Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 177. Leipzig (Sachsen), 20. August 1836.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz]
Bilder aus Rom.
II.
( Fortsetzung aus Nr. 176. )

" Wer von Norden kommt", heißt es in einem neuern,
ebenso unterhaltenden als lehrreichen Buche über Rom *),
"wundert sich anfänglich über das ganz moderne Aus-
sehen der Stadt. Dieses rührt daher, daß der bewohnte
Theil von Südost nach Nordwest gerückt ist; was frü-
her bewohnt war, ist nun Vigna; was früher Exer-
cierplatz und Spaziergang war, ist nun bewohnt. Nur
die Strecke vom Marcellustheater bis Ponte Sisto war
immer bewohnt, und dorthin mag sich auch die Be-
völkerung vorzüglich zurückgezogen haben, als sie durch
das Unglück der Zeiten im 14. Jahrhundert bis auf
20,000 Menschen herabgekommen und aller Wasserlei-
tungen beraubt war. Als Julius II. Straßen durch-
brechen ließ, als die Florentiner sich zwischen Ponte
Sisto und der Engelsbrücke anbauten, wurde diese Ge-
gend, als der Quirinal zum Sommeraufenthalte der
Päpste gewählt ward, seine Umgebung, das Quartier der
feinen Welt. Nun drängt sich das Leben sichtlich gegen
den Corso zusammen, und der Platz Colonna ist der
Hauptplatz des jetzigen Roms, wo Börse, Post, die
Wechsel= und Getreidesensalen, die Gerichte, die Mauth
die täglichen Jnteressen vermitteln, und von wo aus
man nach allen Richtungen das allmälige Abnehmen
des gewerblichen Lebens bemerken kann."

Von der Piazza del Popolo **) aus führen die größern
Straßen eine Strecke weit in gerader Richtung nach
dem Jnnern der Stadt. Sie sind die schönsten und
diejenigen, wo die Wohnungen namentlich im Winter,
wo Rom mit Fremden aller Nationen gefüllt zu sein
pflegt, am meisten gesucht werden. Der Corso nimmt
die Mitte ein und ist die Hauptstraße des neuern Roms.
Er führt zu der Piazza Colonna, auf welcher die An-
toninische Säule steht, die gegenwärtig die Bildsäule
des Apostels Paulus trägt, wie die Trajanische ***) die des
Apostels Petrus. Rechts vom Corso, bei der Kirche
de' Miracoli, beginnt die Straße Ripetta, am Tiber-
ufer vorbeiführend, links, bei der Kirche di Monte Santo,
die Straße Babuino, welche den Zugang zur Piazza
di Spagna bildet, deren Hauptschmuck die schöne, den
Weg zur Kirche Trinit a de' Monti führende Treppe
ist. Hier erhebt sich der Monte pincio, vor Alters der
Collis hortorum, der beliebteste und anmuthigste Spa-
ziergang der Stadt, mit den Villen Medici und Ludo-
visi, wo einst Sallust, Lucullus und Domitian ihre
Gärten hatten. Von diesem Hügel aus genießt man
eines belohnenden Blickes über einen großen Theil
der Stadt.

Auf der Seite des Monte pincio liegen drei Thore,
die Porta pinciana, salaria und pia genannt, durch
welche letztere man auf den Weg nach Tivoli gelangt,
und bei welchen die schöne gleichnamige Straße beginnt,
welche an den ehemaligen Thermen des Diocletian vor-
bei, nach dem Quirinal leitet, dem höchsten der sieben
Hügel. Man nennt ihn gewöhnlich Monte cavallo,
nach den beiden Marmorkolossen der rossebändigenden
Jünglinge, die einst in den Konstantinischen Bädern
standen, und die man ohne irgend eine Autorität dem
Phidias und Praxiteles zugeschrieben hat. Jedenfalls sind
[Spaltenumbruch] sie vorzügliche Arbeiten griechischer Künstler, und über-
raschen durch die Schönheit der Formen wie durch die
Kühnheit der Stellung. Wen sie vorstellen, ist unge-
wiß; lange hielt man sie für Statuen Alexander des
Großen und des Bucephalus; die wahrscheinlichste An-
nahme erklärt sie als Castor und Pollux. Zwischen
ihnen steht ein ägyptischer Granitobelisk, welchen Pius VI.
aufrichten ließ, während einer der zahlreichen Spring-
brunnen der Stadt seinen Wasserstrahl emporsteigen läßt.
Der Palast wurde in der letzten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts erbaut, und ist nicht ausgezeichnet. Er dient
gewöhnlich zur Sommerwohnung wegen der gesunden
Luft; in ihm werden überdies die Conclaven gehalten.

Von dem Monte cavallo aus, welchen überdies
der große Palast der Fürsten Rospigliosi und der Gar-
ten des Hauses Colonna zieren, öffneten sich nach meh-
ren Seiten hin herrliche Aussichten, an denen die in
Thälern und auf Hügeln gebaute Stadt überhaupt ei-
nen so großen Reichthum hat. Westlich erscheint der
Vatican mit dem Alles überragenden Dome St. Peter's.

Die Menge der merkwürdigen Gegenstände, der
Kirchen, Paläste, Villen, Brunnen, Wasserleitungen,
Ruinen u. s. w. ist so gewaltig, daß wir uns hier nur
auf Einzelnes beschränken müssen, bald durch diesen,
bald durch jenen der 14 Rioni wandernd, in welche
die Stadt getheilt ist, und von denen zwei ( il Borgo
und Trastevere ) auf dem rechten, die übrigen auf dem
linken Tiberufer liegen. Der südöstliche Theil ist fast
ganz unbewohnt, einzelne Kirchen und Klöster, Villen
und Häuser finden sich hier neben den zahlreichen Trüm-
mern, welche in der Gegend des Aventin, an dessen
Abhange der berüchtigte Cacus seine Höhle hatte, des
Cälius, des Esquilin liegen, hinan bis zum palatini-
schen Hügel, auf welchem die erste Ansiedelung stattfand.
Jn diesem Theile lagen, schon außerhalb des Mauer-
kreises des Servius Tullius, die großartigen Thermen
des Antoninus, in welchen 3000 Personen zu gleicher
Zeit baden konnten, und deren gewaltige Trümmermas-
sen noch jetzt einen Begriff von ihrer Pracht und ihrem
Umfang geben. Zwischen dem aventinischen und pala-
tinischen Hügel war der Circus maximus, für 260,000
Zuschauer eingerichtet, von dem jetzt nur verstüm-
melte Überreste vorhanden sind. Die imposanteste der
Ruinen ist aber das Flavische Amphitheater, gewöhnlich
das Coliseum *) genannt, in einer Fläche zwischen dem
palatinischen, cälischen und esquilinischen Hügel lie-
gend. Glücklicher als viele andere große Bauten ist es
uns, wenn auch durch Zerstörungen aller Art verwüstet,
doch großentheils erhalten worden, und steht mit seinen
riesigen Mauermassen und seinen Arcadenreihen als ein
von allen Zeiten bewundertes Denkmal der Römergröße da.

Kein Ort vielleicht weckt ein lebhafteres Bewußt-
sein des Verfalles, des Verschwindens des alten Glan-
zes, als das Campo vaccino. Hoch liegt der aus
Schutt und Erde bestehende Boden über dem Niveau
des alten Forum; zu einem Rindermarkt ist der Ver-
sammlungsplatz der stolzen Republikaner herabgewür-
digt. Jn den Tagen der Gründung der Stadt wahr-
scheinlich ein sumpfiges Thal, scheint das zwischen dem
palatinischen und capitolinischen Hügel gelegene Forum
nur durch die Cloaca maxima, welche unterhalb der
palatinischen Brücke ( Ponte rotto ) in die Tiber mün-
det, ausgetrocknet worden zu sein. Von der Zeit der
Könige an bis zum Untergange der Republik spielt das
Forum, das sich allmälig durch Bauten aller Art füllte
[Ende Spaltensatz]

*) Rom im Jahr 1833.
**) Vergl. die Abbildung und Beschreibung desselben im
Pfennig=Magazin Nr 110.
***) Vergl. die Abbildung und Beschreibung derselben im
Pfennig=Magazin Nr. 72.
*) Vergl. die Abbildung und Beschreibung desselben im
Pfennig=Magazin Nr. 18.
Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz]
Bilder aus Rom.
II.
( Fortsetzung aus Nr. 176. )

Wer von Norden kommt“, heißt es in einem neuern,
ebenso unterhaltenden als lehrreichen Buche über Rom *),
„wundert sich anfänglich über das ganz moderne Aus-
sehen der Stadt. Dieses rührt daher, daß der bewohnte
Theil von Südost nach Nordwest gerückt ist; was frü-
her bewohnt war, ist nun Vigna; was früher Exer-
cierplatz und Spaziergang war, ist nun bewohnt. Nur
die Strecke vom Marcellustheater bis Ponte Sisto war
immer bewohnt, und dorthin mag sich auch die Be-
völkerung vorzüglich zurückgezogen haben, als sie durch
das Unglück der Zeiten im 14. Jahrhundert bis auf
20,000 Menschen herabgekommen und aller Wasserlei-
tungen beraubt war. Als Julius II. Straßen durch-
brechen ließ, als die Florentiner sich zwischen Ponte
Sisto und der Engelsbrücke anbauten, wurde diese Ge-
gend, als der Quirinal zum Sommeraufenthalte der
Päpste gewählt ward, seine Umgebung, das Quartier der
feinen Welt. Nun drängt sich das Leben sichtlich gegen
den Corso zusammen, und der Platz Colonna ist der
Hauptplatz des jetzigen Roms, wo Börse, Post, die
Wechsel= und Getreidesensalen, die Gerichte, die Mauth
die täglichen Jnteressen vermitteln, und von wo aus
man nach allen Richtungen das allmälige Abnehmen
des gewerblichen Lebens bemerken kann.“

Von der Piazza del Popolo **) aus führen die größern
Straßen eine Strecke weit in gerader Richtung nach
dem Jnnern der Stadt. Sie sind die schönsten und
diejenigen, wo die Wohnungen namentlich im Winter,
wo Rom mit Fremden aller Nationen gefüllt zu sein
pflegt, am meisten gesucht werden. Der Corso nimmt
die Mitte ein und ist die Hauptstraße des neuern Roms.
Er führt zu der Piazza Colonna, auf welcher die An-
toninische Säule steht, die gegenwärtig die Bildsäule
des Apostels Paulus trägt, wie die Trajanische ***) die des
Apostels Petrus. Rechts vom Corso, bei der Kirche
de' Miracoli, beginnt die Straße Ripetta, am Tiber-
ufer vorbeiführend, links, bei der Kirche di Monte Santo,
die Straße Babuino, welche den Zugang zur Piazza
di Spagna bildet, deren Hauptschmuck die schöne, den
Weg zur Kirche Trinit à de' Monti führende Treppe
ist. Hier erhebt sich der Monte pincio, vor Alters der
Collis hortorum, der beliebteste und anmuthigste Spa-
ziergang der Stadt, mit den Villen Medici und Ludo-
visi, wo einst Sallust, Lucullus und Domitian ihre
Gärten hatten. Von diesem Hügel aus genießt man
eines belohnenden Blickes über einen großen Theil
der Stadt.

Auf der Seite des Monte pincio liegen drei Thore,
die Porta pinciana, salaria und pia genannt, durch
welche letztere man auf den Weg nach Tivoli gelangt,
und bei welchen die schöne gleichnamige Straße beginnt,
welche an den ehemaligen Thermen des Diocletian vor-
bei, nach dem Quirinal leitet, dem höchsten der sieben
Hügel. Man nennt ihn gewöhnlich Monte cavallo,
nach den beiden Marmorkolossen der rossebändigenden
Jünglinge, die einst in den Konstantinischen Bädern
standen, und die man ohne irgend eine Autorität dem
Phidias und Praxiteles zugeschrieben hat. Jedenfalls sind
[Spaltenumbruch] sie vorzügliche Arbeiten griechischer Künstler, und über-
raschen durch die Schönheit der Formen wie durch die
Kühnheit der Stellung. Wen sie vorstellen, ist unge-
wiß; lange hielt man sie für Statuen Alexander des
Großen und des Bucephalus; die wahrscheinlichste An-
nahme erklärt sie als Castor und Pollux. Zwischen
ihnen steht ein ägyptischer Granitobelisk, welchen Pius VI.
aufrichten ließ, während einer der zahlreichen Spring-
brunnen der Stadt seinen Wasserstrahl emporsteigen läßt.
Der Palast wurde in der letzten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts erbaut, und ist nicht ausgezeichnet. Er dient
gewöhnlich zur Sommerwohnung wegen der gesunden
Luft; in ihm werden überdies die Conclaven gehalten.

Von dem Monte cavallo aus, welchen überdies
der große Palast der Fürsten Rospigliosi und der Gar-
ten des Hauses Colonna zieren, öffneten sich nach meh-
ren Seiten hin herrliche Aussichten, an denen die in
Thälern und auf Hügeln gebaute Stadt überhaupt ei-
nen so großen Reichthum hat. Westlich erscheint der
Vatican mit dem Alles überragenden Dome St. Peter's.

Die Menge der merkwürdigen Gegenstände, der
Kirchen, Paläste, Villen, Brunnen, Wasserleitungen,
Ruinen u. s. w. ist so gewaltig, daß wir uns hier nur
auf Einzelnes beschränken müssen, bald durch diesen,
bald durch jenen der 14 Rioni wandernd, in welche
die Stadt getheilt ist, und von denen zwei ( il Borgo
und Trastevere ) auf dem rechten, die übrigen auf dem
linken Tiberufer liegen. Der südöstliche Theil ist fast
ganz unbewohnt, einzelne Kirchen und Klöster, Villen
und Häuser finden sich hier neben den zahlreichen Trüm-
mern, welche in der Gegend des Aventin, an dessen
Abhange der berüchtigte Cacus seine Höhle hatte, des
Cälius, des Esquilin liegen, hinan bis zum palatini-
schen Hügel, auf welchem die erste Ansiedelung stattfand.
Jn diesem Theile lagen, schon außerhalb des Mauer-
kreises des Servius Tullius, die großartigen Thermen
des Antoninus, in welchen 3000 Personen zu gleicher
Zeit baden konnten, und deren gewaltige Trümmermas-
sen noch jetzt einen Begriff von ihrer Pracht und ihrem
Umfang geben. Zwischen dem aventinischen und pala-
tinischen Hügel war der Circus maximus, für 260,000
Zuschauer eingerichtet, von dem jetzt nur verstüm-
melte Überreste vorhanden sind. Die imposanteste der
Ruinen ist aber das Flavische Amphitheater, gewöhnlich
das Coliseum *) genannt, in einer Fläche zwischen dem
palatinischen, cälischen und esquilinischen Hügel lie-
gend. Glücklicher als viele andere große Bauten ist es
uns, wenn auch durch Zerstörungen aller Art verwüstet,
doch großentheils erhalten worden, und steht mit seinen
riesigen Mauermassen und seinen Arcadenreihen als ein
von allen Zeiten bewundertes Denkmal der Römergröße da.

Kein Ort vielleicht weckt ein lebhafteres Bewußt-
sein des Verfalles, des Verschwindens des alten Glan-
zes, als das Campo vaccino. Hoch liegt der aus
Schutt und Erde bestehende Boden über dem Niveau
des alten Forum; zu einem Rindermarkt ist der Ver-
sammlungsplatz der stolzen Republikaner herabgewür-
digt. Jn den Tagen der Gründung der Stadt wahr-
scheinlich ein sumpfiges Thal, scheint das zwischen dem
palatinischen und capitolinischen Hügel gelegene Forum
nur durch die Cloaca maxima, welche unterhalb der
palatinischen Brücke ( Ponte rotto ) in die Tiber mün-
det, ausgetrocknet worden zu sein. Von der Zeit der
Könige an bis zum Untergange der Republik spielt das
Forum, das sich allmälig durch Bauten aller Art füllte
[Ende Spaltensatz]

*) Rom im Jahr 1833.
**) Vergl. die Abbildung und Beschreibung desselben im
Pfennig=Magazin Nr 110.
***) Vergl. die Abbildung und Beschreibung derselben im
Pfennig=Magazin Nr. 72.
*) Vergl. die Abbildung und Beschreibung desselben im
Pfennig=Magazin Nr. 18.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div xml:id="Rom2" type="jArticle" n="1">
        <pb facs="#f0002" n="266"/>
        <fw type="header" place="top"> <hi rendition="#g">Das Pfennig=Magazin.</hi> </fw>
        <cb type="start"/>
        <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Bilder aus Rom</hi>.</hi><lb/> <hi rendition="#aq">II.</hi><lb/>
          <ref target="nn_pfennig176_1836#Rom1">( Fortsetzung aus Nr. 176. )</ref>
        </head><lb/>
        <p>&#x201E; <hi rendition="#in">W</hi>er von Norden kommt&#x201C;, heißt es in einem neuern,<lb/>
ebenso unterhaltenden als lehrreichen Buche über Rom <note place="foot" n="*)">Rom im Jahr 1833.</note>,<lb/>
&#x201E;wundert sich anfänglich über das ganz moderne Aus-<lb/>
sehen der Stadt. Dieses rührt daher, daß der bewohnte<lb/>
Theil von Südost nach Nordwest gerückt ist; was frü-<lb/>
her bewohnt war, ist nun Vigna; was früher Exer-<lb/>
cierplatz und Spaziergang war, ist nun bewohnt. Nur<lb/>
die Strecke vom Marcellustheater bis Ponte Sisto war<lb/>
immer bewohnt, und dorthin mag sich auch die Be-<lb/>
völkerung vorzüglich zurückgezogen haben, als sie durch<lb/>
das Unglück der Zeiten im 14. Jahrhundert bis auf<lb/>
20,000 Menschen herabgekommen und aller Wasserlei-<lb/>
tungen beraubt war. Als Julius <hi rendition="#aq">II</hi>. Straßen durch-<lb/>
brechen ließ, als die Florentiner sich zwischen Ponte<lb/>
Sisto und der Engelsbrücke anbauten, wurde diese Ge-<lb/>
gend, als der Quirinal zum Sommeraufenthalte der<lb/>
Päpste gewählt ward, seine Umgebung, das Quartier der<lb/>
feinen Welt. Nun drängt sich das Leben sichtlich gegen<lb/>
den Corso zusammen, und der Platz Colonna ist der<lb/>
Hauptplatz des jetzigen Roms, wo Börse, Post, die<lb/>
Wechsel= und Getreidesensalen, die Gerichte, die Mauth<lb/>
die täglichen Jnteressen vermitteln, und von wo aus<lb/>
man nach allen Richtungen das allmälige Abnehmen<lb/>
des gewerblichen Lebens bemerken kann.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Von der Piazza del Popolo <note place="foot" n="**)">Vergl. die Abbildung und Beschreibung desselben im<lb/>
Pfennig=Magazin Nr 110.</note> aus führen die größern<lb/>
Straßen eine Strecke weit in gerader Richtung nach<lb/>
dem Jnnern der Stadt. Sie sind die schönsten und<lb/>
diejenigen, wo die Wohnungen namentlich im Winter,<lb/>
wo Rom mit Fremden aller Nationen gefüllt zu sein<lb/>
pflegt, am meisten gesucht werden. Der Corso nimmt<lb/>
die Mitte ein und ist die Hauptstraße des neuern Roms.<lb/>
Er führt zu der Piazza Colonna, auf welcher die An-<lb/>
toninische Säule steht, die gegenwärtig die Bildsäule<lb/>
des Apostels Paulus trägt, wie die Trajanische <note place="foot" n="***)">Vergl. die Abbildung und Beschreibung derselben im<lb/>
Pfennig=Magazin Nr. 72.</note> die des<lb/>
Apostels Petrus. Rechts vom Corso, bei der Kirche<lb/>
de' Miracoli, beginnt die Straße Ripetta, am Tiber-<lb/>
ufer vorbeiführend, links, bei der Kirche di Monte Santo,<lb/>
die Straße Babuino, welche den Zugang zur Piazza<lb/>
di Spagna bildet, deren Hauptschmuck die schöne, den<lb/>
Weg zur Kirche Trinit <hi rendition="#aq">à</hi> de' Monti führende Treppe<lb/>
ist. Hier erhebt sich der Monte pincio, vor Alters der<lb/><hi rendition="#aq">Collis hortorum</hi>, der beliebteste und anmuthigste Spa-<lb/>
ziergang der Stadt, mit den Villen Medici und Ludo-<lb/>
visi, wo einst Sallust, Lucullus und Domitian ihre<lb/>
Gärten hatten. Von diesem Hügel aus genießt man<lb/>
eines belohnenden Blickes über einen großen Theil<lb/>
der Stadt.</p><lb/>
        <p>Auf der Seite des Monte pincio liegen drei Thore,<lb/>
die Porta pinciana, salaria und pia genannt, durch<lb/>
welche letztere man auf den Weg nach Tivoli gelangt,<lb/>
und bei welchen die schöne gleichnamige Straße beginnt,<lb/>
welche an den ehemaligen Thermen des Diocletian vor-<lb/>
bei, nach dem Quirinal leitet, dem höchsten der sieben<lb/>
Hügel. Man nennt ihn gewöhnlich Monte cavallo,<lb/>
nach den beiden Marmorkolossen der rossebändigenden<lb/>
Jünglinge, die einst in den Konstantinischen Bädern<lb/>
standen, und die man ohne irgend eine Autorität dem<lb/>
Phidias und Praxiteles zugeschrieben hat. Jedenfalls sind<lb/><cb n="2"/>
sie vorzügliche Arbeiten griechischer Künstler, und über-<lb/>
raschen durch die Schönheit der Formen wie durch die<lb/>
Kühnheit der Stellung. Wen sie vorstellen, ist unge-<lb/>
wiß; lange hielt man sie für Statuen Alexander des<lb/>
Großen und des Bucephalus; die wahrscheinlichste An-<lb/>
nahme erklärt sie als Castor und Pollux. Zwischen<lb/>
ihnen steht ein ägyptischer Granitobelisk, welchen Pius <hi rendition="#aq">VI.</hi><lb/>
aufrichten ließ, während einer der zahlreichen Spring-<lb/>
brunnen der Stadt seinen Wasserstrahl emporsteigen läßt.<lb/>
Der Palast wurde in der letzten Hälfte des 16. Jahr-<lb/>
hunderts erbaut, und ist nicht ausgezeichnet. Er dient<lb/>
gewöhnlich zur Sommerwohnung wegen der gesunden<lb/>
Luft; in ihm werden überdies die Conclaven gehalten.</p><lb/>
        <p>Von dem Monte cavallo aus, welchen überdies<lb/>
der große Palast der Fürsten Rospigliosi und der Gar-<lb/>
ten des Hauses Colonna zieren, öffneten sich nach meh-<lb/>
ren Seiten hin herrliche Aussichten, an denen die in<lb/>
Thälern und auf Hügeln gebaute Stadt überhaupt ei-<lb/>
nen so großen Reichthum hat. Westlich erscheint der<lb/>
Vatican mit dem Alles überragenden Dome St. Peter's.</p><lb/>
        <p>Die Menge der merkwürdigen Gegenstände, der<lb/>
Kirchen, Paläste, Villen, Brunnen, Wasserleitungen,<lb/>
Ruinen u. s. w. ist so gewaltig, daß wir uns hier nur<lb/>
auf Einzelnes beschränken müssen, bald durch diesen,<lb/>
bald durch jenen der 14 Rioni wandernd, in welche<lb/>
die Stadt getheilt ist, und von denen zwei ( il Borgo<lb/>
und Trastevere ) auf dem rechten, die übrigen auf dem<lb/>
linken Tiberufer liegen. Der südöstliche Theil ist fast<lb/>
ganz unbewohnt, einzelne Kirchen und Klöster, Villen<lb/>
und Häuser finden sich hier neben den zahlreichen Trüm-<lb/>
mern, welche in der Gegend des Aventin, an dessen<lb/>
Abhange der berüchtigte Cacus seine Höhle hatte, des<lb/>
Cälius, des Esquilin liegen, hinan bis zum palatini-<lb/>
schen Hügel, auf welchem die erste Ansiedelung stattfand.<lb/>
Jn diesem Theile lagen, schon außerhalb des Mauer-<lb/>
kreises des Servius Tullius, die großartigen Thermen<lb/>
des Antoninus, in welchen 3000 Personen zu gleicher<lb/>
Zeit baden konnten, und deren gewaltige Trümmermas-<lb/>
sen noch jetzt einen Begriff von ihrer Pracht und ihrem<lb/>
Umfang geben. Zwischen dem aventinischen und pala-<lb/>
tinischen Hügel war der Circus maximus, für 260,000<lb/>
Zuschauer eingerichtet, von dem jetzt nur verstüm-<lb/>
melte Überreste vorhanden sind. Die imposanteste der<lb/>
Ruinen ist aber das Flavische Amphitheater, gewöhnlich<lb/>
das Coliseum <note place="foot" n="*)">Vergl. die Abbildung und Beschreibung desselben im<lb/>
Pfennig=Magazin Nr. 18.</note> genannt, in einer Fläche zwischen dem<lb/>
palatinischen, cälischen und esquilinischen Hügel lie-<lb/>
gend. Glücklicher als viele andere große Bauten ist es<lb/>
uns, wenn auch durch Zerstörungen aller Art verwüstet,<lb/>
doch großentheils erhalten worden, und steht mit seinen<lb/>
riesigen Mauermassen und seinen Arcadenreihen als ein<lb/>
von allen Zeiten bewundertes Denkmal der Römergröße da.</p><lb/>
        <p>Kein Ort vielleicht weckt ein lebhafteres Bewußt-<lb/>
sein des Verfalles, des Verschwindens des alten Glan-<lb/>
zes, als das Campo vaccino. Hoch liegt der aus<lb/>
Schutt und Erde bestehende Boden über dem Niveau<lb/>
des alten Forum; zu einem Rindermarkt ist der Ver-<lb/>
sammlungsplatz der stolzen Republikaner herabgewür-<lb/>
digt. Jn den Tagen der Gründung der Stadt wahr-<lb/>
scheinlich ein sumpfiges Thal, scheint das zwischen dem<lb/>
palatinischen und capitolinischen Hügel gelegene Forum<lb/>
nur durch die <hi rendition="#aq">Cloaca maxima</hi>, welche unterhalb der<lb/>
palatinischen Brücke ( <hi rendition="#aq">Ponte rotto</hi> ) in die Tiber mün-<lb/>
det, ausgetrocknet worden zu sein. Von der Zeit der<lb/>
Könige an bis zum Untergange der Republik spielt das<lb/>
Forum, das sich allmälig durch Bauten aller Art füllte<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[266/0002] Das Pfennig=Magazin. Bilder aus Rom. II. ( Fortsetzung aus Nr. 176. ) „ Wer von Norden kommt“, heißt es in einem neuern, ebenso unterhaltenden als lehrreichen Buche über Rom *), „wundert sich anfänglich über das ganz moderne Aus- sehen der Stadt. Dieses rührt daher, daß der bewohnte Theil von Südost nach Nordwest gerückt ist; was frü- her bewohnt war, ist nun Vigna; was früher Exer- cierplatz und Spaziergang war, ist nun bewohnt. Nur die Strecke vom Marcellustheater bis Ponte Sisto war immer bewohnt, und dorthin mag sich auch die Be- völkerung vorzüglich zurückgezogen haben, als sie durch das Unglück der Zeiten im 14. Jahrhundert bis auf 20,000 Menschen herabgekommen und aller Wasserlei- tungen beraubt war. Als Julius II. Straßen durch- brechen ließ, als die Florentiner sich zwischen Ponte Sisto und der Engelsbrücke anbauten, wurde diese Ge- gend, als der Quirinal zum Sommeraufenthalte der Päpste gewählt ward, seine Umgebung, das Quartier der feinen Welt. Nun drängt sich das Leben sichtlich gegen den Corso zusammen, und der Platz Colonna ist der Hauptplatz des jetzigen Roms, wo Börse, Post, die Wechsel= und Getreidesensalen, die Gerichte, die Mauth die täglichen Jnteressen vermitteln, und von wo aus man nach allen Richtungen das allmälige Abnehmen des gewerblichen Lebens bemerken kann.“ Von der Piazza del Popolo **) aus führen die größern Straßen eine Strecke weit in gerader Richtung nach dem Jnnern der Stadt. Sie sind die schönsten und diejenigen, wo die Wohnungen namentlich im Winter, wo Rom mit Fremden aller Nationen gefüllt zu sein pflegt, am meisten gesucht werden. Der Corso nimmt die Mitte ein und ist die Hauptstraße des neuern Roms. Er führt zu der Piazza Colonna, auf welcher die An- toninische Säule steht, die gegenwärtig die Bildsäule des Apostels Paulus trägt, wie die Trajanische ***) die des Apostels Petrus. Rechts vom Corso, bei der Kirche de' Miracoli, beginnt die Straße Ripetta, am Tiber- ufer vorbeiführend, links, bei der Kirche di Monte Santo, die Straße Babuino, welche den Zugang zur Piazza di Spagna bildet, deren Hauptschmuck die schöne, den Weg zur Kirche Trinit à de' Monti führende Treppe ist. Hier erhebt sich der Monte pincio, vor Alters der Collis hortorum, der beliebteste und anmuthigste Spa- ziergang der Stadt, mit den Villen Medici und Ludo- visi, wo einst Sallust, Lucullus und Domitian ihre Gärten hatten. Von diesem Hügel aus genießt man eines belohnenden Blickes über einen großen Theil der Stadt. Auf der Seite des Monte pincio liegen drei Thore, die Porta pinciana, salaria und pia genannt, durch welche letztere man auf den Weg nach Tivoli gelangt, und bei welchen die schöne gleichnamige Straße beginnt, welche an den ehemaligen Thermen des Diocletian vor- bei, nach dem Quirinal leitet, dem höchsten der sieben Hügel. Man nennt ihn gewöhnlich Monte cavallo, nach den beiden Marmorkolossen der rossebändigenden Jünglinge, die einst in den Konstantinischen Bädern standen, und die man ohne irgend eine Autorität dem Phidias und Praxiteles zugeschrieben hat. Jedenfalls sind sie vorzügliche Arbeiten griechischer Künstler, und über- raschen durch die Schönheit der Formen wie durch die Kühnheit der Stellung. Wen sie vorstellen, ist unge- wiß; lange hielt man sie für Statuen Alexander des Großen und des Bucephalus; die wahrscheinlichste An- nahme erklärt sie als Castor und Pollux. Zwischen ihnen steht ein ägyptischer Granitobelisk, welchen Pius VI. aufrichten ließ, während einer der zahlreichen Spring- brunnen der Stadt seinen Wasserstrahl emporsteigen läßt. Der Palast wurde in der letzten Hälfte des 16. Jahr- hunderts erbaut, und ist nicht ausgezeichnet. Er dient gewöhnlich zur Sommerwohnung wegen der gesunden Luft; in ihm werden überdies die Conclaven gehalten. Von dem Monte cavallo aus, welchen überdies der große Palast der Fürsten Rospigliosi und der Gar- ten des Hauses Colonna zieren, öffneten sich nach meh- ren Seiten hin herrliche Aussichten, an denen die in Thälern und auf Hügeln gebaute Stadt überhaupt ei- nen so großen Reichthum hat. Westlich erscheint der Vatican mit dem Alles überragenden Dome St. Peter's. Die Menge der merkwürdigen Gegenstände, der Kirchen, Paläste, Villen, Brunnen, Wasserleitungen, Ruinen u. s. w. ist so gewaltig, daß wir uns hier nur auf Einzelnes beschränken müssen, bald durch diesen, bald durch jenen der 14 Rioni wandernd, in welche die Stadt getheilt ist, und von denen zwei ( il Borgo und Trastevere ) auf dem rechten, die übrigen auf dem linken Tiberufer liegen. Der südöstliche Theil ist fast ganz unbewohnt, einzelne Kirchen und Klöster, Villen und Häuser finden sich hier neben den zahlreichen Trüm- mern, welche in der Gegend des Aventin, an dessen Abhange der berüchtigte Cacus seine Höhle hatte, des Cälius, des Esquilin liegen, hinan bis zum palatini- schen Hügel, auf welchem die erste Ansiedelung stattfand. Jn diesem Theile lagen, schon außerhalb des Mauer- kreises des Servius Tullius, die großartigen Thermen des Antoninus, in welchen 3000 Personen zu gleicher Zeit baden konnten, und deren gewaltige Trümmermas- sen noch jetzt einen Begriff von ihrer Pracht und ihrem Umfang geben. Zwischen dem aventinischen und pala- tinischen Hügel war der Circus maximus, für 260,000 Zuschauer eingerichtet, von dem jetzt nur verstüm- melte Überreste vorhanden sind. Die imposanteste der Ruinen ist aber das Flavische Amphitheater, gewöhnlich das Coliseum *) genannt, in einer Fläche zwischen dem palatinischen, cälischen und esquilinischen Hügel lie- gend. Glücklicher als viele andere große Bauten ist es uns, wenn auch durch Zerstörungen aller Art verwüstet, doch großentheils erhalten worden, und steht mit seinen riesigen Mauermassen und seinen Arcadenreihen als ein von allen Zeiten bewundertes Denkmal der Römergröße da. Kein Ort vielleicht weckt ein lebhafteres Bewußt- sein des Verfalles, des Verschwindens des alten Glan- zes, als das Campo vaccino. Hoch liegt der aus Schutt und Erde bestehende Boden über dem Niveau des alten Forum; zu einem Rindermarkt ist der Ver- sammlungsplatz der stolzen Republikaner herabgewür- digt. Jn den Tagen der Gründung der Stadt wahr- scheinlich ein sumpfiges Thal, scheint das zwischen dem palatinischen und capitolinischen Hügel gelegene Forum nur durch die Cloaca maxima, welche unterhalb der palatinischen Brücke ( Ponte rotto ) in die Tiber mün- det, ausgetrocknet worden zu sein. Von der Zeit der Könige an bis zum Untergange der Republik spielt das Forum, das sich allmälig durch Bauten aller Art füllte *) Rom im Jahr 1833. **) Vergl. die Abbildung und Beschreibung desselben im Pfennig=Magazin Nr 110. ***) Vergl. die Abbildung und Beschreibung derselben im Pfennig=Magazin Nr. 72. *) Vergl. die Abbildung und Beschreibung desselben im Pfennig=Magazin Nr. 18.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig177_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig177_1836/2
Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 177. Leipzig (Sachsen), 20. August 1836, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig177_1836/2>, abgerufen am 13.11.2024.