Reichspost. Nr. 19, Wien, 24.01.1899.Wien, Dienstag Reichspost 24. Jänner 1899 19 [Spaltenumbruch] immer angehören möge, im Verkehr mit Behörden der Baron Gautsch ging einen Schritt weiter. Der Grundfehler aller Sprachenverordnungen war, Hochenburger beklagt sich auch, daß gerade von Zum Schlusse tritt der Verfasser für die Erhaltung Politische Rundschau. Wien, 23. Jänner. Oesterreich-Ungarn. Die Sprachenverordnungen für Schlesien. Es wird uns aus Teschen geschrieben: Die [Spaltenumbruch] kam auch zu Stande, Huß sollte sich dort Damals wurde der Ablaß zum Kreuzzuge Inzwischen veranstaltete Huß draußen nahe bei Mit der vom Concil bewirkten Abdankung Die Verhandlungen gegen ihn begannen. Ungünstig Wien, Dienſtag Reichspoſt 24. Jänner 1899 19 [Spaltenumbruch] immer angehören möge, im Verkehr mit Behörden der Baron Gautſch ging einen Schritt weiter. Der Grundfehler aller Sprachenverordnungen war, Hochenburger beklagt ſich auch, daß gerade von Zum Schluſſe tritt der Verfaſſer für die Erhaltung Politiſche Rundſchau. Wien, 23. Jänner. Oeſterreich-Ungarn. Die Sprachenverordnungen für Schleſien. Es wird uns aus Teſchen geſchrieben: Die [Spaltenumbruch] kam auch zu Stande, Huß ſollte ſich dort Damals wurde der Ablaß zum Kreuzzuge Inzwiſchen veranſtaltete Huß draußen nahe bei Mit der vom Concil bewirkten Abdankung Die Verhandlungen gegen ihn begannen. Ungünſtig <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header">Wien, Dienſtag Reichspoſt 24. Jänner 1899 19</fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="babylon2" prev="#babylon1" type="jArticle" n="2"> <p>immer angehören möge, im Verkehr mit Behörden der<lb/> Staatsſprache, alſo in unſerem Falle der deutſchen<lb/> Sprache als der allgemeinen Vermittlungsſprache zu<lb/> bedienen berechtigt iſt. Statt deſſen ſchafft aber<lb/> Graf Badeni in offenbarem Widerſpruche mit dem<lb/> Artikel 19 St.-G.-G. vom 21. December 1867,<lb/> Nr. 142 R.-G.-Bl., der den Begriff der Landes-<lb/> üblichkeit einer Sprache an das Wohnſitzgebiet des<lb/> betreffenden Volksſtammes knüpft, einen ganz<lb/> neuen Begriff „landesüblich“ und ſichert damit der<lb/> czechiſchen Sprache in deutſchen Theilen Böhmens<lb/> und Mährens Rechte, die ihr nur dann ge-<lb/> bühren würden, wenn ſie in dieſen beiden Kron-<lb/> ländern die Stauung einer Staatsſprache innehätte.<lb/> Graf Badeni hat ſomit in ſeinen Sprachenverordnungen<lb/> den deutſch-centraliſtiſchen Standpunkt verlaſſen und ſich<lb/> dem <hi rendition="#g">autonomiſtiſch-föderaliſtiſchen</hi><lb/> Standpunkte der Czechen genähert, welche für die ſo-<lb/> genannten Länder der böhmiſchen Krone (Sudetenländer)<lb/> der czechiſchen Sprache die Stellung einer Staatsſprache<lb/> zuerkannt wiſſen wollen, vorerſt noch unter Wahrung<lb/> der „Gleichberechtigung“ der deutſchen Sprache, auf<lb/> deren Zurückdrängung und ſpätere Enteignung man die<lb/> Hoffnungen für die Zukunft aufbaut. Nur in einem<lb/> Punkte hat Graf Badeni die Erinnerung an die deutſch-<lb/> centraliſtiſchen Grundſätze wenigſtens zum Theile bewahrt.<lb/> Im wechſelſeitigen dienſtlichen Verkehre der ſtaatlichen<lb/> Behörden in Böhmen und Mähren, ſowie letzterer mit<lb/> ſtaatlichen Behörden anderer Kronländer, iſt der<lb/> deutſchen Sprache noch eine gewiſſe bevorrechtete<lb/> Stellung erhalten geblieben, die freilich, ſoweit der<lb/> dienſtliche Verkehr unter den ſtaatlichen Behörden in<lb/> Böhmen einerſeits, in Mähren andererſeits in Betracht<lb/> kommt, mannigfachen Ausnahmen zu Gunſten der<lb/> czechiſchen Sprache unterworfen iſt.</p><lb/> <p>Baron <hi rendition="#g">Gautſch</hi> ging einen Schritt weiter.<lb/> Noch weiter ging aber Graf <hi rendition="#g">Thun,</hi> „der für<lb/> Böhmen und Mähren die letzten Reſte der deutſchen<lb/> Staatsſprache tilgen und die Entſcheidung darüber,<lb/> welche Sprache als innere Amtsſprache (Dienſt-<lb/> ſprache) dienen ſoll, der Hauptſache nach davon ab-<lb/> hängig machen wollte, ob der Sprengel der betreffenden<lb/> Behörde ein deutſcher, ein czechiſcher oder gemiſcht-<lb/> ſprachiger iſt. Graf Thun that noch ein Uebriges: er<lb/> behandelte nämlich, obwohl er in Böhmen fünf, in<lb/> Mähren nur drei Sprachzonen aufſtellte, Böhmen und<lb/> Mähren in ſprachlicher Beziehung als ein Gebiet und<lb/> ſuchte damit die Zuſammengehörigkeit dieſer beiden<lb/> Länder zum Mindeſten zu markiren“. Das wäre eine<lb/> verhängnißvolle Conceſſion an das böhmiſche Staats-<lb/> recht. Geſtützt auf den § 9 des Staatsgrundgeſetzes<lb/> könnte man zu Auffaſſungen auf dem Sprachengebiete<lb/> kommen, die an die Zeiten des babyloniſchen Thurm-<lb/> baues erinnern. Auf dieſem Wege käme man dazu,<lb/> daß <hi rendition="#g">alle</hi> Sprachen Oeſterreichs in <hi rendition="#g">allen</hi> Theilen<lb/> der Monarchie Bürgerrecht genießen würden.</p><lb/> <p>Der Grundfehler aller Sprachenverordnungen war,<lb/> daß das natürliche Recht und Vorrecht der deutſchen<lb/> Sprache nicht gewahrt wurde. Es müßte daher ein<lb/><hi rendition="#g">Sprachengeſetz</hi> geſchaffen werden, welches dieſes<lb/> Vorrecht berückſichtigt. Damit aber ein ſolches zu Stande<lb/> kommt, hält Hochenburger ein geſchloſſenes Auftreten und<lb/> Zuſammenwirken der deutſchen Parteien für unbedingt<lb/> nothwendig. Mit leeren Streitigkeiten über — alte und<lb/><cb/> neue Taktik werden die Deutſchen niemals zu ihrem<lb/> Rechte kommen.</p><lb/> <p>Hochenburger beklagt ſich auch, daß gerade von<lb/> „deutſch-radicalen“ Kreiſen der Kampf gegen den<lb/> Verſuch, die deutſchen Parteien zu gemeinſamer<lb/> Thätigkeit zu einen, mit beſonderer Heftigkeit<lb/> geführt wird. Würden dieſe Kreiſe eine richtige<lb/> Vorſtellung vom eigentlichen Weſen eines deutſchen<lb/> Intereſſen dienenden Radicalismus beſitzen, ſo<lb/> müßten gerade ſie das treibende Element in der Ver-<lb/> folgung aller auf Sicherung des deutſchen Beſitzſtandes<lb/> abzielenden Beſtrebungen ſein. Statt deſſen beſteht jedoch<lb/> ihr Radicalismus lediglich in der Form des zumeiſt<lb/> gegen andersdenkende Stammesgenoſſen geführten poli-<lb/> tiſchen Kampfes und in dem — kleinmüthigen Hoffen<lb/> auf baldige fremde Hilfe. Germaniſche Sinnesart und<lb/> germaniſcher Trotz iſt darin nicht zu erblicken. Aber<lb/> auch dem großdeutſchen Standpunkte entſpricht dieſes<lb/> Hoffen nicht. Gerade die von uns gemeinten<lb/> deutſchradicalen Kreiſe ſollten doch das offene Ge-<lb/> heimniß kennen, daß das deutſche Reich aus<lb/> ſehr triftigen Gründen der inneren wie der äußeren<lb/> Politik weder Willens noch in der Lage iſt, die ge-<lb/> wünſchte „baldige Hilfe“ zu bringen. Nicht in der<lb/><hi rendition="#g">Selbſtſucht</hi> auf Koſten anderer Stammesgenoſſen,<lb/> ſondern in der <hi rendition="#g">Selbſtzucht</hi> kann noch das Heil<lb/> des deutſchöſterreichiſchen Volkes liegen. Der Boden,<lb/> auf dem ſich dasſelbe zu erhalten und zu behaupten<lb/> hat, iſt und bleibt <hi rendition="#g">Oeſterreich,</hi> ſo lange<lb/> mindeſtens, als ſich dieſer Staat nicht ſelbſt um ſeine<lb/> Daſeinsmöglichkeit bringt, wozu er allerdings am Wege<lb/> zu ſein ſcheint.</p><lb/> <p>Zum Schluſſe tritt der Verfaſſer für die Erhaltung<lb/> und Sicherung des centraliſtiſchen Syſtems ein.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Politiſche Rundſchau.</hi> </head><lb/> <dateline>Wien, 23. Jänner.</dateline><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreich-Ungarn.</hi> </head><lb/> <div xml:id="schlesien1" next="#schlesien2" type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Sprachenverordnungen für Schleſien.</hi> </head><lb/> <p>Es wird uns aus <hi rendition="#g">Teſchen</hi> geſchrieben: <hi rendition="#g">Die<lb/> Sprachenverordnungen für Schleſien</hi><lb/> ſind nun erlaſſen. Eine düſtere Stimmung des Un-<lb/> muthes und des Grolles bemächtigt ſich der Bevöl-<lb/> kerung unſerer Stadt. Bis vor wenigen Jahren hat<lb/> man in Oſtſchleſien, wenn wir vom Friedecker Bezirke<lb/> abgeſehen, nur ſelten ein czechiſches Wort gehört. Jetzt<lb/> wird das Czechiſche mit Amtsſprache. Einer Unzahl<lb/> von Beamten wird ein fremdartiges Idiom zur<lb/> zwingenden Nothwendigkeit gemacht, wollen ſie nicht<lb/> von ihren czechiſchen Amtscollegen in der Carrière<lb/> überflügelt werden. Es iſt demnach ganz begreiflich,<lb/> daß die Unzufriedenheit und die tiefſte Erbitterung<lb/> gegen die gegenwärtige Regierung immer weitere<lb/> Kreiſe erfaßt. Nur die Handvoll Czechen, die übrigens<lb/> Fremdlinge in unſerer Stadt ſind, jubeln, ſehen ſie<lb/> doch die Hoffnung auf die Czechiſirung Schleſiens um<lb/> ein Bedeutendes näher gerückt. Der czechiſche Löwe<lb/> brüllt denn auch in Oſtſchleſien immer vernehmlicher.<lb/> Ob ſich auch die Polen freuen? Wir vermögen dies<lb/> nicht zu entſcheiden. Der Freudenſchrei, den das<lb/> hieſige polniſche Wochenblatt <hi rendition="#aq">»Gwiazdka Cieszynska«</hi><lb/> unter dem erſten Eindrucke der frohen Botſchaft<lb/> ausſtieß, will eigentlich nicht recht und ganz<lb/><cb/> zur Geltung kommen. Bange Ahnungen halten<lb/> die freudige Stimmung nieder. Wohl haben die<lb/> neuen „Sprachenverfügungen“ den Polen die lang-<lb/> erſehnte Gleichberechtigung in Oſtſchleſien gebracht, ſie<lb/> wiſſen aber nur zu gut, daß dieſe neuen Sprachen-<lb/> erläſſe eigentlich nur die weitgehendſte Conceſſion an<lb/> die Czechen bedeuten, welche bei ihrem Streben nach<lb/> der Vereinigung von Böhmen, Mähren und Schleſien<lb/> unter der czechiſchen Krone kaum geſonnen ſein dürften,<lb/> vor dem Beſitzſtande der Polen ſtehen zu bleiben. Das<lb/> es demnach zu einem erbitterten ſlaviſchen Bruderkrieg<lb/> in Oberſchleſien kommen muß, iſt klar. Das Präludium<lb/> dazu bilden bereits die nationalen Streitigkeiten in den<lb/> Kohlengebieten von Dombrau, Orlau und Polniſch-<lb/> Oſtrau. In der polniſchen Gemeinde Dombrau führen<lb/> die dort eingewanderten, aus einigen Beamten be-<lb/> ſtehenden Czechen mit unerhörter Unduldſamkeit den<lb/> Kampf bis aufs Meſſer gegen die dort von Haus aus<lb/> anſäſſigen Polen und bedrohen den dortigen Pfarrer,<lb/> weil er für ſeine faſt <hi rendition="#g">durchwegs polniſchen</hi><lb/> Pfarrkinder den Gottesdienſt pflichtgemäß in polniſcher<lb/> Sprache ab hält, ſogar mit dem <hi rendition="#g">Tode.</hi> In Lazy<lb/> (Orlau), Michalkowitz (Polniſch-Oſtrau) u. A. werden<lb/> die nach vielen Tauſenden zählenden Polen von<lb/> Lehrern und Beamten mit rückſichtsloſer Brutalität<lb/> czechiſirt. Nichtsdeſtoweniger betheuern die Czechen den<lb/> Polen gegenüber unverbrüchliche Freundſchaft — auch die<lb/> Herren Abgeordneten des Polenclubs, ſowie<lb/> der übrigen polniſchen Fractionen beſorgen noch<lb/> immer, auf die Ehrlichkeit ihrer „Brüder“ vertrauend,<lb/> für ſie die Arbeit des Kaſtanienholens aus dem Feuer,<lb/> ohne dabei auf die Brandwunden zu achten, die ſie<lb/> dabei ſelbſt erleiden. Es iſt dies recht ſymptomatiſch<lb/> für die künftige Geſtaltung der Dinge. Am empfind-<lb/> lichſten werden durch die neuen „Sprachenverfügungen<lb/> für Schleſien“ die Deutſchen getroffen. Sie ſind ſich<lb/> auch ihrer ſchweren Lage wohl bewußt. In ihrer harten<lb/> Bedrängnis ſuchen ſie nach den Urſachen ihres Un-<lb/> glückes, und ſie finden, daß ſie keine deutſchen Prieſter<lb/> haben. Mit einer falſchen Logik machen ſie die katho-<lb/> liſche Kirche dafür verantwortlich und ſchieben ihr<lb/> überhaupt ſlaviſche Tendenzen in die Schuhe, weil<lb/> Oſtſchleſien faſt durchwegs ſlaviſche Prieſter hätte. Sie<lb/> vergeſſen jedoch dabei, daß nicht die katholiſche<lb/> Kirche, ſondern die einzelnen Familien die Prieſter<lb/> liefern und daß gerade die Deutſchen in ihrer zumeiſt<lb/> religionsfeindlichen Preſſe ſeit einer Reihe von<lb/> Jahrzehnten den katholiſchen Prieſterſtand in ſyſtema-<lb/> tiſcher Weiſe verhöhnten und beſchimpften und dadurch,<lb/> ſowie durch eine zumeiſt unchriſtliche Erziehung ihrer<lb/> Kinder bewirkten, daß nur wenige ihrer Söhne ſich<lb/> dem geiſtlichen Stande widmeten. Die katholiſche Kirche<lb/> kann aber nicht im Mindeſten für die unverkennbare<lb/> Zurückdrängung der Deutſchen in Oeſterreich und auch<lb/> in Oberſchleſien verantwortlich gemacht werden, ſowie<lb/> ſie auch keine Schuld daran trägt, daß die Katholiſche<lb/> Volkspartei im Reichsrathe mit den huſſitiſchen Jung-<lb/> czechen in einer Majorität ſteht — zum Nachtheile der<lb/> Deutſchen; denn die katholiſche Kirche dictirt nicht der<lb/> Katholiſchen Volkspartei ihre politiſche Richtung, auch<lb/> iſt letztere weder Mandatsträgerin der Kirche noch ihr<lb/> officielles Organ. — Vielleicht wird dieſer Sturm gegen<lb/> die deutſche Nation in Oeſterreich auch ſein Gutes<lb/> haben. Er wird ihnen ihre Gemeinſamkeit und Zu-<lb/> ſammengehörigkeit umſo beſſer zum Bewußtſein bringen</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div next="#huß3" xml:id="huß2" prev="#huß1" type="jArticle" n="2"> <p>kam auch zu Stande, Huß ſollte ſich dort<lb/> vom Verdacht der Ketzerei reinigen, der Erzbiſchof ſoll<lb/> nach Rom berichten, daß in Böhmen keine Häreſie<lb/> mehr beſtehe, der König aber ſoll dem Clerus die ent-<lb/> riſſenen Güter zurückſtellen. Allein der Vergleich wurde<lb/> nicht gehalten, worüber der Erzbiſchof ſelbſt perſönlich<lb/> in Rom klagen wollte. Auf der Reiſe dahin ſtarb<lb/> der Erzbiſchof. Sein Nachſolger wurde der Leibarzt<lb/> Wenzels, <hi rendition="#g">Albicus.</hi> </p><lb/> <p>Damals wurde der <hi rendition="#g">Ablaß</hi> zum Kreuzzuge<lb/> gegen die Neapolitaner, welche der von Ladislaus be-<lb/> drängte Nachfolger des ſchon im Jahre 1410 geſtorbenen<lb/> Papſtes Alexander <hi rendition="#aq">V.,</hi> Johann <hi rendition="#aq">XXIII.</hi> ausſchrieb, in<lb/> Prag verkündet. Huß predigte <hi rendition="#g">gegen</hi> den Ablaß und<lb/> veranſtaltete an der Univerſität eine Disputation über<lb/> denſelben. Nunmehr trennten ſich viele ſeiner beſten und<lb/> angeſehenſten Freunde von Huß, der aber von Hiero-<lb/> nymus von Prag unterſtützt wurde. Das czechiſche Volk<lb/> hielt größtentheils zu Huß, ja der Ablaß wurde ſogar<lb/> durch Spottaufzüge auf der Straße verhöhnt, der<lb/> Papſt als „Ketzer“ ausgerufen. Der Magiſtrat<lb/> ließ drei junge Aufrührer, um ein Exempel zu<lb/> ſtatuiren, hinrichten, obſchon Huß an der Spitze von 2000<lb/> czechiſchen Studenten vor das Rathhaus gezogen war,<lb/> um deren Schonung zu erzwingen. Nun war die Er-<lb/> regung aufs Höchſte geſtiegen, ſie breitete ſich immer<lb/> mehr aus, ebenſo naturgemäß die Häreſie. Männer von<lb/> höchſtem wiſſenſchaftlichen Ruf, früher Hauptanhänger<lb/> des Huß, wie Stefan Palec und Stanislaus von<lb/> Znaim, trennten ſich von Huß trotz des Terrorismus<lb/> der Huſſiten und dem Zorn des Königs, dem ſie ſich<lb/> ausſetzten. Eine öffentliche Beſprechung über die<lb/> 45 bekannten Artikel auf dem Rathhauſe blieb erfolglos.<lb/> Huß wollte aus der Schrift oder mit Vernunftgründen<lb/> widerlegt ſein, eine Methode, die bei derartigen Gegnern<lb/> bekanntlich niemals gelungen iſt, nie gelingen wird.<lb/> In Rom wurde abermals der Bann gegen Huß aus-<lb/> geſprochen, Huß appellirte ſtolz an Jeſus Chriſtus ſelbſt.<lb/> Jetzt forderte Wenzel, um etwas Ruhe zu ſchaffen, Huß<lb/> auf, Prag eine Zeit lang zu meiden. Huß fügte ſich<lb/> und begab ſich zu ihm getreuen Adeligen aufs Land.<lb/> König Wenzel berief dann eine Synode, auf der es zu<lb/><cb/> keiner Einigung kam. Auch ein Schiedsgericht war<lb/> ergebnißlos. Die Huſſiten machten zu allen Vergleichs-<lb/> ſätzen Clauſeln, welche die Katholiken nicht zulaſſen<lb/> konnten. Das hielt Wenzel für Halsſtarrigkeit der<lb/> Letzteren und er verbannte vier czechiſche, dem Huß<lb/> feindliche Proſeſſoren aus Böhmen, ſodaß jetzt die Prager<lb/> Univerſität nicht bloß ganz czechiſch, ſondern auch ganz<lb/> huſſitiſch war. Ferner wurden zwei Häupter des anti-<lb/> huſſitiſchen Magiſtrates hingerichtet. Der <hi rendition="#g">Magiſtrat</hi><lb/> ſelbſt wurde vom König derart <hi rendition="#g">czechiſirt,</hi> daß<lb/> derſelbe nicht mehr aus ſechzehn Deutſchen und zwei<lb/> Czechen wie bisher, ſondern aus ſechzehn Czechen und<lb/> zwei Deutſchen beſtand.</p><lb/> <p>Inzwiſchen veranſtaltete Huß draußen nahe bei<lb/> Prag Volksverſammlungen und Volkspredigten, ver-<lb/> faßte ſeine böhmiſche Poſtille und zahlreiche reforma-<lb/> toriſche Schriften, beſonders ſein Hauptwerk von der<lb/> Kirche. Sein Aufenthalt auf dem Lande dauerte<lb/> 1½ Jahre; im Jahre 1414 kehrte er nach Prag<lb/> zurück. Seine Lehre war nun aber auch ſchon in<lb/> Mähren, Polen und Deutſchland verbreitet, die huſſitiſche<lb/> Gefahr eine allgemeine geworden. Inzwiſchen war das<lb/> Conſtanzer Concil zuſammenberufen, um das Papſt-<lb/> Schisma zu löſen, die Kirchenreform in Angriff zu<lb/> nehmen und die Glaubensſpaltungen zu heben. König<lb/> Sigismund lud Huß vor dasſelbe unter dem Ver-<lb/> ſprechen des freien Geleites. Huß konnte nicht anders,<lb/> er mußte ſich dem Concil ſtellen. Er kündigte es „den<lb/> Böhmen und aller Nationen“ durch Anſchlag an die<lb/> böhmiſche Burg (Ueberall tritt das Nationale hervor!)<lb/> an, fügte aber hinzu, „nach Conſtanz möge ſich auch<lb/> ein Jeder begeben, der ihn im Verdacht ketzeriſcher<lb/> Lehren hat, wird er mich (!) dort eines Irrthums oder<lb/> vom Glauben abweichender Lehren überweiſen (!), ſo<lb/> bin ich bereit, jede Strafe eines Ketzers zu tragen.“<lb/> Huß wurde auf ſeiner Reiſe überall gut behandelt. Er<lb/> ſelbſt lobt es. Und doch hatte er früher ſich geweigert,<lb/> nach Rom zu kommen, weil er angeblich Gefahr für ſein<lb/> Leben fürchte! Am 3. November 1414 zog Huß unter<lb/> großem Menſchenauflauf in Conſtanz ein.</p><lb/> <p>Mit der vom Concil bewirkten Abdankung<lb/> Johannes <hi rendition="#aq">XXIII.,</hi> der Abdankung Gregors <hi rendition="#aq">XII.,</hi> der<lb/><cb/> Abſetzung und dem Tode Benedict <hi rendition="#aq">XIII.</hi> und der Wahl<lb/> des Papſtes Martin <hi rendition="#aq">V.</hi> wurde das unſelige Papſt-<lb/> Schisma endlich beendet. Schon ſofort nach<lb/> der Abdankung Johanns <hi rendition="#aq">XXIII.</hi> (1415) wurde die<lb/> Huß’ſche Irrlehre vom Concil in Angriff genommen.<lb/> Dr. Weiß ſchreibt in ſeiner Weltgeſchichte: „Huß, der<lb/> ſich auf das Concil berufen, ward nun von demſelben<lb/> angeklagt, verhört und verurtheilt. Bisher ſtand er<lb/> vor bewundernden Zuhörern in Böhmen, jetzt<lb/> vor dem Areopag Europas. In Böhmen hatte Huß<lb/> durch <hi rendition="#g">politiſche</hi> Agitation jeden Widerſtand zum<lb/> Schweigen gebracht, zuerſt die Deutſchen, dann die<lb/> Czechen, die nicht ſeine Lehre nachbeten wollten, von der<lb/> Univerſität verdrängt. In Conſtanz ſtand ihm kein von<lb/> ihm erhitztes Volk mit ſeinen Fäuſten zu Gebote, hier<lb/> war rein der Gehalt ſeiner Lehre entſcheidend und der<lb/> Bericht über ſein Treiben in Böhmen.“ Dieſes Concil<lb/> konnte nur zur Verurtheilung der Lehre Huß führen.<lb/> Es iſt nicht unſere Aufgabe, die weiteren Stadien dieſes<lb/> Proceſſes vor dem Concil zu ſchildern. Genug, daß<lb/> Huß aller Strenge und aller Güte, die ihm reichlich<lb/> von den Vätern des Concils zu Theil ward, ſtolz und<lb/> hartnäckig begegnete. Der Geleitsbrief, den Huß erhalten<lb/> hatte, war ein Reiſepaß, der ihn ſchützte, nicht aber eine<lb/> Verſicherung gegen eine Verurtheilung des Concils. Sonſt<lb/> hätte es ja keinen Sinn gehabt, Huß vor das Concil<lb/> zu berufen. Huß wurde verhaftet, das verlangten ſeine<lb/> Ankläger aus Böhmen, und Huß ſelbſt trug dazu bei,<lb/> da er trotz der über ihn verhängten Suspenſion in<lb/> ſeinem Hauſe Meſſe las und gegen Papſt, Cardinäle<lb/> und die Kirche eiferte.</p><lb/> <p>Die Verhandlungen gegen ihn begannen. Ungünſtig<lb/> auf dieſelben wirkten die Ankunft, Flucht und Gefangen-<lb/> nahme ſeines Freundes Hieronymus von Prag, dann<lb/> die Annahme des Kelches von Seiten der Czechen, wo-<lb/> mit die ſpäter noch ſo unheilvolle utraquiſtiſche Be-<lb/> wegung entſtand. Zunächſt wurden vom Concil 45<lb/> Sätze Wiclef’s verurtheilt, dann die Lehren des Huß<lb/> ſelbſt in drei Verhören, von denen das letzte öffentlich<lb/> und entſcheidend war. Das Urtheil lautete: Huß<lb/> ſollte bekennen, er habe ſich geirrt, eidlich geloben, ſeine<lb/> Irrlehre nicht mehr zu lehren und zu predigen, wider-</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Wien, Dienſtag Reichspoſt 24. Jänner 1899 19
immer angehören möge, im Verkehr mit Behörden der
Staatsſprache, alſo in unſerem Falle der deutſchen
Sprache als der allgemeinen Vermittlungsſprache zu
bedienen berechtigt iſt. Statt deſſen ſchafft aber
Graf Badeni in offenbarem Widerſpruche mit dem
Artikel 19 St.-G.-G. vom 21. December 1867,
Nr. 142 R.-G.-Bl., der den Begriff der Landes-
üblichkeit einer Sprache an das Wohnſitzgebiet des
betreffenden Volksſtammes knüpft, einen ganz
neuen Begriff „landesüblich“ und ſichert damit der
czechiſchen Sprache in deutſchen Theilen Böhmens
und Mährens Rechte, die ihr nur dann ge-
bühren würden, wenn ſie in dieſen beiden Kron-
ländern die Stauung einer Staatsſprache innehätte.
Graf Badeni hat ſomit in ſeinen Sprachenverordnungen
den deutſch-centraliſtiſchen Standpunkt verlaſſen und ſich
dem autonomiſtiſch-föderaliſtiſchen
Standpunkte der Czechen genähert, welche für die ſo-
genannten Länder der böhmiſchen Krone (Sudetenländer)
der czechiſchen Sprache die Stellung einer Staatsſprache
zuerkannt wiſſen wollen, vorerſt noch unter Wahrung
der „Gleichberechtigung“ der deutſchen Sprache, auf
deren Zurückdrängung und ſpätere Enteignung man die
Hoffnungen für die Zukunft aufbaut. Nur in einem
Punkte hat Graf Badeni die Erinnerung an die deutſch-
centraliſtiſchen Grundſätze wenigſtens zum Theile bewahrt.
Im wechſelſeitigen dienſtlichen Verkehre der ſtaatlichen
Behörden in Böhmen und Mähren, ſowie letzterer mit
ſtaatlichen Behörden anderer Kronländer, iſt der
deutſchen Sprache noch eine gewiſſe bevorrechtete
Stellung erhalten geblieben, die freilich, ſoweit der
dienſtliche Verkehr unter den ſtaatlichen Behörden in
Böhmen einerſeits, in Mähren andererſeits in Betracht
kommt, mannigfachen Ausnahmen zu Gunſten der
czechiſchen Sprache unterworfen iſt.
Baron Gautſch ging einen Schritt weiter.
Noch weiter ging aber Graf Thun, „der für
Böhmen und Mähren die letzten Reſte der deutſchen
Staatsſprache tilgen und die Entſcheidung darüber,
welche Sprache als innere Amtsſprache (Dienſt-
ſprache) dienen ſoll, der Hauptſache nach davon ab-
hängig machen wollte, ob der Sprengel der betreffenden
Behörde ein deutſcher, ein czechiſcher oder gemiſcht-
ſprachiger iſt. Graf Thun that noch ein Uebriges: er
behandelte nämlich, obwohl er in Böhmen fünf, in
Mähren nur drei Sprachzonen aufſtellte, Böhmen und
Mähren in ſprachlicher Beziehung als ein Gebiet und
ſuchte damit die Zuſammengehörigkeit dieſer beiden
Länder zum Mindeſten zu markiren“. Das wäre eine
verhängnißvolle Conceſſion an das böhmiſche Staats-
recht. Geſtützt auf den § 9 des Staatsgrundgeſetzes
könnte man zu Auffaſſungen auf dem Sprachengebiete
kommen, die an die Zeiten des babyloniſchen Thurm-
baues erinnern. Auf dieſem Wege käme man dazu,
daß alle Sprachen Oeſterreichs in allen Theilen
der Monarchie Bürgerrecht genießen würden.
Der Grundfehler aller Sprachenverordnungen war,
daß das natürliche Recht und Vorrecht der deutſchen
Sprache nicht gewahrt wurde. Es müßte daher ein
Sprachengeſetz geſchaffen werden, welches dieſes
Vorrecht berückſichtigt. Damit aber ein ſolches zu Stande
kommt, hält Hochenburger ein geſchloſſenes Auftreten und
Zuſammenwirken der deutſchen Parteien für unbedingt
nothwendig. Mit leeren Streitigkeiten über — alte und
neue Taktik werden die Deutſchen niemals zu ihrem
Rechte kommen.
Hochenburger beklagt ſich auch, daß gerade von
„deutſch-radicalen“ Kreiſen der Kampf gegen den
Verſuch, die deutſchen Parteien zu gemeinſamer
Thätigkeit zu einen, mit beſonderer Heftigkeit
geführt wird. Würden dieſe Kreiſe eine richtige
Vorſtellung vom eigentlichen Weſen eines deutſchen
Intereſſen dienenden Radicalismus beſitzen, ſo
müßten gerade ſie das treibende Element in der Ver-
folgung aller auf Sicherung des deutſchen Beſitzſtandes
abzielenden Beſtrebungen ſein. Statt deſſen beſteht jedoch
ihr Radicalismus lediglich in der Form des zumeiſt
gegen andersdenkende Stammesgenoſſen geführten poli-
tiſchen Kampfes und in dem — kleinmüthigen Hoffen
auf baldige fremde Hilfe. Germaniſche Sinnesart und
germaniſcher Trotz iſt darin nicht zu erblicken. Aber
auch dem großdeutſchen Standpunkte entſpricht dieſes
Hoffen nicht. Gerade die von uns gemeinten
deutſchradicalen Kreiſe ſollten doch das offene Ge-
heimniß kennen, daß das deutſche Reich aus
ſehr triftigen Gründen der inneren wie der äußeren
Politik weder Willens noch in der Lage iſt, die ge-
wünſchte „baldige Hilfe“ zu bringen. Nicht in der
Selbſtſucht auf Koſten anderer Stammesgenoſſen,
ſondern in der Selbſtzucht kann noch das Heil
des deutſchöſterreichiſchen Volkes liegen. Der Boden,
auf dem ſich dasſelbe zu erhalten und zu behaupten
hat, iſt und bleibt Oeſterreich, ſo lange
mindeſtens, als ſich dieſer Staat nicht ſelbſt um ſeine
Daſeinsmöglichkeit bringt, wozu er allerdings am Wege
zu ſein ſcheint.
Zum Schluſſe tritt der Verfaſſer für die Erhaltung
und Sicherung des centraliſtiſchen Syſtems ein.
Politiſche Rundſchau.
Wien, 23. Jänner.
Oeſterreich-Ungarn.
Die Sprachenverordnungen für Schleſien.
Es wird uns aus Teſchen geſchrieben: Die
Sprachenverordnungen für Schleſien
ſind nun erlaſſen. Eine düſtere Stimmung des Un-
muthes und des Grolles bemächtigt ſich der Bevöl-
kerung unſerer Stadt. Bis vor wenigen Jahren hat
man in Oſtſchleſien, wenn wir vom Friedecker Bezirke
abgeſehen, nur ſelten ein czechiſches Wort gehört. Jetzt
wird das Czechiſche mit Amtsſprache. Einer Unzahl
von Beamten wird ein fremdartiges Idiom zur
zwingenden Nothwendigkeit gemacht, wollen ſie nicht
von ihren czechiſchen Amtscollegen in der Carrière
überflügelt werden. Es iſt demnach ganz begreiflich,
daß die Unzufriedenheit und die tiefſte Erbitterung
gegen die gegenwärtige Regierung immer weitere
Kreiſe erfaßt. Nur die Handvoll Czechen, die übrigens
Fremdlinge in unſerer Stadt ſind, jubeln, ſehen ſie
doch die Hoffnung auf die Czechiſirung Schleſiens um
ein Bedeutendes näher gerückt. Der czechiſche Löwe
brüllt denn auch in Oſtſchleſien immer vernehmlicher.
Ob ſich auch die Polen freuen? Wir vermögen dies
nicht zu entſcheiden. Der Freudenſchrei, den das
hieſige polniſche Wochenblatt »Gwiazdka Cieszynska«
unter dem erſten Eindrucke der frohen Botſchaft
ausſtieß, will eigentlich nicht recht und ganz
zur Geltung kommen. Bange Ahnungen halten
die freudige Stimmung nieder. Wohl haben die
neuen „Sprachenverfügungen“ den Polen die lang-
erſehnte Gleichberechtigung in Oſtſchleſien gebracht, ſie
wiſſen aber nur zu gut, daß dieſe neuen Sprachen-
erläſſe eigentlich nur die weitgehendſte Conceſſion an
die Czechen bedeuten, welche bei ihrem Streben nach
der Vereinigung von Böhmen, Mähren und Schleſien
unter der czechiſchen Krone kaum geſonnen ſein dürften,
vor dem Beſitzſtande der Polen ſtehen zu bleiben. Das
es demnach zu einem erbitterten ſlaviſchen Bruderkrieg
in Oberſchleſien kommen muß, iſt klar. Das Präludium
dazu bilden bereits die nationalen Streitigkeiten in den
Kohlengebieten von Dombrau, Orlau und Polniſch-
Oſtrau. In der polniſchen Gemeinde Dombrau führen
die dort eingewanderten, aus einigen Beamten be-
ſtehenden Czechen mit unerhörter Unduldſamkeit den
Kampf bis aufs Meſſer gegen die dort von Haus aus
anſäſſigen Polen und bedrohen den dortigen Pfarrer,
weil er für ſeine faſt durchwegs polniſchen
Pfarrkinder den Gottesdienſt pflichtgemäß in polniſcher
Sprache ab hält, ſogar mit dem Tode. In Lazy
(Orlau), Michalkowitz (Polniſch-Oſtrau) u. A. werden
die nach vielen Tauſenden zählenden Polen von
Lehrern und Beamten mit rückſichtsloſer Brutalität
czechiſirt. Nichtsdeſtoweniger betheuern die Czechen den
Polen gegenüber unverbrüchliche Freundſchaft — auch die
Herren Abgeordneten des Polenclubs, ſowie
der übrigen polniſchen Fractionen beſorgen noch
immer, auf die Ehrlichkeit ihrer „Brüder“ vertrauend,
für ſie die Arbeit des Kaſtanienholens aus dem Feuer,
ohne dabei auf die Brandwunden zu achten, die ſie
dabei ſelbſt erleiden. Es iſt dies recht ſymptomatiſch
für die künftige Geſtaltung der Dinge. Am empfind-
lichſten werden durch die neuen „Sprachenverfügungen
für Schleſien“ die Deutſchen getroffen. Sie ſind ſich
auch ihrer ſchweren Lage wohl bewußt. In ihrer harten
Bedrängnis ſuchen ſie nach den Urſachen ihres Un-
glückes, und ſie finden, daß ſie keine deutſchen Prieſter
haben. Mit einer falſchen Logik machen ſie die katho-
liſche Kirche dafür verantwortlich und ſchieben ihr
überhaupt ſlaviſche Tendenzen in die Schuhe, weil
Oſtſchleſien faſt durchwegs ſlaviſche Prieſter hätte. Sie
vergeſſen jedoch dabei, daß nicht die katholiſche
Kirche, ſondern die einzelnen Familien die Prieſter
liefern und daß gerade die Deutſchen in ihrer zumeiſt
religionsfeindlichen Preſſe ſeit einer Reihe von
Jahrzehnten den katholiſchen Prieſterſtand in ſyſtema-
tiſcher Weiſe verhöhnten und beſchimpften und dadurch,
ſowie durch eine zumeiſt unchriſtliche Erziehung ihrer
Kinder bewirkten, daß nur wenige ihrer Söhne ſich
dem geiſtlichen Stande widmeten. Die katholiſche Kirche
kann aber nicht im Mindeſten für die unverkennbare
Zurückdrängung der Deutſchen in Oeſterreich und auch
in Oberſchleſien verantwortlich gemacht werden, ſowie
ſie auch keine Schuld daran trägt, daß die Katholiſche
Volkspartei im Reichsrathe mit den huſſitiſchen Jung-
czechen in einer Majorität ſteht — zum Nachtheile der
Deutſchen; denn die katholiſche Kirche dictirt nicht der
Katholiſchen Volkspartei ihre politiſche Richtung, auch
iſt letztere weder Mandatsträgerin der Kirche noch ihr
officielles Organ. — Vielleicht wird dieſer Sturm gegen
die deutſche Nation in Oeſterreich auch ſein Gutes
haben. Er wird ihnen ihre Gemeinſamkeit und Zu-
ſammengehörigkeit umſo beſſer zum Bewußtſein bringen
kam auch zu Stande, Huß ſollte ſich dort
vom Verdacht der Ketzerei reinigen, der Erzbiſchof ſoll
nach Rom berichten, daß in Böhmen keine Häreſie
mehr beſtehe, der König aber ſoll dem Clerus die ent-
riſſenen Güter zurückſtellen. Allein der Vergleich wurde
nicht gehalten, worüber der Erzbiſchof ſelbſt perſönlich
in Rom klagen wollte. Auf der Reiſe dahin ſtarb
der Erzbiſchof. Sein Nachſolger wurde der Leibarzt
Wenzels, Albicus.
Damals wurde der Ablaß zum Kreuzzuge
gegen die Neapolitaner, welche der von Ladislaus be-
drängte Nachfolger des ſchon im Jahre 1410 geſtorbenen
Papſtes Alexander V., Johann XXIII. ausſchrieb, in
Prag verkündet. Huß predigte gegen den Ablaß und
veranſtaltete an der Univerſität eine Disputation über
denſelben. Nunmehr trennten ſich viele ſeiner beſten und
angeſehenſten Freunde von Huß, der aber von Hiero-
nymus von Prag unterſtützt wurde. Das czechiſche Volk
hielt größtentheils zu Huß, ja der Ablaß wurde ſogar
durch Spottaufzüge auf der Straße verhöhnt, der
Papſt als „Ketzer“ ausgerufen. Der Magiſtrat
ließ drei junge Aufrührer, um ein Exempel zu
ſtatuiren, hinrichten, obſchon Huß an der Spitze von 2000
czechiſchen Studenten vor das Rathhaus gezogen war,
um deren Schonung zu erzwingen. Nun war die Er-
regung aufs Höchſte geſtiegen, ſie breitete ſich immer
mehr aus, ebenſo naturgemäß die Häreſie. Männer von
höchſtem wiſſenſchaftlichen Ruf, früher Hauptanhänger
des Huß, wie Stefan Palec und Stanislaus von
Znaim, trennten ſich von Huß trotz des Terrorismus
der Huſſiten und dem Zorn des Königs, dem ſie ſich
ausſetzten. Eine öffentliche Beſprechung über die
45 bekannten Artikel auf dem Rathhauſe blieb erfolglos.
Huß wollte aus der Schrift oder mit Vernunftgründen
widerlegt ſein, eine Methode, die bei derartigen Gegnern
bekanntlich niemals gelungen iſt, nie gelingen wird.
In Rom wurde abermals der Bann gegen Huß aus-
geſprochen, Huß appellirte ſtolz an Jeſus Chriſtus ſelbſt.
Jetzt forderte Wenzel, um etwas Ruhe zu ſchaffen, Huß
auf, Prag eine Zeit lang zu meiden. Huß fügte ſich
und begab ſich zu ihm getreuen Adeligen aufs Land.
König Wenzel berief dann eine Synode, auf der es zu
keiner Einigung kam. Auch ein Schiedsgericht war
ergebnißlos. Die Huſſiten machten zu allen Vergleichs-
ſätzen Clauſeln, welche die Katholiken nicht zulaſſen
konnten. Das hielt Wenzel für Halsſtarrigkeit der
Letzteren und er verbannte vier czechiſche, dem Huß
feindliche Proſeſſoren aus Böhmen, ſodaß jetzt die Prager
Univerſität nicht bloß ganz czechiſch, ſondern auch ganz
huſſitiſch war. Ferner wurden zwei Häupter des anti-
huſſitiſchen Magiſtrates hingerichtet. Der Magiſtrat
ſelbſt wurde vom König derart czechiſirt, daß
derſelbe nicht mehr aus ſechzehn Deutſchen und zwei
Czechen wie bisher, ſondern aus ſechzehn Czechen und
zwei Deutſchen beſtand.
Inzwiſchen veranſtaltete Huß draußen nahe bei
Prag Volksverſammlungen und Volkspredigten, ver-
faßte ſeine böhmiſche Poſtille und zahlreiche reforma-
toriſche Schriften, beſonders ſein Hauptwerk von der
Kirche. Sein Aufenthalt auf dem Lande dauerte
1½ Jahre; im Jahre 1414 kehrte er nach Prag
zurück. Seine Lehre war nun aber auch ſchon in
Mähren, Polen und Deutſchland verbreitet, die huſſitiſche
Gefahr eine allgemeine geworden. Inzwiſchen war das
Conſtanzer Concil zuſammenberufen, um das Papſt-
Schisma zu löſen, die Kirchenreform in Angriff zu
nehmen und die Glaubensſpaltungen zu heben. König
Sigismund lud Huß vor dasſelbe unter dem Ver-
ſprechen des freien Geleites. Huß konnte nicht anders,
er mußte ſich dem Concil ſtellen. Er kündigte es „den
Böhmen und aller Nationen“ durch Anſchlag an die
böhmiſche Burg (Ueberall tritt das Nationale hervor!)
an, fügte aber hinzu, „nach Conſtanz möge ſich auch
ein Jeder begeben, der ihn im Verdacht ketzeriſcher
Lehren hat, wird er mich (!) dort eines Irrthums oder
vom Glauben abweichender Lehren überweiſen (!), ſo
bin ich bereit, jede Strafe eines Ketzers zu tragen.“
Huß wurde auf ſeiner Reiſe überall gut behandelt. Er
ſelbſt lobt es. Und doch hatte er früher ſich geweigert,
nach Rom zu kommen, weil er angeblich Gefahr für ſein
Leben fürchte! Am 3. November 1414 zog Huß unter
großem Menſchenauflauf in Conſtanz ein.
Mit der vom Concil bewirkten Abdankung
Johannes XXIII., der Abdankung Gregors XII., der
Abſetzung und dem Tode Benedict XIII. und der Wahl
des Papſtes Martin V. wurde das unſelige Papſt-
Schisma endlich beendet. Schon ſofort nach
der Abdankung Johanns XXIII. (1415) wurde die
Huß’ſche Irrlehre vom Concil in Angriff genommen.
Dr. Weiß ſchreibt in ſeiner Weltgeſchichte: „Huß, der
ſich auf das Concil berufen, ward nun von demſelben
angeklagt, verhört und verurtheilt. Bisher ſtand er
vor bewundernden Zuhörern in Böhmen, jetzt
vor dem Areopag Europas. In Böhmen hatte Huß
durch politiſche Agitation jeden Widerſtand zum
Schweigen gebracht, zuerſt die Deutſchen, dann die
Czechen, die nicht ſeine Lehre nachbeten wollten, von der
Univerſität verdrängt. In Conſtanz ſtand ihm kein von
ihm erhitztes Volk mit ſeinen Fäuſten zu Gebote, hier
war rein der Gehalt ſeiner Lehre entſcheidend und der
Bericht über ſein Treiben in Böhmen.“ Dieſes Concil
konnte nur zur Verurtheilung der Lehre Huß führen.
Es iſt nicht unſere Aufgabe, die weiteren Stadien dieſes
Proceſſes vor dem Concil zu ſchildern. Genug, daß
Huß aller Strenge und aller Güte, die ihm reichlich
von den Vätern des Concils zu Theil ward, ſtolz und
hartnäckig begegnete. Der Geleitsbrief, den Huß erhalten
hatte, war ein Reiſepaß, der ihn ſchützte, nicht aber eine
Verſicherung gegen eine Verurtheilung des Concils. Sonſt
hätte es ja keinen Sinn gehabt, Huß vor das Concil
zu berufen. Huß wurde verhaftet, das verlangten ſeine
Ankläger aus Böhmen, und Huß ſelbſt trug dazu bei,
da er trotz der über ihn verhängten Suspenſion in
ſeinem Hauſe Meſſe las und gegen Papſt, Cardinäle
und die Kirche eiferte.
Die Verhandlungen gegen ihn begannen. Ungünſtig
auf dieſelben wirkten die Ankunft, Flucht und Gefangen-
nahme ſeines Freundes Hieronymus von Prag, dann
die Annahme des Kelches von Seiten der Czechen, wo-
mit die ſpäter noch ſo unheilvolle utraquiſtiſche Be-
wegung entſtand. Zunächſt wurden vom Concil 45
Sätze Wiclef’s verurtheilt, dann die Lehren des Huß
ſelbſt in drei Verhören, von denen das letzte öffentlich
und entſcheidend war. Das Urtheil lautete: Huß
ſollte bekennen, er habe ſich geirrt, eidlich geloben, ſeine
Irrlehre nicht mehr zu lehren und zu predigen, wider-
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