Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 169. Leipzig (Sachsen), 25. Juni 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz] sehr großen Augenhöhlen auf, welche nur durch eine
häutige Scheidewand voneinander getrennt sind. Die
Halswirbel sind zum Theil miteinander verwachsen, wo-
durch die Schwerbeweglichkeit des Halses sich leicht er-
klären läßt, und die meisten Rippen einer Seite sind
mit denen der andern verwachsen, ohne, wie bei andern
verwandten Thieren, durch ein Zwischenstück verbunden
zu sein. Bei den großen Augen des Thieres tritt auch
hier wieder eine sonderbare Eigenthümlichkeit hervor; der
Augapfel ist nämlich dermaßen durch ein, mit körnigen
Schuppen besetztes Augenlid bedeckt, daß nur eine kleine
Öffnung von zwei bis drei Linien übrig bleibt. Hierzu
kommt noch die auffallende Erscheinung, daß nicht wie bei
andern Thieren beide Augen sich immer zugleich bewegen,
sondern jedes Auge für sich eine beliebige Richtung neh-
men kann. Nicht minder auffallend ist der Bau der
Zunge dieses Thieres. Es kann dieselbe augenblicklich
mehre Zoll lang aus dem Maule herausschnellen und
ebenso rasch wieder einziehen, nachdem es ein Jnsekt
damit erfaßt hat. Dies scheint durch ein Umlegen der
Zunge zu geschehen und nicht, wie man sonst wol
glaubte, durch eine klebrige Feuchtigkeit an ihrer
Spitze.

Wir haben schon erwähnt, daß das Chamäleon
von Jnsekten lebt. Die Alten glaubten indeß, es er-
nähre sich blos durch Luft, eine Meinung, die vielleicht
daher entstanden ist, daß diese Thiere, gleich andern
Reptilien, sehr lange ohne Nahrung leben können, viel-
leicht auch daher, daß die Lungen des Chamäleons so
außerordentlich entwickelt sind. Sie erscheinen nämlich
als ein paar große Blasen, welche noch üderdies nach
hinten zu verlängert sind und dem Thiere äußerlich ei-
nen großen Umfang geben, während sie dessen Gewicht
so sehr vermindern, daß es mit der Größe in gar kei-
nem Verhältnisse mehr steht. Dabei sind die Wände der
Brust so dünn, daß das Chamäleon in der Zeit, wo
es seine Lunge recht mit Luft gefüllt hat, fast durch-
scheinend wird.

Diese Thiere haben außer den bereits erwähn-
ten noch mehre auffallende Eigenschaften, und wir
müssen noch eine der merkwürdigsten anführen, welche
unter allen immer die größte Aufmerksamkeit erregt
hat und sogar zu dem Sprüchworte Veranlassung gab:
"er ist ein Chamäleon", oder: "er ändert die Far-
ben wie ein Chamäleon". Bevor wir jedoch davon weiter
sprechen, müssen wir zuerst noch die Haut dieses Thie-
res betrachten. Diese ist überall mit kleinen körnigen,
verschieden gebildeten Schuppen bedeckt, welche hier und
da eine erweiterte oder verlängerte Gestalt annehmen
und damit die Kämme u. s. w. bilden, deren bereits
oben gedacht wurde. Die Farbe der Haut ist bei jeder
Art verschieden, doch eben nicht auffallend, indem sich
auf derselben nur undeutliche Flecke und marmorartige
Zeichnungen finden. Jn dieser Beziehung hat das Thier
nichts Ausgezeichnetes, wol aber hinsichtlich der Fähig-
keit, seine eigenthümliche Farbe fast augenblicklich zu ver-
ändern. Gewöhnlich ist die Farbe ein schmuziges Grau-
grün, das sich aber unter Umständen in ein mehr oder
weniger helles Gelb, in ein dunkles, mehr oder minder in
das Violette fallendes Grün, in ein mehr oder minder
dunkles Braun, ja selbst in Schwarz verändert.

Eine so auffallende Erscheinung mußte nothwendig
zur Beobachtung reizen und hat die abweichendsten Er-
klärungsversuche hervorgerufen, die wir hier nicht näher
anführen wollen. Der neueste Erklärungsversuch rührt
von dem englischen Naturforscher Milne Edwards und
erläutert die Sache am meisten. Die Untersuchungen
dieses Gelehrten haben nämlich dargethan, daß sich in
[Spaltenumbruch] der Haut des Chamäleons zwei verschiedene, in eigen-
thümliche Gefäße vertheilte und übereinander liegende
Farbenstoffe befinden, welche sich gleichzeitig oder auch
nacheinander zeigen können, indem einer sich hinter dem
andern verbirgt; der eine ist mehr oder weniger gelblich
oder weißlich grau, der andere violett, roth und schwärz-
lich, und zwar liegt dieser letztere tiefer in der Haut,
als jener. Jmmer bleiben aber noch, ungeachtet dieser
Thatsache, manche Erscheinungen bei dem Farbenwechsel
unerklärt.

Übrigens scheinen diese Farbenveränderungen mit
dem gesunden und krankhaften Zustande des Thieres
verknüpft zu sein, denn es gibt Zustände, in welchen
das Thier nicht mehr im Stande zu sein scheint, sol-
chen Wechsel hervorzubringen. Dies konnte man z. B.
an einem der beiden Chamäleons bemerken, welche vor
einigen Jahren zu Paris gezeigt wurden. Das eine
blieb unbeweglich in einer Ecke seines Käfigs und zeigte
eine einförmige kupfergrüne Farbe; alle Umstände, welche
bei seinem Gefährten einen Farbenwechsel hervorbrachten,
hatten hier keine Wirkung. Ebenso wenig als man
bis jetzt vermocht hat, die Weise, wodurch der Farben-
wechsel entsteht, zu erklären, kann man den Grund an-
geben, warum er statthat. Das Chamäleon pflanzt
sich durch Eier fort, aus welchen die Jungen, vollkom-
men wie die Alten gebildet, ausschlüpfen. Es konnte
nicht fehlen, daß ein so merkwürdiges Thier wie das
Chamäleon, das den Alten schon bekannt war, zu
einer Menge Fabeln Veranlassung gab, auch z. B., wenn
eine Schlange, sein Hauptfeind, es zu verschlingen drohe,
so nehme es schnell einen Stock quer in das Maul und
sei nun sicher, ein solches Hinderniß entgegengestellt zu
haben, daß auch der weiteste Rachen ihm keine Gefahr
mehr bringe.

Das Chamäleon ist ein träges Thier, das gleich
dem Faulthiere, da es weder leicht gehen, noch weni-
ger laufen kann, sich immer an Baumäste oder an
Steine angeklammert, wobei es neben den Klauen auch
den Schwanz zu Hülfe nimmt. Unbeweglich sitzt es
so stundenlang, und nur der Hunger oder ein erschei-
nendes Jnsekt bringt es aus seiner Trägheit. Wenn
man es ergreift, so versucht es kaum sich mit einem
Bisse zu wehren, den man übrigens nicht zu fürchten
braucht, da er weder heftig noch gefährlich ist. Man
findet diese Thiere nur in den heißen Gegenden der al-
ten Welt und in Europa nur in Spanien. Nirgend
fürchtet man sie, aber auch nirgend benutzt man sie zu
irgend einem Zwecke, denn medicinische Kräfte haben auch
diejenigen Theile nicht, welchen man sie früher zu-
schrieb.

Von den verschiedenen Arten stellt unsere Abbil-
dung, die gemeinste, das sogenannte afrikanische Cha-
mäleon dar; es ist zugleich die am weitesten verbreitete
und am längsten bekannte, die sich von andern beson-
ders durch den Rückenkamm, das vorspringende Hinter-
haupt und die einfach gezähnten Augenbogenkämme, welche
sich vorn auf der Schnauze vereinigen, auszeichnet. Die
Färbung dieses Thieres ist gelblich, mit bräunlichen un-
regelmäßigen Querbinden. Bei jungen Thieren bemerkt
man an den Seiten des Rückens eine Reihe gelblicher,
schwarz gesäumter Flecke, welche bei zunehmendem Alter
sich in eine gelbliche Linie verwandeln. Diese Art ist
sehr gemein an den Küsten des Mittelmeeres, in Ägyp-
ten, in der Berberei, und findet sich auch im südlichen
Spanien.



[Ende Spaltensatz]

Das Pfennig=Magazin.
[Beginn Spaltensatz] sehr großen Augenhöhlen auf, welche nur durch eine
häutige Scheidewand voneinander getrennt sind. Die
Halswirbel sind zum Theil miteinander verwachsen, wo-
durch die Schwerbeweglichkeit des Halses sich leicht er-
klären läßt, und die meisten Rippen einer Seite sind
mit denen der andern verwachsen, ohne, wie bei andern
verwandten Thieren, durch ein Zwischenstück verbunden
zu sein. Bei den großen Augen des Thieres tritt auch
hier wieder eine sonderbare Eigenthümlichkeit hervor; der
Augapfel ist nämlich dermaßen durch ein, mit körnigen
Schuppen besetztes Augenlid bedeckt, daß nur eine kleine
Öffnung von zwei bis drei Linien übrig bleibt. Hierzu
kommt noch die auffallende Erscheinung, daß nicht wie bei
andern Thieren beide Augen sich immer zugleich bewegen,
sondern jedes Auge für sich eine beliebige Richtung neh-
men kann. Nicht minder auffallend ist der Bau der
Zunge dieses Thieres. Es kann dieselbe augenblicklich
mehre Zoll lang aus dem Maule herausschnellen und
ebenso rasch wieder einziehen, nachdem es ein Jnsekt
damit erfaßt hat. Dies scheint durch ein Umlegen der
Zunge zu geschehen und nicht, wie man sonst wol
glaubte, durch eine klebrige Feuchtigkeit an ihrer
Spitze.

Wir haben schon erwähnt, daß das Chamäleon
von Jnsekten lebt. Die Alten glaubten indeß, es er-
nähre sich blos durch Luft, eine Meinung, die vielleicht
daher entstanden ist, daß diese Thiere, gleich andern
Reptilien, sehr lange ohne Nahrung leben können, viel-
leicht auch daher, daß die Lungen des Chamäleons so
außerordentlich entwickelt sind. Sie erscheinen nämlich
als ein paar große Blasen, welche noch üderdies nach
hinten zu verlängert sind und dem Thiere äußerlich ei-
nen großen Umfang geben, während sie dessen Gewicht
so sehr vermindern, daß es mit der Größe in gar kei-
nem Verhältnisse mehr steht. Dabei sind die Wände der
Brust so dünn, daß das Chamäleon in der Zeit, wo
es seine Lunge recht mit Luft gefüllt hat, fast durch-
scheinend wird.

Diese Thiere haben außer den bereits erwähn-
ten noch mehre auffallende Eigenschaften, und wir
müssen noch eine der merkwürdigsten anführen, welche
unter allen immer die größte Aufmerksamkeit erregt
hat und sogar zu dem Sprüchworte Veranlassung gab:
„er ist ein Chamäleon“, oder: „er ändert die Far-
ben wie ein Chamäleon“. Bevor wir jedoch davon weiter
sprechen, müssen wir zuerst noch die Haut dieses Thie-
res betrachten. Diese ist überall mit kleinen körnigen,
verschieden gebildeten Schuppen bedeckt, welche hier und
da eine erweiterte oder verlängerte Gestalt annehmen
und damit die Kämme u. s. w. bilden, deren bereits
oben gedacht wurde. Die Farbe der Haut ist bei jeder
Art verschieden, doch eben nicht auffallend, indem sich
auf derselben nur undeutliche Flecke und marmorartige
Zeichnungen finden. Jn dieser Beziehung hat das Thier
nichts Ausgezeichnetes, wol aber hinsichtlich der Fähig-
keit, seine eigenthümliche Farbe fast augenblicklich zu ver-
ändern. Gewöhnlich ist die Farbe ein schmuziges Grau-
grün, das sich aber unter Umständen in ein mehr oder
weniger helles Gelb, in ein dunkles, mehr oder minder in
das Violette fallendes Grün, in ein mehr oder minder
dunkles Braun, ja selbst in Schwarz verändert.

Eine so auffallende Erscheinung mußte nothwendig
zur Beobachtung reizen und hat die abweichendsten Er-
klärungsversuche hervorgerufen, die wir hier nicht näher
anführen wollen. Der neueste Erklärungsversuch rührt
von dem englischen Naturforscher Milne Edwards und
erläutert die Sache am meisten. Die Untersuchungen
dieses Gelehrten haben nämlich dargethan, daß sich in
[Spaltenumbruch] der Haut des Chamäleons zwei verschiedene, in eigen-
thümliche Gefäße vertheilte und übereinander liegende
Farbenstoffe befinden, welche sich gleichzeitig oder auch
nacheinander zeigen können, indem einer sich hinter dem
andern verbirgt; der eine ist mehr oder weniger gelblich
oder weißlich grau, der andere violett, roth und schwärz-
lich, und zwar liegt dieser letztere tiefer in der Haut,
als jener. Jmmer bleiben aber noch, ungeachtet dieser
Thatsache, manche Erscheinungen bei dem Farbenwechsel
unerklärt.

Übrigens scheinen diese Farbenveränderungen mit
dem gesunden und krankhaften Zustande des Thieres
verknüpft zu sein, denn es gibt Zustände, in welchen
das Thier nicht mehr im Stande zu sein scheint, sol-
chen Wechsel hervorzubringen. Dies konnte man z. B.
an einem der beiden Chamäleons bemerken, welche vor
einigen Jahren zu Paris gezeigt wurden. Das eine
blieb unbeweglich in einer Ecke seines Käfigs und zeigte
eine einförmige kupfergrüne Farbe; alle Umstände, welche
bei seinem Gefährten einen Farbenwechsel hervorbrachten,
hatten hier keine Wirkung. Ebenso wenig als man
bis jetzt vermocht hat, die Weise, wodurch der Farben-
wechsel entsteht, zu erklären, kann man den Grund an-
geben, warum er statthat. Das Chamäleon pflanzt
sich durch Eier fort, aus welchen die Jungen, vollkom-
men wie die Alten gebildet, ausschlüpfen. Es konnte
nicht fehlen, daß ein so merkwürdiges Thier wie das
Chamäleon, das den Alten schon bekannt war, zu
einer Menge Fabeln Veranlassung gab, auch z. B., wenn
eine Schlange, sein Hauptfeind, es zu verschlingen drohe,
so nehme es schnell einen Stock quer in das Maul und
sei nun sicher, ein solches Hinderniß entgegengestellt zu
haben, daß auch der weiteste Rachen ihm keine Gefahr
mehr bringe.

Das Chamäleon ist ein träges Thier, das gleich
dem Faulthiere, da es weder leicht gehen, noch weni-
ger laufen kann, sich immer an Baumäste oder an
Steine angeklammert, wobei es neben den Klauen auch
den Schwanz zu Hülfe nimmt. Unbeweglich sitzt es
so stundenlang, und nur der Hunger oder ein erschei-
nendes Jnsekt bringt es aus seiner Trägheit. Wenn
man es ergreift, so versucht es kaum sich mit einem
Bisse zu wehren, den man übrigens nicht zu fürchten
braucht, da er weder heftig noch gefährlich ist. Man
findet diese Thiere nur in den heißen Gegenden der al-
ten Welt und in Europa nur in Spanien. Nirgend
fürchtet man sie, aber auch nirgend benutzt man sie zu
irgend einem Zwecke, denn medicinische Kräfte haben auch
diejenigen Theile nicht, welchen man sie früher zu-
schrieb.

Von den verschiedenen Arten stellt unsere Abbil-
dung, die gemeinste, das sogenannte afrikanische Cha-
mäleon dar; es ist zugleich die am weitesten verbreitete
und am längsten bekannte, die sich von andern beson-
ders durch den Rückenkamm, das vorspringende Hinter-
haupt und die einfach gezähnten Augenbogenkämme, welche
sich vorn auf der Schnauze vereinigen, auszeichnet. Die
Färbung dieses Thieres ist gelblich, mit bräunlichen un-
regelmäßigen Querbinden. Bei jungen Thieren bemerkt
man an den Seiten des Rückens eine Reihe gelblicher,
schwarz gesäumter Flecke, welche bei zunehmendem Alter
sich in eine gelbliche Linie verwandeln. Diese Art ist
sehr gemein an den Küsten des Mittelmeeres, in Ägyp-
ten, in der Berberei, und findet sich auch im südlichen
Spanien.



[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0006" n="206"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Das Pfennig=Magazin.</hi></fw><cb type="start"/>
sehr großen Augenhöhlen auf, welche nur durch eine<lb/>
häutige Scheidewand voneinander getrennt sind. Die<lb/>
Halswirbel sind zum Theil miteinander verwachsen, wo-<lb/>
durch die Schwerbeweglichkeit des Halses sich leicht er-<lb/>
klären läßt, und die meisten Rippen einer Seite sind<lb/>
mit denen der andern verwachsen, ohne, wie bei andern<lb/>
verwandten Thieren, durch ein Zwischenstück verbunden<lb/>
zu sein. Bei den großen Augen des Thieres tritt auch<lb/>
hier wieder eine sonderbare Eigenthümlichkeit hervor; der<lb/>
Augapfel ist nämlich dermaßen durch ein, mit körnigen<lb/>
Schuppen besetztes Augenlid bedeckt, daß nur eine kleine<lb/>
Öffnung von zwei bis drei Linien übrig bleibt. Hierzu<lb/>
kommt noch die auffallende Erscheinung, daß nicht wie bei<lb/>
andern Thieren beide Augen sich immer zugleich bewegen,<lb/>
sondern jedes Auge für sich eine beliebige Richtung neh-<lb/>
men kann. Nicht minder auffallend ist der Bau der<lb/>
Zunge dieses Thieres. Es kann dieselbe augenblicklich<lb/>
mehre Zoll lang aus dem Maule herausschnellen und<lb/>
ebenso rasch wieder einziehen, nachdem es ein Jnsekt<lb/>
damit erfaßt hat. Dies scheint durch ein Umlegen der<lb/>
Zunge zu geschehen und nicht, wie man sonst wol<lb/>
glaubte, durch eine klebrige Feuchtigkeit an ihrer<lb/>
Spitze.</p><lb/>
        <p>Wir haben schon erwähnt, daß das Chamäleon<lb/>
von Jnsekten lebt. Die Alten glaubten indeß, es er-<lb/>
nähre sich blos durch Luft, eine Meinung, die vielleicht<lb/>
daher entstanden ist, daß diese Thiere, gleich andern<lb/>
Reptilien, sehr lange ohne Nahrung leben können, viel-<lb/>
leicht auch daher, daß die Lungen des Chamäleons so<lb/>
außerordentlich entwickelt sind. Sie erscheinen nämlich<lb/>
als ein paar große Blasen, welche noch üderdies nach<lb/>
hinten zu verlängert sind und dem Thiere äußerlich ei-<lb/>
nen großen Umfang geben, während sie dessen Gewicht<lb/>
so sehr vermindern, daß es mit der Größe in gar kei-<lb/>
nem Verhältnisse mehr steht. Dabei sind die Wände der<lb/>
Brust so dünn, daß das Chamäleon in der Zeit, wo<lb/>
es seine Lunge recht mit Luft gefüllt hat, fast durch-<lb/>
scheinend wird.</p><lb/>
        <p>Diese Thiere haben außer den bereits erwähn-<lb/>
ten noch mehre auffallende Eigenschaften, und wir<lb/>
müssen noch eine der merkwürdigsten anführen, welche<lb/>
unter allen immer die größte Aufmerksamkeit erregt<lb/>
hat und sogar zu dem Sprüchworte Veranlassung gab:<lb/>
&#x201E;er ist ein Chamäleon&#x201C;, oder: &#x201E;er ändert die Far-<lb/>
ben wie ein Chamäleon&#x201C;. Bevor wir jedoch davon weiter<lb/>
sprechen, müssen wir zuerst noch die Haut dieses Thie-<lb/>
res betrachten. Diese ist überall mit kleinen körnigen,<lb/>
verschieden gebildeten Schuppen bedeckt, welche hier und<lb/>
da eine erweiterte oder verlängerte Gestalt annehmen<lb/>
und damit die Kämme u. s. w. bilden, deren bereits<lb/>
oben gedacht wurde. Die Farbe der Haut ist bei jeder<lb/>
Art verschieden, doch eben nicht auffallend, indem sich<lb/>
auf derselben nur undeutliche Flecke und marmorartige<lb/>
Zeichnungen finden. Jn dieser Beziehung hat das Thier<lb/>
nichts Ausgezeichnetes, wol aber hinsichtlich der Fähig-<lb/>
keit, seine eigenthümliche Farbe fast augenblicklich zu ver-<lb/>
ändern. Gewöhnlich ist die Farbe ein schmuziges Grau-<lb/>
grün, das sich aber unter Umständen in ein mehr oder<lb/>
weniger helles Gelb, in ein dunkles, mehr oder minder in<lb/>
das Violette fallendes Grün, in ein mehr oder minder<lb/>
dunkles Braun, ja selbst in Schwarz verändert.</p><lb/>
        <p>Eine so auffallende Erscheinung mußte nothwendig<lb/>
zur Beobachtung reizen und hat die abweichendsten Er-<lb/>
klärungsversuche hervorgerufen, die wir hier nicht näher<lb/>
anführen wollen. Der neueste Erklärungsversuch rührt<lb/>
von dem englischen Naturforscher Milne Edwards und<lb/>
erläutert die Sache am meisten. Die Untersuchungen<lb/>
dieses Gelehrten haben nämlich dargethan, daß sich in<lb/><cb n="2"/>
der Haut des Chamäleons zwei verschiedene, in eigen-<lb/>
thümliche Gefäße vertheilte und übereinander liegende<lb/>
Farbenstoffe befinden, welche sich gleichzeitig oder auch<lb/>
nacheinander zeigen können, indem einer sich hinter dem<lb/>
andern verbirgt; der eine ist mehr oder weniger gelblich<lb/>
oder weißlich grau, der andere violett, roth und schwärz-<lb/>
lich, und zwar liegt dieser letztere tiefer in der Haut,<lb/>
als jener. Jmmer bleiben aber noch, ungeachtet dieser<lb/>
Thatsache, manche Erscheinungen bei dem Farbenwechsel<lb/>
unerklärt.</p><lb/>
        <p>Übrigens scheinen diese Farbenveränderungen mit<lb/>
dem gesunden und krankhaften Zustande des Thieres<lb/>
verknüpft zu sein, denn es gibt Zustände, in welchen<lb/>
das Thier nicht mehr im Stande zu sein scheint, sol-<lb/>
chen Wechsel hervorzubringen. Dies konnte man z. B.<lb/>
an einem der beiden Chamäleons bemerken, welche vor<lb/>
einigen Jahren zu Paris gezeigt wurden. Das eine<lb/>
blieb unbeweglich in einer Ecke seines Käfigs und zeigte<lb/>
eine einförmige kupfergrüne Farbe; alle Umstände, welche<lb/>
bei seinem Gefährten einen Farbenwechsel hervorbrachten,<lb/>
hatten hier keine Wirkung. Ebenso wenig als man<lb/>
bis jetzt vermocht hat, die Weise, wodurch der Farben-<lb/>
wechsel entsteht, zu erklären, kann man den Grund an-<lb/>
geben, warum er statthat. Das Chamäleon pflanzt<lb/>
sich durch Eier fort, aus welchen die Jungen, vollkom-<lb/>
men wie die Alten gebildet, ausschlüpfen. Es konnte<lb/>
nicht fehlen, daß ein so merkwürdiges Thier wie das<lb/>
Chamäleon, das den Alten schon bekannt war, zu<lb/>
einer Menge Fabeln Veranlassung gab, auch z. B., wenn<lb/>
eine Schlange, sein Hauptfeind, es zu verschlingen drohe,<lb/>
so nehme es schnell einen Stock quer in das Maul und<lb/>
sei nun sicher, ein solches Hinderniß entgegengestellt zu<lb/>
haben, daß auch der weiteste Rachen ihm keine Gefahr<lb/>
mehr bringe.</p><lb/>
        <p>Das Chamäleon ist ein träges Thier, das gleich<lb/>
dem Faulthiere, da es weder leicht gehen, noch weni-<lb/>
ger laufen kann, sich immer an Baumäste oder an<lb/>
Steine angeklammert, wobei es neben den Klauen auch<lb/>
den Schwanz zu Hülfe nimmt. Unbeweglich sitzt es<lb/>
so stundenlang, und nur der Hunger oder ein erschei-<lb/>
nendes Jnsekt bringt es aus seiner Trägheit. Wenn<lb/>
man es ergreift, so versucht es kaum sich mit einem<lb/>
Bisse zu wehren, den man übrigens nicht zu fürchten<lb/>
braucht, da er weder heftig noch gefährlich ist. Man<lb/>
findet diese Thiere nur in den heißen Gegenden der al-<lb/>
ten Welt und in Europa nur in Spanien. Nirgend<lb/>
fürchtet man sie, aber auch nirgend benutzt man sie zu<lb/>
irgend einem Zwecke, denn medicinische Kräfte haben auch<lb/>
diejenigen Theile nicht, welchen man sie früher zu-<lb/>
schrieb.</p><lb/>
        <p>Von den verschiedenen Arten stellt unsere Abbil-<lb/>
dung, die gemeinste, das sogenannte afrikanische Cha-<lb/>
mäleon dar; es ist zugleich die am weitesten verbreitete<lb/>
und am längsten bekannte, die sich von andern beson-<lb/>
ders durch den Rückenkamm, das vorspringende Hinter-<lb/>
haupt und die einfach gezähnten Augenbogenkämme, welche<lb/>
sich vorn auf der Schnauze vereinigen, auszeichnet. Die<lb/>
Färbung dieses Thieres ist gelblich, mit bräunlichen un-<lb/>
regelmäßigen Querbinden. Bei jungen Thieren bemerkt<lb/>
man an den Seiten des Rückens eine Reihe gelblicher,<lb/>
schwarz gesäumter Flecke, welche bei zunehmendem Alter<lb/>
sich in eine gelbliche Linie verwandeln. Diese Art ist<lb/>
sehr gemein an den Küsten des Mittelmeeres, in Ägyp-<lb/>
ten, in der Berberei, und findet sich auch im südlichen<lb/>
Spanien.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <cb type="end"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[206/0006] Das Pfennig=Magazin. sehr großen Augenhöhlen auf, welche nur durch eine häutige Scheidewand voneinander getrennt sind. Die Halswirbel sind zum Theil miteinander verwachsen, wo- durch die Schwerbeweglichkeit des Halses sich leicht er- klären läßt, und die meisten Rippen einer Seite sind mit denen der andern verwachsen, ohne, wie bei andern verwandten Thieren, durch ein Zwischenstück verbunden zu sein. Bei den großen Augen des Thieres tritt auch hier wieder eine sonderbare Eigenthümlichkeit hervor; der Augapfel ist nämlich dermaßen durch ein, mit körnigen Schuppen besetztes Augenlid bedeckt, daß nur eine kleine Öffnung von zwei bis drei Linien übrig bleibt. Hierzu kommt noch die auffallende Erscheinung, daß nicht wie bei andern Thieren beide Augen sich immer zugleich bewegen, sondern jedes Auge für sich eine beliebige Richtung neh- men kann. Nicht minder auffallend ist der Bau der Zunge dieses Thieres. Es kann dieselbe augenblicklich mehre Zoll lang aus dem Maule herausschnellen und ebenso rasch wieder einziehen, nachdem es ein Jnsekt damit erfaßt hat. Dies scheint durch ein Umlegen der Zunge zu geschehen und nicht, wie man sonst wol glaubte, durch eine klebrige Feuchtigkeit an ihrer Spitze. Wir haben schon erwähnt, daß das Chamäleon von Jnsekten lebt. Die Alten glaubten indeß, es er- nähre sich blos durch Luft, eine Meinung, die vielleicht daher entstanden ist, daß diese Thiere, gleich andern Reptilien, sehr lange ohne Nahrung leben können, viel- leicht auch daher, daß die Lungen des Chamäleons so außerordentlich entwickelt sind. Sie erscheinen nämlich als ein paar große Blasen, welche noch üderdies nach hinten zu verlängert sind und dem Thiere äußerlich ei- nen großen Umfang geben, während sie dessen Gewicht so sehr vermindern, daß es mit der Größe in gar kei- nem Verhältnisse mehr steht. Dabei sind die Wände der Brust so dünn, daß das Chamäleon in der Zeit, wo es seine Lunge recht mit Luft gefüllt hat, fast durch- scheinend wird. Diese Thiere haben außer den bereits erwähn- ten noch mehre auffallende Eigenschaften, und wir müssen noch eine der merkwürdigsten anführen, welche unter allen immer die größte Aufmerksamkeit erregt hat und sogar zu dem Sprüchworte Veranlassung gab: „er ist ein Chamäleon“, oder: „er ändert die Far- ben wie ein Chamäleon“. Bevor wir jedoch davon weiter sprechen, müssen wir zuerst noch die Haut dieses Thie- res betrachten. Diese ist überall mit kleinen körnigen, verschieden gebildeten Schuppen bedeckt, welche hier und da eine erweiterte oder verlängerte Gestalt annehmen und damit die Kämme u. s. w. bilden, deren bereits oben gedacht wurde. Die Farbe der Haut ist bei jeder Art verschieden, doch eben nicht auffallend, indem sich auf derselben nur undeutliche Flecke und marmorartige Zeichnungen finden. Jn dieser Beziehung hat das Thier nichts Ausgezeichnetes, wol aber hinsichtlich der Fähig- keit, seine eigenthümliche Farbe fast augenblicklich zu ver- ändern. Gewöhnlich ist die Farbe ein schmuziges Grau- grün, das sich aber unter Umständen in ein mehr oder weniger helles Gelb, in ein dunkles, mehr oder minder in das Violette fallendes Grün, in ein mehr oder minder dunkles Braun, ja selbst in Schwarz verändert. Eine so auffallende Erscheinung mußte nothwendig zur Beobachtung reizen und hat die abweichendsten Er- klärungsversuche hervorgerufen, die wir hier nicht näher anführen wollen. Der neueste Erklärungsversuch rührt von dem englischen Naturforscher Milne Edwards und erläutert die Sache am meisten. Die Untersuchungen dieses Gelehrten haben nämlich dargethan, daß sich in der Haut des Chamäleons zwei verschiedene, in eigen- thümliche Gefäße vertheilte und übereinander liegende Farbenstoffe befinden, welche sich gleichzeitig oder auch nacheinander zeigen können, indem einer sich hinter dem andern verbirgt; der eine ist mehr oder weniger gelblich oder weißlich grau, der andere violett, roth und schwärz- lich, und zwar liegt dieser letztere tiefer in der Haut, als jener. Jmmer bleiben aber noch, ungeachtet dieser Thatsache, manche Erscheinungen bei dem Farbenwechsel unerklärt. Übrigens scheinen diese Farbenveränderungen mit dem gesunden und krankhaften Zustande des Thieres verknüpft zu sein, denn es gibt Zustände, in welchen das Thier nicht mehr im Stande zu sein scheint, sol- chen Wechsel hervorzubringen. Dies konnte man z. B. an einem der beiden Chamäleons bemerken, welche vor einigen Jahren zu Paris gezeigt wurden. Das eine blieb unbeweglich in einer Ecke seines Käfigs und zeigte eine einförmige kupfergrüne Farbe; alle Umstände, welche bei seinem Gefährten einen Farbenwechsel hervorbrachten, hatten hier keine Wirkung. Ebenso wenig als man bis jetzt vermocht hat, die Weise, wodurch der Farben- wechsel entsteht, zu erklären, kann man den Grund an- geben, warum er statthat. Das Chamäleon pflanzt sich durch Eier fort, aus welchen die Jungen, vollkom- men wie die Alten gebildet, ausschlüpfen. Es konnte nicht fehlen, daß ein so merkwürdiges Thier wie das Chamäleon, das den Alten schon bekannt war, zu einer Menge Fabeln Veranlassung gab, auch z. B., wenn eine Schlange, sein Hauptfeind, es zu verschlingen drohe, so nehme es schnell einen Stock quer in das Maul und sei nun sicher, ein solches Hinderniß entgegengestellt zu haben, daß auch der weiteste Rachen ihm keine Gefahr mehr bringe. Das Chamäleon ist ein träges Thier, das gleich dem Faulthiere, da es weder leicht gehen, noch weni- ger laufen kann, sich immer an Baumäste oder an Steine angeklammert, wobei es neben den Klauen auch den Schwanz zu Hülfe nimmt. Unbeweglich sitzt es so stundenlang, und nur der Hunger oder ein erschei- nendes Jnsekt bringt es aus seiner Trägheit. Wenn man es ergreift, so versucht es kaum sich mit einem Bisse zu wehren, den man übrigens nicht zu fürchten braucht, da er weder heftig noch gefährlich ist. Man findet diese Thiere nur in den heißen Gegenden der al- ten Welt und in Europa nur in Spanien. Nirgend fürchtet man sie, aber auch nirgend benutzt man sie zu irgend einem Zwecke, denn medicinische Kräfte haben auch diejenigen Theile nicht, welchen man sie früher zu- schrieb. Von den verschiedenen Arten stellt unsere Abbil- dung, die gemeinste, das sogenannte afrikanische Cha- mäleon dar; es ist zugleich die am weitesten verbreitete und am längsten bekannte, die sich von andern beson- ders durch den Rückenkamm, das vorspringende Hinter- haupt und die einfach gezähnten Augenbogenkämme, welche sich vorn auf der Schnauze vereinigen, auszeichnet. Die Färbung dieses Thieres ist gelblich, mit bräunlichen un- regelmäßigen Querbinden. Bei jungen Thieren bemerkt man an den Seiten des Rückens eine Reihe gelblicher, schwarz gesäumter Flecke, welche bei zunehmendem Alter sich in eine gelbliche Linie verwandeln. Diese Art ist sehr gemein an den Küsten des Mittelmeeres, in Ägyp- ten, in der Berberei, und findet sich auch im südlichen Spanien.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig169_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig169_1836/6
Zitationshilfe: Das Pfennig=Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. Nr. 169. Leipzig (Sachsen), 25. Juni 1836, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_pfennig169_1836/6>, abgerufen am 22.11.2024.