenze das Strafgeſetzes“. Weiters
ſeien die Beſtimmungen, betreffend Vereinsangelegenheiten
der Beamten, ſehr drückend und würden in ihrer Durch-
führung die Vernichtung der Organiſation mit ſich bringen.
Auch die Gehalts- und Urlaubsbeſtimmungen ſeien
nicht entſprechend, ebenſo wie jene, über die Verſetzung
auf andere Dienſtpoſten ohne Ueberſiedlungsgebühren,
da ſie den Beamten die Frucht des ſchwererrungenen
Avancements wieder rauben. Das Disziplinarverfahren
iſt wohl human gedacht, aber doch ſehr verbeſſerungs-
bedürftig. Insbeſondere hinſichtlich des Ablehnungsrechtes
von Senatsmitgliedern wegen Befangenheit und des
[Spaltenumbruch] Mangels einer Beſtimmung einer Verjährung von Dienſt-
vergehen, der die Möglichkeit einer Verfolgung bis ans
Grab offen läßt. Der Redner ſchloß ſeine Ausführungen
mit dem Hinweis auf die Produktivität der für die
Beamten aufgewendeten Ausgaben und appelliert an die
Regierungsvertreter, die Wünſche der Beamtenſchaft zu
erfüllen.

Das Referat über das Zeitavancement
erſtattete Poſtkommiſſär Dr. Kallina, der feſtſtellte,
daß der Entwurf diesbezüglich große Enttäuſchung ge-
bracht hat. Man hatte die berechtigte und längſt an-
geſtrebte Gleichſtellung mit den Mittel-
ſchulprofeſſoren
erwartet. Dies ſei aber nicht
der Fall und die akademiſch gebildete Beamtenſchaft
iſt dadurch in unverdienter Weiſe zurückgeſetzt worden.
Die Aufrückungsfriſten für die akademiſch gebildeten
Beamten ſind im Entwurf ſo außerordentlich ungünſtig,
daß ſie — abgeſehen von der ſozialen Stellung — auch
den hohen Koſten des Hochſchulſtudiums nicht ent-
ſprechen. Man bedenke: ein Gehalt von 3600 Kronen
mit 40 Jahren, von 4800 Kronen mit 50 Jahren, von
6000 Kronen mit faſt 60 Jahren — das bedeutet direkt
eine Entwertung des Hochſchulſtudiums, es bedeutet für
den Juriſten oder Techniker, dem überhaupt noch ein
Ausweg offenſteht, eine direkte Abſchreckung, ſich dem
Staatsdienſt zu widmen.

Der Referent verlangte ſchließlich bei der Beſoldung
außer der Rückſicht auf die Rangsklaſſe auch die Be-
rückſichtigung der Geſamtdienſtzeit als Entſchädigung
für die in der Vorrückung Zurückgebliebenen. Die Be-
amtenſchaft fordere nicht zuviel, ſondern nur die im
Regierungsentwurfe verſprochene „ausgleichende Ge-
rechtigkeit“.

Nachdem Präſident Dr. Pattai und die an-
weſenden Abgeordneten die Unterſtützung der vorge-
brachten Wünſche der Beamten verſprochen hatten,
wurde vom Finanzkommiſſär Manda nachſtehende
Reſolution
verleſen und mit großem Beifalle einſtimmig ange-
nommen:

Die Tagung der akademiſch gebildeten Staatsbeamten be-
grüßt es, daß der Motivenbericht der Regierung offen zugibt,
daß die Vorrückungsverhältniſſe der Beamten nach dem geltenden
Beſoldungsſyſtem von bloßen Zufälligkeiten abhängen, und daß die
beſtehenden Mißſtände nur durch die Reformierung des
Beſoldungsſyſtems behoben werden können. Die Verſammlung
vermißt aber in dem Regierungsentwurfe den Geſichtspunkt




[Spaltenumbruch]

51. Folge.

Nachdruck verboten

Stolz um Stolz.
Roman aus dem Leben von O. Elſter.

„Na, ich meinte ja nur, daß ich ihm auf den Zahn
fühlen will,“ brummte Onkel Chriſtof. „Laß mich nur
machen, Hildchen. Der Menſch hat ja ein Rieſenglück,
und wenn er dann noch räſonnieren will, dann werde
ich ihm ſchon die Augen öffnen. Es läuft ſo mancher in
der Welt herum, der einen Fleck auf ſeiner weißen Weſte
hat und dennoch ein braver Kerl iſt. Das Leben iſt nun
einmal ſo. Alſo, ich ſage Dir morgen Beſcheid.“

Aber das war gar nicht nötig. Denn ſchon in der
Frühe des nächſten Tages erhielt Mary einen ſchönen
Roſenſtrauch von Herrn Dettmer mit einer herzlichen
Einladung für den nächſten Sonntag nach Wannſee zur
Beſichtigung der Villa.

„Ihr Herr Papa, Fräulein Hilde, Herr Wacker-
nagel und Fräulein Wera werden mir gewiß die Freude
bereiten, mit von der Partie zu ſein,“ ſchloß das liebens-
würdige Schreiben, das einen feinen Duft von Veilchen
ausſtrömte. Und am Sonntag mittag erſchien Herr
Dettmer ſelbſt, um Herrn Hildebrandt und die Damen
abzuholen.

Hilde blieb jedoch daheim.

Da Frau Ritter eine Bekannte beſuchte, wollte ſie
die Wohnung nicht allein laſſen; auch beabſichtigte ſie,
eine Arbeit zu vollenden, die ſie vor einigen Tagen an-
gefangen hatte.

Mary war es ganz lieb, daß ſie den ernſten Augen
Hildes entfliehen konnte. Sie freute ſich ungemein auf
den Ausflug, war lebhaft und munter wie in früherer
Zeit und bezauberte Herrn Dettmer durch ihr drolliges
Weſen, in das ſich eine gewiſſe verlegene, ſchelmiſche
Koketterie miſchte.

Auf dem Bahnhof traf man mit Wera und Chriſtof
Wackernagel zuſammen. Die erſtere war ernſt und ſtill
[Spaltenumbruch] wie immer, der kleine Maler dagegen von einer etwas
lärmenden Luſtigkeit. Er neckte Mary, daß dieſe ein
über das anderemal errötete; er ſcherzte über den könig-
lichen Hofphotographen, was ſich dieſer gutmütig ge-
fallen ließ — kurz, er trug weſentlich zur Unterhaltung
und Erheiterung der kleinen Geſellſchaft bei.

Im Schwediſchen Pavillon am Ufer des im ſchönſten
Sonnenglanz leuchtenden Sees wurde zu Mittag ge-
geſſen. Herr Dettmer ließ es ſich nicht nehmen, bei
ſchäumendem Champagner einen Toaſt auf „alles, was
wir lieben“, auszubringen, wobei er Mary mit ſo
ſchwärmeriſchen Blicken anſah, daß dieſe verlegen er-
rötend die Augen niederſchlug.

Dann ging man nach der Villa, um ſie zu be-
ſichtigen.

Die kleine, aber ſehr hübſche Villa ſtand leer, war
aber vollkommen inſtand, ſo daß ſie ſofort bezogen wer-
den konnte. Ein nicht ſehr großer, aber hübſch angelegter
Garten umgab das Haus, das zum Hintergrunde den
ſchattigen, duftenden Hochwald hatte, während der Gar-
ten in der Front an das Waſſer des Wannſees ſtieß.

Mary gefiel alles ſehr gut. Sie lehnte ſich feſter auf
den Arm Dettmers, als ſie mit ihm durch die Zimmer
ſchritt und auf der Veranda ſtehen blieb, um die Blicke
über den weiten See ſchweifen zu laſſen, auf dem gerade
eine Segelbootregatta abgehalten wurde.

Ein herrlicher Anblick war es! Die grünen Ufer,
der glänzende Waſſerſpiegel mit den ſanft dahingleiten-
den Segelbooten, darüber der blaue, wolkenloſe Himmel
und ſtrahlender Sonnenſchein.

Ein Bild des Friedens und der Freude — und un-
willkürlich entſchlüpfte Marys Lippen ein Seufzer.

Herr Dettmer ergriff ihre Hand.

„Es iſt herrlich hier — wundervoll!“

Er drückte einen Kuß auf ihre Hand.

„Alſo ſoll ich die Villa kaufen?“ fuhr er fort und
ſeine Augen leuchteten.


[Spaltenumbruch]

Sie drückte ihm ſtatt der Antwort ſanft die Hand
und lehnte ſich zärtlich an ihn. Da ſchlang er ſeinen Arm
um ihre Geſtalt und flüſterte:

„Mary, liebe Mary, willſt Du hier als meine ſüße,
liebe Frau wohnen? Willſt Du mich zum Glücklichſten
der Sterblichen machen?“

„Ich will es verſuchen,“ entgegnete ſie, mit reizen-
dem Lächeln zu ihm aufblickend.

Da küßte er ſie auf den Mund und zog ſie ſtürmiſch
in ſeine Arme.

„Dank — tauſend Dank, meine Mary.“

Sie erwiderte ſeinen Kuß — ſie war glücklich in
dem Gedanken, einen Hafen des friedlichen, ſtillen
Glückes gefunden zu haben. Ihr Herz war von Dank er-
füllt — doch plötzlich flog ein Schatten über ihr Geſicht
und ſie entzog ſich ſeiner Umarmung. Sie dachte an das
Unglück ihres Lebens.

„Du weißt,“ ſagte ſie ſtammelnd, „ich — ich war
am Theater ...“

„Ja — aber nicht wahr, Du ſehnſt Dich nicht dort-
hin zurück?“

„O nein — nein! Wenn Du nur vergeſſen
kannſt ...“

Sie brach ab und erglühte heiß.

Da nahm er ihre Hände und blickte ihr ernſt und
herzlich in die mit Tränen erfüllten Augen.

„Es ſoll mein Beſtreben ſein, Mary,“ ſprach er mit
tiefem Gefühl, „Dich, meine Mary, vergeſſen zu machen,
was Du gelitten haſt.“

Da ſank ſie aufſchluchzend an ſeine Bruſt und ihre
Tränen löſchten die Angſt ihres Herzens, die Schuld und
das Unglück ihres Lebens aus.

„Ich habe Dich lieb, Du Lieber, Du Guter,“
flüſterte ſie.

(Fortſetzung folgt.)


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(&#x017F;amt Zu&#x017F;tellung ins Haus):<lb/>
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[1/0001] Preis 8 h Redaktion: VIII. Strozzigaſſe 41. Telephon: 18082. Verwaltung: VIII. Strozzig. 42. Telephon: 13870. Druckerei: VIII. Strozzigaſſe 41. Telephon: 22641. Kleiner Anzeiger I. Schulerſtr. 21. Telephon 2926. Das Blatt erſcheint täglich ein- mal (als Morgenausgabe). Montag erfolgt die Ausgabe um 2 Uhr nachmittags. Inſerate werden in der Verwaltung der „Reichspoſt“, VIII. Strozzigaſſe 42, der I. Schulerſtraße 21 ſowie in allen Annoncenbureaus des In- und Auslandes angenommen. Kleine Anzeigen koſtet das Wort 2 h, Titelzeile 20 h, fettgedruckte Worte 4 h. Mittagsblatt. Reichspoſt. Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreich-Ungarns. 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Dieſe Reform iſt bereits in ein ſehr aktuelles Stadium gerückt ſie ſteht bekanntlich auf der Tagesordnung des Ab- geordnetenhauſes an zweiter Stelle, was aber in der Beamtenſchaft einige Verſtimmung hervorgerufen hat. Der Präſident des Abgeordnetenhauſes Dr. Pattai, der in der Verſammlung er- ſchienen war, beruhigte die Beamtenſchaft über dieſe Einreihung des Geſetzentwurfes und verſprach, ſo weit es in ſeiner Macht liegt, die baldige Erledigung der Beamtengeſetze zu fördern. Auch die Abgeordneten Dr. Glombinski, Dr. Skedl und Dr. Simonowicz wieſen in kurzen Anſprachen auf die Notwendigkeit einer raſchen Erledigung des Beamtengeſetzentwurfes hin. In einer Reſolution faßte die Verſammlung, in der alle Kategorien und Rangsklaſſen bis zum Sektionschef hinauf vertreten waren, ihre Wünſche zuſammen, indem ſie die Grundſätze, auf denen der Entwurf aufgebaut iſt, begrüßt, doch bedauert, daß ſie in der weiteren Verarbeitung im Geſetzentwurfe nicht entſprechend zum Ausdrucke kommen. Insbeſondere wendet ſich die Beamtenſchaft dagegen, daß ſich die Dienſtpragmatik die Auffaſſung des Dienſt- verhältniſſes zum Staat als Gewaltverhältnis und nicht als Pflichtverhältnis zu eigen macht. Gleichzeitig wird in der Reſolution die Forderung nach Gleichſtellung mit den Mittelſchulprofeſſoren aufgeſtellt, ſowie die nach Einrechnung der Geſamtdienſtzeit in die Uebergangszeit zum Zeitavancement. Die in dieſer Hinſicht erſtatteten Referate waren tief und umfaſſend angelegt und ernteten die volle wiederholt ſtürmiſche Zuſtimmung der Verſammlung. Wie Präſident Dr. Pattai hervorhob, wird der Geſetzentwurf über die Dienſtpragmatik nach der in wenigen Tagen erfolgenden erſten Leſung dem Ausſchuſſe zugewieſen werden und dann ſofort wieder auf die Tagesordnung geſtellt werden, damit der Ent- wurf im Hinblicke auf ſeine Wichtigkeit bald Geſetz werden könne. Für die Wiener Poſtdirektion war Oberpoſtrat v. Winkler, für die Finanzlandesdirektion Finanz- rat Nowotny anweſend. Der Vorſitzende Finanzrat Jordan (Gmunden) begrüßte die Erſchienenen, worauf namens des niederöſterreichiſchen Vereines Finanz- kommiſſär Dr. Waber den Regierungsentwurf einer Kritik unterzog und insbeſondere gegen jene Beſtimmungen des Geſetzentwurfes polemiſierte, durch welche die Ver- antwortlichkeit der Beamten bis zur Grenze des Straf- geſetzes in unverjährbarer Weiſe ausgedehnt werden ſoll. Finanzkommiſſär Dr. Feldmann aus Lemberg referierte in eingehender Weiſe über die Dienſtpragmatik, wobei er ſich in entſchiedener Weiſe gegen jede Ver- kürzung der ſtaatsbürgerlichen Rechte der Beamten und die geradezu als Gewaltverhältnis aufzufaſſende Stel- lung der Beamten wendete. Von dieſem Geſichtspunkte aus wies Dr. Feldmann auf die Mängel der Beſtim- mungen über die Lösbarkeit des Dienſtver- hältniſſes der Praktikanten und die Zuſammen- ſetzung der Qualifikationskommiſſionen hin, die nur aus Vertretern der Regierung, ohne jede Teilnahme der Intereſſenten beſtehen. Was die im Entwurfe feſtgelegte „Gehorſamspflicht“ betrifft, ſo ſei eine Moderniſierung unbedingt notwendig, eventuell nach ausländiſchem Muſter, wo der Gehorſam „innerhalb der Verfaſſung und der Geſetze“ verlangt wird, nicht aber wie im Ent- wurfe „bis an die Grenze das Strafgeſetzes“. Weiters ſeien die Beſtimmungen, betreffend Vereinsangelegenheiten der Beamten, ſehr drückend und würden in ihrer Durch- führung die Vernichtung der Organiſation mit ſich bringen. Auch die Gehalts- und Urlaubsbeſtimmungen ſeien nicht entſprechend, ebenſo wie jene, über die Verſetzung auf andere Dienſtpoſten ohne Ueberſiedlungsgebühren, da ſie den Beamten die Frucht des ſchwererrungenen Avancements wieder rauben. Das Disziplinarverfahren iſt wohl human gedacht, aber doch ſehr verbeſſerungs- bedürftig. Insbeſondere hinſichtlich des Ablehnungsrechtes von Senatsmitgliedern wegen Befangenheit und des Mangels einer Beſtimmung einer Verjährung von Dienſt- vergehen, der die Möglichkeit einer Verfolgung bis ans Grab offen läßt. Der Redner ſchloß ſeine Ausführungen mit dem Hinweis auf die Produktivität der für die Beamten aufgewendeten Ausgaben und appelliert an die Regierungsvertreter, die Wünſche der Beamtenſchaft zu erfüllen. Das Referat über das Zeitavancement erſtattete Poſtkommiſſär Dr. Kallina, der feſtſtellte, daß der Entwurf diesbezüglich große Enttäuſchung ge- bracht hat. Man hatte die berechtigte und längſt an- geſtrebte Gleichſtellung mit den Mittel- ſchulprofeſſoren erwartet. Dies ſei aber nicht der Fall und die akademiſch gebildete Beamtenſchaft iſt dadurch in unverdienter Weiſe zurückgeſetzt worden. Die Aufrückungsfriſten für die akademiſch gebildeten Beamten ſind im Entwurf ſo außerordentlich ungünſtig, daß ſie — abgeſehen von der ſozialen Stellung — auch den hohen Koſten des Hochſchulſtudiums nicht ent- ſprechen. Man bedenke: ein Gehalt von 3600 Kronen mit 40 Jahren, von 4800 Kronen mit 50 Jahren, von 6000 Kronen mit faſt 60 Jahren — das bedeutet direkt eine Entwertung des Hochſchulſtudiums, es bedeutet für den Juriſten oder Techniker, dem überhaupt noch ein Ausweg offenſteht, eine direkte Abſchreckung, ſich dem Staatsdienſt zu widmen. Der Referent verlangte ſchließlich bei der Beſoldung außer der Rückſicht auf die Rangsklaſſe auch die Be- rückſichtigung der Geſamtdienſtzeit als Entſchädigung für die in der Vorrückung Zurückgebliebenen. Die Be- amtenſchaft fordere nicht zuviel, ſondern nur die im Regierungsentwurfe verſprochene „ausgleichende Ge- rechtigkeit“. Nachdem Präſident Dr. Pattai und die an- weſenden Abgeordneten die Unterſtützung der vorge- brachten Wünſche der Beamten verſprochen hatten, wurde vom Finanzkommiſſär Manda nachſtehende Reſolution verleſen und mit großem Beifalle einſtimmig ange- nommen: Die Tagung der akademiſch gebildeten Staatsbeamten be- grüßt es, daß der Motivenbericht der Regierung offen zugibt, daß die Vorrückungsverhältniſſe der Beamten nach dem geltenden Beſoldungsſyſtem von bloßen Zufälligkeiten abhängen, und daß die beſtehenden Mißſtände nur durch die Reformierung des Beſoldungsſyſtems behoben werden können. Die Verſammlung vermißt aber in dem Regierungsentwurfe den Geſichtspunkt 51. Folge. Nachdruck verboten Stolz um Stolz. Roman aus dem Leben von O. Elſter. „Na, ich meinte ja nur, daß ich ihm auf den Zahn fühlen will,“ brummte Onkel Chriſtof. „Laß mich nur machen, Hildchen. Der Menſch hat ja ein Rieſenglück, und wenn er dann noch räſonnieren will, dann werde ich ihm ſchon die Augen öffnen. Es läuft ſo mancher in der Welt herum, der einen Fleck auf ſeiner weißen Weſte hat und dennoch ein braver Kerl iſt. Das Leben iſt nun einmal ſo. Alſo, ich ſage Dir morgen Beſcheid.“ Aber das war gar nicht nötig. Denn ſchon in der Frühe des nächſten Tages erhielt Mary einen ſchönen Roſenſtrauch von Herrn Dettmer mit einer herzlichen Einladung für den nächſten Sonntag nach Wannſee zur Beſichtigung der Villa. „Ihr Herr Papa, Fräulein Hilde, Herr Wacker- nagel und Fräulein Wera werden mir gewiß die Freude bereiten, mit von der Partie zu ſein,“ ſchloß das liebens- würdige Schreiben, das einen feinen Duft von Veilchen ausſtrömte. Und am Sonntag mittag erſchien Herr Dettmer ſelbſt, um Herrn Hildebrandt und die Damen abzuholen. Hilde blieb jedoch daheim. Da Frau Ritter eine Bekannte beſuchte, wollte ſie die Wohnung nicht allein laſſen; auch beabſichtigte ſie, eine Arbeit zu vollenden, die ſie vor einigen Tagen an- gefangen hatte. Mary war es ganz lieb, daß ſie den ernſten Augen Hildes entfliehen konnte. Sie freute ſich ungemein auf den Ausflug, war lebhaft und munter wie in früherer Zeit und bezauberte Herrn Dettmer durch ihr drolliges Weſen, in das ſich eine gewiſſe verlegene, ſchelmiſche Koketterie miſchte. Auf dem Bahnhof traf man mit Wera und Chriſtof Wackernagel zuſammen. Die erſtere war ernſt und ſtill wie immer, der kleine Maler dagegen von einer etwas lärmenden Luſtigkeit. Er neckte Mary, daß dieſe ein über das anderemal errötete; er ſcherzte über den könig- lichen Hofphotographen, was ſich dieſer gutmütig ge- fallen ließ — kurz, er trug weſentlich zur Unterhaltung und Erheiterung der kleinen Geſellſchaft bei. Im Schwediſchen Pavillon am Ufer des im ſchönſten Sonnenglanz leuchtenden Sees wurde zu Mittag ge- geſſen. Herr Dettmer ließ es ſich nicht nehmen, bei ſchäumendem Champagner einen Toaſt auf „alles, was wir lieben“, auszubringen, wobei er Mary mit ſo ſchwärmeriſchen Blicken anſah, daß dieſe verlegen er- rötend die Augen niederſchlug. Dann ging man nach der Villa, um ſie zu be- ſichtigen. Die kleine, aber ſehr hübſche Villa ſtand leer, war aber vollkommen inſtand, ſo daß ſie ſofort bezogen wer- den konnte. Ein nicht ſehr großer, aber hübſch angelegter Garten umgab das Haus, das zum Hintergrunde den ſchattigen, duftenden Hochwald hatte, während der Gar- ten in der Front an das Waſſer des Wannſees ſtieß. Mary gefiel alles ſehr gut. Sie lehnte ſich feſter auf den Arm Dettmers, als ſie mit ihm durch die Zimmer ſchritt und auf der Veranda ſtehen blieb, um die Blicke über den weiten See ſchweifen zu laſſen, auf dem gerade eine Segelbootregatta abgehalten wurde. Ein herrlicher Anblick war es! Die grünen Ufer, der glänzende Waſſerſpiegel mit den ſanft dahingleiten- den Segelbooten, darüber der blaue, wolkenloſe Himmel und ſtrahlender Sonnenſchein. Ein Bild des Friedens und der Freude — und un- willkürlich entſchlüpfte Marys Lippen ein Seufzer. Herr Dettmer ergriff ihre Hand. „Es iſt herrlich hier — wundervoll!“ Er drückte einen Kuß auf ihre Hand. „Alſo ſoll ich die Villa kaufen?“ fuhr er fort und ſeine Augen leuchteten. Sie drückte ihm ſtatt der Antwort ſanft die Hand und lehnte ſich zärtlich an ihn. Da ſchlang er ſeinen Arm um ihre Geſtalt und flüſterte: „Mary, liebe Mary, willſt Du hier als meine ſüße, liebe Frau wohnen? Willſt Du mich zum Glücklichſten der Sterblichen machen?“ „Ich will es verſuchen,“ entgegnete ſie, mit reizen- dem Lächeln zu ihm aufblickend. Da küßte er ſie auf den Mund und zog ſie ſtürmiſch in ſeine Arme. „Dank — tauſend Dank, meine Mary.“ Sie erwiderte ſeinen Kuß — ſie war glücklich in dem Gedanken, einen Hafen des friedlichen, ſtillen Glückes gefunden zu haben. Ihr Herz war von Dank er- füllt — doch plötzlich flog ein Schatten über ihr Geſicht und ſie entzog ſich ſeiner Umarmung. Sie dachte an das Unglück ihres Lebens. „Du weißt,“ ſagte ſie ſtammelnd, „ich — ich war am Theater ...“ „Ja — aber nicht wahr, Du ſehnſt Dich nicht dort- hin zurück?“ „O nein — nein! Wenn Du nur vergeſſen kannſt ...“ Sie brach ab und erglühte heiß. Da nahm er ihre Hände und blickte ihr ernſt und herzlich in die mit Tränen erfüllten Augen. „Es ſoll mein Beſtreben ſein, Mary,“ ſprach er mit tiefem Gefühl, „Dich, meine Mary, vergeſſen zu machen, was Du gelitten haſt.“ Da ſank ſie aufſchluchzend an ſeine Bruſt und ihre Tränen löſchten die Angſt ihres Herzens, die Schuld und das Unglück ihres Lebens aus. „Ich habe Dich lieb, Du Lieber, Du Guter,“ flüſterte ſie. (Fortſetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 106, Wien, 18.04.1910, S. 1. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost106_1910/1>, abgerufen am 21.11.2024.