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Reichspost. Nr. 27, Wien, 28.01.1896. Beilage.

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27 Wien, Dienstag Reichspost 28. Jänner 1896

[Spaltenumbruch] Stankovic genoß in der kroatischen Landeshaupt-
stadt das größte Ansehen, er war nicht nur
Directionsrath mehrerer Geld- und Industrieunter-
nehmungen, Präsident der serbischen Kirchengemeinde,
Rittmeister a. D., sondern war auch, wenigstens
in früheren Jahren lebhaft politisch thätig.
Persönlich war er liebenswürdigen Characters und einer
jener wenigen Serben, die auch unter den Kroaten
sich einer gewissen Popularität erfreuen. Börsen-
verluste sollen den im besten Mannesalter befindlichen
Stankovic in den Tod getrieben haben. Zu
bemerken wäre, daß Agram nun binnen wenigen
Jahren zum zweiten Male in die traurige Lage kam,
den Vicebürgermeister durch Selbstmord zu verlieren.
Der erste war im Jahre 1887 der Vicebürgermeister
Kallabar, der sich Malversationen zu Schulden
kommen ließ und im Momente der Verhaftung sich
erschoß.

Des Präfekten Fürsorge.

Die "Debats" melden
folgende Geschichte, deren Schauplatz nicht etwa Schilda
ist. Der Präfekt eines Departements X. hat kürzlich
einen Erlaß veröffentlicht, der gegen die Personen auf
strenge Strafe erkennt, die sich des Baumfrevels in der
Weise schuldig machen, daß sie die Rinde der Platanen
auf den öffentlichen Promenaden abschälen. Die so ver-
stümmelten Bäume böten, wie der Präfect erklärt, das
traurigste Schauspiel dar. Wider Erwarten blieb aber
der Erlaß des Präfecten ohne Erfolg und der hohe
Würdenträger ließ in größter Entrüstung seinen
Kabinetschef rufen, um zunächst diesem die Leviten zu
lesen. Dieser machte ihn aber in aller Bescheidenheit
darauf aufmerksam, daß die Platanen die löbliche Ge-
pflogenheit haben, seit urdenklichen Zeiten aus
hygienischen Gründen sich selbst zu schälen, was man
ihnen doch schließlich nicht verbieten könne. -- Ob das
wohl den Herrn Präfecten zu überzeugen vermochte?

* Die Pariser-Theater haben im Jahre 1895 ins-
gesammt 181/2 Millionen Francs eingenommen, das ist um
rund 690.000 Francs mehr als im Vorjahre. Die stärkste
Mehreinnahme hat das Gymnase-Theater erzielt. Auch die
stattlich subventionirten Theater haben eine sehr günstige
Bilanz aufzuweisen. Die große Oper hat 1895 mehr als
3 Millionen, die Comedie-Francaise mehr als 2 Millionen
abgeworfen, letzte um 116.000 Francs mehr als 1894. Es
ist dabei zu berücksichtigen, daß im Jahre 1895 Dumas'
"L'ami des femmes" das Repertoire der ersten französischen
Bühne lange Zeit fast ausschließlich beherrschte. Die kleineren
Theater verzeichnen durchwegs schlechten Geschäftsgang. Die
Renaissance allein hat um eine halbe Million Francs
weniger eingenommen als im Jahre 1894.

* Ein Armenhäusler, der bald Millionär ge-
worden wäre.

Die Londoner "Westminster" erinnert
daran, daß der frühere Besitzer des Grund und Bodens,
auf dem heute das "goldene", vielgenannte Johan-
nesburg
steht, als Invalide im Armenhaus in Guilford
liegt. Der alte Mann hatte ein sehr bewegtes Leben. Er
diente in der alten ostindischen Compagnie, kämpfte in der
Krim, wurde bei Sebastopol schwer verwundet und machte
den indischen Aufstand mit. Als er von Indien genug
hatte, ging er nach Südafrika und kämpfte hier gegen Zulus
und Buren. Bevor das Transvaal an die Buren fiel,
kaufte er für 7000 Mark nahe bei der Quelle des Limpopo
15.000 Acker Land -- eben die Stelle, wo Johannesburg
steht -- und beschloß, sich dauernd hier niederzulassen. Aber
Krieg brach aus, er ergriff die Waffen gegen die Buren
und gehörte zu der Abtheilung, die Prätoria hielt. Als 1880
die Republik erklärt wurde, weigerte er sich, unter Präsident
Krüger zu dienen, und sein Land, das nun Hunderte von
Millionen werth ist, wurde confiscirt. So wäre der heutige
Armenhäusler um ein Haar Millionär geworden!

* St. Frauciscus Regis Conferenz.

Dien-
stag den 4. Februar abends 71/4 Uhr findet in der
katholischen Ressource (I., Annagasse 9) eine Sitzung
der St. Franciscus Regis-Conferenz statt. Gäste will-
kommen.

* Eucharistische Versammlungen.

Donnerstag
den 30. Jänner d. J. findet eine eucharistische Ver-
sammlung in Jedenspeugen statt, Donnerstag den
6. Februar in Mannersdorf an der March.

* Die Generalversammlung des katholisch-
geselligen Vereines Wiener Ressource,

findet Donnerstag den 30. Jänner um 7 Uhr Abends
im Locale des Vereines I., Annagasse Nr. 9 statt. Die
Mitglieder, welche zu erscheinen verhindert sind, werden
gebeten, ihre Vollmachten einzuschicken.




Aus den Landtagen
Niederösterreich.

Unter den Einläufen befindet sich eine Interpellation
des Abg. Dr. Lueger, in welcher angefragt wird, ob der
Statthalter endlich der Termin für die Ausschreibung der
Wiener Gemeinderaths-Wahlen bekannt geben wolle.

Statthalter Graf Kielmansegg beantwortet mehrere
Interpellationen, darunter diejenige der Abg. Dötz und
Hauck, betreffend die Schweineseuche.

Hierauf wird zur Tagesordnung übergegangen.

Dalmatien.

Der griechische Bischof Milas leistete die Angelobung.
Der Landtags-Präsident theilt mit, daß Abg. Biankini
drei von ihm unterschriebene Anträge überreicht habe,
welche er, weil sie nicht von 4 Abgeordneten unterfertigt
sind, nicht zur Vorlesung bringe. Biankini verlangt
zur Verlesung die Stellung der Unterstützungsfrage, worauf
sich eine längere Debatte über die Auslegung des § 32 der
Geschäftsordnung entspinnt. Schließlich wird für die Ver-
lesung
entschieden. Alle drei Anträge Biankinis
betreffen die Ausdehnung der Session bis Ende Februar,
Wünsche wegen Grundsteuer-Regulirung und Abänderung
des Kunstweingesetzes werden unterstützt. Die
[Spaltenumbruch] Dringlichkeit für den ersten Antrag wird abgelehnt. Bei der
Verification der Landgemeindewahl in Sebenicover-
sucht
der Regierungsvertreter die Angriffe Biankinis
wegen der wegen der Wahlen erfolgten Entziehung der
Unterstützung der Seelsorger zu widerlegen. Biankini be-
spricht die Landtagswahlen, und die Ungerechtigkeit der
Landtags-Wohlordnung und den Kampf der Parteien sowie
über die Stellungnahme der Regierung gegen die Rechts-
partei und bespricht die Vorfälle bei den verschiedensten
Wahlen, wobei er vom Präsidenten wiederholt zur Sache
gerufen und ihm schließlich das Wort entzogen
(Ganz wie bei uns!) wird. Die Debatte wird sodann ge-
schlossen. Die Wahl der zwei Abgeordneten der Landge-
meinden von Sebenico wird agnoscirt.




Telegramme.
Italien in Afrika.

Die Agenzia Stefani meldet
aus Adaga-Hamas vom heutigen: Der von
Baratieri an Makonnen entsandte Bote kehrte
gegen Abend zurück. Makonnen betheuert in der Antwort
auf den Brief des General Baratieri sein und Meneliks
Festhalten an den in Betreff der Räumung Makalles
festgesetzten Pakten. Alle Kundschafter bestätigten, daß
das Bataillon Galliano's Waffen, Kanonen und viel
Kriegsmaterial mit sich führe und daß die gesammte
Mannschaft des Bataillons gut gehalten sei. Das
Bataillon ist im Lager im Carree formirt. In
der Mitte befinden sich die Officiere mit den
Verwundeten, die Kanonen und das Kriegsmaterial.
Das Bataillon ist nach der Gepflogenheit (?) der Abes-
synier von dem Corps Makonnens umgeben wegen der
von dem Letzteren übernommenen Bürgschaft, damit das
Bataillon nicht mit den Corps der übrigen Chefs in
Berührung komme. Felter erzählt, daß die Sol-
daten der übrigen Chefs beim Abzuge Galliano's aus
Makalle unzufrieden mit den festgesetzten Bedingungen
und wegen des langen Widerstandes Galliano's auf-
gebracht waren. Sonntag war Rasttag. Die Schoaner,
welche bei Agula lagerten, sollten sich mit ihrer ganzen
Streitkraft gegen Haussen, die Colonne Galliano's gegen
Adagahamus wenden.

Boris' Glaubenswechsel.

Fürst Ferdinand
begab sich gestern Abends mit seinem Gefolge in zwei
Wagen nach dem Vatican, von wo er ins
Hotel zurückkehrte.

Der Aufstand auf Cuba.

Der Ministerrath be-
schäftigte sich mit der Fünfzig-Millionen-
Anleihe
und der Einführung einer Kriegsteuer auf
Cuba. Der letztere Plan wird noch den Gegenstand
weiterer Berathungen bilden. Ministerpräsident Ca-
novas
erklärte, daß die Kammern zu einem ge-
eigneten Zeitpunkte einberufen werden. -- Eine
officielle (!) Depesche aus Havannah verkündet
mehrere Treffen mit den Insurgenten, namentlich einen
Sieg des Obersten Molina über 600 von
dem Führer Bienvenido befehligte Insurgenten in der
Provinz Matanzas. Die Truppen bemächtigten sich
des Lagers der Insurgenten, welche einen Verlust von
vier Todten hatten. In Guanajay, Provinz Pinar
del Nio, hielten die Insurgenten einen Eisenbahnzug an
und setzten alle Waggons in Brand.

Grubenkatastrophe.

Nach weiteren Meldungen sind
von den bei der Explosion in der Kohlengrube
bei Tylorstown
verschütteten Bergarbeitern 33 lebend
an's Tageslicht befördert und 15 Leichen geborgen worden;
42 werden noch vermißt.




Zur Beachtung.

Wir ersuchen unsere geehrten p. t. Abnehmer,
gütigst zum Monatswechsel das Abonnement bald-
möglichst erneuern zu wollen, damit in der Zu-
sendung keine Unterbrechung eintritt.

Gleichzeitig bitten wir jene Abonnenten, welche
das Abonnement angemeldet haben und daraufhin
das Blatt bereits zugesandt erhielten, gütigst die
Begleichung des Betrages erfolgen zu lassen.




Börse.

Eifrige Bestrebungen, die Curssteigerung weiter zu
fördern, haben an der heutigen Vorbörse den erwünschten
Erfolg erzielt. Die meisten Bankpapiere waren zu erhöhten
Cursen gehandelt. Die Türkenlose sind seit mehreren Tagen
vernachlässigt.

Um 11 Uhr notirten: Oesterreichische Creditactien
375.--, Ungarische Creditactien 420.50, Anglobank 174.--,
Unionbank 310.50, Bankverein 147.75, Länderbank 250.--,
Bodencreditanstalt 478.--, Tabakactien 19.10, Mairente
100.86, Silberrente 101.10, Oesterreichische Kronenrente 100.75,
Ungarische Kronenrente 99.15, Oesterreichische Goldrente
122.70, Ungarische Goldrente 122.75, Staatsbahnactien
370.25, Lombarden 101.--, Galizier --.--, Elbethalbahn
279.--, Norwestbahn 277.--, Czernowitzer 294.--, Kaschauer
195.50, Buschtehrader A. 146.--, Buschtehrader B. 536.75,
Böhmische Nordbahn 276.50, Böhmische Westbahn --.--,
Graz-Köflacher 265.--, Nordbahnactien 34.20 Oesterreichische
Localbahnen 206.--, Oesterreichische Waffenfabrik 299.--,
Tramwayactien 494.--, Neue Wr. Tramwayactien --.--
[Spaltenumbruch] Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft 470.--, Lloydactien
--.--, Communallose --.--, Ungarlose --.--, Theißlose
--.--, Türkenlose 57.40, Waggonleihanstalt --.--,
Montan 84.40 Prager Eisen 679.--, Wienerberger
Ziegelfabrik 322.--, Rima-Muranier 254.--, Trifailer
165.--, Brüxer Kohle 294.--, Westböhmische Kohle --.--,
Rubel 1.28·75, Marknoten 59.32 bis --.--, Napoleons
9.62, Prag-Dux --.--, Wiener Bau --.--, Allgemeine
Bau 129.--, Hütten --.--., Elektr.-Ges. --.--.




Volkswirthschaftlicher Theil.
Gegen die Zuckercartelle.

Im böhmischen Landtage führte der Abg. Dr.
Pazak bei der Begründung seines Antrages bezüglich
der Zuckercartelle aus, daß das Coalitionsgesetz nicht
ausreiche und zwar nicht gegen die sogenannten
Rayonnirungscartelle, und daß die Erlassung eines
neueren Gesetzes als nothwendig erscheine. Frankreich
England und Amerika haben Maßregeln gegen die
Cartelle ergriffen. Die Zuckercartelle hatten ursprüng-
lich den Zweck, der Ueberproduction zu steuern. Später
haben sich die sogenannten Rayonnirungen entwickelt
und derzeit gliedern sich die Zuckerfabriken in 5
Sectionen, deren jede ihre eigenen Einrichtungen und
ihren eigenen Vollzugsausschuß haben. Unter dem
Rayonnirungszwange dürfe der Bauer seine Rüben
nur jener Fabrik verkaufen, der er zugewiesen ist.
Er ist also auf Gnade und Ungnade dem Käufer
ausgeliefert. Diese Cartelle seien an dem Rückgange
des Preises des Rohmateriales allein schuld. Sie
müssen also unbedingt einer Controlle unterworfen
werden.




Generalversammlung der Dienstmann-Garantie-
Gesellschaft.

Die Dienstmann-Garantie-Gesellschaft hielt.
Sonntag Vormittags im "Lanner-Saale" ihre diesjährige
Generalversammlung ab. Der Jahresbericht beziffert die
Zahl der Mitglieder mit 610. Die Einnahmen von
3196 fl. 73 kr. stehen Ausgaben im Betrage von 2724 fl.
33 kr. gegenüber, hiervon wurden 458 fl. 90 kr. an Hinter-
bliebene verstorbener Mitglieder und 508 fl. als Abfertigung
an erwerbsunfähig gewordene Mitglieder ausbezahlt. Das
Vermögen beläuft sich auf 10445 fl. 17 kr. Der Vorstehung
wurde das Absolutorium ertheilt. Es gelangte eine Note
des Wiener Magistrates zur Verlesung, in welcher die von
den Dienstmännern gewünschte Kappe mit der Aufschrift
"Wiener Dienstmann" genehmigt und der Garantiegesell-
schaft der Name "Wiener Dienstmann-Institut" ertheilt
wird. Auf Antrag des Ausschusses wurde beschlossen, dem
Magistrate eine die Wünsche der Dienstmänner zusammen-
fassende Petition zu überreichen. In dieser Petition wird
ausgeführt, daß der heutige Stand von 1700 Dienst-
männern den bestehenden Verhältnissen nicht mehr entspreche
und eine Reducirung dieser Zahl auf 1000 Mann dringend
geboten erscheine. Die bisher bestehenden Institute "Com-
missionär", "Stadtcourier" und "Expreß" sollen beim Ab-
leben der Concessionsinhaber oder bei Rücklegung der Con-
cessionen aufgelöst und die Würdigsten unter den Be-
diensteten dem "Wiener Dienstmann-Institut" angegliedert
werden. Für neu aufzunehmende Leute soll die Bestimmung
gelten, daß sie mindestens 30 Jahre alt sind und fünf
Jahre in Wien gewohnt haben müßten. Sodann wurden
die Neuwahlen in die Institutsleitung vorgenommen. Der
bisherige Obmann Johann Ertl wurde zum Obmanne
wiedergewählt.

Bange machen gilt nicht.

Die Berliner Börsen-
presse beginnt jetzt das alte Manöver, das auch wir in
Wien bei passender Gelegenheit von der Wiener Börsen-
presse durchgeführt sahen. Die Berliner Börsenpresse
sucht nämlich durch die Aufstellung aller möglichen
Schreckgespenste die Börsenreform zu lähmen. So
schreibt die "Nat.-Ztg." in ihrem Börsenberichte: "Die
Resignation, mit der man hier der weitern Entwicklung
der Dinge hinsichtlich der "Börsenreform", wie man zu
fagen beliebt, entgegensieht, lähmt alle Unternehmungs-
lust." Und an anderer Stelle: "Amsterdam freut sich
schon auf den Gewinn an Geschäftsthätigkeit, den ihm
der Niedergang der Berliner Productenbörse zuführen
wird." Das wird ja der reine Exodus der mißhan-
delten Jobber werden. Es ist die alte Geschichte wie
bei uns in Wien. Uns drohte man mit dem Auszuge
der Getreidehändler nach Budapest, den Berlinern macht
man bange mit dem Hinweise auf Amsterdam. Aber
weshalb wollen sie gerade das unschuldige Amsterdam
beglücken? Es gibt eine friedliche Stelle im großen
Ocean. Mögen sie doch dort auf Actien eine nette
kleine Insel erwerben und ein neues Fürstenthum
Monaco gründen. Wenn es da mit Roggen und Weizen
zu umständlich ist, können sie ja in Muscheln oder
Fischgräten Termingeschäfte machen. Das ist auch an-
regend und gewinnbringend; außerdem schadet es nie-
mandem.

Die Creditnoth der Landwirthe.

Der Real-
credit der Landwirthe ist wie die steigenden Verschul-
dungsziffern zeigen, vtelfach ganz erschöpft und daher
der Andrang zu den Personalcreditinstituten ein unge-
heuerer. So sind dem Generalanwaltschaftsverband länd-
licher Genossenschaften im Jahre 1895 circa 500 neue
Genossenschaften beigetreten, so daß er jetzt 1900 um-
faßt. Der Allgemeine Verband der deutschen landw.
Genossenschaften ist durch Zutritt von etwa 800 Ge-
nossenschaften im Jahre 1895 auf die Zahl von über
2700 angelangt. Auch die kleineren ländlichen Genossen-
schaftsverbände haben sich erheblich vermehrt. Die neuen
Genossenschaften sind, wie die L. d. B. d. L. bemerkt,
ganz überwiegend Spar- und Darlehenskassen, ein Be-

27 Wien, Dienſtag Reichspoſt 28. Jänner 1896

[Spaltenumbruch] Stankovic genoß in der kroatiſchen Landeshaupt-
ſtadt das größte Anſehen, er war nicht nur
Directionsrath mehrerer Geld- und Induſtrieunter-
nehmungen, Präſident der ſerbiſchen Kirchengemeinde,
Rittmeiſter a. D., ſondern war auch, wenigſtens
in früheren Jahren lebhaft politiſch thätig.
Perſönlich war er liebenswürdigen Characters und einer
jener wenigen Serben, die auch unter den Kroaten
ſich einer gewiſſen Popularität erfreuen. Börſen-
verluſte ſollen den im beſten Mannesalter befindlichen
Stankovic in den Tod getrieben haben. Zu
bemerken wäre, daß Agram nun binnen wenigen
Jahren zum zweiten Male in die traurige Lage kam,
den Vicebürgermeiſter durch Selbſtmord zu verlieren.
Der erſte war im Jahre 1887 der Vicebürgermeiſter
Kallabar, der ſich Malverſationen zu Schulden
kommen ließ und im Momente der Verhaftung ſich
erſchoß.

Des Präfekten Fürſorge.

Die „Débats“ melden
folgende Geſchichte, deren Schauplatz nicht etwa Schilda
iſt. Der Präfekt eines Departements X. hat kürzlich
einen Erlaß veröffentlicht, der gegen die Perſonen auf
ſtrenge Strafe erkennt, die ſich des Baumfrevels in der
Weiſe ſchuldig machen, daß ſie die Rinde der Platanen
auf den öffentlichen Promenaden abſchälen. Die ſo ver-
ſtümmelten Bäume böten, wie der Präfect erklärt, das
traurigſte Schauſpiel dar. Wider Erwarten blieb aber
der Erlaß des Präfecten ohne Erfolg und der hohe
Würdenträger ließ in größter Entrüſtung ſeinen
Kabinetschef rufen, um zunächſt dieſem die Leviten zu
leſen. Dieſer machte ihn aber in aller Beſcheidenheit
darauf aufmerkſam, daß die Platanen die löbliche Ge-
pflogenheit haben, ſeit urdenklichen Zeiten aus
hygieniſchen Gründen ſich ſelbſt zu ſchälen, was man
ihnen doch ſchließlich nicht verbieten könne. — Ob das
wohl den Herrn Präfecten zu überzeugen vermochte?

* Die Pariſer-Theater haben im Jahre 1895 ins-
geſammt 18½ Millionen Francs eingenommen, das iſt um
rund 690.000 Francs mehr als im Vorjahre. Die ſtärkſte
Mehreinnahme hat das Gymnaſe-Theater erzielt. Auch die
ſtattlich ſubventionirten Theater haben eine ſehr günſtige
Bilanz aufzuweiſen. Die große Oper hat 1895 mehr als
3 Millionen, die Comédie-Francaiſe mehr als 2 Millionen
abgeworfen, letzte um 116.000 Francs mehr als 1894. Es
iſt dabei zu berückſichtigen, daß im Jahre 1895 Dumas’
»L’ami des femmes« das Repertoire der erſten franzöſiſchen
Bühne lange Zeit faſt ausſchließlich beherrſchte. Die kleineren
Theater verzeichnen durchwegs ſchlechten Geſchäftsgang. Die
Renaiſſance allein hat um eine halbe Million Francs
weniger eingenommen als im Jahre 1894.

* Ein Armenhäusler, der bald Millionär ge-
worden wäre.

Die Londoner „Weſtminſter“ erinnert
daran, daß der frühere Beſitzer des Grund und Bodens,
auf dem heute das „goldene“, vielgenannte Johan-
nesburg
ſteht, als Invalide im Armenhaus in Guilford
liegt. Der alte Mann hatte ein ſehr bewegtes Leben. Er
diente in der alten oſtindiſchen Compagnie, kämpfte in der
Krim, wurde bei Sebaſtopol ſchwer verwundet und machte
den indiſchen Aufſtand mit. Als er von Indien genug
hatte, ging er nach Südafrika und kämpfte hier gegen Zulus
und Buren. Bevor das Transvaal an die Buren fiel,
kaufte er für 7000 Mark nahe bei der Quelle des Limpopo
15.000 Acker Land — eben die Stelle, wo Johannesburg
ſteht — und beſchloß, ſich dauernd hier niederzulaſſen. Aber
Krieg brach aus, er ergriff die Waffen gegen die Buren
und gehörte zu der Abtheilung, die Prätoria hielt. Als 1880
die Republik erklärt wurde, weigerte er ſich, unter Präſident
Krüger zu dienen, und ſein Land, das nun Hunderte von
Millionen werth iſt, wurde confiscirt. So wäre der heutige
Armenhäusler um ein Haar Millionär geworden!

* St. Frauciscus Regis Conferenz.

Dien-
ſtag den 4. Februar abends 7¼ Uhr findet in der
katholiſchen Reſſource (I., Annagaſſe 9) eine Sitzung
der St. Franciscus Regis-Conferenz ſtatt. Gäſte will-
kommen.

* Euchariſtiſche Verſammlungen.

Donnerſtag
den 30. Jänner d. J. findet eine euchariſtiſche Ver-
ſammlung in Jedenſpeugen ſtatt, Donnerſtag den
6. Februar in Mannersdorf an der March.

* Die Generalverſammlung des katholiſch-
geſelligen Vereines Wiener Reſſource,

findet Donnerſtag den 30. Jänner um 7 Uhr Abends
im Locale des Vereines I., Annagaſſe Nr. 9 ſtatt. Die
Mitglieder, welche zu erſcheinen verhindert ſind, werden
gebeten, ihre Vollmachten einzuſchicken.




Aus den Landtagen
Niederöſterreich.

Unter den Einläufen befindet ſich eine Interpellation
des Abg. Dr. Lueger, in welcher angefragt wird, ob der
Statthalter endlich der Termin für die Ausſchreibung der
Wiener Gemeinderaths-Wahlen bekannt geben wolle.

Statthalter Graf Kielmansegg beantwortet mehrere
Interpellationen, darunter diejenige der Abg. Dötz und
Hauck, betreffend die Schweineſeuche.

Hierauf wird zur Tagesordnung übergegangen.

Dalmatien.

Der griechiſche Biſchof Milas leiſtete die Angelobung.
Der Landtags-Präſident theilt mit, daß Abg. Biankini
drei von ihm unterſchriebene Anträge überreicht habe,
welche er, weil ſie nicht von 4 Abgeordneten unterfertigt
ſind, nicht zur Vorleſung bringe. Biankini verlangt
zur Verleſung die Stellung der Unterſtützungsfrage, worauf
ſich eine längere Debatte über die Auslegung des § 32 der
Geſchäftsordnung entſpinnt. Schließlich wird für die Ver-
leſung
entſchieden. Alle drei Anträge Biankinis
betreffen die Ausdehnung der Seſſion bis Ende Februar,
Wünſche wegen Grundſteuer-Regulirung und Abänderung
des Kunſtweingeſetzes werden unterſtützt. Die
[Spaltenumbruch] Dringlichkeit für den erſten Antrag wird abgelehnt. Bei der
Verification der Landgemeindewahl in Sebenicover-
ſucht
der Regierungsvertreter die Angriffe Biankinis
wegen der wegen der Wahlen erfolgten Entziehung der
Unterſtützung der Seelſorger zu widerlegen. Biankini be-
ſpricht die Landtagswahlen, und die Ungerechtigkeit der
Landtags-Wohlordnung und den Kampf der Parteien ſowie
über die Stellungnahme der Regierung gegen die Rechts-
partei und beſpricht die Vorfälle bei den verſchiedenſten
Wahlen, wobei er vom Präſidenten wiederholt zur Sache
gerufen und ihm ſchließlich das Wort entzogen
(Ganz wie bei uns!) wird. Die Debatte wird ſodann ge-
ſchloſſen. Die Wahl der zwei Abgeordneten der Landge-
meinden von Sebenico wird agnoscirt.




Telegramme.
Italien in Afrika.

Die Agenzia Stefani meldet
aus Adaga-Hamas vom heutigen: Der von
Baratieri an Makonnen entſandte Bote kehrte
gegen Abend zurück. Makonnen betheuert in der Antwort
auf den Brief des General Baratieri ſein und Meneliks
Feſthalten an den in Betreff der Räumung Makalles
feſtgeſetzten Pakten. Alle Kundſchafter beſtätigten, daß
das Bataillon Galliano’s Waffen, Kanonen und viel
Kriegsmaterial mit ſich führe und daß die geſammte
Mannſchaft des Bataillons gut gehalten ſei. Das
Bataillon iſt im Lager im Carrée formirt. In
der Mitte befinden ſich die Officiere mit den
Verwundeten, die Kanonen und das Kriegsmaterial.
Das Bataillon iſt nach der Gepflogenheit (?) der Abeſ-
ſynier von dem Corps Makonnens umgeben wegen der
von dem Letzteren übernommenen Bürgſchaft, damit das
Bataillon nicht mit den Corps der übrigen Chefs in
Berührung komme. Felter erzählt, daß die Sol-
daten der übrigen Chefs beim Abzuge Galliano’s aus
Makalle unzufrieden mit den feſtgeſetzten Bedingungen
und wegen des langen Widerſtandes Galliano’s auf-
gebracht waren. Sonntag war Raſttag. Die Schoaner,
welche bei Agula lagerten, ſollten ſich mit ihrer ganzen
Streitkraft gegen Hauſſen, die Colonne Galliano’s gegen
Adagahamus wenden.

Boris’ Glaubenswechſel.

Fürſt Ferdinand
begab ſich geſtern Abends mit ſeinem Gefolge in zwei
Wagen nach dem Vatican, von wo er ins
Hotel zurückkehrte.

Der Aufſtand auf Cuba.

Der Miniſterrath be-
ſchäftigte ſich mit der Fünfzig-Millionen-
Anleihe
und der Einführung einer Kriegſteuer auf
Cuba. Der letztere Plan wird noch den Gegenſtand
weiterer Berathungen bilden. Miniſterpräſident Ca-
novas
erklärte, daß die Kammern zu einem ge-
eigneten Zeitpunkte einberufen werden. — Eine
officielle (!) Depeſche aus Havannah verkündet
mehrere Treffen mit den Inſurgenten, namentlich einen
Sieg des Oberſten Molina über 600 von
dem Führer Bienvenido befehligte Inſurgenten in der
Provinz Matanzas. Die Truppen bemächtigten ſich
des Lagers der Inſurgenten, welche einen Verluſt von
vier Todten hatten. In Guanajay, Provinz Pinar
del Nio, hielten die Inſurgenten einen Eiſenbahnzug an
und ſetzten alle Waggons in Brand.

Grubenkataſtrophe.

Nach weiteren Meldungen ſind
von den bei der Exploſion in der Kohlengrube
bei Tylorſtown
verſchütteten Bergarbeitern 33 lebend
an’s Tageslicht befördert und 15 Leichen geborgen worden;
42 werden noch vermißt.




Zur Beachtung.

Wir erſuchen unſere geehrten p. t. Abnehmer,
gütigſt zum Monatswechſel das Abonnement bald-
möglichſt erneuern zu wollen, damit in der Zu-
ſendung keine Unterbrechung eintritt.

Gleichzeitig bitten wir jene Abonnenten, welche
das Abonnement angemeldet haben und daraufhin
das Blatt bereits zugeſandt erhielten, gütigſt die
Begleichung des Betrages erfolgen zu laſſen.




Börſe.

Eifrige Beſtrebungen, die Cursſteigerung weiter zu
fördern, haben an der heutigen Vorbörſe den erwünſchten
Erfolg erzielt. Die meiſten Bankpapiere waren zu erhöhten
Curſen gehandelt. Die Türkenloſe ſind ſeit mehreren Tagen
vernachläſſigt.

Um 11 Uhr notirten: Oeſterreichiſche Creditactien
375.—, Ungariſche Creditactien 420.50, Anglobank 174.—,
Unionbank 310.50, Bankverein 147.75, Länderbank 250.—,
Bodencreditanſtalt 478.—, Tabakactien 19.10, Mairente
100.86, Silberrente 101.10, Oeſterreichiſche Kronenrente 100.75,
Ungariſche Kronenrente 99.15, Oeſterreichiſche Goldrente
122.70, Ungariſche Goldrente 122.75, Staatsbahnactien
370.25, Lombarden 101.—, Galizier —.—, Elbethalbahn
279.—, Norweſtbahn 277.—, Czernowitzer 294.—, Kaſchauer
195.50, Buſchtehrader A. 146.—, Buſchtehrader B. 536.75,
Böhmiſche Nordbahn 276.50, Böhmiſche Weſtbahn —.—,
Graz-Köflacher 265.—, Nordbahnactien 34.20 Oeſterreichiſche
Localbahnen 206.—, Oeſterreichiſche Waffenfabrik 299.—,
Tramwayactien 494.—, Neue Wr. Tramwayactien —.—
[Spaltenumbruch] Donau-Dampfſchiffahrts-Geſellſchaft 470.—, Lloydactien
—.—, Communalloſe —.—, Ungarloſe —.—, Theißloſe
—.—, Türkenloſe 57.40, Waggonleihanſtalt —.—,
Montan 84.40 Prager Eiſen 679.—, Wienerberger
Ziegelfabrik 322.—, Rima-Muranier 254.—, Trifailer
165.—, Brüxer Kohle 294.—, Weſtböhmiſche Kohle —.—,
Rubel 1.28·75, Marknoten 59.32 bis —.—, Napoleons
9.62, Prag-Dux —.—, Wiener Bau —.—, Allgemeine
Bau 129.—, Hütten —.—., Elektr.-Geſ. —.—.




Volkswirthſchaftlicher Theil.
Gegen die Zuckercartelle.

Im böhmiſchen Landtage führte der Abg. Dr.
Pazak bei der Begründung ſeines Antrages bezüglich
der Zuckercartelle aus, daß das Coalitionsgeſetz nicht
ausreiche und zwar nicht gegen die ſogenannten
Rayonnirungscartelle, und daß die Erlaſſung eines
neueren Geſetzes als nothwendig erſcheine. Frankreich
England und Amerika haben Maßregeln gegen die
Cartelle ergriffen. Die Zuckercartelle hatten urſprüng-
lich den Zweck, der Ueberproduction zu ſteuern. Später
haben ſich die ſogenannten Rayonnirungen entwickelt
und derzeit gliedern ſich die Zuckerfabriken in 5
Sectionen, deren jede ihre eigenen Einrichtungen und
ihren eigenen Vollzugsausſchuß haben. Unter dem
Rayonnirungszwange dürfe der Bauer ſeine Rüben
nur jener Fabrik verkaufen, der er zugewieſen iſt.
Er iſt alſo auf Gnade und Ungnade dem Käufer
ausgeliefert. Dieſe Cartelle ſeien an dem Rückgange
des Preiſes des Rohmateriales allein ſchuld. Sie
müſſen alſo unbedingt einer Controlle unterworfen
werden.




Generalverſammlung der Dienſtmann-Garantie-
Geſellſchaft.

Die Dienſtmann-Garantie-Geſellſchaft hielt.
Sonntag Vormittags im „Lanner-Saale“ ihre diesjährige
Generalverſammlung ab. Der Jahresbericht beziffert die
Zahl der Mitglieder mit 610. Die Einnahmen von
3196 fl. 73 kr. ſtehen Ausgaben im Betrage von 2724 fl.
33 kr. gegenüber, hiervon wurden 458 fl. 90 kr. an Hinter-
bliebene verſtorbener Mitglieder und 508 fl. als Abfertigung
an erwerbsunfähig gewordene Mitglieder ausbezahlt. Das
Vermögen beläuft ſich auf 10445 fl. 17 kr. Der Vorſtehung
wurde das Abſolutorium ertheilt. Es gelangte eine Note
des Wiener Magiſtrates zur Verleſung, in welcher die von
den Dienſtmännern gewünſchte Kappe mit der Aufſchrift
„Wiener Dienſtmann“ genehmigt und der Garantiegeſell-
ſchaft der Name „Wiener Dienſtmann-Inſtitut“ ertheilt
wird. Auf Antrag des Ausſchuſſes wurde beſchloſſen, dem
Magiſtrate eine die Wünſche der Dienſtmänner zuſammen-
faſſende Petition zu überreichen. In dieſer Petition wird
ausgeführt, daß der heutige Stand von 1700 Dienſt-
männern den beſtehenden Verhältniſſen nicht mehr entſpreche
und eine Reducirung dieſer Zahl auf 1000 Mann dringend
geboten erſcheine. Die bisher beſtehenden Inſtitute „Com-
miſſionär“, „Stadtcourier“ und „Expreß“ ſollen beim Ab-
leben der Conceſſionsinhaber oder bei Rücklegung der Con-
ceſſionen aufgelöſt und die Würdigſten unter den Be-
dienſteten dem „Wiener Dienſtmann-Inſtitut“ angegliedert
werden. Für neu aufzunehmende Leute ſoll die Beſtimmung
gelten, daß ſie mindeſtens 30 Jahre alt ſind und fünf
Jahre in Wien gewohnt haben müßten. Sodann wurden
die Neuwahlen in die Inſtitutsleitung vorgenommen. Der
bisherige Obmann Johann Ertl wurde zum Obmanne
wiedergewählt.

Bange machen gilt nicht.

Die Berliner Börſen-
preſſe beginnt jetzt das alte Manöver, das auch wir in
Wien bei paſſender Gelegenheit von der Wiener Börſen-
preſſe durchgeführt ſahen. Die Berliner Börſenpreſſe
ſucht nämlich durch die Aufſtellung aller möglichen
Schreckgeſpenſte die Börſenreform zu lähmen. So
ſchreibt die „Nat.-Ztg.“ in ihrem Börſenberichte: „Die
Reſignation, mit der man hier der weitern Entwicklung
der Dinge hinſichtlich der „Börſenreform“, wie man zu
fagen beliebt, entgegenſieht, lähmt alle Unternehmungs-
luſt.“ Und an anderer Stelle: „Amſterdam freut ſich
ſchon auf den Gewinn an Geſchäftsthätigkeit, den ihm
der Niedergang der Berliner Productenbörſe zuführen
wird.“ Das wird ja der reine Exodus der mißhan-
delten Jobber werden. Es iſt die alte Geſchichte wie
bei uns in Wien. Uns drohte man mit dem Auszuge
der Getreidehändler nach Budapeſt, den Berlinern macht
man bange mit dem Hinweiſe auf Amſterdam. Aber
weshalb wollen ſie gerade das unſchuldige Amſterdam
beglücken? Es gibt eine friedliche Stelle im großen
Ocean. Mögen ſie doch dort auf Actien eine nette
kleine Inſel erwerben und ein neues Fürſtenthum
Monaco gründen. Wenn es da mit Roggen und Weizen
zu umſtändlich iſt, können ſie ja in Muſcheln oder
Fiſchgräten Termingeſchäfte machen. Das iſt auch an-
regend und gewinnbringend; außerdem ſchadet es nie-
mandem.

Die Creditnoth der Landwirthe.

Der Real-
credit der Landwirthe iſt wie die ſteigenden Verſchul-
dungsziffern zeigen, vtelfach ganz erſchöpft und daher
der Andrang zu den Perſonalcreditinſtituten ein unge-
heuerer. So ſind dem Generalanwaltſchaftsverband länd-
licher Genoſſenſchaften im Jahre 1895 circa 500 neue
Genoſſenſchaften beigetreten, ſo daß er jetzt 1900 um-
faßt. Der Allgemeine Verband der deutſchen landw.
Genoſſenſchaften iſt durch Zutritt von etwa 800 Ge-
noſſenſchaften im Jahre 1895 auf die Zahl von über
2700 angelangt. Auch die kleineren ländlichen Genoſſen-
ſchaftsverbände haben ſich erheblich vermehrt. Die neuen
Genoſſenſchaften ſind, wie die L. d. B. d. L. bemerkt,
ganz überwiegend Spar- und Darlehenskaſſen, ein Be-

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[3/0003] 27 Wien, Dienſtag Reichspoſt 28. Jänner 1896 Stankovic genoß in der kroatiſchen Landeshaupt- ſtadt das größte Anſehen, er war nicht nur Directionsrath mehrerer Geld- und Induſtrieunter- nehmungen, Präſident der ſerbiſchen Kirchengemeinde, Rittmeiſter a. D., ſondern war auch, wenigſtens in früheren Jahren lebhaft politiſch thätig. Perſönlich war er liebenswürdigen Characters und einer jener wenigen Serben, die auch unter den Kroaten ſich einer gewiſſen Popularität erfreuen. Börſen- verluſte ſollen den im beſten Mannesalter befindlichen Stankovic in den Tod getrieben haben. Zu bemerken wäre, daß Agram nun binnen wenigen Jahren zum zweiten Male in die traurige Lage kam, den Vicebürgermeiſter durch Selbſtmord zu verlieren. Der erſte war im Jahre 1887 der Vicebürgermeiſter Kallabar, der ſich Malverſationen zu Schulden kommen ließ und im Momente der Verhaftung ſich erſchoß. Des Präfekten Fürſorge. Die „Débats“ melden folgende Geſchichte, deren Schauplatz nicht etwa Schilda iſt. Der Präfekt eines Departements X. hat kürzlich einen Erlaß veröffentlicht, der gegen die Perſonen auf ſtrenge Strafe erkennt, die ſich des Baumfrevels in der Weiſe ſchuldig machen, daß ſie die Rinde der Platanen auf den öffentlichen Promenaden abſchälen. Die ſo ver- ſtümmelten Bäume böten, wie der Präfect erklärt, das traurigſte Schauſpiel dar. Wider Erwarten blieb aber der Erlaß des Präfecten ohne Erfolg und der hohe Würdenträger ließ in größter Entrüſtung ſeinen Kabinetschef rufen, um zunächſt dieſem die Leviten zu leſen. Dieſer machte ihn aber in aller Beſcheidenheit darauf aufmerkſam, daß die Platanen die löbliche Ge- pflogenheit haben, ſeit urdenklichen Zeiten aus hygieniſchen Gründen ſich ſelbſt zu ſchälen, was man ihnen doch ſchließlich nicht verbieten könne. — Ob das wohl den Herrn Präfecten zu überzeugen vermochte? * Die Pariſer-Theater haben im Jahre 1895 ins- geſammt 18½ Millionen Francs eingenommen, das iſt um rund 690.000 Francs mehr als im Vorjahre. Die ſtärkſte Mehreinnahme hat das Gymnaſe-Theater erzielt. Auch die ſtattlich ſubventionirten Theater haben eine ſehr günſtige Bilanz aufzuweiſen. Die große Oper hat 1895 mehr als 3 Millionen, die Comédie-Francaiſe mehr als 2 Millionen abgeworfen, letzte um 116.000 Francs mehr als 1894. Es iſt dabei zu berückſichtigen, daß im Jahre 1895 Dumas’ »L’ami des femmes« das Repertoire der erſten franzöſiſchen Bühne lange Zeit faſt ausſchließlich beherrſchte. Die kleineren Theater verzeichnen durchwegs ſchlechten Geſchäftsgang. Die Renaiſſance allein hat um eine halbe Million Francs weniger eingenommen als im Jahre 1894. * Ein Armenhäusler, der bald Millionär ge- worden wäre. Die Londoner „Weſtminſter“ erinnert daran, daß der frühere Beſitzer des Grund und Bodens, auf dem heute das „goldene“, vielgenannte Johan- nesburg ſteht, als Invalide im Armenhaus in Guilford liegt. Der alte Mann hatte ein ſehr bewegtes Leben. Er diente in der alten oſtindiſchen Compagnie, kämpfte in der Krim, wurde bei Sebaſtopol ſchwer verwundet und machte den indiſchen Aufſtand mit. Als er von Indien genug hatte, ging er nach Südafrika und kämpfte hier gegen Zulus und Buren. Bevor das Transvaal an die Buren fiel, kaufte er für 7000 Mark nahe bei der Quelle des Limpopo 15.000 Acker Land — eben die Stelle, wo Johannesburg ſteht — und beſchloß, ſich dauernd hier niederzulaſſen. Aber Krieg brach aus, er ergriff die Waffen gegen die Buren und gehörte zu der Abtheilung, die Prätoria hielt. Als 1880 die Republik erklärt wurde, weigerte er ſich, unter Präſident Krüger zu dienen, und ſein Land, das nun Hunderte von Millionen werth iſt, wurde confiscirt. So wäre der heutige Armenhäusler um ein Haar Millionär geworden! * St. Frauciscus Regis Conferenz. Dien- ſtag den 4. Februar abends 7¼ Uhr findet in der katholiſchen Reſſource (I., Annagaſſe 9) eine Sitzung der St. Franciscus Regis-Conferenz ſtatt. Gäſte will- kommen. * Euchariſtiſche Verſammlungen. Donnerſtag den 30. Jänner d. J. findet eine euchariſtiſche Ver- ſammlung in Jedenſpeugen ſtatt, Donnerſtag den 6. Februar in Mannersdorf an der March. * Die Generalverſammlung des katholiſch- geſelligen Vereines Wiener Reſſource, findet Donnerſtag den 30. Jänner um 7 Uhr Abends im Locale des Vereines I., Annagaſſe Nr. 9 ſtatt. Die Mitglieder, welche zu erſcheinen verhindert ſind, werden gebeten, ihre Vollmachten einzuſchicken. Aus den Landtagen Niederöſterreich. Unter den Einläufen befindet ſich eine Interpellation des Abg. Dr. Lueger, in welcher angefragt wird, ob der Statthalter endlich der Termin für die Ausſchreibung der Wiener Gemeinderaths-Wahlen bekannt geben wolle. Statthalter Graf Kielmansegg beantwortet mehrere Interpellationen, darunter diejenige der Abg. Dötz und Hauck, betreffend die Schweineſeuche. Hierauf wird zur Tagesordnung übergegangen. Dalmatien. Der griechiſche Biſchof Milas leiſtete die Angelobung. Der Landtags-Präſident theilt mit, daß Abg. Biankini drei von ihm unterſchriebene Anträge überreicht habe, welche er, weil ſie nicht von 4 Abgeordneten unterfertigt ſind, nicht zur Vorleſung bringe. Biankini verlangt zur Verleſung die Stellung der Unterſtützungsfrage, worauf ſich eine längere Debatte über die Auslegung des § 32 der Geſchäftsordnung entſpinnt. Schließlich wird für die Ver- leſung entſchieden. Alle drei Anträge Biankinis betreffen die Ausdehnung der Seſſion bis Ende Februar, Wünſche wegen Grundſteuer-Regulirung und Abänderung des Kunſtweingeſetzes werden unterſtützt. Die Dringlichkeit für den erſten Antrag wird abgelehnt. Bei der Verification der Landgemeindewahl in Sebenicover- ſucht der Regierungsvertreter die Angriffe Biankinis wegen der wegen der Wahlen erfolgten Entziehung der Unterſtützung der Seelſorger zu widerlegen. Biankini be- ſpricht die Landtagswahlen, und die Ungerechtigkeit der Landtags-Wohlordnung und den Kampf der Parteien ſowie über die Stellungnahme der Regierung gegen die Rechts- partei und beſpricht die Vorfälle bei den verſchiedenſten Wahlen, wobei er vom Präſidenten wiederholt zur Sache gerufen und ihm ſchließlich das Wort entzogen (Ganz wie bei uns!) wird. Die Debatte wird ſodann ge- ſchloſſen. Die Wahl der zwei Abgeordneten der Landge- meinden von Sebenico wird agnoscirt. Telegramme. Italien in Afrika. Rom, 28. Jänner. Die Agenzia Stefani meldet aus Adaga-Hamas vom heutigen: Der von Baratieri an Makonnen entſandte Bote kehrte gegen Abend zurück. Makonnen betheuert in der Antwort auf den Brief des General Baratieri ſein und Meneliks Feſthalten an den in Betreff der Räumung Makalles feſtgeſetzten Pakten. Alle Kundſchafter beſtätigten, daß das Bataillon Galliano’s Waffen, Kanonen und viel Kriegsmaterial mit ſich führe und daß die geſammte Mannſchaft des Bataillons gut gehalten ſei. Das Bataillon iſt im Lager im Carrée formirt. In der Mitte befinden ſich die Officiere mit den Verwundeten, die Kanonen und das Kriegsmaterial. Das Bataillon iſt nach der Gepflogenheit (?) der Abeſ- ſynier von dem Corps Makonnens umgeben wegen der von dem Letzteren übernommenen Bürgſchaft, damit das Bataillon nicht mit den Corps der übrigen Chefs in Berührung komme. Felter erzählt, daß die Sol- daten der übrigen Chefs beim Abzuge Galliano’s aus Makalle unzufrieden mit den feſtgeſetzten Bedingungen und wegen des langen Widerſtandes Galliano’s auf- gebracht waren. Sonntag war Raſttag. Die Schoaner, welche bei Agula lagerten, ſollten ſich mit ihrer ganzen Streitkraft gegen Hauſſen, die Colonne Galliano’s gegen Adagahamus wenden. Boris’ Glaubenswechſel. Rom, 28. Jänner. Fürſt Ferdinand begab ſich geſtern Abends mit ſeinem Gefolge in zwei Wagen nach dem Vatican, von wo er ins Hotel zurückkehrte. Der Aufſtand auf Cuba. Madrid, 28. Jänner. Der Miniſterrath be- ſchäftigte ſich mit der Fünfzig-Millionen- Anleihe und der Einführung einer Kriegſteuer auf Cuba. Der letztere Plan wird noch den Gegenſtand weiterer Berathungen bilden. Miniſterpräſident Ca- novas erklärte, daß die Kammern zu einem ge- eigneten Zeitpunkte einberufen werden. — Eine officielle (!) Depeſche aus Havannah verkündet mehrere Treffen mit den Inſurgenten, namentlich einen Sieg des Oberſten Molina über 600 von dem Führer Bienvenido befehligte Inſurgenten in der Provinz Matanzas. Die Truppen bemächtigten ſich des Lagers der Inſurgenten, welche einen Verluſt von vier Todten hatten. In Guanajay, Provinz Pinar del Nio, hielten die Inſurgenten einen Eiſenbahnzug an und ſetzten alle Waggons in Brand. Grubenkataſtrophe. London, 28. Jänner. Nach weiteren Meldungen ſind von den bei der Exploſion in der Kohlengrube bei Tylorſtown verſchütteten Bergarbeitern 33 lebend an’s Tageslicht befördert und 15 Leichen geborgen worden; 42 werden noch vermißt. Zur Beachtung. Wir erſuchen unſere geehrten p. t. Abnehmer, gütigſt zum Monatswechſel das Abonnement bald- möglichſt erneuern zu wollen, damit in der Zu- ſendung keine Unterbrechung eintritt. Gleichzeitig bitten wir jene Abonnenten, welche das Abonnement angemeldet haben und daraufhin das Blatt bereits zugeſandt erhielten, gütigſt die Begleichung des Betrages erfolgen zu laſſen. Die Adminiſtration der „Reichspoſt“. Börſe. Eifrige Beſtrebungen, die Cursſteigerung weiter zu fördern, haben an der heutigen Vorbörſe den erwünſchten Erfolg erzielt. Die meiſten Bankpapiere waren zu erhöhten Curſen gehandelt. Die Türkenloſe ſind ſeit mehreren Tagen vernachläſſigt. Um 11 Uhr notirten: Oeſterreichiſche Creditactien 375.—, Ungariſche Creditactien 420.50, Anglobank 174.—, Unionbank 310.50, Bankverein 147.75, Länderbank 250.—, Bodencreditanſtalt 478.—, Tabakactien 19.10, Mairente 100.86, Silberrente 101.10, Oeſterreichiſche Kronenrente 100.75, Ungariſche Kronenrente 99.15, Oeſterreichiſche Goldrente 122.70, Ungariſche Goldrente 122.75, Staatsbahnactien 370.25, Lombarden 101.—, Galizier —.—, Elbethalbahn 279.—, Norweſtbahn 277.—, Czernowitzer 294.—, Kaſchauer 195.50, Buſchtehrader A. 146.—, Buſchtehrader B. 536.75, Böhmiſche Nordbahn 276.50, Böhmiſche Weſtbahn —.—, Graz-Köflacher 265.—, Nordbahnactien 34.20 Oeſterreichiſche Localbahnen 206.—, Oeſterreichiſche Waffenfabrik 299.—, Tramwayactien 494.—, Neue Wr. Tramwayactien —.— Donau-Dampfſchiffahrts-Geſellſchaft 470.—, Lloydactien —.—, Communalloſe —.—, Ungarloſe —.—, Theißloſe —.—, Türkenloſe 57.40, Waggonleihanſtalt —.—, Montan 84.40 Prager Eiſen 679.—, Wienerberger Ziegelfabrik 322.—, Rima-Muranier 254.—, Trifailer 165.—, Brüxer Kohle 294.—, Weſtböhmiſche Kohle —.—, Rubel 1.28·75, Marknoten 59.32 bis —.—, Napoleons 9.62, Prag-Dux —.—, Wiener Bau —.—, Allgemeine Bau 129.—, Hütten —.—., Elektr.-Geſ. —.—. Volkswirthſchaftlicher Theil. Gegen die Zuckercartelle. Im böhmiſchen Landtage führte der Abg. Dr. Pazak bei der Begründung ſeines Antrages bezüglich der Zuckercartelle aus, daß das Coalitionsgeſetz nicht ausreiche und zwar nicht gegen die ſogenannten Rayonnirungscartelle, und daß die Erlaſſung eines neueren Geſetzes als nothwendig erſcheine. Frankreich England und Amerika haben Maßregeln gegen die Cartelle ergriffen. Die Zuckercartelle hatten urſprüng- lich den Zweck, der Ueberproduction zu ſteuern. Später haben ſich die ſogenannten Rayonnirungen entwickelt und derzeit gliedern ſich die Zuckerfabriken in 5 Sectionen, deren jede ihre eigenen Einrichtungen und ihren eigenen Vollzugsausſchuß haben. Unter dem Rayonnirungszwange dürfe der Bauer ſeine Rüben nur jener Fabrik verkaufen, der er zugewieſen iſt. Er iſt alſo auf Gnade und Ungnade dem Käufer ausgeliefert. Dieſe Cartelle ſeien an dem Rückgange des Preiſes des Rohmateriales allein ſchuld. Sie müſſen alſo unbedingt einer Controlle unterworfen werden. Generalverſammlung der Dienſtmann-Garantie- Geſellſchaft. Die Dienſtmann-Garantie-Geſellſchaft hielt. Sonntag Vormittags im „Lanner-Saale“ ihre diesjährige Generalverſammlung ab. Der Jahresbericht beziffert die Zahl der Mitglieder mit 610. Die Einnahmen von 3196 fl. 73 kr. ſtehen Ausgaben im Betrage von 2724 fl. 33 kr. gegenüber, hiervon wurden 458 fl. 90 kr. an Hinter- bliebene verſtorbener Mitglieder und 508 fl. als Abfertigung an erwerbsunfähig gewordene Mitglieder ausbezahlt. Das Vermögen beläuft ſich auf 10445 fl. 17 kr. Der Vorſtehung wurde das Abſolutorium ertheilt. Es gelangte eine Note des Wiener Magiſtrates zur Verleſung, in welcher die von den Dienſtmännern gewünſchte Kappe mit der Aufſchrift „Wiener Dienſtmann“ genehmigt und der Garantiegeſell- ſchaft der Name „Wiener Dienſtmann-Inſtitut“ ertheilt wird. Auf Antrag des Ausſchuſſes wurde beſchloſſen, dem Magiſtrate eine die Wünſche der Dienſtmänner zuſammen- faſſende Petition zu überreichen. In dieſer Petition wird ausgeführt, daß der heutige Stand von 1700 Dienſt- männern den beſtehenden Verhältniſſen nicht mehr entſpreche und eine Reducirung dieſer Zahl auf 1000 Mann dringend geboten erſcheine. Die bisher beſtehenden Inſtitute „Com- miſſionär“, „Stadtcourier“ und „Expreß“ ſollen beim Ab- leben der Conceſſionsinhaber oder bei Rücklegung der Con- ceſſionen aufgelöſt und die Würdigſten unter den Be- dienſteten dem „Wiener Dienſtmann-Inſtitut“ angegliedert werden. Für neu aufzunehmende Leute ſoll die Beſtimmung gelten, daß ſie mindeſtens 30 Jahre alt ſind und fünf Jahre in Wien gewohnt haben müßten. Sodann wurden die Neuwahlen in die Inſtitutsleitung vorgenommen. Der bisherige Obmann Johann Ertl wurde zum Obmanne wiedergewählt. Bange machen gilt nicht. Die Berliner Börſen- preſſe beginnt jetzt das alte Manöver, das auch wir in Wien bei paſſender Gelegenheit von der Wiener Börſen- preſſe durchgeführt ſahen. Die Berliner Börſenpreſſe ſucht nämlich durch die Aufſtellung aller möglichen Schreckgeſpenſte die Börſenreform zu lähmen. So ſchreibt die „Nat.-Ztg.“ in ihrem Börſenberichte: „Die Reſignation, mit der man hier der weitern Entwicklung der Dinge hinſichtlich der „Börſenreform“, wie man zu fagen beliebt, entgegenſieht, lähmt alle Unternehmungs- luſt.“ Und an anderer Stelle: „Amſterdam freut ſich ſchon auf den Gewinn an Geſchäftsthätigkeit, den ihm der Niedergang der Berliner Productenbörſe zuführen wird.“ Das wird ja der reine Exodus der mißhan- delten Jobber werden. Es iſt die alte Geſchichte wie bei uns in Wien. Uns drohte man mit dem Auszuge der Getreidehändler nach Budapeſt, den Berlinern macht man bange mit dem Hinweiſe auf Amſterdam. Aber weshalb wollen ſie gerade das unſchuldige Amſterdam beglücken? Es gibt eine friedliche Stelle im großen Ocean. Mögen ſie doch dort auf Actien eine nette kleine Inſel erwerben und ein neues Fürſtenthum Monaco gründen. Wenn es da mit Roggen und Weizen zu umſtändlich iſt, können ſie ja in Muſcheln oder Fiſchgräten Termingeſchäfte machen. Das iſt auch an- regend und gewinnbringend; außerdem ſchadet es nie- mandem. Die Creditnoth der Landwirthe. Der Real- credit der Landwirthe iſt wie die ſteigenden Verſchul- dungsziffern zeigen, vtelfach ganz erſchöpft und daher der Andrang zu den Perſonalcreditinſtituten ein unge- heuerer. So ſind dem Generalanwaltſchaftsverband länd- licher Genoſſenſchaften im Jahre 1895 circa 500 neue Genoſſenſchaften beigetreten, ſo daß er jetzt 1900 um- faßt. Der Allgemeine Verband der deutſchen landw. Genoſſenſchaften iſt durch Zutritt von etwa 800 Ge- noſſenſchaften im Jahre 1895 auf die Zahl von über 2700 angelangt. Auch die kleineren ländlichen Genoſſen- ſchaftsverbände haben ſich erheblich vermehrt. Die neuen Genoſſenſchaften ſind, wie die L. d. B. d. L. bemerkt, ganz überwiegend Spar- und Darlehenskaſſen, ein Be-

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Zitationshilfe: Reichspost. Nr. 27, Wien, 28.01.1896. Beilage, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_reichspost027b_1896/3>, abgerufen am 23.11.2024.