Reichspost. Nr. 78, Wien, 06.04.1897.78 Wien, Dienstag, 6. April 1897 Reichspost [Spaltenumbruch] Volkswirthschaftlicher Theil. Der Congreß landwirthschaftlicher Ver- suchsstationen wurde nach dreitägiger Dauer Canalprojecte. Das Handelsministerium hat Die österreichischen Maßregeln gegen die amerikanische Tarifbill. Der für die zweite Hälfte Insolvenznachrichten. Vom Wiener Landesgerichte Aus den Kranländern. Mähren. Mähr.-Trübau. (Ein schlechter Witz.) Ein Insasse von Böhmen. Budweis. (Nachklänge vom Besuche des Dr. Böhmisch-Leipa. Kreisgerichtspräsident Franz Prag. Das hiesige czechisch-"christlich-sociale" Tirol. Innsbruck. (Das goldene Dachl.) Der hiesige Galizien. Stanislau. (Jüdischer Geschäftsgeist.) Ein hiesiger Aus Transleithanien. Croatien. Belovar. (Todesurtheil.) Vom hiesigen Gerichte Ungarn. Budapest. (Zur Verhaftung des Polizeirathes Gerichtssaal. Der permanente Candidat für Wien. Wann Der Ehrenbeleidigungsproceß Dr. Lueger- Tomanek, der heute verhandelt werden sollte, wurde [Spaltenumbruch] Gemeindezeitung. Sitzungen im Rathhause. Im Laufe dieser Zur Bürgermeisterwahl. Wie wir bereits ge- Aus der Gascomission. Samstag Nachmit- Neue Armenräthe. Der Bezirksausschuß für Verkehrsanlagen in Wien. Auf das Er- Von der Gendarmerie. Das Landesvertheidigungs- Wissenschaft und Literatur. Von sehr geschätzter Seite schreibt man uns: "Zu 78 Wien, Dienſtag, 6. April 1897 Reichspoſt [Spaltenumbruch] Volkswirthſchaftlicher Theil. Der Congreß landwirthſchaftlicher Ver- ſuchsſtationen wurde nach dreitägiger Dauer Canalprojecte. Das Handelsminiſterium hat Die öſterreichiſchen Maßregeln gegen die amerikaniſche Tarifbill. Der für die zweite Hälfte Inſolvenznachrichten. Vom Wiener Landesgerichte Aus den Kranländern. Mähren. Mähr.-Trübau. (Ein ſchlechter Witz.) Ein Inſaſſe von Böhmen. Budweis. (Nachklänge vom Beſuche des Dr. Böhmiſch-Leipa. Kreisgerichtspräſident Franz Prag. Das hieſige czechiſch-„chriſtlich-ſociale“ Tirol. Innsbruck. (Das goldene Dachl.) Der hieſige Galizien. Stanislau. (Jüdiſcher Geſchäftsgeiſt.) Ein hieſiger Aus Transleithanien. Croatien. Belovar. (Todesurtheil.) Vom hieſigen Gerichte Ungarn. Budapeſt. (Zur Verhaftung des Polizeirathes Gerichtsſaal. Der permanente Candidat für Wien. Wann Der Ehrenbeleidigungsproceß Dr. Lueger- Tomanek, der heute verhandelt werden ſollte, wurde [Spaltenumbruch] Gemeindezeitung. Sitzungen im Rathhauſe. Im Laufe dieſer Zur Bürgermeiſterwahl. Wie wir bereits ge- Aus der Gascomiſſion. Samſtag Nachmit- Neue Armenräthe. Der Bezirksausſchuß für Verkehrsanlagen in Wien. Auf das Er- Von der Gendarmerie. Das Landesvertheidigungs- Wiſſenſchaft und Literatur. Von ſehr geſchätzter Seite ſchreibt man uns: „Zu <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0009" n="9"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">78 Wien, Dienſtag, 6. April 1897 Reichspoſt</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jFinancialNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Volkswirthſchaftlicher Theil.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Congreß landwirthſchaftlicher Ver-<lb/> ſuchsſtationen</hi> </head> <p>wurde nach dreitägiger Dauer<lb/> Samſtag geſchloſſen. Im Vordergrunde der Berathungen<lb/> ſtanden die Anträge bezüglich Errichtung einer ſämmt-<lb/> liche Verſuchsſtationen umfaſſenden Organiſation der<lb/> Reform des Verſuchsweſens, namentlich in der Richtung,<lb/> daß für die Unterſuchungsmethoden eine einheitliche<lb/> Baſis zu ſchaffen ſei Bezüglich der Organiſation des<lb/> heimiſchen Verſuchsweſens gelangte folgende Reſolution<lb/> vom Regierungsrathe Mach (San Michele) zur An-<lb/> nahme: „Die Entwicklung des landwirthſchaftlichen<lb/> botaniſchen Verſuchsweſens„ reſpective der Samen-<lb/> Controlſtationen und der landwirthſchaftlich chemiſchen<lb/> Verſuchsſtationen ſoll den verſchiedenen Verhältniſſen der<lb/> einzelnen Länder und Wirthſchaftsgebiete entſprechend eine<lb/> freie bleiben. Eine Organiſation in dem Sinne, daß<lb/> die Samen-Controlſtationen der einzelnen Länder als<lb/> Filialen der Samen-Controlſtation in Wien untergeordnet<lb/> werden, erſcheint nicht zweckmäßig, dagegen erſcheint es<lb/> unbedingt nöthig, daß der Staat nur die Errichtung<lb/> ſolcher landwirthſchaftlich chemiſcher und botaniſcher<lb/> Verſuchsſtationen genehmigt und ſubventionirt, welche<lb/> ſowohl hinſichtlich der Anforderungen, die an ihr Per-<lb/> ſonal geſtellt werden, als auch hinſichtlich ihrer Ein-<lb/> richtungen die volle Gewähr bieten, entſprechend und<lb/> zum Nutzen der Landwirthſchaft ihres Gebiets arbeiten<lb/> zu können.“ Lebhafte Zuſtimmung fand ein Antrag<lb/> auf die Errichtung eines Verbandes. Zur Durchführung<lb/> der nöthigen Vorarbeiten wurde ein Comité gewählt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Canalprojecte.</hi> </head> <p>Das Handelsminiſterium hat<lb/> die Bewilligung zur Vornahme techniſcher Vorarbeiten<lb/> für den Bau von Schiffahrtscanälen zwiſchen Wien-<lb/> Prerau-Oderberg-Krakau, Prerau-Pardubitz und Krakau-<lb/> Sadowa-Wisznia-Brody mit einer Abzweigung von<lb/> Sadowa-Wisznia nach Petrylow zum Anſchluſſe an den<lb/> Dnieſter auf die Dauer eines Jahres ertheilt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die öſterreichiſchen Maßregeln gegen die<lb/> amerikaniſche Tarifbill.</hi> </head> <p>Der für die zweite Hälfte<lb/> April vom Centralverband der Induſtriellen in Aus-<lb/> ſicht genommene allgemeine Verbandstag wird darüber<lb/> berathen, auf welche Weiſe eine Cooperation der<lb/> europäiſchen Staaten zu dem Zwecke angebahnt werden<lb/> könnte, um der von Amerika immer mehr drohenden<lb/> wirtyſchaftlichen Gefahr zu begegnen. Die Haupt-<lb/> ausfuhrartikel, welche von Oeſterreich nach den Ver-<lb/> einigten Staaten gehen, ſind: Bier, Leinen-, Woll- und<lb/> Baumwollwaaren, ſeidene Beſatzartikel, Glas und<lb/> Porcellan, einzelne Artikel der chemiſchen Induſtrie,<lb/> künſtliche Blumen, Ledergalanteriewaaren, Muſik-<lb/> inſtrumente, Perlmutterknöpfe, Fächer. Das Ausmaß<lb/> der von der neuen Tarifbill vorgeſchlagenen Zoll-<lb/> erhöhungen ergibt ſich am deutlichſten aus einem Blick<lb/> auf die davon erwartete Steigerung der Zolleinnahmen.<lb/> Auf Grundlage der letztjährigen Handelsausweiſe läßt<lb/> die Bill eine Mehreinnahme um 112 Millionen Dollars<lb/> vorausſetzen, die ſich in der folgenden Weiſe vertheilen:<lb/> Chemiſche Erzeugniſſe 3·5 Millionen Dollars, Porcellan-<lb/> und Glaswaaren 4·3, Metalle 4, Holz 1·5, Zucker<lb/> 21·75, Tabak 7, Ackerbauproducte 6·3, Spirituoſen,<lb/> Weine und andere geiſtige Getränke 1·8, Jute, Flachs<lb/> und Hanf 7·8, Wolle 17·5, Wollfabrikate 27, Seide<lb/> 1·5, Holzpapiermaſſe und Papier 0·058, endlich in der<lb/> Tarifgruppe: Diverſe, mehr um 6·5 Millionen Dollars.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Inſolvenznachrichten.</hi> </head> <p>Vom Wiener Landesgerichte<lb/> wurde der über das Vermögen des Carl Scheller, nicht-<lb/> protocollirten Mehlhändlers in Wien, 18. Bez., Währing,<lb/> Schulgaſſe Nr. 7, verhängte Concurs für aufge-<lb/> hoben und beendet erklärt. — Der Creditorenverein ver-<lb/> öffentlicht nachfolgende Inſolvenzen: Lajos Kozma, Kauf-<lb/> mann in Eperies; Guſtav Hogmann (Verlaſſenſchaft),<lb/> Streichgarnſpinner in Katharinenberg; Pietro Collerig,<lb/> Handelsmann in Cormons; Hermann Bettelheim, nicht-<lb/> protocollirter Kaufmann in Wien, 17. Bez., Ottakringer-<lb/> ſtraße Nr. 30; Ernſt Winter, Schuhwaarenfabrikant in<lb/> Boskowitz; Vilmos Schönberger, Kaufmann in Debreczin;<lb/> Moritz Birnbaum, Inhaber eines Herrenmode-Geſchäftes in<lb/> Lemberg; J. Kühnel, Kaufmann in Komotau; Joſef<lb/> Gergely, Kaufmann in Szt. Varalva; H. Bauer, Handels-<lb/> mann in Wien, 1. Bez., Sterngaſſe; E. D. Richetti,<lb/> Handelsfirma in Trieſt; R Singer, Handelsfirma in Agram;<lb/> Franz Rauſch (Verlaſſenſchaft), Schnittwaarenhändler in<lb/> Brünn; Adolf Hirſchfeld, Kaufmann in Szederkeny.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Aus den Kranländern.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Mähren.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Mähr.-Trübau.</hi> </head> <p>(Ein ſchlechter Witz.) Ein Inſaſſe von<lb/> Hoch-Hermersdorf erſchien jüngſt bei ſeinem Pfarrer und<lb/> klagte ihm, daß er vor einigen Jahren etwas aus der Kirche<lb/> mitgenommen habe, was ihm nun keine Ruhe gebe. Der<lb/> geiſtliche Herr, in der Meinung, einen reuigen Kirchendieb<lb/> vor ſich zu haben, tröſtete den Mann und forderte ihn auf,<lb/> die Sache wieder zurückzuſtellen. Derſelbe ging fort und<lb/> kehrte bald mit ſeiner Ehegattin zurück, welche er dem Seel-<lb/> ſorger mit den Worten vorſtellte: „Dieſe hier habe ich vor<lb/> einigen Jahren aus der Kirche mitgenommen, und ſie iſt es,<lb/> welche mir keine Ruhe gönnt.“ Die unglückliche Frau,<lb/> welche ihren Ehegatten auf beſſere Lebenswege bringen<lb/> wollte, verfiel in Folge des ſchlechten Witzes in Wahnſinn.<lb/> Und da haben Leute noch den Muth, ſich über die That<lb/> dieſes Mannes luſtig zu machen.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Böhmen.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Budweis.</hi> </head> <p>(Nachklänge vom Beſuche des Dr.<lb/> Lueger.) Die groben Exceſſe der Budweiſer Juden<lb/> anläßlich der Ankunft Dr. Luegers ſind noch in friſcher<lb/> Erinnerung unſerer Leſer; ebenſo die unwürdige Rolle,<lb/> welche der Jugendbildner <hi rendition="#g">Gans</hi> bei denſelben ſpielle.<lb/> Trotz der großen Protection, welcher ſich dieſer Lehrer<lb/><cb/> namentlich von Seite des Bürgermeiſterſtellvertreters<lb/><hi rendition="#g">Taſchek</hi> erfreute, konnte der Letztere nicht verhindern,<lb/> daß Gans vom Dienſte ſuspendirt wurde. Taſchek<lb/> ſetzte jedoch durch, daß eine ähnliche Maßregel auch<lb/> den Katecheten <hi rendition="#g">Foltin</hi> traf, welcher bekanntlich bei<lb/> dem auf Dr. Lueger perübten Attentate den Letzteren<lb/> ſchützte. Dieſer Tage fand nun im Budweiſer Schul-<lb/> rathe die Verhandlung über die Suspendirungsangele-<lb/> genheit ſtatt, wobei der Schulinſpector den Antrag<lb/> ſtellte, daß der als Excedent bekannte Lehrer Gans<lb/> aus Budweis verſetzt werde. Dieſem Antrage opponirte jedoch<lb/> Taſchek aufs Heftigſte und er ſetzte es auch wirklich<lb/> durch, daß der Antrag des Schulinſpectors nicht ange-<lb/> nommen wurde. Hierauf beantragte Taſchek, daß der<lb/> Katechet Foltin verſetzt und ihm eine Rüge ertheilt<lb/> werde, und dieſer Antrag wurde angenommen. Es iſt<lb/> ſelbſtverſtändlich, daß hier noch eine höhere Inſtanz,<lb/> als es der Herr Taſchek iſt, ein Wörtchen mitzureden<lb/> hat, aber dieſe Angelegenheit iſt charakteriſtiſch für die<lb/> Verhältniſſe in Budweis.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Böhmiſch-Leipa.</hi> </head> <p>Kreisgerichtspräſident Franz<lb/> Bauer hat wegen hohen Alters die Verſetzung in den<lb/> dauernden Ruheſtand erbeten und erhalten. Bei dieſer<lb/> Gelegenheit wurde dem allgemein geachteten Manne<lb/> auf’s Neue die allerhöchſte Anerkennung für ſeine viel-<lb/> jährige, treue und ſtets vorzügliche Dienſtleiſtung aus-<lb/> geſprochen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Prag.</hi> </head> <p>Das hieſige czechiſch-„chriſtlich-ſociale“<lb/> Blatt „Lidovy Liſt“ ſchreibt in Nr. 8: „Wir wieder-<lb/> holen es <hi rendition="#g">fortwährend,</hi> daß die deutſcheu<lb/> Chriſtlich-Socialen zuerſt Deutſche und dann Chriſten<lb/> ſind. Sie ſollten ſich ſchämen, Chriſten ſo mit Füßen<lb/> zu treten. Die geiſtliche Leitung in allen Wiener<lb/> Pfarreien iſt ausſchließlich deutſch. Das Wiener<lb/> Conſiſtorium beſcheidet jedes Geſuch um czechiſchen<lb/> Gottesdienſt abſchlägig. In Dresden und Hamburg<lb/> wird czechiſch gepredigt, aber in Wien iſt das Czechiſche<lb/> von der Kanzel und Altar ausgeſchloſſen. „Gehet hin<lb/> und lehret alle Völker“, ſagt Chriſtus; aber keiner der<lb/> hohen geiſtlichen Herren hat auch dieſe Wahrheit er-<lb/> faßt. Die Frucht ſolcher Handlungsweiſe iſt fürchter-<lb/> lich!“ — So das Hetzerei-Blatt. Als ob das fürſterz-<lb/> biſchöfliche Conſiſtorium chriſtlich-ſocial wäre. Uebrigens<lb/> iſt das Vorſtehende gar nicht wahr, ſondern ein Gang<lb/> in die Wiener Redemptoriſtenkirche widerlegt das<lb/> czechiſche Blatt. Wie ſteht es aber in Prag, wo in den<lb/> letzten Jahrzehnten die deutſchen Predigten abgeſchafft<lb/> worden ſind? Die geiſtliche Behörde in Wien dürfte<lb/> wohl gut unterrichtet ſein, inwieweit realer Bedarf<lb/> nach Czechiſchem beſteht, und wie viel der Begehrlichkeit<lb/> der rein nationalen Agitation zuzuſchreiben iſt.</p> </div> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Tirol.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Innsbruck.</hi> </head> <p>(Das goldene Dachl.) Der hieſige<lb/> Gemeinderath hat beſchloſſen, zwei Preiſe: 600 und<lb/> 400 Kronen für eine ſtylgerechte Renovirung des gol-<lb/> denen Dachels und der beiden Seiten desſelben auszu-<lb/> ſchreiben. Der Termin für die Preisbewerbung dauert<lb/> 3 Monate.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Galizien.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Stanislau.</hi> </head> <p>(Jüdiſcher Geſchäftsgeiſt.) Ein hieſiger<lb/> jüdiſcher Kaufmann, der in den Stand der Ehe zu<lb/> treten beabſichtigte, verſchickte an ſämmtliche Firmen,<lb/> mit denen er in Geſchäftsverbindung ſtand, die Ein-<lb/> ladung zu ſeiner Trauung, auf welcher überdies noch<lb/> zu leſen war, daß behufs Fortbeſtandes der Geſchäfts-<lb/> verbindung — Brautgeſchenke erwartet werden. Dann<lb/> ſoll man nicht Antiſemit werden!</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Aus Transleithanien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Croatien.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Belovar.</hi> </head> <p>(Todesurtheil.) Vom hieſigen Gerichte<lb/> wurde der 27jährige Franz <hi rendition="#g">Cmrlec</hi> wegen Raub-<lb/> mordes an der Mühlenbeſitzerin Julie <hi rendition="#g">Barec</hi> in<lb/> Sigetec zum Tode durch den Strang verurtheilt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Ungarn.</hi> </head><lb/> <head> <hi rendition="#b">Budapeſt.</hi> </head> <p>(Zur Verhaftung des Polizeirathes<lb/> Chudy.) Die Unterſuchung gegen den Polizeirath Hugo<lb/> Chudy iſt bereits abgeſchloſſen und werden demſelben<lb/> nicht weniger als 15 Documentenfälſchungen, 4 Defrau-<lb/> dationen und 17 Amtsveruntreuungen im Geſammt-<lb/> ſchaden von 10.000 fl. zur Laſt gelegt.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Gerichtsſaal.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der permanente Candidat für Wien.</hi> </head> <p>Wann<lb/> immer in den letzten Jahren in Wien Wahlen ausge-<lb/> ſchrieben waren, offerirte ſich den Wienern durch zahl-<lb/> loſe Placate der Hausbeſitzer Moſes <hi rendition="#g">Freund</hi> als<lb/> Candidat auf eigene Fauſt. Dieſer Tage ſollte nun<lb/> gegen denſelben eine Ehrenbeleidigungsklage zur Aus-<lb/> tragung gelangen, von welcher jedoch Abſtand genommen<lb/> werden mußte, da ſich, der amtlichen Relation zu Folge,<lb/> der permanente Candidat auf der — pſychiatriſchen<lb/> Klinik befindet.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Ehrenbeleidigungsproceß Dr. Lueger-<lb/> Tomanek,</hi> </head> <p>der heute verhandelt werden ſollte, wurde<lb/> vertagt, weil inzwiſchen mehrere chriſtlich-ſociale Ge-<lb/> meinderäthe ebenfalls eine Klage gegen den radical-<lb/> deutſchnationalen Gemeinderath und Lehrer Paul<lb/><hi rendition="#g">Tomanek</hi> eingebracht hatten. Dieſer neuen Klage<lb/> liegt ein Ausruf des Geklagten nach jenem Conflicte<lb/> mit Dr. Lueger zu Grunde, daß er „in einer ſolchen<lb/> infamen Geſellſchaft nicht bleiben werde“ Das Bezirks-<lb/> gericht Alſergrund hat die Verfügung getroffen, daß<lb/> beide Klagen gemeinſchaftlich verhandelt werden.</p><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jLocal" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Gemeindezeitung.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Sitzungen im Rathhauſe.</hi> </head> <p>Im Laufe dieſer<lb/> Woche findet eine Sitzung des <hi rendition="#g">Gemeinderathes</hi><lb/> zur Erledigung currenter Geſchäftsſtücke, und zwar am<lb/> Freitag ſtatt. Der <hi rendition="#g">Stadtrath</hi> hält Dienſtag,<lb/> Mittwoch und Freitag Sitzungen ab.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Zur Bürgermeiſterwahl.</hi> </head> <p>Wie wir bereits ge-<lb/> meldet haben, findet die Bürgermeiſterwahl in einer<lb/> hiezu eigens für den 8. d., 10 Uhr Vormittags anbe-<lb/> raumten Gemeinderathsſitzung ſtatt. Zu dieſer Sitzung<lb/> wurden die Gemeinderäthe vom geſchäftsführenden Vice-<lb/> bürgermeiſter Dr. Lueger mit dem Beifügen eingeladen,<lb/> daß jene Mitglieder des Gemeinderathes, welche ent-<lb/> weder <hi rendition="#g">gar nicht erſcheinen</hi> oder vor Beendi-<lb/> gung der Wahlhandlung <hi rendition="#g">ſich entfernen,</hi> ohne<lb/> ihr Ausbleiben oder ihre Entfernung durch hinreichende<lb/> Gründe zu entſchuldigen, als ihres Amtes verluſtig<lb/> anzuſehen ſind und in dem Zeitraume von zwei Jahren<lb/> nicht wieder gewählt werden können. Zugleich mit der<lb/> Einladung zur Wahlſitzung erhielten die Gemeinderäthe<lb/> auch den Stimmzettel zugeſtellt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Aus der Gascomiſſion.</hi> </head> <p>Samſtag Nachmit-<lb/> tags fand unter dem Vorſitze des Vicebürgermeiſters<lb/> Dr. <hi rendition="#g">Lueger</hi> eine Sitzung der Gascommiſſion ſtatt,<lb/> in welcher die Projecte für verſchiedene Baulichkeiten<lb/> genehmigt wurden. Die Herſtellung der vier Gasbe-<lb/> hälterglocken wurde der Firma Ig. <hi rendition="#g">Gridl,</hi> die<lb/> Schloſſerarbeiten für das Ofenhaus dem Carl <hi rendition="#g">Heger</hi><lb/> übertragen. Wegen Sicherſtellung des Bedarfes der er-<lb/> forderlichen Gasrohrſchieber wird eine allgemeine ſchrift-<lb/> liche Offertverhandlung ausgeſchrieben werden. Weiter<lb/> wurde der principielle Beſchluß gefaßt, in Alleen,<lb/> Gartenanlagen, in Straßen mit Betondecke und in be-<lb/> ſonders gefährlichem Terrain das Straßenrohrnetz mit<lb/> Entlüftungsvorrichtungen zu verſehen. — Der Bau der<lb/> ſtädtiſchen Gaswerke an der Donaulände in Simmering<lb/> ſchreitet in ſehr erfreulicher Weiſe fort.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Neue Armenräthe.</hi> </head> <p>Der Bezirksausſchuß für<lb/> die Innere Stadt hat den Hutmacher Wilhelm Blau<lb/> und den Kleidermacher Maximilian Swadoſch zu<lb/> Armenräthen gewählt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Verkehrsanlagen in Wien.</hi> </head> <p>Auf das Er-<lb/> ſuchen der k. k. Baudirection für die Wiener Stadt-<lb/> bahn um Feſtſtellung der feuerſicheren Herſtellungen auf<lb/> der Vorortelinie der Wiener Stadtbahn in der Kata-<lb/> ſtralgemeinde Penzing findet die gemäß § 26 der<lb/> Handelsminiſteriumsverordnung vom 25. Januar 1879<lb/> vorzunehmende commiſſionelle Erhebnng am Montag<lb/> den 12. d. unter der Leitung des Statthaltereiſecretärs<lb/> Hans Hruſchka ſtatt. Die Commiſſionsmitglieder ver-<lb/> ſammeln ſich um ½10 Uhr Vormittags im Bahnhofe<lb/> in Penzing.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Von der Gendarmerie.</hi> </head> <p>Das Landesvertheidigungs-<lb/> miniſterium hat folgende neue Gendarmerie-Poſten aufgeſtellt:<lb/> im Bereiche des Landes-Gendarmeriecommando Nr. 1; für<lb/> Niederöſterreich zu Rottenſchachen, Bezirkshauptmannſchaft<lb/> Waidhoſen an der Thaya; zu Wullersdorf, Bezirkshaupt-<lb/> mannſchaft Oberhollabrunn; zu Pyrawarth, Bezirkshaupt-<lb/> mannſchaft Floridsdorf; zu Absdorf und zu Thalheim (<hi rendition="#aq">ad</hi><lb/> Murſtetten) Bezirkshauptmannſchaft Tulln; im Bereiche des<lb/> Landes-Gendarmeriecommando Nr. 5 für Galizien: Dydia-<lb/> tycze, Bezirkshauptmannſchaft Mosciska, und im Bereiche<lb/> des Landes-Dendarmeriecommando Nr. 14 für Kärnten: zu<lb/> Krumpendorf, Bezirkshauptmannſchaft Klagenfurt. Belobungs-<lb/> zeugniſſe und Remunerationen aus dem Gendarmerie-Be-<lb/> lohnungsfonde erhielt für beſondere Leiſtungen der Poſten-<lb/> führer Anton Schmied; Belobungszeugniſſe erhielten: Wacht-<lb/> meiſter Joſef Schiller, Poſtenfuhrer Carl Matousec, Joſef<lb/> Meißner und Franz Motſchiner.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jCulturalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Wiſſenſchaft und Literatur.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>Von ſehr geſchätzter Seite ſchreibt man uns: „Zu<lb/> dem ganz vorzüglichen Feuilleton-Artikel über den jetzt auch<lb/> nach Wien verpflanzten Theoſophismus hätte ich noch<lb/> Einiges hinzuzufügen. Es iſt zwar durchaus nicht das<lb/> Richtige, wenn man gleich für alle irgendwie auf-<lb/> fälligen ſchlimmen Vorfälle im öffentlichen Leben als<lb/> Urſache die Freimaurerei wie einen <hi rendition="#aq">deus ex machina</hi><lb/> auftauchen läßt, aber im vorliegenden Falle ſcheint<lb/> mir der Umſtand, daß die Reclame gerade in der<lb/> „Deutſchen Zeitung“ erſchien, doch eine Beziehung zu<lb/> der ehrwürdigen Bruderſchaft aufzuweiſen. Ungariſche<lb/> Logenzeugniſſe haben behauptet, daß der Heraus-<lb/> geber der „Deutſchen Zeitung“ dem Bunde der<lb/> Brüder angehört. Und auch dieſe ganze Theoſo-<lb/> phiſterei, dieſe curioſe „Gottesweisheit“, die keinen<lb/> Gott braucht (!), ähnelt aufs Haar der Maurerei,<lb/> die in ihren unſinnigen deiſtiſchen und pantheiſtiſchen<lb/> Dogmen eine „Metaphyſik“ liefern, in ihrem kindiſchen<lb/> Ceremoniell einen „Cultus“ herſtellen, und in<lb/> der maureriſchen Action dem „Bekenntniß theore-<lb/> tiſcher zugleich ein ſolches praktiſcher Natur“<lb/> hinzufügen will. — Die Theoſophiſterei iſt<lb/> nur die Auffriſchung der allgemach etwas<lb/> langweilig und defect gewordenen Formen durch die<lb/> Pikanterien des Spiritismus. In Amerika, London,<lb/> Paris und Berlin hat ſie ja ihr Unweſen ſchon einige<lb/> Zeit getrieben, und jetzt iſt auch unſer Wien ſo<lb/> glücklich, von den Strahlen dieſes, wie es ſcheint, von<lb/> Weſten nach Oſten gehenden „Lichtes“ getroffen zu<lb/> werden. Nach all dem Unſinn, der darin ſchon ander-<lb/> wärts zu Tage gefördert wurde, braucht man aller-<lb/> dings nicht gerade allzu neugierig darauf ſein, was ſich<lb/> bei uns nun zeigen wird. Aber wer weiß, vielleicht<lb/> zeitigt der Wiener Boden doch noch etwas Apartes!<lb/> Und ſo ſind wir doch noch in einiger Erwartung. Denn<lb/> wir denken, daß die „Theoſophiſche Geſellſchaft“ doch<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [9/0009]
78 Wien, Dienſtag, 6. April 1897 Reichspoſt
Volkswirthſchaftlicher Theil.
Der Congreß landwirthſchaftlicher Ver-
ſuchsſtationen wurde nach dreitägiger Dauer
Samſtag geſchloſſen. Im Vordergrunde der Berathungen
ſtanden die Anträge bezüglich Errichtung einer ſämmt-
liche Verſuchsſtationen umfaſſenden Organiſation der
Reform des Verſuchsweſens, namentlich in der Richtung,
daß für die Unterſuchungsmethoden eine einheitliche
Baſis zu ſchaffen ſei Bezüglich der Organiſation des
heimiſchen Verſuchsweſens gelangte folgende Reſolution
vom Regierungsrathe Mach (San Michele) zur An-
nahme: „Die Entwicklung des landwirthſchaftlichen
botaniſchen Verſuchsweſens„ reſpective der Samen-
Controlſtationen und der landwirthſchaftlich chemiſchen
Verſuchsſtationen ſoll den verſchiedenen Verhältniſſen der
einzelnen Länder und Wirthſchaftsgebiete entſprechend eine
freie bleiben. Eine Organiſation in dem Sinne, daß
die Samen-Controlſtationen der einzelnen Länder als
Filialen der Samen-Controlſtation in Wien untergeordnet
werden, erſcheint nicht zweckmäßig, dagegen erſcheint es
unbedingt nöthig, daß der Staat nur die Errichtung
ſolcher landwirthſchaftlich chemiſcher und botaniſcher
Verſuchsſtationen genehmigt und ſubventionirt, welche
ſowohl hinſichtlich der Anforderungen, die an ihr Per-
ſonal geſtellt werden, als auch hinſichtlich ihrer Ein-
richtungen die volle Gewähr bieten, entſprechend und
zum Nutzen der Landwirthſchaft ihres Gebiets arbeiten
zu können.“ Lebhafte Zuſtimmung fand ein Antrag
auf die Errichtung eines Verbandes. Zur Durchführung
der nöthigen Vorarbeiten wurde ein Comité gewählt.
Canalprojecte. Das Handelsminiſterium hat
die Bewilligung zur Vornahme techniſcher Vorarbeiten
für den Bau von Schiffahrtscanälen zwiſchen Wien-
Prerau-Oderberg-Krakau, Prerau-Pardubitz und Krakau-
Sadowa-Wisznia-Brody mit einer Abzweigung von
Sadowa-Wisznia nach Petrylow zum Anſchluſſe an den
Dnieſter auf die Dauer eines Jahres ertheilt.
Die öſterreichiſchen Maßregeln gegen die
amerikaniſche Tarifbill. Der für die zweite Hälfte
April vom Centralverband der Induſtriellen in Aus-
ſicht genommene allgemeine Verbandstag wird darüber
berathen, auf welche Weiſe eine Cooperation der
europäiſchen Staaten zu dem Zwecke angebahnt werden
könnte, um der von Amerika immer mehr drohenden
wirtyſchaftlichen Gefahr zu begegnen. Die Haupt-
ausfuhrartikel, welche von Oeſterreich nach den Ver-
einigten Staaten gehen, ſind: Bier, Leinen-, Woll- und
Baumwollwaaren, ſeidene Beſatzartikel, Glas und
Porcellan, einzelne Artikel der chemiſchen Induſtrie,
künſtliche Blumen, Ledergalanteriewaaren, Muſik-
inſtrumente, Perlmutterknöpfe, Fächer. Das Ausmaß
der von der neuen Tarifbill vorgeſchlagenen Zoll-
erhöhungen ergibt ſich am deutlichſten aus einem Blick
auf die davon erwartete Steigerung der Zolleinnahmen.
Auf Grundlage der letztjährigen Handelsausweiſe läßt
die Bill eine Mehreinnahme um 112 Millionen Dollars
vorausſetzen, die ſich in der folgenden Weiſe vertheilen:
Chemiſche Erzeugniſſe 3·5 Millionen Dollars, Porcellan-
und Glaswaaren 4·3, Metalle 4, Holz 1·5, Zucker
21·75, Tabak 7, Ackerbauproducte 6·3, Spirituoſen,
Weine und andere geiſtige Getränke 1·8, Jute, Flachs
und Hanf 7·8, Wolle 17·5, Wollfabrikate 27, Seide
1·5, Holzpapiermaſſe und Papier 0·058, endlich in der
Tarifgruppe: Diverſe, mehr um 6·5 Millionen Dollars.
Inſolvenznachrichten. Vom Wiener Landesgerichte
wurde der über das Vermögen des Carl Scheller, nicht-
protocollirten Mehlhändlers in Wien, 18. Bez., Währing,
Schulgaſſe Nr. 7, verhängte Concurs für aufge-
hoben und beendet erklärt. — Der Creditorenverein ver-
öffentlicht nachfolgende Inſolvenzen: Lajos Kozma, Kauf-
mann in Eperies; Guſtav Hogmann (Verlaſſenſchaft),
Streichgarnſpinner in Katharinenberg; Pietro Collerig,
Handelsmann in Cormons; Hermann Bettelheim, nicht-
protocollirter Kaufmann in Wien, 17. Bez., Ottakringer-
ſtraße Nr. 30; Ernſt Winter, Schuhwaarenfabrikant in
Boskowitz; Vilmos Schönberger, Kaufmann in Debreczin;
Moritz Birnbaum, Inhaber eines Herrenmode-Geſchäftes in
Lemberg; J. Kühnel, Kaufmann in Komotau; Joſef
Gergely, Kaufmann in Szt. Varalva; H. Bauer, Handels-
mann in Wien, 1. Bez., Sterngaſſe; E. D. Richetti,
Handelsfirma in Trieſt; R Singer, Handelsfirma in Agram;
Franz Rauſch (Verlaſſenſchaft), Schnittwaarenhändler in
Brünn; Adolf Hirſchfeld, Kaufmann in Szederkeny.
Aus den Kranländern.
Mähren.
Mähr.-Trübau. (Ein ſchlechter Witz.) Ein Inſaſſe von
Hoch-Hermersdorf erſchien jüngſt bei ſeinem Pfarrer und
klagte ihm, daß er vor einigen Jahren etwas aus der Kirche
mitgenommen habe, was ihm nun keine Ruhe gebe. Der
geiſtliche Herr, in der Meinung, einen reuigen Kirchendieb
vor ſich zu haben, tröſtete den Mann und forderte ihn auf,
die Sache wieder zurückzuſtellen. Derſelbe ging fort und
kehrte bald mit ſeiner Ehegattin zurück, welche er dem Seel-
ſorger mit den Worten vorſtellte: „Dieſe hier habe ich vor
einigen Jahren aus der Kirche mitgenommen, und ſie iſt es,
welche mir keine Ruhe gönnt.“ Die unglückliche Frau,
welche ihren Ehegatten auf beſſere Lebenswege bringen
wollte, verfiel in Folge des ſchlechten Witzes in Wahnſinn.
Und da haben Leute noch den Muth, ſich über die That
dieſes Mannes luſtig zu machen.
Böhmen.
Budweis. (Nachklänge vom Beſuche des Dr.
Lueger.) Die groben Exceſſe der Budweiſer Juden
anläßlich der Ankunft Dr. Luegers ſind noch in friſcher
Erinnerung unſerer Leſer; ebenſo die unwürdige Rolle,
welche der Jugendbildner Gans bei denſelben ſpielle.
Trotz der großen Protection, welcher ſich dieſer Lehrer
namentlich von Seite des Bürgermeiſterſtellvertreters
Taſchek erfreute, konnte der Letztere nicht verhindern,
daß Gans vom Dienſte ſuspendirt wurde. Taſchek
ſetzte jedoch durch, daß eine ähnliche Maßregel auch
den Katecheten Foltin traf, welcher bekanntlich bei
dem auf Dr. Lueger perübten Attentate den Letzteren
ſchützte. Dieſer Tage fand nun im Budweiſer Schul-
rathe die Verhandlung über die Suspendirungsangele-
genheit ſtatt, wobei der Schulinſpector den Antrag
ſtellte, daß der als Excedent bekannte Lehrer Gans
aus Budweis verſetzt werde. Dieſem Antrage opponirte jedoch
Taſchek aufs Heftigſte und er ſetzte es auch wirklich
durch, daß der Antrag des Schulinſpectors nicht ange-
nommen wurde. Hierauf beantragte Taſchek, daß der
Katechet Foltin verſetzt und ihm eine Rüge ertheilt
werde, und dieſer Antrag wurde angenommen. Es iſt
ſelbſtverſtändlich, daß hier noch eine höhere Inſtanz,
als es der Herr Taſchek iſt, ein Wörtchen mitzureden
hat, aber dieſe Angelegenheit iſt charakteriſtiſch für die
Verhältniſſe in Budweis.
Böhmiſch-Leipa. Kreisgerichtspräſident Franz
Bauer hat wegen hohen Alters die Verſetzung in den
dauernden Ruheſtand erbeten und erhalten. Bei dieſer
Gelegenheit wurde dem allgemein geachteten Manne
auf’s Neue die allerhöchſte Anerkennung für ſeine viel-
jährige, treue und ſtets vorzügliche Dienſtleiſtung aus-
geſprochen.
Prag. Das hieſige czechiſch-„chriſtlich-ſociale“
Blatt „Lidovy Liſt“ ſchreibt in Nr. 8: „Wir wieder-
holen es fortwährend, daß die deutſcheu
Chriſtlich-Socialen zuerſt Deutſche und dann Chriſten
ſind. Sie ſollten ſich ſchämen, Chriſten ſo mit Füßen
zu treten. Die geiſtliche Leitung in allen Wiener
Pfarreien iſt ausſchließlich deutſch. Das Wiener
Conſiſtorium beſcheidet jedes Geſuch um czechiſchen
Gottesdienſt abſchlägig. In Dresden und Hamburg
wird czechiſch gepredigt, aber in Wien iſt das Czechiſche
von der Kanzel und Altar ausgeſchloſſen. „Gehet hin
und lehret alle Völker“, ſagt Chriſtus; aber keiner der
hohen geiſtlichen Herren hat auch dieſe Wahrheit er-
faßt. Die Frucht ſolcher Handlungsweiſe iſt fürchter-
lich!“ — So das Hetzerei-Blatt. Als ob das fürſterz-
biſchöfliche Conſiſtorium chriſtlich-ſocial wäre. Uebrigens
iſt das Vorſtehende gar nicht wahr, ſondern ein Gang
in die Wiener Redemptoriſtenkirche widerlegt das
czechiſche Blatt. Wie ſteht es aber in Prag, wo in den
letzten Jahrzehnten die deutſchen Predigten abgeſchafft
worden ſind? Die geiſtliche Behörde in Wien dürfte
wohl gut unterrichtet ſein, inwieweit realer Bedarf
nach Czechiſchem beſteht, und wie viel der Begehrlichkeit
der rein nationalen Agitation zuzuſchreiben iſt.
Tirol.
Innsbruck. (Das goldene Dachl.) Der hieſige
Gemeinderath hat beſchloſſen, zwei Preiſe: 600 und
400 Kronen für eine ſtylgerechte Renovirung des gol-
denen Dachels und der beiden Seiten desſelben auszu-
ſchreiben. Der Termin für die Preisbewerbung dauert
3 Monate.
Galizien.
Stanislau. (Jüdiſcher Geſchäftsgeiſt.) Ein hieſiger
jüdiſcher Kaufmann, der in den Stand der Ehe zu
treten beabſichtigte, verſchickte an ſämmtliche Firmen,
mit denen er in Geſchäftsverbindung ſtand, die Ein-
ladung zu ſeiner Trauung, auf welcher überdies noch
zu leſen war, daß behufs Fortbeſtandes der Geſchäfts-
verbindung — Brautgeſchenke erwartet werden. Dann
ſoll man nicht Antiſemit werden!
Aus Transleithanien.
Croatien.
Belovar. (Todesurtheil.) Vom hieſigen Gerichte
wurde der 27jährige Franz Cmrlec wegen Raub-
mordes an der Mühlenbeſitzerin Julie Barec in
Sigetec zum Tode durch den Strang verurtheilt.
Ungarn.
Budapeſt. (Zur Verhaftung des Polizeirathes
Chudy.) Die Unterſuchung gegen den Polizeirath Hugo
Chudy iſt bereits abgeſchloſſen und werden demſelben
nicht weniger als 15 Documentenfälſchungen, 4 Defrau-
dationen und 17 Amtsveruntreuungen im Geſammt-
ſchaden von 10.000 fl. zur Laſt gelegt.
Gerichtsſaal.
Der permanente Candidat für Wien. Wann
immer in den letzten Jahren in Wien Wahlen ausge-
ſchrieben waren, offerirte ſich den Wienern durch zahl-
loſe Placate der Hausbeſitzer Moſes Freund als
Candidat auf eigene Fauſt. Dieſer Tage ſollte nun
gegen denſelben eine Ehrenbeleidigungsklage zur Aus-
tragung gelangen, von welcher jedoch Abſtand genommen
werden mußte, da ſich, der amtlichen Relation zu Folge,
der permanente Candidat auf der — pſychiatriſchen
Klinik befindet.
Der Ehrenbeleidigungsproceß Dr. Lueger-
Tomanek, der heute verhandelt werden ſollte, wurde
vertagt, weil inzwiſchen mehrere chriſtlich-ſociale Ge-
meinderäthe ebenfalls eine Klage gegen den radical-
deutſchnationalen Gemeinderath und Lehrer Paul
Tomanek eingebracht hatten. Dieſer neuen Klage
liegt ein Ausruf des Geklagten nach jenem Conflicte
mit Dr. Lueger zu Grunde, daß er „in einer ſolchen
infamen Geſellſchaft nicht bleiben werde“ Das Bezirks-
gericht Alſergrund hat die Verfügung getroffen, daß
beide Klagen gemeinſchaftlich verhandelt werden.
Gemeindezeitung.
Sitzungen im Rathhauſe. Im Laufe dieſer
Woche findet eine Sitzung des Gemeinderathes
zur Erledigung currenter Geſchäftsſtücke, und zwar am
Freitag ſtatt. Der Stadtrath hält Dienſtag,
Mittwoch und Freitag Sitzungen ab.
Zur Bürgermeiſterwahl. Wie wir bereits ge-
meldet haben, findet die Bürgermeiſterwahl in einer
hiezu eigens für den 8. d., 10 Uhr Vormittags anbe-
raumten Gemeinderathsſitzung ſtatt. Zu dieſer Sitzung
wurden die Gemeinderäthe vom geſchäftsführenden Vice-
bürgermeiſter Dr. Lueger mit dem Beifügen eingeladen,
daß jene Mitglieder des Gemeinderathes, welche ent-
weder gar nicht erſcheinen oder vor Beendi-
gung der Wahlhandlung ſich entfernen, ohne
ihr Ausbleiben oder ihre Entfernung durch hinreichende
Gründe zu entſchuldigen, als ihres Amtes verluſtig
anzuſehen ſind und in dem Zeitraume von zwei Jahren
nicht wieder gewählt werden können. Zugleich mit der
Einladung zur Wahlſitzung erhielten die Gemeinderäthe
auch den Stimmzettel zugeſtellt.
Aus der Gascomiſſion. Samſtag Nachmit-
tags fand unter dem Vorſitze des Vicebürgermeiſters
Dr. Lueger eine Sitzung der Gascommiſſion ſtatt,
in welcher die Projecte für verſchiedene Baulichkeiten
genehmigt wurden. Die Herſtellung der vier Gasbe-
hälterglocken wurde der Firma Ig. Gridl, die
Schloſſerarbeiten für das Ofenhaus dem Carl Heger
übertragen. Wegen Sicherſtellung des Bedarfes der er-
forderlichen Gasrohrſchieber wird eine allgemeine ſchrift-
liche Offertverhandlung ausgeſchrieben werden. Weiter
wurde der principielle Beſchluß gefaßt, in Alleen,
Gartenanlagen, in Straßen mit Betondecke und in be-
ſonders gefährlichem Terrain das Straßenrohrnetz mit
Entlüftungsvorrichtungen zu verſehen. — Der Bau der
ſtädtiſchen Gaswerke an der Donaulände in Simmering
ſchreitet in ſehr erfreulicher Weiſe fort.
Neue Armenräthe. Der Bezirksausſchuß für
die Innere Stadt hat den Hutmacher Wilhelm Blau
und den Kleidermacher Maximilian Swadoſch zu
Armenräthen gewählt.
Verkehrsanlagen in Wien. Auf das Er-
ſuchen der k. k. Baudirection für die Wiener Stadt-
bahn um Feſtſtellung der feuerſicheren Herſtellungen auf
der Vorortelinie der Wiener Stadtbahn in der Kata-
ſtralgemeinde Penzing findet die gemäß § 26 der
Handelsminiſteriumsverordnung vom 25. Januar 1879
vorzunehmende commiſſionelle Erhebnng am Montag
den 12. d. unter der Leitung des Statthaltereiſecretärs
Hans Hruſchka ſtatt. Die Commiſſionsmitglieder ver-
ſammeln ſich um ½10 Uhr Vormittags im Bahnhofe
in Penzing.
Von der Gendarmerie. Das Landesvertheidigungs-
miniſterium hat folgende neue Gendarmerie-Poſten aufgeſtellt:
im Bereiche des Landes-Gendarmeriecommando Nr. 1; für
Niederöſterreich zu Rottenſchachen, Bezirkshauptmannſchaft
Waidhoſen an der Thaya; zu Wullersdorf, Bezirkshaupt-
mannſchaft Oberhollabrunn; zu Pyrawarth, Bezirkshaupt-
mannſchaft Floridsdorf; zu Absdorf und zu Thalheim (ad
Murſtetten) Bezirkshauptmannſchaft Tulln; im Bereiche des
Landes-Gendarmeriecommando Nr. 5 für Galizien: Dydia-
tycze, Bezirkshauptmannſchaft Mosciska, und im Bereiche
des Landes-Dendarmeriecommando Nr. 14 für Kärnten: zu
Krumpendorf, Bezirkshauptmannſchaft Klagenfurt. Belobungs-
zeugniſſe und Remunerationen aus dem Gendarmerie-Be-
lohnungsfonde erhielt für beſondere Leiſtungen der Poſten-
führer Anton Schmied; Belobungszeugniſſe erhielten: Wacht-
meiſter Joſef Schiller, Poſtenfuhrer Carl Matousec, Joſef
Meißner und Franz Motſchiner.
Wiſſenſchaft und Literatur.
Von ſehr geſchätzter Seite ſchreibt man uns: „Zu
dem ganz vorzüglichen Feuilleton-Artikel über den jetzt auch
nach Wien verpflanzten Theoſophismus hätte ich noch
Einiges hinzuzufügen. Es iſt zwar durchaus nicht das
Richtige, wenn man gleich für alle irgendwie auf-
fälligen ſchlimmen Vorfälle im öffentlichen Leben als
Urſache die Freimaurerei wie einen deus ex machina
auftauchen läßt, aber im vorliegenden Falle ſcheint
mir der Umſtand, daß die Reclame gerade in der
„Deutſchen Zeitung“ erſchien, doch eine Beziehung zu
der ehrwürdigen Bruderſchaft aufzuweiſen. Ungariſche
Logenzeugniſſe haben behauptet, daß der Heraus-
geber der „Deutſchen Zeitung“ dem Bunde der
Brüder angehört. Und auch dieſe ganze Theoſo-
phiſterei, dieſe curioſe „Gottesweisheit“, die keinen
Gott braucht (!), ähnelt aufs Haar der Maurerei,
die in ihren unſinnigen deiſtiſchen und pantheiſtiſchen
Dogmen eine „Metaphyſik“ liefern, in ihrem kindiſchen
Ceremoniell einen „Cultus“ herſtellen, und in
der maureriſchen Action dem „Bekenntniß theore-
tiſcher zugleich ein ſolches praktiſcher Natur“
hinzufügen will. — Die Theoſophiſterei iſt
nur die Auffriſchung der allgemach etwas
langweilig und defect gewordenen Formen durch die
Pikanterien des Spiritismus. In Amerika, London,
Paris und Berlin hat ſie ja ihr Unweſen ſchon einige
Zeit getrieben, und jetzt iſt auch unſer Wien ſo
glücklich, von den Strahlen dieſes, wie es ſcheint, von
Weſten nach Oſten gehenden „Lichtes“ getroffen zu
werden. Nach all dem Unſinn, der darin ſchon ander-
wärts zu Tage gefördert wurde, braucht man aller-
dings nicht gerade allzu neugierig darauf ſein, was ſich
bei uns nun zeigen wird. Aber wer weiß, vielleicht
zeitigt der Wiener Boden doch noch etwas Apartes!
Und ſo ſind wir doch noch in einiger Erwartung. Denn
wir denken, daß die „Theoſophiſche Geſellſchaft“ doch
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