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Reichspost. Nr. 53, Wien, 22.02.1909.

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Preis 8 h



Redaktion: VIII. Strozzigasse 41.
Telephon: 18082.


Verwaltung: VIII. Strozzig. 42.
Telephon: 13870.


Druckerei: VIII. Strozzigasse 41.
Telephon: 22641.


Stadtexpedition sowie Kleiner
Anzeiger I. Schulerstraße 21.
Telephon 2926.


Blattbestellungen übernimmt auch
J. Heindl, I. Stefansplatz 7.
H. Goldschmied, I. Wollzeile 11.


Das Blatt erscheint täglich ein-
mal (als Morgenansgabe).

Montag erfolgt die Ausgabe um
2 Uhr nachmittags.


[Spaltenumbruch]
Mittagsblatt.
Reichspost.
Unabhängiges Tagblatt für das christliche Volk Oesterreich-Ungarns.

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Preis 8 h



Bezugspreise:
Für Wien und Auswärts
(samt Zustellung):
ganzjährig ......... 32 K
vierteljährig ........ 8 K
monatlich ....... 2 K 75 h


Für Deutschland:
vierteljährig ....... 12 K


Länder des Weltpostvereines:
vierteljährig ........ 16 K


Inserate
werden in der Verwaltung der
"Reichspost", VIII. Strozzigasse 42,
oder I. Schulerstraße 21 sowie in
allen Annoncenbureaus des In- und
Auslandes angenommen.




Nr. 53 Wien, Montag, den 22. Februar 1909. XVI. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Die internationale Lage.
Die serbischen Konflikte.

Die schon für den vorigen Sonntag angekündigte,
dann aber behördlich untersagte Protestversammlung
gegen den großserbischen Hochverratsprozeß in Agram
hat gestern in Belgrad nun doch stattgefunden, ohne daß
es jedoch zu mehr als den üblichen Entrüstungs- und
Rachetiraden gekommen wäre. Bemerkenswert ist dabei
nur die Anwesenheit eines russischen Journalisten,
der die Versammlung namens des russischen Volkes mit
einer austachelnden Rede begrüßte, recht im Gegensatze
zu der von Rußland immer betonten friedlichen Ein-
flußnahme auf Serbien.

Gegenwärtig liegt das Schwergewicht der Ent-
scheidungen in der Belgrader Regierungskrise. Nach der
erfolgten Demission des Kabinettes Velimirovic
wird es kaum gelingen, einen Frieden zwischen den
beiden einander leidenschaftlich befehdenden Parteien
den Alt- und Jungradikalen herbeizuführen. Es wird
voraussichtlich zur Bildung einer altradikalen Regierung
kommen, die aber allzu schwankend sein wird, um den
Friedensbestrebungen einen starken Rückhalt zu geben.
Vor allem wäre es eine Täuschung, von einem alt-
radikalen Kabinett Pasic die Beilegung der Konflikte mit
Oesterreich-Ungarn zu erwarten; Pasic stand bisher
hinter allen Intrigen und Machenschaften gegen Oester-
reich, er wird auch in Zukunft kein anderer werden.
Ein Kabinett Pasic bedeutet nur eine Ver-
langsamung, auf keinen Fall aber eine Be-
seitigung des Konfliktes mit Oesterreich. Nun
halten auch die Offiziösen nicht mehr zurück, an die
serbische Adresse zu verstehen zu geben, daß es höchste
Zeit ist, in Belgrad Ordnung zu machen. So schreibt
der "Pester Lloyd" bezüglich des Verhältnisses zu Ser-
bien: "Serbien ist Herr seines Schicksales. Es kann,
wenn es will, die Freundschaft Oesterreich-Ungarns sofort
gewinnen, wenn es das Gegenteil von all dem tut, was
es bisher getan. Es wird aber gewiß die donnernde
letzte Mahnung
von der Monarchie empfangen,
wenn dieser Wandel nicht sehr bald eintritt."

Die heute vorliegenden Depeschen melden:

Heute vormittag fand das
von den Hochschülern einberufene Protestmeeting
[Spaltenumbruch] gegen den Agramer Hochverratspro-
zeß
statt, woran gegen 5000 Personen teilnahmen.
Die Redner hoben die rein politischen Motive
hervor, welche die Machthaber in Oesterreich-Ungarn
bewogen hätten, unschuldigen Bürgern einen schmach-
vollen Prozeß zu machen. Dieses Vorgehen gereiche der
zivilisierten Welt des 20. Jahrhunderts zur Schande.
Die Reden wurden mit stürmischen Hochrufen auf die
Serben Kroatiens und auf ein freies Königreich
Kroatien,
sowie mit Abzugrufen auf Oesterreich-
Ungarn aufgenommen.

Hierauf nahm die Versammlung einstimmig eine
Resolution folgenden Inhaltes an: Die Versammlung
weist mit Entrüstung die Verleumdungen (!) zurück, welche
anläßlich des Agramer Hochverratsprozesses von Wien
und Pest aus gegen Serbien, das serbische Volk, den
serbischen Staat und die serbische Dynastie verbreitet
wurden. Die Versammlung ist überzeugt, daß
die Serben in Kroatien nur deshalb verfolgt
werden, weil sie treue Söhne ihrer Heimat (?) und die
wahren Verteidiger ihres (?) Vaterlandes sind, welche
im Vereine (!) mit ihren kroatischen Brüdern für die
primitivsten Menschenrechte und für die Freiheit ihres
gemeinsamen Vaterlandes kämpfen müssen. Auf dem
Standpunkte des anerkannten Rechtes der Natio-
nalität und der Humanität stehend, erhebt die
Versammlung den energischesten Protest gegen die
inquisitorischen Mißhandlungen,
welchen die unschuldigen serbischen Opfer in den Agramer
Kerkern ausgesetzt sind. Indem die Versammlung an die
humanen, zivilisierten Völker Europas appelliert, lenkt
sie die Aufmerksamkeit derselben auf diesen Prozeß. Nach
Annahme der Resolution begrüßte der hier weilende
russische Journalist Fürst Amiradjiki (?) die Ver-
sammlung numens des russischen Volkes, welches die
slavische Solidarität zu wahren wissen werde. Ueber
Aufforderung des Präsidenten des Meetings, Ingenieur
Jovanovic, löste sich sodann die Versammlung in voll-
kommener Ruhe auf.

Das Belgrader Preßbureau,
das durch seine Unwahrheiten berühmt ist, verbreitet,
daß die Nachrichten der österreichischen und der unga-
rischen Presse über außerordentliche militärische Vor-
kehrungen, über eine Steigerung der kriegerischen
Stimmung und über eine kritische Lage des Königs
Entstellungen des wahren Sachverhaltes seien. Tat-
[Spaltenumbruch] sächlich habe sich in der letzten Woche nichts ereignet
was zu alarmierenden Meldungen Anlaß geben könnte.

(Privattelegramm.) Die
"Tribuna" veröffentlicht unter dem Titel "Der
Friede wird nicht gestört" einen längeren, offenbar
inspirierten Artikel, der mit folgenden Worten schließt:
Die Notwendigkeit einer schleunigen Lösung liegt auf
der Hand. Eine Lage, wie die gegenwärtige, kann nicht
ohne Schaden verlängert werden. Ebenso liegt es auf
der Hand, daß weder für Oesterreich noch
Ungarn
noch für Serbien der Krieg eine
logische Lösung der Lage ist. Darum können wir sicher
sein, daß die Diplomatieschließlich das
letzte Wort
behalten wird."

Die Belgrader Regierungskrise.

(Privattelegramm.) Lebhaft
besprochen wird in Belgrad die Tatsache, daß König
Peter, bevor er einen der aktiven radikalen Politiker
zu sich berief, mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten
Awakumovic eine Beratung über die politische
Situation pflog. Wie aus der Umgebung des Königs
verlautet, riet Awakumovic dem Könige, mit der
Bildung des Kabinetts nur einen friedlich gesinnten
Politiker zu betrauen. Als solcher käme in erster Linie
Pasic in Betracht, da er in den letzten Tagen sich
wiederholt in friedlichem Sinne geäußert habe. Wünschens-
wert wäre es, in das zu bildende Kabinett die Vertreter
aller Parteien einzubeziehen. Sollte sich dies als unmög-
lich erweisen, so würde es nach Ansicht des Awakumowic
dem Pasic auch mit einem rein altradikalen Kabinett ge-
lingen, den Frieden zu retten.

(Privattelegramm.) Nach-
dem gestern das Ministerium Velimirovic
demissioniert hat, wird heute Pasic zum Könige be-
rufen werden. Wie verlautet, soll Pasic mit der
Bildung der neuen Regierung betraut werden. In das
Ministerium Pasic sollen auch die Führer der Fort-
schrittlichen und der Nationalliberalen eintreten.




Die Ereignisse in der Türkei.
Die Unterzeichnung des Verständigungsprotokolls
-- verschoben.

Die Meinung, das Verständigungsprotokoll werde
noch am Schlusse der abgelaufenen Woche unterzeichnet
werden, die sich in einem hiesigen liberalen Blatte sogar




[Spaltenumbruch]

[9]. Folge.

Nachdruck verboten.

Die verhängnisvolle Fahrt.

"Wenn sie die Tiere nicht noch vor dem Teufel-
ellenbogen in die Gewalt bekommt, so wird sie wohl
verunglücken," erwiderte der Kutscher. "Jene Ecke
ist schon unter günstigen Umständen ein verflucht
gefährlicher Punkt, mit durchgehenden Pferden aber ist
dort eine Katastrophe unvermeidlich. Und es sind
Frauen dabei -- es muß irgend etwas geschehen,"
fuhr er, die Hände an die Stirne pressend, fort. "Eine
Möglichkeit ist übrigens noch vorhanden. Hier, Jack,
nehmen Sie die Zügel!" rief er und zog in fliegender
Hast seinen Kutschermantel aus. "Sie müssen weiter-
fahren, aber treiben Sie die Tiere nicht an und
berühren Sie um Gottes willen das vordere Handpferd
nicht mit der Peitsche. Ich will über den Berg laufen
und versuchen, den Wagen vor dem Hohlweg einzu-
holen."

Noch während des Sprechens war er davongeeilt,
setzte über einen naheliegenden, mit Wasser gefüllten
Graben und begann nun mit den langen, gleichmäßigen
Schritten eines erfahrenen Läufers den Abhang zu
erklimmen.

"Der Teufel soll mich holen, wenn das nicht eine
famose Idee ist!" murmelte der Mann mit den Zügeln.
Wäre ich doch auf diesen Gedanken gekommen -- aber
Terence ist immer so flink mit seinen Entschlüssen. Fort-
geschossen ist er wie ein Pfeil und läßt mich hier mit
einem zappeligen, aufgeregten Viergespann sitzen.
Hoffentlich gehen sie mir nicht auch durch." Dann
wandte er sich zu den Insassen des Wagens und fragte
scherzend: "Hat vielleicht jemand Lust zu kutschieren?"

Aber niemand wollte sich dazu verstehen. Nachdem
die Reisenden dann eine kurze Strecke zurückgelegt hatten,
bemerkten sie einen verstört ausfehenden Herrn, der in
atemloser Hast auf sie zugelaufen kam und keuchend die
[Spaltenumbruch] Worte hervorstieß: "Der Wagen -- der Wagen -- der
andere Wagen, haben Sie ihn nicht gesehen, wo ist er?"

"Auf der Landstraße, eine Meile weiter nach Bally-
bay zu."

"Meine Frau und meine Schwägerin sind darin.
Sind sie unverletzt?"

"Na, ich denke wohl," erwiderte der stellvertretende
Rosselenker. "Der Kutscher dieses Postwagens ist über
den Berg gelaufen, um den Weg abzuschneiden und die
Pferde womöglich zum Stillstehen zu bringen. Wenn
dies irgend einer in ganz Irland zustande bringen kann,
so ist er es."

"Was für einen Weg ging er?"

"Hier die Schafweide hinauf. Hoffentlich ist er zur
rechten Zeit hingekommen."

"Beim Himmel, wenn nicht, so sind sie jetzt
alle maufetot," sagte ein behäbiger Pächter, "denn
kein Pferd der Welt kann die Ecke am
Teufelellenbogen im Galopp nehmen." Sir Greville
hörte diese tröstliche Bemerkung wohl kaum mehr.
Schon rannte er wieder vorwärts, und zwar in einer
Gangart, bei deren Anblick seine Londoner Freunde vor
Erstaunen Mund und Augen aufgesperrt hätten.

Fünftes Kapitel.

Die endlos erscheinende Anhöhe übte schließlich doch
eine beruhigende Wirkung auf die Pferde aus. Die nicht
mehr ganz jungen Stangenpferde fingen an, sich ihres
Ungestüms zu schämen, nur der Schecke und das über-
mütige Sattelpferd hatten sich noch nicht ganz von der
Einwirkung des roten Sonnenschirms erholt. Trotzdem
hoffte Maureen, daß die größte Schwierigkeit nun über-
wunden und sie imstande sein werde, das Fuhrwerk
siegreich an seinen Bestimmungsort zu führen -- voraus-
gesetzt natürlich, daß sich kein weiterer Zwischenfall er-
eignete. Als sie die Anhöhe erreicht hatten, wandte sie
sich zu ihrem vor Angst zitternden Gefährten und sagte:
"Ich glaube, ich kann die Pferde jetzt anhalten. Bitte
steigen Sie ab und legen Sie den Hemmschuh an."


[Spaltenumbruch]

"Ich verstehe nichts von Hemmschuh," brummte er.

Mit Aufbietung all ihrer Kräfte brachte Maureen
die Pferde endlich einen Augenblick zum Stillstehen und
sagte dann mit zorniger Miene und in gebieterischem
Tone: "Verlassen Sie sogleich den Wagen."

"Das war ohnedies meine Absicht," antwortete er,
blitzschnell vom Wagen springend. Kaum fühlte er festen
Boden unter den Füßen, so brach er in wütende Ver-
wünschungen über das erbärmliche Fuhrwerk und über
die ganze Posteinrichtung aus.

"Warten Sie nur, mein liebes Fräulein, ich will
den Hemmschuh schon anlegen," rief der alte Pfarrer.
Rasch und geschickt führte er sofort seinen Vorsatz aus,
während die beiden vorderen Pferde ungeduldig
tänzelten und Lady Fanshawe mit weinerlicher Stimme
bat: "O, Maureen, Maureen, laß mich aussteigen."

Aber das Gespann hatte sich bereits wieder in Be-
wegung gesetzt und trabte jetzt ruhig und langsam bergab.
Schon war mehr als die Hälfte des Weges zurückgelegt,
als der Schecke in plötzlich wiedererwachendem Uebermut
ausschlug und den Kopf des hinteren Pferdes traf,
worauf dieses über den Strang schlug. Im Nu entstand
ein unlösbar erscheinender Wirrwarr unter den vier
Pferden, bei dessen Anblick auch Maureens Mut zu
schwinden begann. In diesem verhängnisvollen Augen-
blick gewahrten die Reisenden einen Herrn, der in höchster
Eile quer über die Felder daherlief, sich über eine Hecke
schwang und, ehe man sich's versah, den beiden Vorder-
pferden in die Zügel fiel. Die Wirkung war verblüffend.
Beruhigend sprach er auf den Schecken ein, streichelte
dessen aufgeregten Kameraden, richtete ein ermutigen-
des Wort an die Stangenpferde und schwang sich auf
den Bock.

"Nun ist alles in Ordnung", rief er, sich nach rück-
wärts wendend. "Die Tiere kennen mich und werden
jetzt so fromm gehen wie die Lämmer. Sie brauchen sich
nicht im geringsten mehr zu ängstigen."

(Fortsetzung folgt.)


[Spaltenumbruch]

Preis 8 h



Redaktion: VIII. Strozzigaſſe 41.
Telephon: 18082.


Verwaltung: VIII. Strozzig. 42.
Telephon: 13870.


Druckerei: VIII. Strozzigaſſe 41.
Telephon: 22641.


Stadtexpedition ſowie Kleiner
Anzeiger I. Schulerſtraße 21.
Telephon 2926.


Blattbeſtellungen übernimmt auch
J. Heindl, I. Stefansplatz 7.
H. Goldſchmied, I. Wollzeile 11.


Das Blatt erſcheint täglich ein-
mal (als Morgenansgabe).

Montag erfolgt die Ausgabe um
2 Uhr nachmittags.


[Spaltenumbruch]
Mittagsblatt.
Reichspoſt.
Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreich-Ungarns.

[Spaltenumbruch]

Preis 8 h



Bezugspreiſe:
Für Wien und Auswärts
(ſamt Zuſtellung):
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vierteljährig ........ 8 K
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Für Deutſchland:
vierteljährig ....... 12 K


Länder des Weltpoſtvereines:
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Inſerate
werden in der Verwaltung der
„Reichspoſt“, VIII. Strozzigaſſe 42,
oder I. Schulerſtraße 21 ſowie in
allen Annoncenbureaus des In- und
Auslandes angenommen.




Nr. 53 Wien, Montag, den 22. Februar 1909. XVI. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Die internationale Lage.
Die ſerbiſchen Konflikte.

Die ſchon für den vorigen Sonntag angekündigte,
dann aber behördlich unterſagte Proteſtverſammlung
gegen den großſerbiſchen Hochverratsprozeß in Agram
hat geſtern in Belgrad nun doch ſtattgefunden, ohne daß
es jedoch zu mehr als den üblichen Entrüſtungs- und
Rachetiraden gekommen wäre. Bemerkenswert iſt dabei
nur die Anweſenheit eines ruſſiſchen Journaliſten,
der die Verſammlung namens des ruſſiſchen Volkes mit
einer auſtachelnden Rede begrüßte, recht im Gegenſatze
zu der von Rußland immer betonten friedlichen Ein-
flußnahme auf Serbien.

Gegenwärtig liegt das Schwergewicht der Ent-
ſcheidungen in der Belgrader Regierungskriſe. Nach der
erfolgten Demiſſion des Kabinettes Velimirovic
wird es kaum gelingen, einen Frieden zwiſchen den
beiden einander leidenſchaftlich befehdenden Parteien
den Alt- und Jungradikalen herbeizuführen. Es wird
vorausſichtlich zur Bildung einer altradikalen Regierung
kommen, die aber allzu ſchwankend ſein wird, um den
Friedensbeſtrebungen einen ſtarken Rückhalt zu geben.
Vor allem wäre es eine Täuſchung, von einem alt-
radikalen Kabinett Paſic die Beilegung der Konflikte mit
Oeſterreich-Ungarn zu erwarten; Paſic ſtand bisher
hinter allen Intrigen und Machenſchaften gegen Oeſter-
reich, er wird auch in Zukunft kein anderer werden.
Ein Kabinett Paſic bedeutet nur eine Ver-
langſamung, auf keinen Fall aber eine Be-
ſeitigung des Konfliktes mit Oeſterreich. Nun
halten auch die Offiziöſen nicht mehr zurück, an die
ſerbiſche Adreſſe zu verſtehen zu geben, daß es höchſte
Zeit iſt, in Belgrad Ordnung zu machen. So ſchreibt
der „Peſter Lloyd“ bezüglich des Verhältniſſes zu Ser-
bien: „Serbien iſt Herr ſeines Schickſales. Es kann,
wenn es will, die Freundſchaft Oeſterreich-Ungarns ſofort
gewinnen, wenn es das Gegenteil von all dem tut, was
es bisher getan. Es wird aber gewiß die donnernde
letzte Mahnung
von der Monarchie empfangen,
wenn dieſer Wandel nicht ſehr bald eintritt.

Die heute vorliegenden Depeſchen melden:

Heute vormittag fand das
von den Hochſchülern einberufene Proteſtmeeting
[Spaltenumbruch] gegen den Agramer Hochverratspro-
zeß
ſtatt, woran gegen 5000 Perſonen teilnahmen.
Die Redner hoben die rein politiſchen Motive
hervor, welche die Machthaber in Oeſterreich-Ungarn
bewogen hätten, unſchuldigen Bürgern einen ſchmach-
vollen Prozeß zu machen. Dieſes Vorgehen gereiche der
ziviliſierten Welt des 20. Jahrhunderts zur Schande.
Die Reden wurden mit ſtürmiſchen Hochrufen auf die
Serben Kroatiens und auf ein freies Königreich
Kroatien,
ſowie mit Abzugrufen auf Oeſterreich-
Ungarn aufgenommen.

Hierauf nahm die Verſammlung einſtimmig eine
Reſolution folgenden Inhaltes an: Die Verſammlung
weiſt mit Entrüſtung die Verleumdungen (!) zurück, welche
anläßlich des Agramer Hochverratsprozeſſes von Wien
und Peſt aus gegen Serbien, das ſerbiſche Volk, den
ſerbiſchen Staat und die ſerbiſche Dynaſtie verbreitet
wurden. Die Verſammlung iſt überzeugt, daß
die Serben in Kroatien nur deshalb verfolgt
werden, weil ſie treue Söhne ihrer Heimat (?) und die
wahren Verteidiger ihres (?) Vaterlandes ſind, welche
im Vereine (!) mit ihren kroatiſchen Brüdern für die
primitivſten Menſchenrechte und für die Freiheit ihres
gemeinſamen Vaterlandes kämpfen müſſen. Auf dem
Standpunkte des anerkannten Rechtes der Natio-
nalität und der Humanität ſtehend, erhebt die
Verſammlung den energiſcheſten Proteſt gegen die
inquiſitoriſchen Mißhandlungen,
welchen die unſchuldigen ſerbiſchen Opfer in den Agramer
Kerkern ausgeſetzt ſind. Indem die Verſammlung an die
humanen, ziviliſierten Völker Europas appelliert, lenkt
ſie die Aufmerkſamkeit derſelben auf dieſen Prozeß. Nach
Annahme der Reſolution begrüßte der hier weilende
ruſſiſche Journaliſt Fürſt Amiradjiki (?) die Ver-
ſammlung numens des ruſſiſchen Volkes, welches die
ſlaviſche Solidarität zu wahren wiſſen werde. Ueber
Aufforderung des Präſidenten des Meetings, Ingenieur
Jovanovic, löſte ſich ſodann die Verſammlung in voll-
kommener Ruhe auf.

Das Belgrader Preßbureau,
das durch ſeine Unwahrheiten berühmt iſt, verbreitet,
daß die Nachrichten der öſterreichiſchen und der unga-
riſchen Preſſe über außerordentliche militäriſche Vor-
kehrungen, über eine Steigerung der kriegeriſchen
Stimmung und über eine kritiſche Lage des Königs
Entſtellungen des wahren Sachverhaltes ſeien. Tat-
[Spaltenumbruch] ſächlich habe ſich in der letzten Woche nichts ereignet
was zu alarmierenden Meldungen Anlaß geben könnte.

(Privattelegramm.) Die
„Tribuna“ veröffentlicht unter dem Titel „Der
Friede wird nicht geſtört“ einen längeren, offenbar
inſpirierten Artikel, der mit folgenden Worten ſchließt:
Die Notwendigkeit einer ſchleunigen Löſung liegt auf
der Hand. Eine Lage, wie die gegenwärtige, kann nicht
ohne Schaden verlängert werden. Ebenſo liegt es auf
der Hand, daß weder für Oeſterreich noch
Ungarn
noch für Serbien der Krieg eine
logiſche Löſung der Lage iſt. Darum können wir ſicher
ſein, daß die Diplomatieſchließlich das
letzte Wort
behalten wird.“

Die Belgrader Regierungskriſe.

(Privattelegramm.) Lebhaft
beſprochen wird in Belgrad die Tatſache, daß König
Peter, bevor er einen der aktiven radikalen Politiker
zu ſich berief, mit dem ehemaligen Miniſterpräſidenten
Awakumovic eine Beratung über die politiſche
Situation pflog. Wie aus der Umgebung des Königs
verlautet, riet Awakumovic dem Könige, mit der
Bildung des Kabinetts nur einen friedlich geſinnten
Politiker zu betrauen. Als ſolcher käme in erſter Linie
Paſic in Betracht, da er in den letzten Tagen ſich
wiederholt in friedlichem Sinne geäußert habe. Wünſchens-
wert wäre es, in das zu bildendé Kabinett die Vertreter
aller Parteien einzubeziehen. Sollte ſich dies als unmög-
lich erweiſen, ſo würde es nach Anſicht des Awakumowic
dem Paſic auch mit einem rein altradikalen Kabinett ge-
lingen, den Frieden zu retten.

(Privattelegramm.) Nach-
dem geſtern das Miniſterium Velimirovic
demiſſioniert hat, wird heute Paſic zum Könige be-
rufen werden. Wie verlautet, ſoll Paſic mit der
Bildung der neuen Regierung betraut werden. In das
Miniſterium Paſic ſollen auch die Führer der Fort-
ſchrittlichen und der Nationalliberalen eintreten.




Die Ereigniſſe in der Türkei.
Die Unterzeichnung des Verſtändigungsprotokolls
— verſchoben.

Die Meinung, das Verſtändigungsprotokoll werde
noch am Schluſſe der abgelaufenen Woche unterzeichnet
werden, die ſich in einem hieſigen liberalen Blatte ſogar




[Spaltenumbruch]

[9]. Folge.

Nachdruck verboten.

Die verhängnisvolle Fahrt.

„Wenn ſie die Tiere nicht noch vor dem Teufel-
ellenbogen in die Gewalt bekommt, ſo wird ſie wohl
verunglücken,“ erwiderte der Kutſcher. „Jene Ecke
iſt ſchon unter günſtigen Umſtänden ein verflucht
gefährlicher Punkt, mit durchgehenden Pferden aber iſt
dort eine Kataſtrophe unvermeidlich. Und es ſind
Frauen dabei — es muß irgend etwas geſchehen,“
fuhr er, die Hände an die Stirne preſſend, fort. „Eine
Möglichkeit iſt übrigens noch vorhanden. Hier, Jack,
nehmen Sie die Zügel!“ rief er und zog in fliegender
Haſt ſeinen Kutſchermantel aus. „Sie müſſen weiter-
fahren, aber treiben Sie die Tiere nicht an und
berühren Sie um Gottes willen das vordere Handpferd
nicht mit der Peitſche. Ich will über den Berg laufen
und verſuchen, den Wagen vor dem Hohlweg einzu-
holen.“

Noch während des Sprechens war er davongeeilt,
ſetzte über einen naheliegenden, mit Waſſer gefüllten
Graben und begann nun mit den langen, gleichmäßigen
Schritten eines erfahrenen Läufers den Abhang zu
erklimmen.

„Der Teufel ſoll mich holen, wenn das nicht eine
famoſe Idee iſt!“ murmelte der Mann mit den Zügeln.
Wäre ich doch auf dieſen Gedanken gekommen — aber
Terence iſt immer ſo flink mit ſeinen Entſchlüſſen. Fort-
geſchoſſen iſt er wie ein Pfeil und läßt mich hier mit
einem zappeligen, aufgeregten Viergeſpann ſitzen.
Hoffentlich gehen ſie mir nicht auch durch.“ Dann
wandte er ſich zu den Inſaſſen des Wagens und fragte
ſcherzend: „Hat vielleicht jemand Luſt zu kutſchieren?“

Aber niemand wollte ſich dazu verſtehen. Nachdem
die Reiſenden dann eine kurze Strecke zurückgelegt hatten,
bemerkten ſie einen verſtört ausfehenden Herrn, der in
atemloſer Haſt auf ſie zugelaufen kam und keuchend die
[Spaltenumbruch] Worte hervorſtieß: „Der Wagen — der Wagen — der
andere Wagen, haben Sie ihn nicht geſehen, wo iſt er?“

„Auf der Landſtraße, eine Meile weiter nach Bally-
bay zu.“

„Meine Frau und meine Schwägerin ſind darin.
Sind ſie unverletzt?“

„Na, ich denke wohl,“ erwiderte der ſtellvertretende
Roſſelenker. „Der Kutſcher dieſes Poſtwagens iſt über
den Berg gelaufen, um den Weg abzuſchneiden und die
Pferde womöglich zum Stillſtehen zu bringen. Wenn
dies irgend einer in ganz Irland zuſtande bringen kann,
ſo iſt er es.“

„Was für einen Weg ging er?“

„Hier die Schafweide hinauf. Hoffentlich iſt er zur
rechten Zeit hingekommen.“

„Beim Himmel, wenn nicht, ſo ſind ſie jetzt
alle maufetot,“ ſagte ein behäbiger Pächter, „denn
kein Pferd der Welt kann die Ecke am
Teufelellenbogen im Galopp nehmen.“ Sir Greville
hörte dieſe tröſtliche Bemerkung wohl kaum mehr.
Schon rannte er wieder vorwärts, und zwar in einer
Gangart, bei deren Anblick ſeine Londoner Freunde vor
Erſtaunen Mund und Augen aufgeſperrt hätten.

Fünftes Kapitel.

Die endlos erſcheinende Anhöhe übte ſchließlich doch
eine beruhigende Wirkung auf die Pferde aus. Die nicht
mehr ganz jungen Stangenpferde fingen an, ſich ihres
Ungeſtüms zu ſchämen, nur der Schecke und das über-
mütige Sattelpferd hatten ſich noch nicht ganz von der
Einwirkung des roten Sonnenſchirms erholt. Trotzdem
hoffte Maureen, daß die größte Schwierigkeit nun über-
wunden und ſie imſtande ſein werde, das Fuhrwerk
ſiegreich an ſeinen Beſtimmungsort zu führen — voraus-
geſetzt natürlich, daß ſich kein weiterer Zwiſchenfall er-
eignete. Als ſie die Anhöhe erreicht hatten, wandte ſie
ſich zu ihrem vor Angſt zitternden Gefährten und ſagte:
„Ich glaube, ich kann die Pferde jetzt anhalten. Bitte
ſteigen Sie ab und legen Sie den Hemmſchuh an.“


[Spaltenumbruch]

„Ich verſtehe nichts von Hemmſchuh,“ brummte er.

Mit Aufbietung all ihrer Kräfte brachte Maureen
die Pferde endlich einen Augenblick zum Stillſtehen und
ſagte dann mit zorniger Miene und in gebieteriſchem
Tone: „Verlaſſen Sie ſogleich den Wagen.“

„Das war ohnedies meine Abſicht,“ antwortete er,
blitzſchnell vom Wagen ſpringend. Kaum fühlte er feſten
Boden unter den Füßen, ſo brach er in wütende Ver-
wünſchungen über das erbärmliche Fuhrwerk und über
die ganze Poſteinrichtung aus.

„Warten Sie nur, mein liebes Fräulein, ich will
den Hemmſchuh ſchon anlegen,“ rief der alte Pfarrer.
Raſch und geſchickt führte er ſofort ſeinen Vorſatz aus,
während die beiden vorderen Pferde ungeduldig
tänzelten und Lady Fanſhawe mit weinerlicher Stimme
bat: „O, Maureen, Maureen, laß mich ausſteigen.“

Aber das Geſpann hatte ſich bereits wieder in Be-
wegung geſetzt und trabte jetzt ruhig und langſam bergab.
Schon war mehr als die Hälfte des Weges zurückgelegt,
als der Schecke in plötzlich wiedererwachendem Uebermut
ausſchlug und den Kopf des hinteren Pferdes traf,
worauf dieſes über den Strang ſchlug. Im Nu entſtand
ein unlösbar erſcheinender Wirrwarr unter den vier
Pferden, bei deſſen Anblick auch Maureens Mut zu
ſchwinden begann. In dieſem verhängnisvollen Augen-
blick gewahrten die Reiſenden einen Herrn, der in höchſter
Eile quer über die Felder daherlief, ſich über eine Hecke
ſchwang und, ehe man ſich’s verſah, den beiden Vorder-
pferden in die Zügel fiel. Die Wirkung war verblüffend.
Beruhigend ſprach er auf den Schecken ein, ſtreichelte
deſſen aufgeregten Kameraden, richtete ein ermutigen-
des Wort an die Stangenpferde und ſchwang ſich auf
den Bock.

„Nun iſt alles in Ordnung“, rief er, ſich nach rück-
wärts wendend. „Die Tiere kennen mich und werden
jetzt ſo fromm gehen wie die Lämmer. Sie brauchen ſich
nicht im geringſten mehr zu ängſtigen.“

(Fortſetzung folgt.)


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[1/0001] Preis 8 h Redaktion: VIII. Strozzigaſſe 41. Telephon: 18082. Verwaltung: VIII. Strozzig. 42. Telephon: 13870. Druckerei: VIII. Strozzigaſſe 41. Telephon: 22641. Stadtexpedition ſowie Kleiner Anzeiger I. Schulerſtraße 21. Telephon 2926. Blattbeſtellungen übernimmt auch J. Heindl, I. Stefansplatz 7. H. Goldſchmied, I. Wollzeile 11. Das Blatt erſcheint täglich ein- mal (als Morgenansgabe). Montag erfolgt die Ausgabe um 2 Uhr nachmittags. Mittagsblatt. Reichspoſt. Unabhängiges Tagblatt für das chriſtliche Volk Oeſterreich-Ungarns. Preis 8 h Bezugspreiſe: Für Wien und Auswärts (ſamt Zuſtellung): ganzjährig ......... 32 K vierteljährig ........ 8 K monatlich ....... 2 K 75 h Für Deutſchland: vierteljährig ....... 12 K Länder des Weltpoſtvereines: vierteljährig ........ 16 K Inſerate werden in der Verwaltung der „Reichspoſt“, VIII. Strozzigaſſe 42, oder I. Schulerſtraße 21 ſowie in allen Annoncenbureaus des In- und Auslandes angenommen. Nr. 53 Wien, Montag, den 22. Februar 1909. XVI. Jahrgang. Die internationale Lage. Die ſerbiſchen Konflikte. Die ſchon für den vorigen Sonntag angekündigte, dann aber behördlich unterſagte Proteſtverſammlung gegen den großſerbiſchen Hochverratsprozeß in Agram hat geſtern in Belgrad nun doch ſtattgefunden, ohne daß es jedoch zu mehr als den üblichen Entrüſtungs- und Rachetiraden gekommen wäre. Bemerkenswert iſt dabei nur die Anweſenheit eines ruſſiſchen Journaliſten, der die Verſammlung namens des ruſſiſchen Volkes mit einer auſtachelnden Rede begrüßte, recht im Gegenſatze zu der von Rußland immer betonten friedlichen Ein- flußnahme auf Serbien. Gegenwärtig liegt das Schwergewicht der Ent- ſcheidungen in der Belgrader Regierungskriſe. Nach der erfolgten Demiſſion des Kabinettes Velimirovic wird es kaum gelingen, einen Frieden zwiſchen den beiden einander leidenſchaftlich befehdenden Parteien den Alt- und Jungradikalen herbeizuführen. Es wird vorausſichtlich zur Bildung einer altradikalen Regierung kommen, die aber allzu ſchwankend ſein wird, um den Friedensbeſtrebungen einen ſtarken Rückhalt zu geben. Vor allem wäre es eine Täuſchung, von einem alt- radikalen Kabinett Paſic die Beilegung der Konflikte mit Oeſterreich-Ungarn zu erwarten; Paſic ſtand bisher hinter allen Intrigen und Machenſchaften gegen Oeſter- reich, er wird auch in Zukunft kein anderer werden. Ein Kabinett Paſic bedeutet nur eine Ver- langſamung, auf keinen Fall aber eine Be- ſeitigung des Konfliktes mit Oeſterreich. Nun halten auch die Offiziöſen nicht mehr zurück, an die ſerbiſche Adreſſe zu verſtehen zu geben, daß es höchſte Zeit iſt, in Belgrad Ordnung zu machen. So ſchreibt der „Peſter Lloyd“ bezüglich des Verhältniſſes zu Ser- bien: „Serbien iſt Herr ſeines Schickſales. Es kann, wenn es will, die Freundſchaft Oeſterreich-Ungarns ſofort gewinnen, wenn es das Gegenteil von all dem tut, was es bisher getan. Es wird aber gewiß die donnernde letzte Mahnung von der Monarchie empfangen, wenn dieſer Wandel nicht ſehr bald eintritt.“ Die heute vorliegenden Depeſchen melden: Belgrad, 21. Februar. Heute vormittag fand das von den Hochſchülern einberufene Proteſtmeeting gegen den Agramer Hochverratspro- zeß ſtatt, woran gegen 5000 Perſonen teilnahmen. Die Redner hoben die rein politiſchen Motive hervor, welche die Machthaber in Oeſterreich-Ungarn bewogen hätten, unſchuldigen Bürgern einen ſchmach- vollen Prozeß zu machen. Dieſes Vorgehen gereiche der ziviliſierten Welt des 20. Jahrhunderts zur Schande. Die Reden wurden mit ſtürmiſchen Hochrufen auf die Serben Kroatiens und auf ein freies Königreich Kroatien, ſowie mit Abzugrufen auf Oeſterreich- Ungarn aufgenommen. Hierauf nahm die Verſammlung einſtimmig eine Reſolution folgenden Inhaltes an: Die Verſammlung weiſt mit Entrüſtung die Verleumdungen (!) zurück, welche anläßlich des Agramer Hochverratsprozeſſes von Wien und Peſt aus gegen Serbien, das ſerbiſche Volk, den ſerbiſchen Staat und die ſerbiſche Dynaſtie verbreitet wurden. Die Verſammlung iſt überzeugt, daß die Serben in Kroatien nur deshalb verfolgt werden, weil ſie treue Söhne ihrer Heimat (?) und die wahren Verteidiger ihres (?) Vaterlandes ſind, welche im Vereine (!) mit ihren kroatiſchen Brüdern für die primitivſten Menſchenrechte und für die Freiheit ihres gemeinſamen Vaterlandes kämpfen müſſen. Auf dem Standpunkte des anerkannten Rechtes der Natio- nalität und der Humanität ſtehend, erhebt die Verſammlung den energiſcheſten Proteſt gegen die inquiſitoriſchen Mißhandlungen, welchen die unſchuldigen ſerbiſchen Opfer in den Agramer Kerkern ausgeſetzt ſind. Indem die Verſammlung an die humanen, ziviliſierten Völker Europas appelliert, lenkt ſie die Aufmerkſamkeit derſelben auf dieſen Prozeß. Nach Annahme der Reſolution begrüßte der hier weilende ruſſiſche Journaliſt Fürſt Amiradjiki (?) die Ver- ſammlung numens des ruſſiſchen Volkes, welches die ſlaviſche Solidarität zu wahren wiſſen werde. Ueber Aufforderung des Präſidenten des Meetings, Ingenieur Jovanovic, löſte ſich ſodann die Verſammlung in voll- kommener Ruhe auf. Belgrad, 21. Februar. Das Belgrader Preßbureau, das durch ſeine Unwahrheiten berühmt iſt, verbreitet, daß die Nachrichten der öſterreichiſchen und der unga- riſchen Preſſe über außerordentliche militäriſche Vor- kehrungen, über eine Steigerung der kriegeriſchen Stimmung und über eine kritiſche Lage des Königs Entſtellungen des wahren Sachverhaltes ſeien. Tat- ſächlich habe ſich in der letzten Woche nichts ereignet was zu alarmierenden Meldungen Anlaß geben könnte. Rom, 21. Februar. (Privattelegramm.) Die „Tribuna“ veröffentlicht unter dem Titel „Der Friede wird nicht geſtört“ einen längeren, offenbar inſpirierten Artikel, der mit folgenden Worten ſchließt: Die Notwendigkeit einer ſchleunigen Löſung liegt auf der Hand. Eine Lage, wie die gegenwärtige, kann nicht ohne Schaden verlängert werden. Ebenſo liegt es auf der Hand, daß weder für Oeſterreich noch Ungarn noch für Serbien der Krieg eine logiſche Löſung der Lage iſt. Darum können wir ſicher ſein, daß die Diplomatieſchließlich das letzte Wort behalten wird.“ Die Belgrader Regierungskriſe. Semlin, 21. Februar. (Privattelegramm.) Lebhaft beſprochen wird in Belgrad die Tatſache, daß König Peter, bevor er einen der aktiven radikalen Politiker zu ſich berief, mit dem ehemaligen Miniſterpräſidenten Awakumovic eine Beratung über die politiſche Situation pflog. Wie aus der Umgebung des Königs verlautet, riet Awakumovic dem Könige, mit der Bildung des Kabinetts nur einen friedlich geſinnten Politiker zu betrauen. Als ſolcher käme in erſter Linie Paſic in Betracht, da er in den letzten Tagen ſich wiederholt in friedlichem Sinne geäußert habe. Wünſchens- wert wäre es, in das zu bildendé Kabinett die Vertreter aller Parteien einzubeziehen. Sollte ſich dies als unmög- lich erweiſen, ſo würde es nach Anſicht des Awakumowic dem Paſic auch mit einem rein altradikalen Kabinett ge- lingen, den Frieden zu retten. Belgrad, 21. Februar. (Privattelegramm.) Nach- dem geſtern das Miniſterium Velimirovic demiſſioniert hat, wird heute Paſic zum Könige be- rufen werden. Wie verlautet, ſoll Paſic mit der Bildung der neuen Regierung betraut werden. In das Miniſterium Paſic ſollen auch die Führer der Fort- ſchrittlichen und der Nationalliberalen eintreten. Die Ereigniſſe in der Türkei. Die Unterzeichnung des Verſtändigungsprotokolls — verſchoben. Die Meinung, das Verſtändigungsprotokoll werde noch am Schluſſe der abgelaufenen Woche unterzeichnet werden, die ſich in einem hieſigen liberalen Blatte ſogar 9. Folge. Nachdruck verboten. Die verhängnisvolle Fahrt. Roman von B. M. Croker. „Wenn ſie die Tiere nicht noch vor dem Teufel- ellenbogen in die Gewalt bekommt, ſo wird ſie wohl verunglücken,“ erwiderte der Kutſcher. „Jene Ecke iſt ſchon unter günſtigen Umſtänden ein verflucht gefährlicher Punkt, mit durchgehenden Pferden aber iſt dort eine Kataſtrophe unvermeidlich. Und es ſind Frauen dabei — es muß irgend etwas geſchehen,“ fuhr er, die Hände an die Stirne preſſend, fort. „Eine Möglichkeit iſt übrigens noch vorhanden. Hier, Jack, nehmen Sie die Zügel!“ rief er und zog in fliegender Haſt ſeinen Kutſchermantel aus. „Sie müſſen weiter- fahren, aber treiben Sie die Tiere nicht an und berühren Sie um Gottes willen das vordere Handpferd nicht mit der Peitſche. Ich will über den Berg laufen und verſuchen, den Wagen vor dem Hohlweg einzu- holen.“ Noch während des Sprechens war er davongeeilt, ſetzte über einen naheliegenden, mit Waſſer gefüllten Graben und begann nun mit den langen, gleichmäßigen Schritten eines erfahrenen Läufers den Abhang zu erklimmen. „Der Teufel ſoll mich holen, wenn das nicht eine famoſe Idee iſt!“ murmelte der Mann mit den Zügeln. Wäre ich doch auf dieſen Gedanken gekommen — aber Terence iſt immer ſo flink mit ſeinen Entſchlüſſen. Fort- geſchoſſen iſt er wie ein Pfeil und läßt mich hier mit einem zappeligen, aufgeregten Viergeſpann ſitzen. Hoffentlich gehen ſie mir nicht auch durch.“ Dann wandte er ſich zu den Inſaſſen des Wagens und fragte ſcherzend: „Hat vielleicht jemand Luſt zu kutſchieren?“ Aber niemand wollte ſich dazu verſtehen. Nachdem die Reiſenden dann eine kurze Strecke zurückgelegt hatten, bemerkten ſie einen verſtört ausfehenden Herrn, der in atemloſer Haſt auf ſie zugelaufen kam und keuchend die Worte hervorſtieß: „Der Wagen — der Wagen — der andere Wagen, haben Sie ihn nicht geſehen, wo iſt er?“ „Auf der Landſtraße, eine Meile weiter nach Bally- bay zu.“ „Meine Frau und meine Schwägerin ſind darin. Sind ſie unverletzt?“ „Na, ich denke wohl,“ erwiderte der ſtellvertretende Roſſelenker. „Der Kutſcher dieſes Poſtwagens iſt über den Berg gelaufen, um den Weg abzuſchneiden und die Pferde womöglich zum Stillſtehen zu bringen. Wenn dies irgend einer in ganz Irland zuſtande bringen kann, ſo iſt er es.“ „Was für einen Weg ging er?“ „Hier die Schafweide hinauf. Hoffentlich iſt er zur rechten Zeit hingekommen.“ „Beim Himmel, wenn nicht, ſo ſind ſie jetzt alle maufetot,“ ſagte ein behäbiger Pächter, „denn kein Pferd der Welt kann die Ecke am Teufelellenbogen im Galopp nehmen.“ Sir Greville hörte dieſe tröſtliche Bemerkung wohl kaum mehr. Schon rannte er wieder vorwärts, und zwar in einer Gangart, bei deren Anblick ſeine Londoner Freunde vor Erſtaunen Mund und Augen aufgeſperrt hätten. Fünftes Kapitel. Die endlos erſcheinende Anhöhe übte ſchließlich doch eine beruhigende Wirkung auf die Pferde aus. Die nicht mehr ganz jungen Stangenpferde fingen an, ſich ihres Ungeſtüms zu ſchämen, nur der Schecke und das über- mütige Sattelpferd hatten ſich noch nicht ganz von der Einwirkung des roten Sonnenſchirms erholt. Trotzdem hoffte Maureen, daß die größte Schwierigkeit nun über- wunden und ſie imſtande ſein werde, das Fuhrwerk ſiegreich an ſeinen Beſtimmungsort zu führen — voraus- geſetzt natürlich, daß ſich kein weiterer Zwiſchenfall er- eignete. Als ſie die Anhöhe erreicht hatten, wandte ſie ſich zu ihrem vor Angſt zitternden Gefährten und ſagte: „Ich glaube, ich kann die Pferde jetzt anhalten. Bitte ſteigen Sie ab und legen Sie den Hemmſchuh an.“ „Ich verſtehe nichts von Hemmſchuh,“ brummte er. Mit Aufbietung all ihrer Kräfte brachte Maureen die Pferde endlich einen Augenblick zum Stillſtehen und ſagte dann mit zorniger Miene und in gebieteriſchem Tone: „Verlaſſen Sie ſogleich den Wagen.“ „Das war ohnedies meine Abſicht,“ antwortete er, blitzſchnell vom Wagen ſpringend. Kaum fühlte er feſten Boden unter den Füßen, ſo brach er in wütende Ver- wünſchungen über das erbärmliche Fuhrwerk und über die ganze Poſteinrichtung aus. „Warten Sie nur, mein liebes Fräulein, ich will den Hemmſchuh ſchon anlegen,“ rief der alte Pfarrer. Raſch und geſchickt führte er ſofort ſeinen Vorſatz aus, während die beiden vorderen Pferde ungeduldig tänzelten und Lady Fanſhawe mit weinerlicher Stimme bat: „O, Maureen, Maureen, laß mich ausſteigen.“ Aber das Geſpann hatte ſich bereits wieder in Be- wegung geſetzt und trabte jetzt ruhig und langſam bergab. Schon war mehr als die Hälfte des Weges zurückgelegt, als der Schecke in plötzlich wiedererwachendem Uebermut ausſchlug und den Kopf des hinteren Pferdes traf, worauf dieſes über den Strang ſchlug. Im Nu entſtand ein unlösbar erſcheinender Wirrwarr unter den vier Pferden, bei deſſen Anblick auch Maureens Mut zu ſchwinden begann. In dieſem verhängnisvollen Augen- blick gewahrten die Reiſenden einen Herrn, der in höchſter Eile quer über die Felder daherlief, ſich über eine Hecke ſchwang und, ehe man ſich’s verſah, den beiden Vorder- pferden in die Zügel fiel. Die Wirkung war verblüffend. Beruhigend ſprach er auf den Schecken ein, ſtreichelte deſſen aufgeregten Kameraden, richtete ein ermutigen- des Wort an die Stangenpferde und ſchwang ſich auf den Bock. „Nun iſt alles in Ordnung“, rief er, ſich nach rück- wärts wendend. „Die Tiere kennen mich und werden jetzt ſo fromm gehen wie die Lämmer. Sie brauchen ſich nicht im geringſten mehr zu ängſtigen.“ (Fortſetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 53, Wien, 22.02.1909, S. 1. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost053_1909/1>, abgerufen am 21.11.2024.