Reichspost. Nr. 41, Wien, 11.02.1896.41 Wien, Dienstag Reichspost 11. Februar 1896 [Spaltenumbruch] erklärt: "Ich will mich nicht über die Bilderverkäufe selbst äußern. Nach dieser Richtung wird der Minister für Cultus und Unterricht die nöthigen Aufklärungen bieten. Ich will mich nur mit den sachlichen Bemer- kungen befassen, die Abg. Graf Apponyi bezüglich der parlamentarischen Controle gethan hat. Die Reihenfolge der Thatsachen, die Abg. Graf Apponyi angeführt hat, entspricht der Wahrheit, (!) doch läßt sich meiner An- sicht nach daraus nicht folgern, daß die Regierung dem Controlrechte des Hauses ausweichen wollte." (Redner spricht fort.) Ausland. Die Londoner "Daily Chronicle" brachte Ministerpräsident Bourgeois ist in Aus den Landtagen. Niederösterreich. In fortgesetzter Debatte über das Armengesetz Abg. Josef Baumann beantragt, die Regierung auf- Abg. Faber bemerkt, seine Einwendungen richten sich Abg. Steiner bemerkt, man dürfe nur die Worte Abg. Jax meint, das beste Armengesetz wäre die Abg. Rigler klagt darüber, daß auch die Lasten des Abg. Oberndorser meint, Dr. Kvpp sei als Vater Abg. Vergani führt aus, das Armengesetz könnte dann Abg. Dr. Kopp constatirt, daß die höchste Umlage, die Berichterstatter Dumba: Die Debatte war im Allge- Redner bemerkt, die vom Abg. Oberndorfer Bei der Abstimmung wird der Antrag Oberndorfer Abg. Boschan referirt sodann Namens des Verwal- Bei der Abstimmung werden die Anträge ohne Landmarschall (sich erhebend): Hohes Haus! Es Die Verhandlung wird abgebrochen. Der Landesordnungsausschuß setzte Abendsitzung. Abg. Boschan gibt Namens sämmtlicher Mitglieder Sodann wird die Tagesordnung fortgesetzt. Der Antrag des Landesculturausschusses betreffend eine Zum Antrag betreffend die Uebernahme des geometri- Es werden hierauf noch eine Reihe kleinerer Vorlagen 41 Wien, Dienſtag Reichspoſt 11. Februar 1896 [Spaltenumbruch] erklärt: „Ich will mich nicht über die Bilderverkäufe ſelbſt äußern. Nach dieſer Richtung wird der Miniſter für Cultus und Unterricht die nöthigen Aufklärungen bieten. Ich will mich nur mit den ſachlichen Bemer- kungen befaſſen, die Abg. Graf Apponyi bezüglich der parlamentariſchen Controle gethan hat. Die Reihenfolge der Thatſachen, die Abg. Graf Apponyi angeführt hat, entſpricht der Wahrheit, (!) doch läßt ſich meiner An- ſicht nach daraus nicht folgern, daß die Regierung dem Controlrechte des Hauſes ausweichen wollte.“ (Redner ſpricht fort.) Ausland. Die Londoner „Daily Chronicle“ brachte Miniſterpräſident Bourgeois iſt in Aus den Landtagen. Niederöſterreich. In fortgeſetzter Debatte über das Armengeſetz Abg. Joſef Baumann beantragt, die Regierung auf- Abg. Faber bemerkt, ſeine Einwendungen richten ſich Abg. Steiner bemerkt, man dürfe nur die Worte Abg. Jax meint, das beſte Armengeſetz wäre die Abg. Rigler klagt darüber, daß auch die Laſten des Abg. Oberndorſer meint, Dr. Kvpp ſei als Vater Abg. Vergani führt aus, das Armengeſetz könnte dann Abg. Dr. Kopp conſtatirt, daß die höchſte Umlage, die Berichterſtatter Dumba: Die Debatte war im Allge- Redner bemerkt, die vom Abg. Oberndorfer Bei der Abſtimmung wird der Antrag Oberndorfer Abg. Boſchan referirt ſodann Namens des Verwal- Bei der Abſtimmung werden die Anträge ohne Landmarſchall (ſich erhebend): Hohes Haus! Es Die Verhandlung wird abgebrochen. Der Landesordnungsausſchuß ſetzte Abendſitzung. Abg. Boſchan gibt Namens ſämmtlicher Mitglieder Sodann wird die Tagesordnung fortgeſetzt. Der Antrag des Landesculturausſchuſſes betreffend eine Zum Antrag betreffend die Uebernahme des geometri- Es werden hierauf noch eine Reihe kleinerer Vorlagen <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0003" n="3"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">41 Wien, Dienſtag Reichspoſt 11. Februar 1896</hi></fw><lb/><cb/> erklärt: „Ich will mich nicht über die Bilderverkäufe<lb/> ſelbſt äußern. Nach dieſer Richtung wird der Miniſter<lb/> für Cultus und Unterricht die nöthigen Aufklärungen<lb/> bieten. Ich will mich nur mit den ſachlichen Bemer-<lb/> kungen befaſſen, die Abg. Graf Apponyi bezüglich der<lb/> parlamentariſchen Controle gethan hat. Die Reihenfolge<lb/> der Thatſachen, die Abg. Graf Apponyi angeführt hat,<lb/> entſpricht der Wahrheit, (!) doch läßt ſich meiner An-<lb/> ſicht nach daraus nicht folgern, daß die Regierung dem<lb/> Controlrechte des Hauſes ausweichen wollte.“ (Redner<lb/> ſpricht fort.)</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Ausland.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Die Londoner „Daily Chronicle“ brachte<lb/> jüngſt eine bemerkenswerthe Nachricht über eine<lb/> bevorſtehende Wendung in der <hi rendition="#b">macedoniſchen<lb/> Bewegung,</hi> für deren Richtigkeit indeß das Blatt<lb/> allein bürgen muß. Die Nachricht beſagt, daß die<lb/> macedoniſchen Comites in Serbien, Bulgarien und<lb/> Griechenland ihre Vorbereitungen für die Wieder-<lb/> erweckung des Aufſtandes in Macedonien im Früh-<lb/> jahre auf einen Wink aus Rußland <hi rendition="#g">cingeſtellt</hi><lb/> haben. Die ruſſiſchen Botſchafter in Wien und<lb/> Conſtantinopel hätten angeblich das bulgariſche<lb/> Central-Comite gewarnt, irgend etwas zu unter-<lb/> nehmen, was den Frieden in der europäiſchen<lb/> Türkei ſtören könnte. Der Sultan habe überdies<lb/> Serbien, Bulgarien und Griechenland verſichert,<lb/> er werde den Wünſchen aller macedoniſchen Natio-<lb/> nalitäten willfahren.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p><hi rendition="#b">Miniſterpräſident Bourgeois</hi> iſt in<lb/> einen heftigen Streit mit dem Senate verwickelt,<lb/> und zwar über den Antrag <hi rendition="#g">Trarieux,</hi> welcher<lb/> den Arbeitern der Staatseiſenbahnen und Staats-<lb/> fabriken die Freiheit zu ſtreiken verwehren wollte.<lb/> Bourgeois und Kriegsminiſter <hi rendition="#g">Cavaignac</hi><lb/> bekämpften den Antrag, der trotzdem vom Senate<lb/> mit 159 gegen 82 Stimmen angenommen wurde.<lb/> Das war eine entſchiedene Niederlage der Re-<lb/> gierung und natürlich der Anlaß für die geſammte<lb/> radicale Preſſe auf den Senat loszuſchlagen, ſeine<lb/> Abſchaffung zu begehren. Ob nun Herr Bourgeois<lb/> ſich von ſeinen journaliſtiſchen Freunden zu einem<lb/> Kampfe mit dem Senate hinreißen laſſen wird, iſt<lb/> ſehr fraglich, der Beſitz der Macht hat ſeinen ganz<lb/> eigenartigen Reiz, und Bourgeois wäre kein<lb/> Franzoſe, wenn er ſich ſo leichthin von dieſem<lb/> Reize würde trennen können. Eine weitere Nieder-<lb/> lage wird das Cabinet ſich im Senate holen bei<lb/> Berathung der Regierungsvorlage des Handels-<lb/> miniſters <hi rendition="#g">Meſureur,</hi> nach welcher „jede Be-<lb/> hinderung der freien Ausübung der Rechte der<lb/> Arbeitergenoſſenſchaften“ mit Gefängniß beſtraft<lb/> wird. Hierin erblicken die Senatoren — und<lb/> wohl nicht ganz ohne Recht — eine Vergewalti-<lb/> gung der Fabriksbeſitzer und Arbeitgeber durch<lb/> die Syndicate, und deshalb werden ſie den Antrag<lb/> auch ablehnen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Aus den Landtagen.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Niederöſterreich.</hi> </head><lb/> <p>In fortgeſetzter Debatte über das <hi rendition="#g">Armengeſetz</hi><lb/> beſpricht Abg. Dr. <hi rendition="#b">Ofner</hi> die Wirkungen des Armen-<lb/> geſetzes für die Stadt St. Pölten. Die Stadt habe dem<lb/> Bezirksarmenfonds ein Armenvermögen im Werthe von<lb/> 137.000 fl. übergeben. Mit dieſem Vermögen und mit den<lb/> Spenden, die früher <hi rendition="#g">reichlich</hi> gefloſſen, ſeit Einführung<lb/> des neuen Armengeſetzes aber verſiegt ſind, wurde das Aus-<lb/> langen gefunden, ſo daß keine beſondere Umlage für die<lb/> Armenzwecke eingehoben zu werden brauchte. Jetzt müſſe<lb/> das Gemeindegebiet St. Pölten eine 10%ige Armenumlage<lb/> im Betrage von 9500 fl. leiſten, und die Armenpflege ſei<lb/> keine beſſere geworden. Redner ſtellt ſchließlich mehrere<lb/> Anträge, dahingehend, daß die die Steuerträger zu ſehr be-<lb/> laſtenden Beſtimmungen dieſes Geſetzes abgeändert und ins-<lb/> beſondere kleinere, den Gemeindegebieten ſich mehr an-<lb/> nähernde Armenbezirke geſchaffen werden, daß Er-<lb/> leichterungen bei der Ausfertigung der Licenzgebühren platz-<lb/> greifen ſollen und die Erläſſe bezüglich der Controle<lb/> der Landbürgermeiſter durch die Gendarmerie aufgehoben<lb/> werden.</p><lb/> <p>Abg. Joſef <hi rendition="#b">Baumann</hi> beantragt, die Regierung auf-<lb/> zufordern, baldigſt einen G<supplied>e</supplied>ſetzentwurf einzubringen, durch<lb/> welchen die Altersverſorgung der bei der Induſtrie und den<lb/> Eiſenbahnen beſchäftigten Arbeiter obligatoriſch eingeführt<lb/> wird; den Landesausſchuß zu beauftragen, zu erheben, wie<lb/> viele verwaiſte und verlaſſene Kinder im Lande auf öffent-<lb/> liche Koſten verſorgt werden müſſen und das aus Anlaß<lb/> des Regierungs-Jubiläums des Kaiſers zu errichtende<lb/> Kinderheim dieſer Ziffer entſprechend zu erweitern; weiters<lb/> den Landesausſchuß zu beauftragen, bei Armenangelegen-<lb/> heiten einen ſolchen Geſchäftsgang einzuführen, daß die Ab-<lb/> wicklung einer jeden Angelegenheit raſcher und ohne Viel-<lb/> ſchreiberei ſtattfinden ka<supplied>n</supplied>n. Für den Fall der Ablehnung<lb/> dieſer Anträge ſtellt Redner einen Eventualantrag auf<lb/> Abänderung des Armengeſetzes in der Richtung, daß<lb/> das Erträgniß einer ausgiebiegen <hi rendition="#b">Börſen- und Luxus-<lb/> ſteuer</hi> für die A<supplied>r</supplied>menverſorgung herangezogen werde.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Faber</hi> bemerkt, ſeine Einwendungen richten ſich<lb/> gegen die Größe der Armenbezirke, welche dem Obmanne<lb/> auf dem flachen Lande die Controle ſehr erſchweren und<lb/> ihn mit Geſchäften überbürden.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Steiner</hi> bemerkt, man dürfe nur die Worte<lb/> Jagdgeſetz und Armengeſetz in den Mund nehmen, ſo geht<lb/><cb/> ein Sturm der Entrüſtung durch die Landbevölkerung. Die<lb/> Majorität hat ſich mit der Schaffung von Geſetzen ſchon<lb/> gründlich blamirt, ſo beim Wiener Statut, beim Thier-<lb/> ſeuchengeſetz, beim Armengeſetz, welche alle ſchlecht ſind. Die<lb/> falſche Scham nützt nichts, dieſe Geſetze müſſen geändert<lb/> werden. Denjenigen Pflegern und Armencommiſſionen,<lb/> welche ihre Pflicht gewiſſenhaft erfüllt haben, iſt der Dank<lb/> auszuſprechen; denjenigen aber, welche gewiſſenlos ihres<lb/> Amtes gewaltet haben, kann man ihn nicht ausſprechen. So<lb/> wurde in Tulln conſtatirt, daß ein Pfleger einem angeblich<lb/> Armen eine Pfründe zuweiſen ließ, welcher ein paar fette<lb/> Schweine und Grundſtücke ſein Eigenthum nannte. Im Be-<lb/> zirke St. Pölten beſchäftigt ein Großgrundbeſitzer ſchon<lb/> jahrelang ſtändig eine Anzahl von Arbeitern. Dieſelben ſind<lb/> allerdings in vorgerücktem Alter, aber unbekümmert darum<lb/> bezahlt dieſer Großgrundbeſitzer ihnen die Löhne weiter. Die<lb/> Betreffenden haben um eine Pfründe angeſucht und ſie be-<lb/> kommen. In der Wiener Bevölkerung ſei die ſtille, wahre,<lb/> herzliche Humanität noch vorhanden. Redner ſei daher durch<lb/> den Paſſus in der geſtrigen Arbeiterzeitung verletzt worden:<lb/> „Das ganze wieneriſche Protzenthum des verſtockten dummen<lb/> Kerls von Wien drückt ſich in der Thatſache aus, daß das<lb/> goldene Wiener Herz das Schäbigſte iſt, was es gibt.“ —<lb/> Speciell der Berichterſtatter <hi rendition="#g">Dumba,</hi> einer der wenigen<lb/> Männer mit dem wahrhaft goldenen Wiener Herzen, möge<lb/> vielleicht die Güte haben, darauf zu reflectiren, wenn die<lb/> Wiener in ſo unerhörter Weiſe beleidigt werden. (Rufe: Es<lb/> hat’s ja ein Jude geſchrieben.) Von Denjenigen, welche die<lb/> Humanität in der Stille üben, müſſe mit Bedauern con-<lb/> ſtatirt werden, daß es durchwegs Chriſten ſind. Wenn die<lb/> Großcapitaliſten Geld hergeben, verlangen ſie, daß es ver-<lb/> öffentlicht werde. Das iſt keine chriſtliche Humanität. Redner<lb/> hebt hervor, daß vor allem eine Aenderung des <hi rendition="#g">Hei-<lb/> matsgeſetzes</hi> und eine <hi rendition="#g">allgemeine Al-<lb/> ters- und Invaliden-Verſorgung</hi><lb/> ſeitens des Staates eintreten müſſe, und unterſtützt ſchließlich<lb/> den Antrag Ofner, indem er bemerkt, es würden bei den<lb/> zukünftigen Wahlen das <hi rendition="#g">Armengeſetz</hi> und das<lb/><hi rendition="#g">Jagdgeſetz</hi> eines der wichtigſten <hi rendition="#g">Kampfmittel</hi><lb/> ſein.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Jax</hi> meint, das beſte Armengeſetz wäre die<lb/> Schaffung einer ordentlichen <hi rendition="#g">Socialreform,</hi> durch<lb/> welche der Armuth entgegengewirkt würde, indem man<lb/> Jedem Arbeit verſchafft. Im gegenwärtigen Armengeſetze<lb/> müſſen bedeutende Mängel vorhanden ſein, ſonſt wäre die<lb/> Mißſtimmung gegen dasſelbe in der Bevölkerung nicht er-<lb/> klärlich. Redner beleuchtet ſodann die Mängel des Geſetzes<lb/> und beſpricht hiebei auch die Verhältniſſe in der Stadt-<lb/> gemeinde Waidhofen. Ein Director Rothſchild’s ſei der<lb/> Dictator von Waidhofen und der Bürgermeiſter von Waid-<lb/> hofen ſei der Rechtsvertreter des Rothſchild. Bei den herr-<lb/> ſchenden Verhältniſſen müſſe man ſich in Waidhofen fragen,<lb/> ob man noch unter öſterreichiſchen Geſetzen ſtehe oder der<lb/> orientaliſchen Herrſchaft ſchon total verfallen ſei. Der Bürger-<lb/> meiſter und Stadtrath ſollten wegen Mißbrauch der Amts-<lb/> gewalt in Unterſuchung gezogen und verurtheilt werden.<lb/> Was die Armengeſetzgebung betreffe, ſo ſei der Hauptvortheil,<lb/> der bisher geſchaffen wurde, der, daß dadurch eine<lb/> Hebung der Papierfabrication in Oeſterreich hervorgerufen<lb/> wurde. (Heiterkeit.) Redner plaidirt dafür, daß man ſtatt<lb/> der Bezirksarmenräthe Armeniſpectoren ſchaffen ſolle, welche<lb/> die Controle zu führen hätten, und tritt dafür ein, daß<lb/> man auf die Pfarrarmeninſtitute, und zwar in verbeſſerter<lb/> Form wieder zurückkommen ſolle. Dann werde die Privat-<lb/> wohlthätigkeit auch wieder größer werden. Schließlich befür-<lb/> wortet Redner die Errichtung von Idioten- und Siechen-<lb/> anſtalten und erklärt, für die Anträge des Abg. Ofner<lb/> ſtimmen zu wollen.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Rigler</hi> klagt darüber, daß auch die Laſten des<lb/> Armengeſetzes, wie ſo viele andere, nicht auf die Reichen,<lb/> ſondern auf den Mittelſtand gewälzt werden, und ſchließt<lb/> ſich dem Antrag des Abg. Ofner an.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Oberndorſer</hi> meint, Dr. Kvpp ſei als Vater<lb/> des Armengeſetzes verpflichtet, wenn das Kind auch ver-<lb/> wahrloſt und ungeberdig iſt, es zu retten und müſſe ſuchen,<lb/> es in eine Verſorgungsanſtalt für verwahrloſte Kinder unter-<lb/> zubringen. (Heiterkeit.) Auf ſeine Wähler hat ſich der Abg.<lb/> Dr. Kopp nicht berufen. Redner führt aus, daß die Auf-<lb/> hebung des Geſetzes von allen Seiten verlangt werde, nicht<lb/> nur von Bauern, ſondern auch von den gebildetſten Kreiſen,<lb/> von Liberalen wie von Conſervativen. Der Bericht des<lb/> Landesausſchuſſes ſollte wahrheitsgetreu ſein. Die Zahl der<lb/> Armen iſt in Wirklichkeit heute ſchon eine viel größere. Da<lb/> die Ausführungen des Abg. Dr. Kopp den Redner nicht<lb/> befriedigt haben, es auch nicht den Anſchein habe, als ob<lb/> der Landesausſchuß auf durchgreifende Aenderungen eingehen<lb/> wollte, ſtellt er den Antrag: das Geſetz vom 13. October<lb/> 1893 wird aufgehoben.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Vergani</hi> führt aus, das Armengeſetz könnte dann<lb/> aufgehoben werden, wenn der Staat an die Einführung<lb/> einer Alters- und Invaliditätsverſorgung ſchreiten würde.<lb/> Wenn jemand von ſeinem 14. Lebensjahre angefangen einen<lb/> geringen Betrag in den. Alters- und Invaliditätsverſorgungs-<lb/> fond einzuzahlen hätte, und er dann im Falle der Erwerbs-<lb/> unfähigkeit eine gewiſſe Rente bis zu ſeinem Tode bezieht,<lb/> ſo wäre das kein Almoſen mehr; es würden mit einem<lb/> Schlage die Armen und Bettler verſchwinden und ein<lb/> Armengeſetz wäre nicht mehr nothwendig. Ein großer<lb/> Fehler war, daß Land und Stadt durcheinander geworfen<lb/> wurde. Auf dem Lande kann man ſich nichts Schöneres<lb/> vorſtellen, als daß die Armenerhaltung wieder den Gemeinden<lb/> überlaſſen und vom Pfarrer geleitet werde. Das ganze<lb/> muß einen <hi rendition="#g">patriarchaliſchen</hi> Anſtrich bekommen.<lb/> Redner tritt für das geſchloſſene Armenweſen ein. Er unter-<lb/> ſtützt den Antrag Ofner, empfiehlt die Anträge des Abg.<lb/> Oberndorfer gleichfalls zur Berückſichtigung und ſtellt<lb/> folgenden Reſolutionsantrag: Die Regierung wird auf-<lb/> gefordert, in der allernächſten Zeit ein allgemeines Alters-<lb/> verſorgungs- und Invaliditätsgeſetz dem Reichsrathe vor-<lb/> zulegen.</p><lb/> <p>Abg. Dr. <hi rendition="#b">Kopp</hi> conſtatirt, daß die höchſte Umlage, die<lb/> aber nicht ausgeſchrieben, ſondern nur ausgerechnet wurde,<lb/> in einem Bezirke 38% betrage, 21 Bezirke zahlen nicht<lb/> einmal 38%.</p><lb/> <p>Berichterſtatter <hi rendition="#b">Dumba:</hi> Die Debatte war im Allge-<lb/> meinen eine lehrreiche, die Erfahrungen, die aus der Be-<lb/> völkerung heraus zu uns kommen, müſſen ein Fingerzeig<lb/> dafür ſein, wo Abänderungen zu ſchaffen ſind. Viele von<lb/> den gewünſchten Verbeſſerungen ſind aber im rein admini-<lb/> ſtrativen Wege herbeizuführen. Daß in der Bevölkerung<lb/><cb/> Unzufriedenheit über das Geſetz herrſcht, daran iſt kein<lb/> Zweifel. Ein Geſetz, welches der Bevölkerung Laſten auf-<lb/> erlegt, iſt nie populär. Die Abg. müſſen aber beſtrebt ſein,<lb/> wenn an einem Geſetz etwas gutes iſt, der Bevölkerung<lb/> begreiflich zu machen, daß ſie dieſe Opfer bringen muß.<lb/> Gerade die kleineren Gemeinden waren es, welche immerfort<lb/> um ein Armengeſetz gebeten haben; ſie hatten ungeheuere<lb/> Umlagen für die Armenverſorgung und konnten für das<lb/> Armenweſen trotzdem nicht in menſchenwürdiger Weiſe<lb/> ſorgen. Wenn jetzt die Bezirksumlage kommt, einzelne Ge-<lb/> meinden aber jene Umlagen, die ſie für die Armenver-<lb/> ſorgung hatten, für andere Zwecke beibehalten, dann<lb/> empfindet die Bevölkerung nur, daß ſie mehr zahlen muß,<lb/> und die Mißſtimmung iſt begreiflich.</p><lb/> <p>Redner bemerkt, die vom Abg. Oberndorfer<lb/> gewünſchte Aufhebung des Armengeſetzes würde ein Chaos<lb/> ſchaffen; aber auch für die Abänderung des Geſetzes ſei<lb/> heute der Moment noch nicht gekommen. Man möge dieſelbe<lb/> dem neuen Landtage und dem neuen Landesausſchuſſe über-<lb/> laſſen, welche bereits über genügende Erfahrungen werden<lb/> verfügen können, alle im Laufe der Debatte geſtellten An-<lb/> träge aber dem Landesausſchuſſe zu überweiſen. (Beifall.)</p><lb/> <p>Bei der Abſtimmung wird der Antrag Oberndorfer<lb/> abgelehnt, die Ausſchußanträge werden angenommen, alle<lb/> übrigen im Laufe der Debatte geſtellten Anträge dem Landes-<lb/> ausſchuſſe zugewieſen.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Boſchan</hi> referirt ſodann Namens des Verwal-<lb/> tungsausſchuſſes über die aus Anlaß des bevorſtehenden<lb/> 50jährigen Regierungsjubiläums des Kaiſers zu errichtende<lb/> Landes-Siechenanſtalt und einer Anſtalt für arme, verwaiſte<lb/> und verlaſſene Kinder.</p><lb/> <p>Bei der Abſtimmung werden die Anträge <hi rendition="#g">ohne<lb/> Debatte einſtimmig angenommen.</hi> </p><lb/> <p><hi rendition="#b">Landmarſchall</hi> (ſich erhebend): Hohes Haus! Es<lb/> gereicht mir zur beſonderen Freude, enunciren zu können,<lb/> daß das hohe Haus den Antrag des Verwaltungsausſchuſſes<lb/> einſtimmig zu ſeinem Beſchluſſe erhoben hat. (Beifall. Das<lb/> Haus erhebt ſich.) Die Kundgebung, welche das hohe Haus<lb/> hiemit vollzogen hat, iſt ein neuerlicher Beweis der unwan-<lb/> delbaren Gefühle, welche wir gewiß Alle die erhabene Perſon<lb/> unſeres allergnädigſten Kaiſers und Herrn ſtets in unſerem<lb/> Herzen tragen und auch ſtets tragen werden. (Beifall.)<lb/> Stimmen Sie daher mit mir ein in den Ruf: Se. Majeſtät<lb/> unſer allergnädigſter Kaiſer und Herr Franz Joſeph <hi rendition="#aq">I.</hi> lebe<lb/> hoch, hoch, hoch! (Die Verſammlung bringt ein dreimaliges<lb/> begeiſtertes Hoch aus.)</p><lb/> <p>Die Verhandlung wird abgebrochen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Landesordnungsausſchuß</hi> ſetzte<lb/> heute ſeine Berathungen über die <hi rendition="#g">Abänderung der<lb/> Landtagswahlordnung</hi> fort und gieng in die<lb/> Specialdebatte über die in der letzten Sitzung gefaßten prin-<lb/> cipiellen Beſchlüſſe ein. Bei § 7, welcher die Wahlorte in<lb/> den Landesgemeindebezirken beſtimmt, beantragte Dr.<lb/><hi rendition="#g">Weitlof</hi> die Wiederaufnahme der Debatte über die in<lb/> der letzten Sitzung beſchloſſene Beſtimmung, nach welcher<lb/> jede Gemeinde mit mindeſtens <hi rendition="#b">20</hi> Wählern Wahlort ſein<lb/> ſoll. — Regierungsvertreter Statthaltereiſecretär Ritter von<lb/><hi rendition="#g">Wagner</hi> erklärte, daß eine Beſtimmung, wonach ſchon<lb/> zwanzig Wähler hinreichend ſein ſollten, damit eine Ge-<lb/> meinde Wahlort ſei, <hi rendition="#g">für die Regierung unan-<lb/> nehmbar ſei, und das Zuſtandekommen<lb/> des Geſetzes</hi> verhindern, und verwies darauf, daß<lb/> eine ſolche Beſtimmung den wiederholt und auf das Schärfſte<lb/> betonten principiellen Bedenken wiederſpreche, daß eine correcte<lb/> Durchführung der Wahlen nicht möglich ſein würde.<lb/> und <supplied>d</supplied>aß eine ſolche Bedingung der Bedeutung dieſer An-<lb/> gelegenheit durchaus nicht entſpreche. Die Regierung wäre<lb/> für die Erhöhung dieſer Zahl von 20 auf 50. Der Antrag<lb/> auf Wiederaufnahme der Debatte wurde mit Stimmen-<lb/> gleichheit <hi rendition="#g">abgelehnt.</hi> Es wurde hierauf geltend<lb/> gemacht, daß es ſich nicht empfehle, dem Hauſe einen Geſetz-<lb/> entwurf vorzulegen, von welchem keine Ausſicht vorhanden<lb/> ſei, daß er zur Sanction vorgelegt würde, daß daher jeden-<lb/> falls <hi rendition="#g">im Hauſeſelbſt</hi> von jenen, welche die Aenderung<lb/> der Landtagswahlordnung wollen, ein diesbezüglicher Antrag<lb/> geſtellt werden wird. Die übrigen Paragraphe wurden bis<lb/> zum § 31 im Sinne der früher gefaßten principiellen Be-<lb/> ſchlüſſe angenommen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Abendſitzung.</hi> </head><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Boſchan</hi> gibt Namens ſämmtlicher Mitglieder<lb/> des <hi rendition="#g">Thierſeuchenausſchuſſes</hi> die Erklärung<lb/> ab, daß dieſelben mit Rückſicht darauf, daß es ihnen im<lb/> Hauſe nicht einmal möglich war, in einer Generaldebatte<lb/> über das vom Ausſchuſſe vorgelegte Geſetz ihre Meinung zu<lb/> äußern, ihre Mandate als Mitglieder des Ausſchuſſes nieder-<lb/> legen.</p><lb/> <p>Sodann wird die Tagesordnung fortgeſetzt.</p><lb/> <p>Der Antrag des Landesculturausſchuſſes betreffend eine<lb/> Abänderung des Geſetzes über die Theilung gemeinſchaftlicher<lb/> Grundſtücke (Commaſſation) wird nach dem Referate des<lb/> Abg. <hi rendition="#b">Richter</hi> ohne Debatte angenommen.</p><lb/> <p>Zum Antrag betreffend die Uebernahme des geometri-<lb/> ſchen Perſonales der Landescommiſſion für agrariſche Opera-<lb/> tionen in den Staatsdienſt, wofür das Land den Betrag<lb/> von 40.000 fl. zu leiſten hat, ſpricht contra Abg. <hi rendition="#b">Gregorig,</hi><lb/> welcher verſchiedene Mißſtände, die bei den Commaſſationen<lb/> vorgekommen ſind, anführt. Dieſelben ſucht zu widerlegen<lb/> Abg. Graf <hi rendition="#b">Gatterburg,</hi> worauf Abg. <hi rendition="#b">Dötz</hi> dem Abg.<lb/><hi rendition="#g">Gregorig</hi> theilweiſe beiſtimmt, jedoch hervorhebt, daß<lb/> die Commaſſationen auch manches Gute mit ſich bringen.<lb/> Sehr ſcharf ſpricht Abg. v. <hi rendition="#b">Pacher,</hi> der ſeinem Mißtrauen gegen<lb/> die von Miniſtern und Statthaltern geführten Geſchäfte<lb/> Ausdruck verleiht. Als Redner im Verlaufe ſeiner Rede<lb/> die „Affaire Madeyski“ beſpricht und es als einen<lb/> Scandal bezeichnet daß ein Mann der ſich offenkundig des<lb/> Verbrechens des <hi rendition="#g">Mißbrauches</hi> der <hi rendition="#g">Amtsgewalt</hi><lb/> ſchuldig gemacht hat, in Ehre und Anſehen blieb, wird er<lb/> vom Landmarſchall ermahnt den parlamentariſchen Ton zu<lb/> beachten, worauf v. <hi rendition="#b">Pacher</hi> erwidert: „Ich bin gewohnt<lb/> den parlamentariſchen Ton hochzuhalten, nicht wir ſind es<lb/> die die Scandale verurſachen, ſondern ein Scandal iſt es<lb/> daß ein Statthalter von Niederöſterreich, nach dem, was ihm hier<lb/> ſchon geſagt wurde, <hi rendition="#g">noch</hi> Statthalter bleibt!“ (Lebhafter<lb/> Beifall.) — Nach dem Schlußworte des Berichterſtatters<lb/> Prof. <hi rendition="#g">Richter</hi> werden die Ausſchußanträge ange-<lb/> nommen.</p><lb/> <p>Es werden hierauf noch eine Reihe kleinerer Vorlagen<lb/> erledigt, worauf die Sitzung wegen des heute Abends ſtatt-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [3/0003]
41 Wien, Dienſtag Reichspoſt 11. Februar 1896
erklärt: „Ich will mich nicht über die Bilderverkäufe
ſelbſt äußern. Nach dieſer Richtung wird der Miniſter
für Cultus und Unterricht die nöthigen Aufklärungen
bieten. Ich will mich nur mit den ſachlichen Bemer-
kungen befaſſen, die Abg. Graf Apponyi bezüglich der
parlamentariſchen Controle gethan hat. Die Reihenfolge
der Thatſachen, die Abg. Graf Apponyi angeführt hat,
entſpricht der Wahrheit, (!) doch läßt ſich meiner An-
ſicht nach daraus nicht folgern, daß die Regierung dem
Controlrechte des Hauſes ausweichen wollte.“ (Redner
ſpricht fort.)
Ausland.
Die Londoner „Daily Chronicle“ brachte
jüngſt eine bemerkenswerthe Nachricht über eine
bevorſtehende Wendung in der macedoniſchen
Bewegung, für deren Richtigkeit indeß das Blatt
allein bürgen muß. Die Nachricht beſagt, daß die
macedoniſchen Comites in Serbien, Bulgarien und
Griechenland ihre Vorbereitungen für die Wieder-
erweckung des Aufſtandes in Macedonien im Früh-
jahre auf einen Wink aus Rußland cingeſtellt
haben. Die ruſſiſchen Botſchafter in Wien und
Conſtantinopel hätten angeblich das bulgariſche
Central-Comite gewarnt, irgend etwas zu unter-
nehmen, was den Frieden in der europäiſchen
Türkei ſtören könnte. Der Sultan habe überdies
Serbien, Bulgarien und Griechenland verſichert,
er werde den Wünſchen aller macedoniſchen Natio-
nalitäten willfahren.
Miniſterpräſident Bourgeois iſt in
einen heftigen Streit mit dem Senate verwickelt,
und zwar über den Antrag Trarieux, welcher
den Arbeitern der Staatseiſenbahnen und Staats-
fabriken die Freiheit zu ſtreiken verwehren wollte.
Bourgeois und Kriegsminiſter Cavaignac
bekämpften den Antrag, der trotzdem vom Senate
mit 159 gegen 82 Stimmen angenommen wurde.
Das war eine entſchiedene Niederlage der Re-
gierung und natürlich der Anlaß für die geſammte
radicale Preſſe auf den Senat loszuſchlagen, ſeine
Abſchaffung zu begehren. Ob nun Herr Bourgeois
ſich von ſeinen journaliſtiſchen Freunden zu einem
Kampfe mit dem Senate hinreißen laſſen wird, iſt
ſehr fraglich, der Beſitz der Macht hat ſeinen ganz
eigenartigen Reiz, und Bourgeois wäre kein
Franzoſe, wenn er ſich ſo leichthin von dieſem
Reize würde trennen können. Eine weitere Nieder-
lage wird das Cabinet ſich im Senate holen bei
Berathung der Regierungsvorlage des Handels-
miniſters Meſureur, nach welcher „jede Be-
hinderung der freien Ausübung der Rechte der
Arbeitergenoſſenſchaften“ mit Gefängniß beſtraft
wird. Hierin erblicken die Senatoren — und
wohl nicht ganz ohne Recht — eine Vergewalti-
gung der Fabriksbeſitzer und Arbeitgeber durch
die Syndicate, und deshalb werden ſie den Antrag
auch ablehnen.
Aus den Landtagen.
Niederöſterreich.
In fortgeſetzter Debatte über das Armengeſetz
beſpricht Abg. Dr. Ofner die Wirkungen des Armen-
geſetzes für die Stadt St. Pölten. Die Stadt habe dem
Bezirksarmenfonds ein Armenvermögen im Werthe von
137.000 fl. übergeben. Mit dieſem Vermögen und mit den
Spenden, die früher reichlich gefloſſen, ſeit Einführung
des neuen Armengeſetzes aber verſiegt ſind, wurde das Aus-
langen gefunden, ſo daß keine beſondere Umlage für die
Armenzwecke eingehoben zu werden brauchte. Jetzt müſſe
das Gemeindegebiet St. Pölten eine 10%ige Armenumlage
im Betrage von 9500 fl. leiſten, und die Armenpflege ſei
keine beſſere geworden. Redner ſtellt ſchließlich mehrere
Anträge, dahingehend, daß die die Steuerträger zu ſehr be-
laſtenden Beſtimmungen dieſes Geſetzes abgeändert und ins-
beſondere kleinere, den Gemeindegebieten ſich mehr an-
nähernde Armenbezirke geſchaffen werden, daß Er-
leichterungen bei der Ausfertigung der Licenzgebühren platz-
greifen ſollen und die Erläſſe bezüglich der Controle
der Landbürgermeiſter durch die Gendarmerie aufgehoben
werden.
Abg. Joſef Baumann beantragt, die Regierung auf-
zufordern, baldigſt einen Geſetzentwurf einzubringen, durch
welchen die Altersverſorgung der bei der Induſtrie und den
Eiſenbahnen beſchäftigten Arbeiter obligatoriſch eingeführt
wird; den Landesausſchuß zu beauftragen, zu erheben, wie
viele verwaiſte und verlaſſene Kinder im Lande auf öffent-
liche Koſten verſorgt werden müſſen und das aus Anlaß
des Regierungs-Jubiläums des Kaiſers zu errichtende
Kinderheim dieſer Ziffer entſprechend zu erweitern; weiters
den Landesausſchuß zu beauftragen, bei Armenangelegen-
heiten einen ſolchen Geſchäftsgang einzuführen, daß die Ab-
wicklung einer jeden Angelegenheit raſcher und ohne Viel-
ſchreiberei ſtattfinden kann. Für den Fall der Ablehnung
dieſer Anträge ſtellt Redner einen Eventualantrag auf
Abänderung des Armengeſetzes in der Richtung, daß
das Erträgniß einer ausgiebiegen Börſen- und Luxus-
ſteuer für die Armenverſorgung herangezogen werde.
Abg. Faber bemerkt, ſeine Einwendungen richten ſich
gegen die Größe der Armenbezirke, welche dem Obmanne
auf dem flachen Lande die Controle ſehr erſchweren und
ihn mit Geſchäften überbürden.
Abg. Steiner bemerkt, man dürfe nur die Worte
Jagdgeſetz und Armengeſetz in den Mund nehmen, ſo geht
ein Sturm der Entrüſtung durch die Landbevölkerung. Die
Majorität hat ſich mit der Schaffung von Geſetzen ſchon
gründlich blamirt, ſo beim Wiener Statut, beim Thier-
ſeuchengeſetz, beim Armengeſetz, welche alle ſchlecht ſind. Die
falſche Scham nützt nichts, dieſe Geſetze müſſen geändert
werden. Denjenigen Pflegern und Armencommiſſionen,
welche ihre Pflicht gewiſſenhaft erfüllt haben, iſt der Dank
auszuſprechen; denjenigen aber, welche gewiſſenlos ihres
Amtes gewaltet haben, kann man ihn nicht ausſprechen. So
wurde in Tulln conſtatirt, daß ein Pfleger einem angeblich
Armen eine Pfründe zuweiſen ließ, welcher ein paar fette
Schweine und Grundſtücke ſein Eigenthum nannte. Im Be-
zirke St. Pölten beſchäftigt ein Großgrundbeſitzer ſchon
jahrelang ſtändig eine Anzahl von Arbeitern. Dieſelben ſind
allerdings in vorgerücktem Alter, aber unbekümmert darum
bezahlt dieſer Großgrundbeſitzer ihnen die Löhne weiter. Die
Betreffenden haben um eine Pfründe angeſucht und ſie be-
kommen. In der Wiener Bevölkerung ſei die ſtille, wahre,
herzliche Humanität noch vorhanden. Redner ſei daher durch
den Paſſus in der geſtrigen Arbeiterzeitung verletzt worden:
„Das ganze wieneriſche Protzenthum des verſtockten dummen
Kerls von Wien drückt ſich in der Thatſache aus, daß das
goldene Wiener Herz das Schäbigſte iſt, was es gibt.“ —
Speciell der Berichterſtatter Dumba, einer der wenigen
Männer mit dem wahrhaft goldenen Wiener Herzen, möge
vielleicht die Güte haben, darauf zu reflectiren, wenn die
Wiener in ſo unerhörter Weiſe beleidigt werden. (Rufe: Es
hat’s ja ein Jude geſchrieben.) Von Denjenigen, welche die
Humanität in der Stille üben, müſſe mit Bedauern con-
ſtatirt werden, daß es durchwegs Chriſten ſind. Wenn die
Großcapitaliſten Geld hergeben, verlangen ſie, daß es ver-
öffentlicht werde. Das iſt keine chriſtliche Humanität. Redner
hebt hervor, daß vor allem eine Aenderung des Hei-
matsgeſetzes und eine allgemeine Al-
ters- und Invaliden-Verſorgung
ſeitens des Staates eintreten müſſe, und unterſtützt ſchließlich
den Antrag Ofner, indem er bemerkt, es würden bei den
zukünftigen Wahlen das Armengeſetz und das
Jagdgeſetz eines der wichtigſten Kampfmittel
ſein.
Abg. Jax meint, das beſte Armengeſetz wäre die
Schaffung einer ordentlichen Socialreform, durch
welche der Armuth entgegengewirkt würde, indem man
Jedem Arbeit verſchafft. Im gegenwärtigen Armengeſetze
müſſen bedeutende Mängel vorhanden ſein, ſonſt wäre die
Mißſtimmung gegen dasſelbe in der Bevölkerung nicht er-
klärlich. Redner beleuchtet ſodann die Mängel des Geſetzes
und beſpricht hiebei auch die Verhältniſſe in der Stadt-
gemeinde Waidhofen. Ein Director Rothſchild’s ſei der
Dictator von Waidhofen und der Bürgermeiſter von Waid-
hofen ſei der Rechtsvertreter des Rothſchild. Bei den herr-
ſchenden Verhältniſſen müſſe man ſich in Waidhofen fragen,
ob man noch unter öſterreichiſchen Geſetzen ſtehe oder der
orientaliſchen Herrſchaft ſchon total verfallen ſei. Der Bürger-
meiſter und Stadtrath ſollten wegen Mißbrauch der Amts-
gewalt in Unterſuchung gezogen und verurtheilt werden.
Was die Armengeſetzgebung betreffe, ſo ſei der Hauptvortheil,
der bisher geſchaffen wurde, der, daß dadurch eine
Hebung der Papierfabrication in Oeſterreich hervorgerufen
wurde. (Heiterkeit.) Redner plaidirt dafür, daß man ſtatt
der Bezirksarmenräthe Armeniſpectoren ſchaffen ſolle, welche
die Controle zu führen hätten, und tritt dafür ein, daß
man auf die Pfarrarmeninſtitute, und zwar in verbeſſerter
Form wieder zurückkommen ſolle. Dann werde die Privat-
wohlthätigkeit auch wieder größer werden. Schließlich befür-
wortet Redner die Errichtung von Idioten- und Siechen-
anſtalten und erklärt, für die Anträge des Abg. Ofner
ſtimmen zu wollen.
Abg. Rigler klagt darüber, daß auch die Laſten des
Armengeſetzes, wie ſo viele andere, nicht auf die Reichen,
ſondern auf den Mittelſtand gewälzt werden, und ſchließt
ſich dem Antrag des Abg. Ofner an.
Abg. Oberndorſer meint, Dr. Kvpp ſei als Vater
des Armengeſetzes verpflichtet, wenn das Kind auch ver-
wahrloſt und ungeberdig iſt, es zu retten und müſſe ſuchen,
es in eine Verſorgungsanſtalt für verwahrloſte Kinder unter-
zubringen. (Heiterkeit.) Auf ſeine Wähler hat ſich der Abg.
Dr. Kopp nicht berufen. Redner führt aus, daß die Auf-
hebung des Geſetzes von allen Seiten verlangt werde, nicht
nur von Bauern, ſondern auch von den gebildetſten Kreiſen,
von Liberalen wie von Conſervativen. Der Bericht des
Landesausſchuſſes ſollte wahrheitsgetreu ſein. Die Zahl der
Armen iſt in Wirklichkeit heute ſchon eine viel größere. Da
die Ausführungen des Abg. Dr. Kopp den Redner nicht
befriedigt haben, es auch nicht den Anſchein habe, als ob
der Landesausſchuß auf durchgreifende Aenderungen eingehen
wollte, ſtellt er den Antrag: das Geſetz vom 13. October
1893 wird aufgehoben.
Abg. Vergani führt aus, das Armengeſetz könnte dann
aufgehoben werden, wenn der Staat an die Einführung
einer Alters- und Invaliditätsverſorgung ſchreiten würde.
Wenn jemand von ſeinem 14. Lebensjahre angefangen einen
geringen Betrag in den. Alters- und Invaliditätsverſorgungs-
fond einzuzahlen hätte, und er dann im Falle der Erwerbs-
unfähigkeit eine gewiſſe Rente bis zu ſeinem Tode bezieht,
ſo wäre das kein Almoſen mehr; es würden mit einem
Schlage die Armen und Bettler verſchwinden und ein
Armengeſetz wäre nicht mehr nothwendig. Ein großer
Fehler war, daß Land und Stadt durcheinander geworfen
wurde. Auf dem Lande kann man ſich nichts Schöneres
vorſtellen, als daß die Armenerhaltung wieder den Gemeinden
überlaſſen und vom Pfarrer geleitet werde. Das ganze
muß einen patriarchaliſchen Anſtrich bekommen.
Redner tritt für das geſchloſſene Armenweſen ein. Er unter-
ſtützt den Antrag Ofner, empfiehlt die Anträge des Abg.
Oberndorfer gleichfalls zur Berückſichtigung und ſtellt
folgenden Reſolutionsantrag: Die Regierung wird auf-
gefordert, in der allernächſten Zeit ein allgemeines Alters-
verſorgungs- und Invaliditätsgeſetz dem Reichsrathe vor-
zulegen.
Abg. Dr. Kopp conſtatirt, daß die höchſte Umlage, die
aber nicht ausgeſchrieben, ſondern nur ausgerechnet wurde,
in einem Bezirke 38% betrage, 21 Bezirke zahlen nicht
einmal 38%.
Berichterſtatter Dumba: Die Debatte war im Allge-
meinen eine lehrreiche, die Erfahrungen, die aus der Be-
völkerung heraus zu uns kommen, müſſen ein Fingerzeig
dafür ſein, wo Abänderungen zu ſchaffen ſind. Viele von
den gewünſchten Verbeſſerungen ſind aber im rein admini-
ſtrativen Wege herbeizuführen. Daß in der Bevölkerung
Unzufriedenheit über das Geſetz herrſcht, daran iſt kein
Zweifel. Ein Geſetz, welches der Bevölkerung Laſten auf-
erlegt, iſt nie populär. Die Abg. müſſen aber beſtrebt ſein,
wenn an einem Geſetz etwas gutes iſt, der Bevölkerung
begreiflich zu machen, daß ſie dieſe Opfer bringen muß.
Gerade die kleineren Gemeinden waren es, welche immerfort
um ein Armengeſetz gebeten haben; ſie hatten ungeheuere
Umlagen für die Armenverſorgung und konnten für das
Armenweſen trotzdem nicht in menſchenwürdiger Weiſe
ſorgen. Wenn jetzt die Bezirksumlage kommt, einzelne Ge-
meinden aber jene Umlagen, die ſie für die Armenver-
ſorgung hatten, für andere Zwecke beibehalten, dann
empfindet die Bevölkerung nur, daß ſie mehr zahlen muß,
und die Mißſtimmung iſt begreiflich.
Redner bemerkt, die vom Abg. Oberndorfer
gewünſchte Aufhebung des Armengeſetzes würde ein Chaos
ſchaffen; aber auch für die Abänderung des Geſetzes ſei
heute der Moment noch nicht gekommen. Man möge dieſelbe
dem neuen Landtage und dem neuen Landesausſchuſſe über-
laſſen, welche bereits über genügende Erfahrungen werden
verfügen können, alle im Laufe der Debatte geſtellten An-
träge aber dem Landesausſchuſſe zu überweiſen. (Beifall.)
Bei der Abſtimmung wird der Antrag Oberndorfer
abgelehnt, die Ausſchußanträge werden angenommen, alle
übrigen im Laufe der Debatte geſtellten Anträge dem Landes-
ausſchuſſe zugewieſen.
Abg. Boſchan referirt ſodann Namens des Verwal-
tungsausſchuſſes über die aus Anlaß des bevorſtehenden
50jährigen Regierungsjubiläums des Kaiſers zu errichtende
Landes-Siechenanſtalt und einer Anſtalt für arme, verwaiſte
und verlaſſene Kinder.
Bei der Abſtimmung werden die Anträge ohne
Debatte einſtimmig angenommen.
Landmarſchall (ſich erhebend): Hohes Haus! Es
gereicht mir zur beſonderen Freude, enunciren zu können,
daß das hohe Haus den Antrag des Verwaltungsausſchuſſes
einſtimmig zu ſeinem Beſchluſſe erhoben hat. (Beifall. Das
Haus erhebt ſich.) Die Kundgebung, welche das hohe Haus
hiemit vollzogen hat, iſt ein neuerlicher Beweis der unwan-
delbaren Gefühle, welche wir gewiß Alle die erhabene Perſon
unſeres allergnädigſten Kaiſers und Herrn ſtets in unſerem
Herzen tragen und auch ſtets tragen werden. (Beifall.)
Stimmen Sie daher mit mir ein in den Ruf: Se. Majeſtät
unſer allergnädigſter Kaiſer und Herr Franz Joſeph I. lebe
hoch, hoch, hoch! (Die Verſammlung bringt ein dreimaliges
begeiſtertes Hoch aus.)
Die Verhandlung wird abgebrochen.
Der Landesordnungsausſchuß ſetzte
heute ſeine Berathungen über die Abänderung der
Landtagswahlordnung fort und gieng in die
Specialdebatte über die in der letzten Sitzung gefaßten prin-
cipiellen Beſchlüſſe ein. Bei § 7, welcher die Wahlorte in
den Landesgemeindebezirken beſtimmt, beantragte Dr.
Weitlof die Wiederaufnahme der Debatte über die in
der letzten Sitzung beſchloſſene Beſtimmung, nach welcher
jede Gemeinde mit mindeſtens 20 Wählern Wahlort ſein
ſoll. — Regierungsvertreter Statthaltereiſecretär Ritter von
Wagner erklärte, daß eine Beſtimmung, wonach ſchon
zwanzig Wähler hinreichend ſein ſollten, damit eine Ge-
meinde Wahlort ſei, für die Regierung unan-
nehmbar ſei, und das Zuſtandekommen
des Geſetzes verhindern, und verwies darauf, daß
eine ſolche Beſtimmung den wiederholt und auf das Schärfſte
betonten principiellen Bedenken wiederſpreche, daß eine correcte
Durchführung der Wahlen nicht möglich ſein würde.
und daß eine ſolche Bedingung der Bedeutung dieſer An-
gelegenheit durchaus nicht entſpreche. Die Regierung wäre
für die Erhöhung dieſer Zahl von 20 auf 50. Der Antrag
auf Wiederaufnahme der Debatte wurde mit Stimmen-
gleichheit abgelehnt. Es wurde hierauf geltend
gemacht, daß es ſich nicht empfehle, dem Hauſe einen Geſetz-
entwurf vorzulegen, von welchem keine Ausſicht vorhanden
ſei, daß er zur Sanction vorgelegt würde, daß daher jeden-
falls im Hauſeſelbſt von jenen, welche die Aenderung
der Landtagswahlordnung wollen, ein diesbezüglicher Antrag
geſtellt werden wird. Die übrigen Paragraphe wurden bis
zum § 31 im Sinne der früher gefaßten principiellen Be-
ſchlüſſe angenommen.
Abendſitzung.
Abg. Boſchan gibt Namens ſämmtlicher Mitglieder
des Thierſeuchenausſchuſſes die Erklärung
ab, daß dieſelben mit Rückſicht darauf, daß es ihnen im
Hauſe nicht einmal möglich war, in einer Generaldebatte
über das vom Ausſchuſſe vorgelegte Geſetz ihre Meinung zu
äußern, ihre Mandate als Mitglieder des Ausſchuſſes nieder-
legen.
Sodann wird die Tagesordnung fortgeſetzt.
Der Antrag des Landesculturausſchuſſes betreffend eine
Abänderung des Geſetzes über die Theilung gemeinſchaftlicher
Grundſtücke (Commaſſation) wird nach dem Referate des
Abg. Richter ohne Debatte angenommen.
Zum Antrag betreffend die Uebernahme des geometri-
ſchen Perſonales der Landescommiſſion für agrariſche Opera-
tionen in den Staatsdienſt, wofür das Land den Betrag
von 40.000 fl. zu leiſten hat, ſpricht contra Abg. Gregorig,
welcher verſchiedene Mißſtände, die bei den Commaſſationen
vorgekommen ſind, anführt. Dieſelben ſucht zu widerlegen
Abg. Graf Gatterburg, worauf Abg. Dötz dem Abg.
Gregorig theilweiſe beiſtimmt, jedoch hervorhebt, daß
die Commaſſationen auch manches Gute mit ſich bringen.
Sehr ſcharf ſpricht Abg. v. Pacher, der ſeinem Mißtrauen gegen
die von Miniſtern und Statthaltern geführten Geſchäfte
Ausdruck verleiht. Als Redner im Verlaufe ſeiner Rede
die „Affaire Madeyski“ beſpricht und es als einen
Scandal bezeichnet daß ein Mann der ſich offenkundig des
Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt
ſchuldig gemacht hat, in Ehre und Anſehen blieb, wird er
vom Landmarſchall ermahnt den parlamentariſchen Ton zu
beachten, worauf v. Pacher erwidert: „Ich bin gewohnt
den parlamentariſchen Ton hochzuhalten, nicht wir ſind es
die die Scandale verurſachen, ſondern ein Scandal iſt es
daß ein Statthalter von Niederöſterreich, nach dem, was ihm hier
ſchon geſagt wurde, noch Statthalter bleibt!“ (Lebhafter
Beifall.) — Nach dem Schlußworte des Berichterſtatters
Prof. Richter werden die Ausſchußanträge ange-
nommen.
Es werden hierauf noch eine Reihe kleinerer Vorlagen
erledigt, worauf die Sitzung wegen des heute Abends ſtatt-
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